Ganz ehrlich: Ich verstehe diese ganze Beschneidungsdiskussion nicht. Wieso soll deshalb kein jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland mehr möglich sein? Die letzte rechtmäßige Steinigung auf deutschem Boden liegt – zum Glück – auch schon einige Zeit zurück, dennoch ging und geht das Leben irgendwie weiter. Ich selbst lebe seit geraumer Zeit recht zufrieden mit meiner Vorhaut, möchte sie nicht missen, und dennoch bin ich mir sicher: Gott liebt mich. Jedenfalls spricht einiges dafür.
Monat: Juli 2012
Über Berge und blaue Rauten
Liebe Schweizer,
es ist an der Zeit, ein Loblied auf euch und euer Land anzustimmen. Wer denkt nicht als erstes an eure Berge, wenn er Schweiz hört, das Matterhorn, den Gotthard, dessen Schoß Rhein und Rhone gebiert; eure Almen werden nicht erst seit Heidi gerühmt und besungen, im Sommer grün, im Winter weiß und als Skigebiete beliebt. Berühmt sind eure Löcher, seien es gelbe im Emmentaler Käse oder schwarze im Genfer CERN. Neben dem Käse, sei es am Stück oder als Fondue, verwöhnt ihr unsere Geschmackssinne mit Rösti, Toblerone und Ricola, und auch mit Müsli – wer hats erfunden? Die Schweizer!
Wie arm wäre die menschliche Kultur ohne Emil, Kurt Felix oder DJ Bobo, jeder richtige Junge hat ein original Schweizer Taschenmesser in der Hosentasche. Und dass ihr so sprecht, als littet ihr unter einer fortgeschrittenen Rachenentzündung, macht euch nur noch liebenswerter. Euer Eisenbahnwesen ist vorbildlich, der öffentliche Personen-Nahverkehr ermöglicht jedem noch so kleinen Dorf die Teilnahme an der Eidgenossenschaft.
Apropos Nahverkehr: Auch das Liebesleben ist euch ein wichtiges Anliegen, welches nicht an eurer Landesgrenze endet, sondern auch die Menschen nördlich des Bodensees einbezieht. Menschen wie mich. Dies beweisen die Angebote eurer Swiss-Apotheke, welche nicht müde wird, mir nahezu täglich per elektronischer Post die bekannte blaue Raute zu offerieren; hierfür bedanke ich mich sehr.
Aber mal unter uns: Ja, ich bin keine zwanzig mehr, daher kann ich wirklich nicht mehr so oft wie früher, und will es auch nicht unbedingt, man hat ja noch anderes zu tun, mit fortschreitendem Alter verschieben sich die Schwerpunkte etwas. Nur: müsst ihr mir das unbedingt täglich unter die Nase reiben? Daher eine kleine Bitte: Ich weiß eure Fürsorge wirklich zu schätzen, doch wäre ich euch dankbar, von weiteren Angeboten vorläufig abzusehen. Bei Bedarf werde ich eine Packung bestellen, ganz bestimmt, versprochen, eure Adresse habe ich ja nun.
Eines würde mich zum Schluss noch interessieren: Das Angebot der Swiss-Apotheke umfasst einen Kundendienst 24/7. Bedeutet das, ich kann wirklich jederzeit anrufen, wenn das Ding mal wieder nicht stehen bleiben will wie ein Murmeltier in Wachtstellung, sei es auf heimischer Matratze oder im Darkroom? Was erwartet mich im Falle eines Anrufs, säuselt mir eine erotische Stimme kleine animierende Sauereien ins Ohr, bis das Blut in den Lenden pocht? Falls ja, sollten wir in Kontakt bleiben. Ich melde mich!
Gelesen: Zwischenmenschliches
Manchmal lese ich einen Text, ein Buch, einen Zeitungsartikel, ein Interview, dann steht da plötzlich dieser Satz, von dem ich denke: genau, das ist es, das könnte direkt aus meinen Gedankengängen auf unbekanntem Weg in die Feder des Autors geflossen sein! So geschehen heute beim lesen des SPIEGEL der vergangenen Woche. Auf den Seiten 47 bis 49 ist dort ein Gespräch mit dem Piraten und Nerd Alexander Morlang abgedruckt. Inhaltlich möchte ich gar nicht darauf eingehen, vielmehr ist es diese eine Antwort, die für mich so viel Wahrheit enthält, dass sie mir würdig erscheint, hier wiedergegeben zu werden, und die auch aus dem Zusammenhang des Interviews gerissen nichts an ihrer Wahrhaftigkeit einbüßt. Lesen Sie selbst:
…
SPIEGEL: Was ist so anstrengend an der „zwischenmenschlichen Interaktion“?
Morlang: Alles: Menschen, die komische Dinge erzählen, die völlig uninteressant sind. Menschen, die sich mit Fußball beschäftigen oder sogar selbst Fußball spielen. Menschen, die in einer komischen Welt leben, in der völliger Unsinn wichtig ist.
…
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Über Bälle und Kugeln
Niedergeschrieben am 18. Juli 2012 bei 30 Grad im Schatten in Malaucène, Frankreich
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Bekanntlich hege ich eine gesunde Antipathie gegen Sportarten, die im weitesten Sinne mit Bällen zu tun haben, auch wurde mir das Gen für das Streben nach sportlichen Siegen und Erfolgen versehentlich nicht eingebaut.
Diese Abneigung, erwachsen seit frühster Jugend in leidvollen Schulsportstunden mit deprimierenden Erfahrungen beim Mannschaften wählen, muss ich ein wenig revidieren, seit ich im letzten Provence-Urlaub zum ersten Mal Pétanque spielte, auch bekannt als Boule, gewissermaßen die Nationalsportart der Südfranzosen. Zwar spielt man das auch nicht mit Bällen, dafür aber mit Kugeln, also Bällen nicht gänzlich unähnlichen Gegenständen, konkret, einer kleinen Holzkugel, Cochonnet beziehungsweise Schweinchen genannt, und schweren Spielkugeln aus Metall.
Die Spielregeln sind unkompliziert: erst wird das Schweinchen in den Staub geworfen, dann die Metallkugeln hinterher; derjenige gewinnt, dessen Kugeln dem Schweinchen am nächsten platziert werden konnten, grob und etwas vereinfacht beschrieben. Auch der körperliche Einsatz hält sich in erträglichen Grenzen, die größte Anstrengung liegt darin, die schweren Kugeln zum Boule-Platz und wieder zurück zu tragen. Ins Schwitzen, oft eine mehr oder weniger erwünschte Begleiterscheinung sportlicher Betätigung, sieht man einmal von Angeln, Schach oder Halma ab, gerät man beim Pétanque allenfalls aufgrund starker Sonneneinstrahlung, dem entgegenzuwirken mit kühlen Getränken (Pastis, Roséwein, Bier) von erfahrenen Spielern ausdrücklich empfohlen wird, zudem kann sich schon mal eine hitzige Diskussion darüber entfachen, welche Kugel denn nun näher am Cochonnet liegt, auch das gehört unbedingt dazu.
Insgesamt, unter Abwägung aller Vor- und Nachteile, erscheint mir Pétanque geeignet, mich auf meine alten Tage doch noch an die aktive Ausübung einer Mannschaftssportart heranzuführen. Jetzt heißt es dranbleiben, trainieren, auch und gerade nach dem Urlaub. Und irgendwann werden sich die Nachbarn von unten an das Aufschlagen der Kugeln in der Auslegeware gewöhnt haben. Oder wegziehen.
Hier sehen Sie das Ergebnis einer besonders knappen Partie mit Diskussionsbedarf. Wenn man sehr genau hinschaut, erkennt man das Schweinchen (Pfeil). Nein, nicht das mit den Sandalen!
Zu Hause
Zwei Wochen Ausnahmenzustand: Temperaturen um die dreißig Grad, während Deutschland bei Regen friert, morgens im Bett bleiben, so lange man mag, Frühstück im Höfchen am Haus, faule Tage auf der Dachterrasse, lesend, ein paar Touren in die Umgebung, Dörfer und Landschaften wie Postkartenmotive, Weingüter besuchen, Wein probieren, kaufen, abends gutes Essen, im Restaurant mit der unglaublichen Aussicht auf das Städtchen und die Berge, oder mit gutem Wein zu Hause, Tage in kurzen Hosen und T-Shirts. Keine Gedanken ans Büro, das weit weg ist.
Letzter Urlaubstag, packen, die übliche Urlaubsendemelancholie, noch einmal essen gehen, der letzte Absacker in ,unserer‘ Bar, Abschied, a bientôt, und wieder die Idee: Wie wäre es, für immer hier zu bleiben? Aber darüber ließ ich mich ja schon einmal aus: http://stancerblog.blog.de/2010/08/28/gedanken-urlaubsende-9267276/
Nach über zehn Stunden Autofahrt wieder hier, zu Hause, vertrauter Geruch, die Wohnung erst noch etwas fremd, aber das legt sich schnell; auspacken, ankommen, eine Flasche des mitgebrachten Weins öffnen, müde, schlafen, die erste Nacht im eigenen Bett.
Zurück im Regelzustand: heute also nun der wirklich letzte Urlaubstag, Sonntag. Die Sonne scheint, dieselbe wie über der Provence, mit uns ist das schöne Wetter zurück gekommen (wofür Sie uns gerne danken dürfen), T-Shirts und kurze Hosen auch wieder in Bonn. Auch hier gibt es Postkartenmotive, man muss nur hinschauen.
Das einzige, was den Tag etwas trübt, ist der Gedanke an morgen, erster Arbeitstag, frühes Aufstehen, E-Mail-Flut. Aber das ist jetzt noch relativ weit weg, und auch der Tag wird vorüber gehen, ganz bestimmt.
Und es sind ja nur sechs Wochen bis zum nächsten Urlaub.

