Woche 9/2025: Für etwas Punk ist es nie zu spät

Montag: Ohne Zweifel erleichtert moderne Technik die Bürokommunikation erheblich. Was jedoch meine Geduld regelmäßig erheblich strapaziert: Wenn man mich per Teams anruft, dann seinen Bildschirm teilt und erst dann anfängt, zu suchen, was man mir zeigen will. Allein dass auch das in die gut bezahlte Arbeitszeit fällt, hält mich zumeist von Unmutsäußerungen ab.

Vormittags entdeckte ich ein Problem, das nicht bedrohlich ist, weder sind Menschen noch Sachgüter in Gefahr, meinen Arbeitsplatz wird es mich voraussichtlich auch nicht kosten. Dennoch ist es lästig, ich weiß noch keine Lösung, und die muss in dieser Woche gefunden werden.

Zumal es eine sehr kurze Arbeitswoche wird, die wegen des bevorstehenden Karnevalsfinales bereits am Mittwoch eob endet. Hoffentlich. Vielleicht. Denn: Meine Lieben kränkeln, den einen plagt die Erkältung, den anderen malade Mandeln. Somit nur eine Frage der Zeit, bis es auch mich wieder erwischt. Erstes Hüsteln bricht sich schon Bahn.

Dank Herrn Tommi weiß ich jetzt, dass ich hier Thin Content produziere. Was das ist, beschreibt er (bzw. die künstliche Intelligenz) wie folgt:

„Thin Content“ bezeichnet Inhalte auf Blogs oder Websites, die nur wenig Mehrwert für die Leser bieten. Diese Inhalte sind oft zu kurz, oberflächlich oder generisch und bieten keine tiefergehenden Informationen, Analysen oder neue Perspektiven. Suchmaschinen wie Google bewerten solche Inhalte meist negativ, da sie den Nutzern keinen echten Nutzen bieten.

Das trifft es ziemlich genau. Schön, dass Sie hier dennoch lesen.

Dienstag: Die Nacht war unruhig, von der Seite kam immer wieder krankheitsbedingtes Husten, Röcheln und Stöhnen, das ist ausdrücklich kein Vorwurf. Während einer Wachphase schlichen sich Gedanken über das gestern erwähnte Büroproblem an, was zum Glück nur selten vorkommt. Immerhin brachten sie die Idee einer möglichen Lösung mit, über die ich wieder einschlief.

Den Fußweg ins Werk legte ich in Erwartung milder Luft ohne Schal und Handschuhe zurück, was sich als etwas voreilig-kühl erwies, doch ich ließ mir nichts anmerken, zumal die Rheinuferläufer schon wieder überwiegend in kurzen Hosen das wintermüde Auge erfreuen.

Morgens

Das Büroproblem ließ sich vormittags mit wenig Aufwand in kurzer Zeit lösen, was wieder zeigt: Wenn man nicht weiß, was zu tun ist, erstmal liegenlassen und nicht weiter darüber nachdenken; das Hirn (oder welches Organ auch immer) findet oft selbstständig den Weg. Ob es wirklich gelöst ist, zeigt sich erst kommende Woche. Wenn nicht, wird es auch dafür eine Lösung geben.

Nachmittags schlossen sich automatisch die Brandschutztüren auf der Etage, was auf einen Feueralarm hindeuten könnte. Das Gute: Der Alarm trat nicht ein. Das Schlechte: Immer wenn einer die Tür passierte, fiel sie anschließend mit lautem Donnern wieder zu.

Auf dem Rückweg überholte ich am Rheinufer ein älteres Paar, sie mit Rollator, er vorweg mit altersgerechter Schirmmütze. Erst im Vorbeigehen nahm ich die blauen Haare wahr, die unter der Mütze hervorschimmerten. Für etwas Punk ist es nie zu spät.

Aus der Zeitung:

(General-Anzeiger Bonn)

Der Tisch muss ganz schön groß sein.

Rätsel am Wegesrand (Kleiner Tipp: Name einer Hotelkette)

Mittwoch: Jemand unbekanntes schaffte es, mich in derselben Mail erst zu siezen, dann zu duzen. Offensichtlich hatte er sie vor dem Absenden nicht noch mal durchgelesen, bereits letzte Woche äußerte ich Missfallen gegen derlei Liederlichkeiten im Schriftlichen. Da auch das geäußerte Anliegen weitgehend unsinnig war, verzichtete ich auf eine Antwort.

Ansonsten freue ich mich nun auf und über fünf arbeitsfreie Tage. Abends wären wir in Kölsch- und Reibekuchenangelegenheiten bei der befreundeten Karnevalsgesellschaft gewesen, deren Zeughaus in naher Fußläufigkeit zu unserer Wohnung liegt. Da der Liebste weiterhin ein wenig kränkelt, blieben wir zu Hause. Das ist überhaupt nicht schlimm, ab morgen gibt es genug Alaaf.

Meine derzeitige Bettlektüre ist das wundervolle Buch „In einem Zug“ von Daniel Glattauer, das mir die liebe Freundin zum Geburtstag geschenkt hat. Ich empfehle es sehr, obwohl ich erst ungefähr ein Drittel davon gelesen habe. Es sind Sätze wie folgende über den Gebrauch von Datengeräten, die mich beim Lesen immer wieder lächeln lassen:

„Ja, die Handysucht hat etwas Anmutiges. Während uns vor Betrunkenen ekelt, uns Drogenjunkies leid tun und uns um Borderliner angst und bange wird, strahlen die Onliner, selbst deren hoffnungsloseste Fälle, stets friedlichen Gleichmut und ein harmonisches Einssein mit sich, der gerade angesagten Verschwörung und dem Warenkorb aus.“

Donnerstag: Heute war Weiberfastnacht (nicht, wie manche es nennen, Altweiberfastnacht, junge feiern auch), wie an diesem Tag üblich bereicherte unsere Karnevalsgesellschaft per Bustour mehrere Behördenfeiern und eine Sitzung mit unseren Auftritten. Meine Lieben nahmen nicht teil, da sie noch nicht völlig genesen sind und sich schonen wollen für den Godesberger Zoch am Sonntag. Da der erste Auftrittsort näher an unserer Wohnung lag als am Zeughaus, dem Ausgangspunkt der Tour, ging ich bei mildem Sonnenschein direkt dorthin. Mit meiner Uniform fiel ich kaum auf, da viele Menschen in der Stadt mehr oder weniger kostümiert waren zuzüglich denen, bei denen das stets unklar ist.

Mögliches Tagesmotto

Nach dem ersten Auftritt holten wir mit dem Bus unsere Junggardisten von der Schule ab, wo sie heute (in Uniform) eine Klausur schreiben mussten; laut Zeitungsbericht eine erzieherische Maßnahme, um die Jugendlichen an diesem Tag von frühzeitigem Alkoholverzehr abzulenken.

Nach dem letzten Auftritt fuhren wir zurück zum Zeughaus, wo der Abend gemeinsam ausklang und für mich nicht sehr spät und nur unwesentlich alkoholisiert endete. An der Bahnhaltestelle geriet ich anschließend in eine Situation: Während ich wartete, entstieg einer Bahn am Bahnsteig gegenüber ein augenscheinlich migrationshintergründiger Mann, daraufhin urinierte er deutlich schwankend in eine Ecke, während er Unverständliches brabbelte. Nachdem er fertig und (immerhin) untenrum wieder alles eingepackt war, entdeckte er mich. Vielleicht wegen der auffälligen Uniform, vielleicht, weil ich der einzige auf dem Bahnsteig war. Nun sprach er mich in unverständlicher Weise an, mit etwas Phantasie konnte man es wie „Warte, ich komme rüber“ deuten. Laut Anzeige noch fünf Minuten bis zur Ankunft meiner Bahn, das konnte er trotz vorübergehender Gehbehinderung locker schaffen. Und also wankte er zum Ende seiner Bahnsteigs, überquerte die Gleise, wechselte auf meinen und kam auf mich zu getorkelt. Noch vier Minuten. Ein Entkommen war nicht möglich, da der Bahnsteig nur über den einen Zu- bzw. Abgang verfügt. Als erstes hielt er mir die Faust hin, nicht als Drohung, sondern wie es sich während der Coronazeit als Handschlagsurrogat etabliert hat. Da ich an jeglicher Berührung mit dem Kerl uninteressiert war, ignorierte ich die Geste, was ihn offensichtlich aufbrachte, von nun an wurde ich in weiterhin unverständlichen Worten beschimpft. Ich möchte nicht ausschließen, dass er sich bemühte, deutsch zu sprechen, mit stark alkoholischem Dialekt, ab und zu erkannte ich ein Wort; wiederum mit Phantasie bezichtigte er mich womöglich der Fremdenfeindlichkeit. Die einfahrende Bahn brachte nicht die sofortige Erlösung, denn er stieg hinter mir ein (in dieselbe Richtung, aus der er kurz zuvor gekommen war), pöbelte in der Bahn herum, schaute und deutete dabei immer wieder vorwurfsvoll in meine Richtung. Alle anderen Fahrgäste gaben sich unbeteiligt, widmeten sich den Datengeräten. An der nächsten Haltestelle stieg er aus. Ich hatte nicht eine Sekunde daran gedacht, er könnte ein Messer zücken, darauf kam erst der Geliebte, als ich später zu Hause von dem Vorfall erzählte. Angst hatte ich nicht, empfand das ganze nur als überaus lästig.

Freitag: Aufgrund der Erfahrungen vergangener Jahre hatte ich für heute Urlaub genommen. Das wäre nicht nötig gewesen, dank umsichtiger Biereinnahme am Vorabend erwachte ich unverkatert und hätte problemlos ins Büro fahren können. Das weiß man vorher nie, doch es gibt keinen Grund, ohne Not einen gebuchten Urlaubstag nicht anzutreten. Der Plan für den Tag: eine Wanderung. Leider kündigte die Wetter-App ab dem Mittag länger anhaltenden Regen an, ungünstig zum Wandern. Um den Tag nicht gänzlich ungelüftet zu verbringen, beschloss ich nach dem Frühstück einen längeren Spaziergang zur Siegmündung, dort ist es recht idyllisch, nur, wie sich herausstellte, zurzeit stellenweise sehr matschig. Der Spaziergang wurde dann genauso lang wie die ursprünglich geplante Wanderung und die Schuhe mindestens so verschlammt. Etwas geregnet hat es zwischendurch auch, wenn auch nicht so viel wie erwartet. Auch das weiß man vorher nie.

Siegauen I
Siegauen II
Blick auf Graurheindorf gegenüber
Im Auenwald

Am frühen Abend half ich dem Liebsten, einen der Karnevalswagen für den Godesberger Zoch mit Kamelle zu beladen, auf dass meine Lieben am Sonntag was zu werfen haben, sofern sie wieder genesen sind, wovon nach jetzigem Stand auszugehen ist.

Samstag: Wesentliches Ereignis des Tages, also im Kleinen, nicht global gesehen, war die sogenannte Kamelleparty der Karnevalsgesellschaft im Zeughaus. Dabei wird niemand mir Naschwerk beworfen, vielmehr wird die erfolgreiche Beladung der Wagen mit selbigem für morgen gebührend begossen mit obergärigem Kölner Bier, dazu spielt das Musikcorps einige Lieder. In treuer Pflichterfüllung als Musiker nahm ich trommelnd und trinkend daran teil und blieb nicht allzu lange, da ich sonst womöglich nicht in der Lage gewesen wäre, diesen Wochenrückblick zu Ende zu bringen. Morgen werde ich voraussichtlich nicht dazu kommen, deshalb …

Sonntag: … erfolgt dieser Eintrag bereits am Samstag im Futur zwei. Wir werden unsonntäglich früh aufgestanden sein, da wir bereits morgens um viertel nach zehn gewaschen, rasiert und uniformiert in Bad Godesberg sein müssen. Nach dem großen Appell werden wir uns am Rathaussturm beteiligt haben, ehe mittags der Zoch beginnt, laut Prognose bei trockenem und mildem Wetter. Nach dem Zoch werden wir gemeinsam mit zwei anderen Gesellschaften im nicht einsturzgefährdeten Teil der Godesberger Stadthalle den Tag gefeiert haben.

Mögliche noch nicht vorhergesehene Erwähnenswertigkeiten reiche ich im Präteritum oder Plusquamperfekt nach.

Zum guten Schluss: Erfreulich in dieser Woche waren die Gewissheit, dass die FDP raus ist, ein gelöstes Büroproblem und viele Karnevalsfreuden.

***

Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche. Ab Dienstag kein Karneval mehr, versprochen. Alaaf!

Woche 7/2024: Aschermittwochsgesabbel, Büromöbelkorrekturen und Wodka mit Gurkenwasser

Montag: In der Nachlese zu gestern verlief der Godesberger Zoch ziemlich genauso wie am vergangenen Samstag vorausgeschrieben. Ergänzend zu erwähnen ist eine Hautrötung am rechten Oberschenkel von der Größe des Saarlands auf einer Karte im Maßstab eins zu einer Million, hervorgerufen vermutlich durch die Trommel, die sich unbemerkt während des Marsches an dieser Stelle rieb. Ansonsten war mein Trommelspiel nicht perfekt, für das erste Mal im Zoch aber wohl passabel, wenngleich ich am Ende froh war, das Teil endlich abnehmen zu können.

Ulrich Lüke vom Bonner General-Anzeiger über den politischen Aschermittwoch, dieses alljährlich aufgeführte Kasperletheater für Große: »Erfunden wurde das Ganze nicht, um Gemeinsames zu betonen, sondern die Differenzen. So verstanden ist für die FDP derzeit eigentlich immer Aschermittwoch.«

Heute ist Rosenmontag. Geplant war es ganz anders: Gegen vierzehn Uhr ein bis zwei Stündchen den Bonner Zoch anschauen, der nahe unserer Wohnung verläuft, dabei ein bis drei Kölsch. – Gegen dreizehn Uhr erreichte mich die Anfrage, wo ich denn bliebe, man sei schon dort. Aus den zwei Stunden wurden gut vier, aus den maximal drei Kölsch … fragen Sie nicht. Übermenscht und überkölscht, gleichwohl zufrieden notiere ich diese Zeilen nach Rückkehr und freue mich auf die behagliche Ruhe im Büro ab morgen wieder.

Karnevalistischer Niederschlag
Ostwestfälischer Frohsinn in höchster Ausprägung

Dienstag: Morgens war der Rosenmontag in der Innenstadt noch nicht vollständig aufgekehrt, auch am Rheinufer waren noch die fleißigen Männer in Orange tätig. Ansonsten war es wieder recht vergnüglich, zu Fuß ans Werk zu gehen, wenn auch überraschend kühl, dafür optisch ansprechend.

Friedrichstraße
Rheinufer, auch in dieser Woche kann ich Ihnen das nicht ersparen

Nachmittags begann mein Hirnradio anlasslos, über Stunden diesen Karnevalsschlager mit der Prinzessin und dem Krokodil zu spielen, der in den letzten Wochen häufig zu hören war. Es hätte schlimmer kommen können, daher ließ ich es laufen und sang, zumal allein im Büro, mit. Aus wenig nachvollziehbaren Gründen dachte ich dabei an Poldi, den schönsten Jungdrachen der Welt aus Hallo Spencer, die Älteren kennen ihn vielleicht noch, und sang „… das Krokodil will dir fressen“. Vielleicht war in meinen Hirnwindungen der Rosenmontag auch noch nicht vollständig aufgekehrt.

Zu einer anderen Spezies mit Kr: Am späten Nachmittag ließ mich Kranichkreischen aufhorchen und -schauen, sie kreisten in größerer Zahl ohne erkennbare Formation über dem Viertel. Erst als ich auf dem Heimweg war, zogen sie in einem geradezu mustergültigen V über mich hinweg in Richtung Köln. Pass op, pass op …

Mittwoch: Auf die Tagesschau verzichtete ich heute Abend, um nicht das unerträgliche Aschermittwochsgesabbel von Lindner, Söder, Merz und all den anderen anhören zu müssen. Lieber hundert weitere Strophen des Krokodil-Liedes, und die sind schon schwer zu ertragen.

Gelesen und für gut befunden:

»Ich fand schon immer eine ausgewogene Work-Life-Balance wichtig. Habe nach Möglichkeit stets pünktlich Feierabend gemacht, Überstunden, wenn’s ging, vermieden, diese, wenn das nicht ging, zeitnah abgefeiert und nie auch nur einen Urlaubstag verfallen lassen. Ich war schon Generation Z, da gab es den Begriff noch gar nicht.«

https://fliegende-bretter.blogspot.com/2024/02/vermischtes-und-zeugs-lxxvi.html

Tagesfrage von WordPress: »Wenn es eine Biografie über dich gäbe, wie würde der Titel lauten?« – Vielleicht so: »Stets mit gutem Beispiel hinterher«. Oder: »Ihr macht das schon«. Oder: »Begegnungen auf Gürtelhöhe«. Oder: »Zum Schreiben verdammt – vom Erfolg verpönt« (Inspiriert durch die jüngste Abrechnung meiner Buchverkäufe)

Zum Aschermittwoch

Donnerstag: »Winterkorn weist jede Schuld von sich«, übertitelt die Zeitung einen Bericht über den früheren VW-Chef, der jetzt wegen des Dieselskandals von 2015 (wie die Zeit vergeht) vor Gericht steht. (Warum eigentlich „steht“ man vor Gericht? Die meiste Zeit wird doch gesessen, je nach Ausgang des Verfahrens auch längere Zeit danach. Ich schweife ab.) Jede andere Einlassung des Herrn W. hätte auch sehr verwundert. Der Titel seiner Biografie könnte »War ich nicht« lauten.

Zu Fuß ins Werk und zurück. Für Mitte Februar war es geradezu grotesk mild. Dementsprechend anregend die Anblicke am Rheinufer, weitere Details erspare ich Ihnen.

Abends schwebte eine Art Makromeduse am Himmel über dem Rhein

Vormittags erschienen im Büro zwei Techniker, um die Schreibtischplatte der Kollegin zu richten, die, nachdem eine andere Kollegin sich vergangene Woche seitlich darauf gesetzt hatte, in Schräglage geraten war (die Platte, nicht die Kollegin), was nur mit Werkzeug zu heilen war. Erst gestern hatte ich mich deswegen an den Hausservice gewandt, weil mich als passionierten Rechtwinkler erstens der Anblick der schiefen Platte störte – seit Loriot weiß man, zu was so etwas führen kann -, ich zweitens die abwesende Kollegin davor bewahren wollte, auf die schiefe Bahn zu geraten. Bei der Gelegenheit wurde festgestellt, dass auch die Platte meines Schreibtisches direkt gegenüber nicht waagerecht ausgerichtet war, das hatte ich gar nicht bemerkt und es wurde ebenfalls behoben. Nun ist wieder alles im Lot, oder eher in der Libelle. Die beiden Techniker kamen übrigens vom Unternehmen, das bis vorletzte Woche noch Arbeitgeber des Liebsten war, wobei Büromöbelkorrekturen nicht in seiner Aufgabenbeschreibung standen.

Meine frühere Chefin, seit geraumer Zeit im Ruhestand, hat heute Geburtstag. Da ich über keine privaten Kontaktdaten von ihr verfüge, sei ihr auf diesem Wege herzlich gratuliert, vielleicht liest sie es ja. Das nehme ich zwar nicht an, schließe es indes auch nicht aus; ich wundere mich immer wieder, wer hier mittlerweile alles mitliest. Sogar meine Mutter, überzeugte Offlinerin, sprach mich kürzlich darauf an, nachdem eine mitlesende Freundin ihr berichtet hatte, daher: Seid gegrüßt, liebe Mama und liebe U.! Und natürlich du, liebe I., alles Gute zum Geburtstag, ich hoffe, es geht dir gut!

Freitag: An Kollegen R., falls auch er hier liest: Um neun Uhr eine Besprechung mit „Mahlzeit“ zu betreten deutet auf einen fragwürdigen Humor hin.

In einem Artikel lese ich »Bäuer:innen« und denke: Merkt ihr es wirklich nicht?

Abends fand mit dem traditionellen Fischessen der Karnevalsgesellschaft diese Session ihr Ende, danach wird man die meisten über Wochen und Monate leider nicht mehr sehen; die Trommel kann für die nächsten neun Monate verstaut werden, das am Montag gesichtete Saarland ist inzwischen wieder vollständig verblasst. Auch in diesem Jahr war es eher ein Fischtrinken, weil Fisch gemäß einer alten, nur leicht angestaubten Überlieferung schwimmen muss. Besonders kreativ zeigte sich dabei die Vereinsjugend mit einem wertvollen Beitrag gegen Lebensmittelverschwendung, indem sie Wodka mit Gurkenwasser trank. Ob diese Kreation einen eigenen Namen hat, weiß ich nicht, es schmeckt jedenfalls bei weitem nicht so ekelig wie es klingt, ich habe es probiert.

Samstag: Der Tag war von leichten Kopfschmerzen mit bekannter Ursache begleitet. Ob das Gurkenwasser einen Anteil daran hatte, ließ sich nicht feststellen. Ansonsten Samstäglichkeiten wie Be- und Entsorgungen in der Stadt und Sofalesezeit. Weiterhin das Fahrrad geputzt, weil es kommende Woche zur Inspektion geht. (Wohl aus ähnlichen Gründen räumen Leute ihre Wohnung auf, bevor die Putzfrau kommt.) Dabei fiel mir auf, dass die Kette Rost angesetzt hatte und spendierte ihr einige Tropfen Öl. Ich gelobe, der Radpflege künftig etwas häufiger Aufmerksamkeit zu widmen, nicht nur vor Inspektionsterminen.

Sonntag: Regen hielt mich nach Lektüre der Sonntagszeitung nicht vom üblichen Spaziergang ab, heute durch die Südstadt. Ich freue mich schon darauf, wenn gestiegene Außentemperaturen wieder einen Besuch der Außengastronomie ermöglichen. Sicher, bis dahin könnte ich das Nachmittagsgetränk auch innerhalb einer Gaststätte zu mir nehmen, doch hält mich bislang eine gewisse Schwellenhemmung davon ab.

Moosbetrachtung I – am botanischen Garten
Moosbetrachtung II – offensichtlich bin ich nicht der einzige, dessen Radpflege als liederlich zu bezeichnen ist

Der Liebste studiert zurzeit die Gourmet-Bibel Frankreich, ein großes Fachbuch über Essen und Trinken ebendort. Darin folgendes über Aperitif: »Der thé dînatoire dagegen beginnt mit einem Heißgetränk. Es besteht jedoch kein Verbot, sich nicht in Richtung eines kleinen Kir-Cocktails zu bewegen …« – Trotz des überzähligen »nicht« ein schöner Satz. Was die Verfasser wohl über Wodka mit Gurkenwasser denken?

Aus einem Tchibo-Prospekt:

Finde den Fehler

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Kommen Sie gut durch die Woche, möglichst ohne Schräglagen

Woche 6/2024: Voller Einsatz

Montag: Der Wochenstart war ganz passabel, Einzelheiten sind bei Bedarf hier nachzulesen.

Dienstag: Vergangene Nacht bin ich im Traum gestorben, jedenfalls nehme ich das an. Wegen einer plötzlichen Schwäche nahm ich in einem Sessel Platz und schloss die Augen. Was dann passierte, ist schwer zu beschreiben, soweit ich mich erinnere, kamen grelles Licht und eine Rutschbahnfahrt darin vor. Indes fand ich mich anschließend nicht im Jenseits wieder, sondern im vertrauten Bett. Das war zunächst irritierend, auf jeden Fall interessant.

Zurück im Leben, fuhr ich heute ausnahmsweise mit der Bahn zum Büro statt dienstagsüblich zu Fuß zu gehen, weil ein unzeitiger Besprechungstermin bereits um acht in der Frühe meine Teilnahme erforderte, was den knapp einstündigen Fußmarsch aufgrund festgelegter familiär-organisatorischer Abläufe unmöglich machte; als konsequenter Heimbüroverweigerer muss man Opfer bringen. Der Termin lief ganz gut, trotz Morgenstunde war ich schon in das Lage, zu denken und das Gedachte in ganzen Sätzen zu auszudrücken.

„Das ist alles work in progress“ und „Wir sind in der Timeline unterwegs“ notierte ich in einer anderen Besprechung, an mehr erinnere ich mich nicht.

Nachmittags ging ich zu Fuß nach Hause, deshalb nahm ich die zahlreichen Läufer auf dem Radweg nebenan nur zur Kenntnis, jedoch nicht daran Anstoß. Ich würde mich nicht mehr wundern über eine Verkehrsmeldung, dass auf der Autobahn 59 zwischen den Anschlussstellen Bonn Nord und Pützchen zu äußerster Vorsicht geraten wird wegen Joggern auf der Fahrbahn. Radfahrer auf Autobahnen sind ja mittlerweile nichts Außergewöhnliches mehr.

Mittwoch: Heute vor siebzig Jahren wurde ein Kindlein geboren, das in den Achtzigern unter anderem als Bestandteil eines als Modern Talking bekannten Paares akustische Umweltverschmutzung betrieb und noch heute von zweifelhaften Journalisten als „Poptitan“ bezeichnet wird. Herzlichen Glückwunsch. (Dass seine Initialen DB lauten, ist vermutlich Zufall, wobei auch er nicht ganz frei von Störungen und Ausfällen ist.)

Gelesen und bestätigend genickt – Frau Anje über Sport:

Wenn jemand Spaß daran hat, sich auf Skiern eine Schneepiste runterzustürzen oder mit hängender Zunge hinter einem Ball herzurennen, mag er das gerne tun, warum ich diesen Leuten aber dann dabei zuschauen sollte, das wird mir für immer ein noch größeres Rätsel bleiben als die Frage, warum es überhaupt so viele Leute gibt, die solche Dinge tun.

https://anjesagt.blogger.de/stories/2878387/

Donnerstag: Weiberfastnacht, der Karneval strebt seinem Höhepunkt entgegen. Deswegen habe auch ich mir Urlaub genommen bis einschließlich Rosenmontag, sicher ist sicher.

Zur Einstimmung frühstückten wir auswärts, erstmals im Restaurant der großen Warenhauskette, deren Bonner Filiale wohl zurzeit nicht im Bestand gefährdet ist. Das war sehr gut, werde ich mir merken für künftige Inseltage.

Ab Mittag zogen wir mit der Karnevalsgesellschaft, von Regen begleitet, in den Einsatz gegen Griesgram und Muckertum, fünf Auftritte waren zu bewältigen. Auch das war gut, gegen Nachmittag hörte es auf zu regnen. Nach dem letzten Auftritt zogen Teile der Truppe weiter in die Gastronomie. Aus Kapazitäts- und Sicherheitsgründen traten wir den Rückzug an.

Freitag: Der letzte Auftritt der Session erfolgte nachmittags bei der Damensitzung in einer Sportschule. Es war ein würdiger Abschluss, wenn man darüber hinwegsieht, dass die Existenz einer solchen Einrichtung ziemlich absurd ist. Also nicht die Damensitzung, sondern die Sportschule, siehe auch den Eintrag von Mittwoch.

Abends schaute ich erstmals nach vielen Jahren „Mainz bleibt Mainz“ im Fernsehen. Dort sagte ein Redner: „Lauchsuppe ohne L ist auch Suppe.“ Ich mag Witze, die nur gesprochen funktionieren, geschrieben dagegen wirkungslos bleiben. Wie auch dieser: „Der Schwule lässt die Arbeit ruhn / und freut sich auf den Afternoon.“ (Ich darf das.)

Samstag: „Das ganze Leben ist ein Aber“ sagte der Geliebte am Morgen, womit er vermutlich recht hat, so richtig zufrieden ist man ja selten. Wobei der Tag recht zufriedenstellend verlief mit Vorbereitungen für den Zoch in Godesberg morgen: Die letzten Kamelle wurden auf den Wagen geladen, anschließend das erfolgreiche Laden mit Kölsch, Musik und Bockwurst angemessen gefeiert.

Sonntag: (Aus zeitlichen Gründen musste dieser Eintrag bereits am Samstag verfasst werden, deshalb Futur zwei.)

Wir werden mit der Karnevalsgesellschaft den Rathaussturm in Godesberg unterstützt, anschließend am Godesberger Zoch teilgenommen haben, bei hoffentlich trockenem Wetter.

Im Anschluss an den Zoch vereinsinterne Party in dem Teil der Stadthalle, der nicht einsturzgefährdet ist, voraussichtlich auch nicht nach der Party. Nach Heimkehr am späten Abend wird der Kölschfüllgrad einen einigermaßen sinnvollen Blogabschluss nicht mehr zugelassen haben.

So wird es gewesen sein. Änderungen und Ergänzungen werden in der kommenden Woche nachgereicht.

***

Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche, wenn Sie es mögen mit Alaaf, Helau, Rubbeldiekatz, Scheißdiewandan oder was man sich in Ihrer Region sonst bei diesem Anlass üblicherweise zuruft. Wenn Sie mit alledem gar nichts anfangen können, haben Sie mein volles Verständnis. Trösten Sie sich: Am Aschermittwoch ist es bekanntlich erstmal wieder vorbei.

Woche 8/2023: Flugmodus ist ein schönes Wort für Unerreichbarkeit

Montag: Nachlese zum Zoch in Bad Godesberg gestern: Es hat Spaß gemacht, wieder dabei zu sein. Auch wenn es zwischendurch kurz und zum Glück nur leicht regnete und die Fortbewegung immer wieder für mehrere Minuten stockte, unter anderem weil das Technische Hilfswerk mehrere Begrenzungspfähle aus dem Weg flexen musste, bevor es weitergehen konnte. Kann ja passieren.

Foto: Wolfgang Sitte

Am Ende reichte es auch und es war angenehm, in die warme Godesberger Stadthalle zurückzukehren (also den Teil, der nicht wegen Einsturzgefahr gesperrt ist), wo sich der Tag in einer vereinsinternen Party fortsetzte. »Der Zug, der Zug, der Zug hat keine Bremsen« lautet der inhaltlich eher flachwurzelnde Text eines Liedes, unter bestimmten Voraussetzungen* dennoch geeignet, erwachsene Menschen jauchzend hintereinander weg durch den Saal sausen zu lassen, den Verfasser dieser Zeilen eingeschlossen *räusper*. Die Halle hielt, auch der einsturzgefährdete Teil.

Eher gebremst war heute unser Elan, ab Mittag den Bonner Zoch anzuschauen, obwohl er in Hör- und Laufweite zu unserer Wohnung durch die Innere Nordstadt führte. Auch eine aufziehende Erkältung ließ es ratsam erscheinen, stattdessen diesen freien Tag überwiegend sofalesend zu verbringen und das Jecksein den anderen Jecken zu überlassen. (Zum Zeitpunkt der Niederschrift war der Bonner Zoch gerade durch, wohingegen in Köln die letzten Wagen und das Dreigestirn noch gar nicht gestartet sein sollen. Wird wohl ein später Feierabend.)

*Siehe Eintrag von vergangener Woche Sonntag, letzter Absatz.

Dienstag: Über Dienstage, die sich wie Montage anfühlen, ist alles geschrieben. Dabei gab es am ersten Arbeitstag nach insgesamt fünf freien Tagen nichts zu beanstanden, die für Karnevalstage ungewöhnlich hohe Zahl an Mails war recht schnell abgearbeitet. Zudem schien nachmittags die Sonne ins Büro, wodurch es zeitweise wegen defekter Jalousie schon wieder zu warm wurde. Man kann es mir manchmal wirklich nur schwer recht machen, ich weiß. Unbehagen entstand vielmehr aus der sich gestern andeutenden, heute im Laufe des Tages zu voller Pracht erblühten Erkältung.

»Blau ist Wow« las ich morgens auf dem Hinweg an einem Lieferwagen angeschrieben. Das stimmt, wobei zwischendurch mal nüchtern auch nicht schlecht ist. Während es gestern gelang, gar keinen Alkohol zu trinken, womit der Tag wohl als erster alkoholfreier Rosenmontag seit der Mittelstufe in meine persönlichen Annalen eingehen dürfte, wird der heutige Tag mit einem Schluck achtzehnprozentigen Erkältungstrunk für die Nacht enden. Wohlsein.

Mittags auf dem Weg zur Apotheke sah an mehreren Stellen gefüllte Hundekotbeutel fernab von Müllbehältern in der Gegend herumliegen. Was denken sich diese Leute nur? Koten die zu Hause einfach ins Wohnzimmer?

In einem Zeitungsartikel über das leidige Thema kulturelle Aneignung wird eine afroamerikanische Soziologieprofessorin zitiert mit Kritik an Frauen, die sich die Haare blond färben: »Künstlich Blondierte beanspruchen die Symbolik der begehrten Haarfarbe, die nicht ihre natürliche ist, für sich. Weil es sich bei blonden Haaren um ein ausschließliches genetisches Merkmal von Weißen handelt, scheint der Wunsch danach besonders problematisch.« Auch nach mehrmaligem Lesen verstehe ich nicht, was daran falsch sein soll, und wer darin Häme liest, irrt. Vermutlich, weil ich ein alter, weißer Boomer bin, zu bequem, mich damit genauer auseinanderzusetzen.

Mittwoch: Laut Kleiner Kalender ist heute nicht nur Aschermittwoch, sondern auch Sei-bescheiden-Tag, somit ein Tag des Verzichtes. Ich verzichtete auf die Arbeit und blieb wegen der Erkältung heute zu Hause. Da der Beschluss dafür bereits gestern gefasst worden war, hatte ich den dienstlichen Rechner mitgenommen, der sonst grundsätzlich im Büro bleibt. Den schaltete ich morgens nur kurz an, um alle Termine für heute und morgen abzusagen und mich im Zeiterfassungssystem als krank zu buchen. Danach frühstückte ich knapp (der Appetit ist kaum beeinträchtigt, nur der Geschmackssinn ein wenig) und ging wieder ins Bett, wo ich die meiste Zeit des Tages verschlief.

Nicht nur ich blieb weitgehend untätig: »Die Zinsangst lähmt die Anleger« schreibt die Tagesschau bei Twitter.

Apropos Wirtschaft: Da bleibt man mal krank zu Hause, schon fällt der Aktienkurs des Arbeitgebers. Für einen kurzen Moment erlag ich einer Illusion von Relevanz.

Donnerstag: Da Husten und Schnupfen nachgelassen haben, schlief ich bis fast neun Uhr. Nur eine gewisse Duseligkeit im Kopf ließ das Bett weiterhin als den zu bevorzugenden Aufenthaltsort erscheinen, deshalb begab ich mich nach kurzem Müslifrühstück wieder dorthin.

Zwischendurch schaute ich kurz zur Gewissensberuhigung in das dienstliche iPhone, ob irgendetwas war, was mein sofortiges Handeln erforderte. Natürlich war nichts, was sollte auch sein. Mein Arbeitsplatz birgt keine Gefahren, die bei Versäumnissen aller Art Menschen zu Schaden kommen oder in lebensbedrohliche Situationen geraten lassen. Alles andere muss ich halt nacharbeiten oder liegen lassen, bis es sich von selbst erledigt hat. Der Aktienkurs steigt auch schon wieder. Daher schnell das Gerät wieder in den Flugmodus, ein schönes Wort für Unerreichbarkeit, wenn man mal darüber nachdenkt. Und mit meinem Gewissen sollte ich gelegentlich ein ernstes Wort reden.

Zurück im Bett las ich die Zeitung zu Ende und die Blogs. In der Zeitung neben den aktuellen Unbillen in der Welt ein Artikel über das Aussterben des deutschen Mittagsgrußes „Mahlzeit“, dem nun wirklich nicht nachzutrauern ist. Nach der Lektüre überkam mich erneut Schläfrigkeit, wogegen mich zu wehren ich keine Veranlassung sah.

Freitag: Nach schlecht durchschlafener Nacht zurück im Werk, begann der Arbeitstag mit einer Besprechung bereits um acht Uhr, also deutlich vor meiner üblichen Sprechzeit. Obwohl ich mich noch nicht zu hundert Prozent genesen fühlte, ging die Arbeit recht gut von der Hand und es gelang in angemessener Zeit, die Rückstände der Vortage abzuarbeiten.

Kurz vor Mittag spürte ich einen Stich ins Kreuz, der meine ohnehin nicht sehr ausgeprägte Bewegungsfähigkeit bis zum Abend und darüber hinaus beeinträchtigte. Es wird immer deutlicher: Die Sechzig liegt wesentlich näher als die Dreißig.

Mit fünfundsechzig hat sich nun der ehemalige Frontmann der Kölner Band De Höhner seinen charakteristischen Schnauzbart abrasiert, was großes öffentliches Interesse erregt und ihm optisch durchaus zum Vorteil gereicht. Das sei vielen wesentlich jüngeren Männern zur Nachahmung sehr empfohlen. Wenn ich meinem Teenager-Ich einen Rat geben könnte, so lautete dieser: Rasier dir diesen lächerlichen Schnäuzer ab.

Archivbild. Ja, auch die Frisur bietet Anlass zur Kritik.

Hauptthema der Medien heute ist der erste Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine. Manchmal stelle ich mir vor, wie die Evolution vor dem Fernseher sitzt, fassungslos zuschaut, wie die Menschen Kriege führen und die Natur zerstören, und sich sagt: Es reicht. Zeit für Mutationen.

Samstag: Nachdem der Geliebte gestern wegen eines unerfreulichen Vorfalls auf dem Nachbargrundstück vergangene Woche als Zeuge bei der örtlichen Polizei geladen war, erwägt er eine berufliche Veränderung in den Staatsdienst. Warum nicht, als Übungskrimineller könnte er ganz gute Dienste leisten.

Nach spätem Frühstück und dem samstagsüblichen Altglasentsorgungsgang verzichtete ich aus verschiedenen Gründen auf den Besuch der Weinbar. Stattdessen ging ich spazieren an den Rhein, wo mich das Fünfzigerjahre-Design des Lampenmodells Milano immer wieder begeistert.

Sind sie nicht wunderschön?

Über das Mit- und Gegeneinander der verschiedenen Verkehrsteilnehmer hat Herr Formschub hier einen sehr lesenswerten Aufsatz verfasst.

Sonntag: Lange geschlafen, einen langen Spaziergang gemacht, die Sonntagszeitung gelesen. Der übliche Sonntagskram halt.

Während des Spazierens nahm ich erfreut die ersten Forsythienblüten und Magnolienknospen zur Kenntnis. Außerdem wunderte ich mich über einen Wagen, der mitten auf dem Weg stand, augenscheinlich schon etwas länger, wie aus dem ordnungsamtlichen Zettelchen unter dem Scheibenwischer zu schließen war. Unmittelbar davor drei umgefahrene Absperrpömpel. Ob zwischen Wagen und Pömpeln ein Zusammenhang bestand, war nicht zu erkennen.

Die Sonntagszeitung spottet, zu recht, über Klimaaktivisten, die durch hirnrissige Aktionen ihrem wichtigen Anliegen schaden. Zum einen, indem sie vor dem Berliner Kanzleramt einen Baum abgesägt haben. Das muss man sich mal vorstellen: Um gegen unzureichende Klimamaßnahmen der Regierung zu protestieren, sägen die einen Baum ab. Was machen die als nächstes, Eisbärenbabys grillen? Dann war da noch eine Gruppe, die sich bei Wien an einer Schilderbrücke über einer Autobahn festklebte, um Tempo 100 zu fordern. (Auf dem Autobahnabschnitt, über dem sie klebten und forderten, waren 80 km/h erlaubt.) Da die Aktion keine störenden Auswirkungen auf den Verkehrsfluss hatte, ließ die Polizei die Klebenden kleben und unternahm nichts. Das fanden die Klebenden ungehörig und forderten per Twitter (einhändig?) die Polizei auf, sie zu lösen. Da die Polizei weiterhin untätig blieb, mussten sie sich schließlich selbst aus ihrer Lage befreien, was nach einiger Zeit wohl gelang. Was geht nur vor in diesen Leuten? Denken die nicht darüber nach, wie das ankommt bei denen, die den Ernst der Lage noch nicht erkannt und deshalb noch nicht ganz so verzweifelt sind wie sie?

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Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche. Falls auch Sie gerade von einer Erkältung gepeinigt sind, baldige Genesung.

Woche 6: Alaafchen und Zuversicht durch zuweilen sittenlose Eskalation

Montag: Wegen Glättegefahr erwog ich morgens Heimarbeit. Doch da das häusliche WLAN mal wieder schwächelte, bleib mir nichts anderes übrig als den Weg ins Werk zu wagen. Die Glätte erwies sich als weitgehend harmlos, daher vielen Dank, liebes WLAN, dass du mich vor einem Tag Heimarbeit bewahrt hast.

Mittags war ich zu einem Brainstorm-Lunch geladen, um die Use Cases zu checken. Da war mir der Appetit kurz vergangen, er kehrte jedoch bald zurück.

Vor der Kantine wurde ich Zeuge, wie ein Mitglied der obersten Werksleitung gegen die geltende Corona-Einbahnregelung verstieß und auch den Hinweis des Sicherheitsmannes unbeachtet ließ. Da ich den Kollegen bislang als nicht allzu testosteronpolternd empfunden habe im Vergleich zu anderen in ähnlicher Position, war ich einigermaßen überrascht bis enttäuscht. Vorbild geht anders.

Von Vorbild zu Stadtbild: „Der Stadtteil Freimann galt anders als das benachbarte Schwabing bislang eher als zersiedelt und wurde unter anderem von der Kläranlage und zwei Müllbergen dominiert“, schreibt der General-Anzeiger über München-Freimann, das Kennern auch als früherer Standort eines Ellok-Ausbesserungswerkes der Deutschen Bundesbahn bekannt ist, was der Schönheit des Stadtbildes vermutlich auch nicht sehr zuträglich war.

Mundwinkelhebend folgende Artikelüberschrift in derselben Zeitung: „Nach Unfall steht Esel in Schieflage“. Ehe nun Empörungsbekundungen von Peta meinen Posteingang fluten: Es ging dabei nicht um einen lebenden Esel mit Fell und Ohren, sondern eine Statue in Bonn-Duisdorf, die von einem Auto gerammt wurde.

Dienstag: „Briefmarken könnten teuer werden“, steht in der Presse. Das ist Unfug: Die Achtzigcentmarke wird voraussichtlich auch in zehn Jahren und darüber hinaus noch achtzig Cent kosten.

Gelesen hier:

„Wie es wohl gewesen wäre, ein Leben als Malerin zu führen? Mit allergrößter Wahrscheinlichkeit würde meine finanzielle Situation heute grundlegend anders aussehen. […] Dass Malen mich heute glücklich macht, heißt ja auch nicht, dass das immer so gewesen wäre. Es wird schon so passen wie es ist.“

Tausche Malen gegen Schreiben, und es passt auch für mich.

Mittwoch: Als ich abends mit dem Fahrrad an einer roten Ampel wartete, überquerte vor mir ein junger Mann mit modegerecht eingerissenen Hosenbeinen die Straße, in der einen Hand eine Zigarette, die andere mit Telefon am Ohr, also in der klassischen Weise, wie wir Alten noch telefonieren, statt mit flach vor dem Gesicht gehaltenen Gerät. Er spuckte auf die Straße und redete in dieser speziellen Weise, für die mir gerade kein passender Begriff einfällt, bestimmt gibt es einen, dieses proletenhaft-hohle Böse-Jungs-Gelaber mit vielen „Sch“-Lauten, das diejenigen, die so sprechen, oft wesentlich dümmer erscheinen lässt als sie womöglich sind, vielleicht wissen Sie, was ich meine. (Für den Gebrauch von „sch“ statt korrekt „ch“, wie „Milschgesischt“ oder „Isch gehe Küsche“, las ich vor längerem mal einen Fachbegriff, leider ist er mir entfallen.) Und also sprach er dieses ins Telefon: „Wir brauchen escht keine Beziehung zu führen, wenn du …“, mehr verstand ich nicht. Warum ich das hier erwähne: Korrekt benutzte er „brauchen“ in Verbindung mit „zu“, vielleicht wurde ihm das als Kind beigebracht: „Wer ,brauchen‘ nicht mit ,zu‘ gebraucht, braucht ,brauchen‘ gar nicht zu gebrauchen.“ Ganz so dumm wie er klang war er offenbar nicht.

Der Kölner Rosenmontagszug findet in diesem Jahr aus gegebenem Anlass im Hänneschen-Puppentheater statt. Auf die Frage, ob er das Theater kenne, antwortete der Geliebte: „Klar, das habe ich hier auch, mit zwei ziemlich alten Püppschen“ (da war es wieder, wobei zu seiner Ehrenrettung geschrieben sei, er ist keiner der oben beschriebenen Spacken, sondern Rheinländer). In solchen Momenten frage ich mich, warum wir den immer noch nicht rausgeworfen haben.

Donnerstag: Weil es schön ist, ging ich zu Fuß ins Werk. Auf dem Markplatz hörte ich einen Händler, der seinen Stand aufbaute, „Viva Colonia“ singen, wobei sein Gesang nicht besonders närrisch klang, eher trotzig. Erst da fiel mir wieder ein: Heute wäre Weiberfastnacht gewesen. Der Weg führte am mittlerweile wieder etwas abgeschwollenen Rhein entlang, wo die Spuren des Hochwassers noch deutlich zu erkennen waren.

Zwei Nilgänse schauten vom Ufer aus auf den kalt dahinfließenden Strom und schnatterten leise miteinander, vielleicht dieses: „Wären wir doch mit den Anderen in den Süden geflogen, aber nein, du wolltest ja dieses Jahr unbedingt hier bleiben, »Nein, es kommt kein Winter mehr«, ha ha ha, hätte ich doch bloß nicht auf dich gehört.“ – „Ach halt den Schnabel.“

Doch will ich Erfreuliches nicht unerwähnt lassen: Nachdem die Politik gestern beschlossen hat, dass Friseure zum ersten März wieder öffnen dürfen, habe ich heute einen Termin beim Salon meines Vertrauens vereinbart, der auch bestätigt wurde. Bemerkenswert: Friseure müssen schließen, aber Jaques Weindepot ist geöffnet. Immerhin – wenigstens kann man sich seine aus der Form geratene Frisur schön saufen.

Dieses allgemeine Geschrei nach einem „deutlichen Signal“, das die Politik vermissen lasse, finde ich übrigens unerträglich. Wer kann denn heute verbindlich voraussagen, wie das mit dem Virus und seinen Mutationen in den nächsten Wochen weitergeht? Wie groß wäre das Geschrei, wenn es anders kommt, die Läden und Schulen länger geschlossen bleiben müssen als in Aussicht gestellt? Immerhin, für alle Signalvermisser habe ich hier was:

Freitag: Mittags gab es aus der Kantine Lahmacun, diese lose in einen Teigfladen gewickelten Gemüse- und Fleischspezereien mit einer Soße, auch bekannt als Türkische Pizza. Zum Wohlgeschmack gesellte sich stille Bewunderung für Leute, die imstande sind, so etwas mit Würde und ohne größere Verschmutzung des näheren Umfeldes zu verzehren.

Jedesmal, wenn ich den Leiter des Paul-Ehrlich-Instituts im Fernsehen sehe, denke ich: Den hätte Loriot nicht besser sich ausdenken und verkörpern können.

Samstag: Gerade in diesen Zeiten ist Zuversicht wichtig. Deshalb freute ich mich über die ersten blühenden Schneeglöckchen am Wegesrand, deren vielstimmig-stummes Glockenspiel zu läuten schien: „Sorget euch nicht, sehet, es geht weiter.“

Nicht gar so sehr mit Zuversicht gesegnet scheint einer, der dieses sprühte:

Übrigens wurden nebenan die Liste und die Chronik des Wahnsinns ein wenig fortgeschrieben.

Sonntag: Heute wäre der Karnevalszug in Bad Godesberg. Aufgrund des Konjunktivs stattdessen hier ein Züglein in Barlingerode Ost. Alaafchen!

Laut PSYCHOLOGIE HEUTE steht das griechische Substantiv „Kefi“ für „die gelegentliche – manche sagen unerlässliche – Befreiung von stumpfsinniger Routine und sozialer Konvention“ durch mannigfache sinnliche, körperliche, zuweilen sittenlose Eskalation. Kefi alaaf!

Zum Schluss noch was auf die Ohren:

Ansonsten in dieser Woche gehört: „In der Not frisst der Teufel Hafer“ – „zwischen Himmel und Henkel“