Woche 8/2023: Flugmodus ist ein schönes Wort für Unerreichbarkeit

Montag: Nachlese zum Zoch in Bad Godesberg gestern: Es hat Spaß gemacht, wieder dabei zu sein. Auch wenn es zwischendurch kurz und zum Glück nur leicht regnete und die Fortbewegung immer wieder für mehrere Minuten stockte, unter anderem weil das Technische Hilfswerk mehrere Begrenzungspfähle aus dem Weg flexen musste, bevor es weitergehen konnte. Kann ja passieren.

Foto: Wolfgang Sitte

Am Ende reichte es auch und es war angenehm, in die warme Godesberger Stadthalle zurückzukehren (also den Teil, der nicht wegen Einsturzgefahr gesperrt ist), wo sich der Tag in einer vereinsinternen Party fortsetzte. »Der Zug, der Zug, der Zug hat keine Bremsen« lautet der inhaltlich eher flachwurzelnde Text eines Liedes, unter bestimmten Voraussetzungen* dennoch geeignet, erwachsene Menschen jauchzend hintereinander weg durch den Saal sausen zu lassen, den Verfasser dieser Zeilen eingeschlossen *räusper*. Die Halle hielt, auch der einsturzgefährdete Teil.

Eher gebremst war heute unser Elan, ab Mittag den Bonner Zoch anzuschauen, obwohl er in Hör- und Laufweite zu unserer Wohnung durch die Innere Nordstadt führte. Auch eine aufziehende Erkältung ließ es ratsam erscheinen, stattdessen diesen freien Tag überwiegend sofalesend zu verbringen und das Jecksein den anderen Jecken zu überlassen. (Zum Zeitpunkt der Niederschrift war der Bonner Zoch gerade durch, wohingegen in Köln die letzten Wagen und das Dreigestirn noch gar nicht gestartet sein sollen. Wird wohl ein später Feierabend.)

*Siehe Eintrag von vergangener Woche Sonntag, letzter Absatz.

Dienstag: Über Dienstage, die sich wie Montage anfühlen, ist alles geschrieben. Dabei gab es am ersten Arbeitstag nach insgesamt fünf freien Tagen nichts zu beanstanden, die für Karnevalstage ungewöhnlich hohe Zahl an Mails war recht schnell abgearbeitet. Zudem schien nachmittags die Sonne ins Büro, wodurch es zeitweise wegen defekter Jalousie schon wieder zu warm wurde. Man kann es mir manchmal wirklich nur schwer recht machen, ich weiß. Unbehagen entstand vielmehr aus der sich gestern andeutenden, heute im Laufe des Tages zu voller Pracht erblühten Erkältung.

»Blau ist Wow« las ich morgens auf dem Hinweg an einem Lieferwagen angeschrieben. Das stimmt, wobei zwischendurch mal nüchtern auch nicht schlecht ist. Während es gestern gelang, gar keinen Alkohol zu trinken, womit der Tag wohl als erster alkoholfreier Rosenmontag seit der Mittelstufe in meine persönlichen Annalen eingehen dürfte, wird der heutige Tag mit einem Schluck achtzehnprozentigen Erkältungstrunk für die Nacht enden. Wohlsein.

Mittags auf dem Weg zur Apotheke sah an mehreren Stellen gefüllte Hundekotbeutel fernab von Müllbehältern in der Gegend herumliegen. Was denken sich diese Leute nur? Koten die zu Hause einfach ins Wohnzimmer?

In einem Zeitungsartikel über das leidige Thema kulturelle Aneignung wird eine afroamerikanische Soziologieprofessorin zitiert mit Kritik an Frauen, die sich die Haare blond färben: »Künstlich Blondierte beanspruchen die Symbolik der begehrten Haarfarbe, die nicht ihre natürliche ist, für sich. Weil es sich bei blonden Haaren um ein ausschließliches genetisches Merkmal von Weißen handelt, scheint der Wunsch danach besonders problematisch.« Auch nach mehrmaligem Lesen verstehe ich nicht, was daran falsch sein soll, und wer darin Häme liest, irrt. Vermutlich, weil ich ein alter, weißer Boomer bin, zu bequem, mich damit genauer auseinanderzusetzen.

Mittwoch: Laut Kleiner Kalender ist heute nicht nur Aschermittwoch, sondern auch Sei-bescheiden-Tag, somit ein Tag des Verzichtes. Ich verzichtete auf die Arbeit und blieb wegen der Erkältung heute zu Hause. Da der Beschluss dafür bereits gestern gefasst worden war, hatte ich den dienstlichen Rechner mitgenommen, der sonst grundsätzlich im Büro bleibt. Den schaltete ich morgens nur kurz an, um alle Termine für heute und morgen abzusagen und mich im Zeiterfassungssystem als krank zu buchen. Danach frühstückte ich knapp (der Appetit ist kaum beeinträchtigt, nur der Geschmackssinn ein wenig) und ging wieder ins Bett, wo ich die meiste Zeit des Tages verschlief.

Nicht nur ich blieb weitgehend untätig: »Die Zinsangst lähmt die Anleger« schreibt die Tagesschau bei Twitter.

Apropos Wirtschaft: Da bleibt man mal krank zu Hause, schon fällt der Aktienkurs des Arbeitgebers. Für einen kurzen Moment erlag ich einer Illusion von Relevanz.

Donnerstag: Da Husten und Schnupfen nachgelassen haben, schlief ich bis fast neun Uhr. Nur eine gewisse Duseligkeit im Kopf ließ das Bett weiterhin als den zu bevorzugenden Aufenthaltsort erscheinen, deshalb begab ich mich nach kurzem Müslifrühstück wieder dorthin.

Zwischendurch schaute ich kurz zur Gewissensberuhigung in das dienstliche iPhone, ob irgendetwas war, was mein sofortiges Handeln erforderte. Natürlich war nichts, was sollte auch sein. Mein Arbeitsplatz birgt keine Gefahren, die bei Versäumnissen aller Art Menschen zu Schaden kommen oder in lebensbedrohliche Situationen geraten lassen. Alles andere muss ich halt nacharbeiten oder liegen lassen, bis es sich von selbst erledigt hat. Der Aktienkurs steigt auch schon wieder. Daher schnell das Gerät wieder in den Flugmodus, ein schönes Wort für Unerreichbarkeit, wenn man mal darüber nachdenkt. Und mit meinem Gewissen sollte ich gelegentlich ein ernstes Wort reden.

Zurück im Bett las ich die Zeitung zu Ende und die Blogs. In der Zeitung neben den aktuellen Unbillen in der Welt ein Artikel über das Aussterben des deutschen Mittagsgrußes „Mahlzeit“, dem nun wirklich nicht nachzutrauern ist. Nach der Lektüre überkam mich erneut Schläfrigkeit, wogegen mich zu wehren ich keine Veranlassung sah.

Freitag: Nach schlecht durchschlafener Nacht zurück im Werk, begann der Arbeitstag mit einer Besprechung bereits um acht Uhr, also deutlich vor meiner üblichen Sprechzeit. Obwohl ich mich noch nicht zu hundert Prozent genesen fühlte, ging die Arbeit recht gut von der Hand und es gelang in angemessener Zeit, die Rückstände der Vortage abzuarbeiten.

Kurz vor Mittag spürte ich einen Stich ins Kreuz, der meine ohnehin nicht sehr ausgeprägte Bewegungsfähigkeit bis zum Abend und darüber hinaus beeinträchtigte. Es wird immer deutlicher: Die Sechzig liegt wesentlich näher als die Dreißig.

Mit fünfundsechzig hat sich nun der ehemalige Frontmann der Kölner Band De Höhner seinen charakteristischen Schnauzbart abrasiert, was großes öffentliches Interesse erregt und ihm optisch durchaus zum Vorteil gereicht. Das sei vielen wesentlich jüngeren Männern zur Nachahmung sehr empfohlen. Wenn ich meinem Teenager-Ich einen Rat geben könnte, so lautete dieser: Rasier dir diesen lächerlichen Schnäuzer ab.

Archivbild. Ja, auch die Frisur bietet Anlass zur Kritik.

Hauptthema der Medien heute ist der erste Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine. Manchmal stelle ich mir vor, wie die Evolution vor dem Fernseher sitzt, fassungslos zuschaut, wie die Menschen Kriege führen und die Natur zerstören, und sich sagt: Es reicht. Zeit für Mutationen.

Samstag: Nachdem der Geliebte gestern wegen eines unerfreulichen Vorfalls auf dem Nachbargrundstück vergangene Woche als Zeuge bei der örtlichen Polizei geladen war, erwägt er eine berufliche Veränderung in den Staatsdienst. Warum nicht, als Übungskrimineller könnte er ganz gute Dienste leisten.

Nach spätem Frühstück und dem samstagsüblichen Altglasentsorgungsgang verzichtete ich aus verschiedenen Gründen auf den Besuch der Weinbar. Stattdessen ging ich spazieren an den Rhein, wo mich das Fünfzigerjahre-Design des Lampenmodells Milano immer wieder begeistert.

Sind sie nicht wunderschön?

Über das Mit- und Gegeneinander der verschiedenen Verkehrsteilnehmer hat Herr Formschub hier einen sehr lesenswerten Aufsatz verfasst.

Sonntag: Lange geschlafen, einen langen Spaziergang gemacht, die Sonntagszeitung gelesen. Der übliche Sonntagskram halt.

Während des Spazierens nahm ich erfreut die ersten Forsythienblüten und Magnolienknospen zur Kenntnis. Außerdem wunderte ich mich über einen Wagen, der mitten auf dem Weg stand, augenscheinlich schon etwas länger, wie aus dem ordnungsamtlichen Zettelchen unter dem Scheibenwischer zu schließen war. Unmittelbar davor drei umgefahrene Absperrpömpel. Ob zwischen Wagen und Pömpeln ein Zusammenhang bestand, war nicht zu erkennen.

Die Sonntagszeitung spottet, zu recht, über Klimaaktivisten, die durch hirnrissige Aktionen ihrem wichtigen Anliegen schaden. Zum einen, indem sie vor dem Berliner Kanzleramt einen Baum abgesägt haben. Das muss man sich mal vorstellen: Um gegen unzureichende Klimamaßnahmen der Regierung zu protestieren, sägen die einen Baum ab. Was machen die als nächstes, Eisbärenbabys grillen? Dann war da noch eine Gruppe, die sich bei Wien an einer Schilderbrücke über einer Autobahn festklebte, um Tempo 100 zu fordern. (Auf dem Autobahnabschnitt, über dem sie klebten und forderten, waren 80 km/h erlaubt.) Da die Aktion keine störenden Auswirkungen auf den Verkehrsfluss hatte, ließ die Polizei die Klebenden kleben und unternahm nichts. Das fanden die Klebenden ungehörig und forderten per Twitter (einhändig?) die Polizei auf, sie zu lösen. Da die Polizei weiterhin untätig blieb, mussten sie sich schließlich selbst aus ihrer Lage befreien, was nach einiger Zeit wohl gelang. Was geht nur vor in diesen Leuten? Denken die nicht darüber nach, wie das ankommt bei denen, die den Ernst der Lage noch nicht erkannt und deshalb noch nicht ganz so verzweifelt sind wie sie?

***

Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche. Falls auch Sie gerade von einer Erkältung gepeinigt sind, baldige Genesung.

Woche 6: Alaafchen und Zuversicht durch zuweilen sittenlose Eskalation

Montag: Wegen Glättegefahr erwog ich morgens Heimarbeit. Doch da das häusliche WLAN mal wieder schwächelte, bleib mir nichts anderes übrig als den Weg ins Werk zu wagen. Die Glätte erwies sich als weitgehend harmlos, daher vielen Dank, liebes WLAN, dass du mich vor einem Tag Heimarbeit bewahrt hast.

Mittags war ich zu einem Brainstorm-Lunch geladen, um die Use Cases zu checken. Da war mir der Appetit kurz vergangen, er kehrte jedoch bald zurück.

Vor der Kantine wurde ich Zeuge, wie ein Mitglied der obersten Werksleitung gegen die geltende Corona-Einbahnregelung verstieß und auch den Hinweis des Sicherheitsmannes unbeachtet ließ. Da ich den Kollegen bislang als nicht allzu testosteronpolternd empfunden habe im Vergleich zu anderen in ähnlicher Position, war ich einigermaßen überrascht bis enttäuscht. Vorbild geht anders.

Von Vorbild zu Stadtbild: „Der Stadtteil Freimann galt anders als das benachbarte Schwabing bislang eher als zersiedelt und wurde unter anderem von der Kläranlage und zwei Müllbergen dominiert“, schreibt der General-Anzeiger über München-Freimann, das Kennern auch als früherer Standort eines Ellok-Ausbesserungswerkes der Deutschen Bundesbahn bekannt ist, was der Schönheit des Stadtbildes vermutlich auch nicht sehr zuträglich war.

Mundwinkelhebend folgende Artikelüberschrift in derselben Zeitung: „Nach Unfall steht Esel in Schieflage“. Ehe nun Empörungsbekundungen von Peta meinen Posteingang fluten: Es ging dabei nicht um einen lebenden Esel mit Fell und Ohren, sondern eine Statue in Bonn-Duisdorf, die von einem Auto gerammt wurde.

Dienstag: „Briefmarken könnten teuer werden“, steht in der Presse. Das ist Unfug: Die Achtzigcentmarke wird voraussichtlich auch in zehn Jahren und darüber hinaus noch achtzig Cent kosten.

Gelesen hier:

„Wie es wohl gewesen wäre, ein Leben als Malerin zu führen? Mit allergrößter Wahrscheinlichkeit würde meine finanzielle Situation heute grundlegend anders aussehen. […] Dass Malen mich heute glücklich macht, heißt ja auch nicht, dass das immer so gewesen wäre. Es wird schon so passen wie es ist.“

Tausche Malen gegen Schreiben, und es passt auch für mich.

Mittwoch: Als ich abends mit dem Fahrrad an einer roten Ampel wartete, überquerte vor mir ein junger Mann mit modegerecht eingerissenen Hosenbeinen die Straße, in der einen Hand eine Zigarette, die andere mit Telefon am Ohr, also in der klassischen Weise, wie wir Alten noch telefonieren, statt mit flach vor dem Gesicht gehaltenen Gerät. Er spuckte auf die Straße und redete in dieser speziellen Weise, für die mir gerade kein passender Begriff einfällt, bestimmt gibt es einen, dieses proletenhaft-hohle Böse-Jungs-Gelaber mit vielen „Sch“-Lauten, das diejenigen, die so sprechen, oft wesentlich dümmer erscheinen lässt als sie womöglich sind, vielleicht wissen Sie, was ich meine. (Für den Gebrauch von „sch“ statt korrekt „ch“, wie „Milschgesischt“ oder „Isch gehe Küsche“, las ich vor längerem mal einen Fachbegriff, leider ist er mir entfallen.) Und also sprach er dieses ins Telefon: „Wir brauchen escht keine Beziehung zu führen, wenn du …“, mehr verstand ich nicht. Warum ich das hier erwähne: Korrekt benutzte er „brauchen“ in Verbindung mit „zu“, vielleicht wurde ihm das als Kind beigebracht: „Wer ,brauchen‘ nicht mit ,zu‘ gebraucht, braucht ,brauchen‘ gar nicht zu gebrauchen.“ Ganz so dumm wie er klang war er offenbar nicht.

Der Kölner Rosenmontagszug findet in diesem Jahr aus gegebenem Anlass im Hänneschen-Puppentheater statt. Auf die Frage, ob er das Theater kenne, antwortete der Geliebte: „Klar, das habe ich hier auch, mit zwei ziemlich alten Püppschen“ (da war es wieder, wobei zu seiner Ehrenrettung geschrieben sei, er ist keiner der oben beschriebenen Spacken, sondern Rheinländer). In solchen Momenten frage ich mich, warum wir den immer noch nicht rausgeworfen haben.

Donnerstag: Weil es schön ist, ging ich zu Fuß ins Werk. Auf dem Markplatz hörte ich einen Händler, der seinen Stand aufbaute, „Viva Colonia“ singen, wobei sein Gesang nicht besonders närrisch klang, eher trotzig. Erst da fiel mir wieder ein: Heute wäre Weiberfastnacht gewesen. Der Weg führte am mittlerweile wieder etwas abgeschwollenen Rhein entlang, wo die Spuren des Hochwassers noch deutlich zu erkennen waren.

Zwei Nilgänse schauten vom Ufer aus auf den kalt dahinfließenden Strom und schnatterten leise miteinander, vielleicht dieses: „Wären wir doch mit den Anderen in den Süden geflogen, aber nein, du wolltest ja dieses Jahr unbedingt hier bleiben, »Nein, es kommt kein Winter mehr«, ha ha ha, hätte ich doch bloß nicht auf dich gehört.“ – „Ach halt den Schnabel.“

Doch will ich Erfreuliches nicht unerwähnt lassen: Nachdem die Politik gestern beschlossen hat, dass Friseure zum ersten März wieder öffnen dürfen, habe ich heute einen Termin beim Salon meines Vertrauens vereinbart, der auch bestätigt wurde. Bemerkenswert: Friseure müssen schließen, aber Jaques Weindepot ist geöffnet. Immerhin – wenigstens kann man sich seine aus der Form geratene Frisur schön saufen.

Dieses allgemeine Geschrei nach einem „deutlichen Signal“, das die Politik vermissen lasse, finde ich übrigens unerträglich. Wer kann denn heute verbindlich voraussagen, wie das mit dem Virus und seinen Mutationen in den nächsten Wochen weitergeht? Wie groß wäre das Geschrei, wenn es anders kommt, die Läden und Schulen länger geschlossen bleiben müssen als in Aussicht gestellt? Immerhin, für alle Signalvermisser habe ich hier was:

Freitag: Mittags gab es aus der Kantine Lahmacun, diese lose in einen Teigfladen gewickelten Gemüse- und Fleischspezereien mit einer Soße, auch bekannt als Türkische Pizza. Zum Wohlgeschmack gesellte sich stille Bewunderung für Leute, die imstande sind, so etwas mit Würde und ohne größere Verschmutzung des näheren Umfeldes zu verzehren.

Jedesmal, wenn ich den Leiter des Paul-Ehrlich-Instituts im Fernsehen sehe, denke ich: Den hätte Loriot nicht besser sich ausdenken und verkörpern können.

Samstag: Gerade in diesen Zeiten ist Zuversicht wichtig. Deshalb freute ich mich über die ersten blühenden Schneeglöckchen am Wegesrand, deren vielstimmig-stummes Glockenspiel zu läuten schien: „Sorget euch nicht, sehet, es geht weiter.“

Nicht gar so sehr mit Zuversicht gesegnet scheint einer, der dieses sprühte:

Übrigens wurden nebenan die Liste und die Chronik des Wahnsinns ein wenig fortgeschrieben.

Sonntag: Heute wäre der Karnevalszug in Bad Godesberg. Aufgrund des Konjunktivs stattdessen hier ein Züglein in Barlingerode Ost. Alaafchen!

Laut PSYCHOLOGIE HEUTE steht das griechische Substantiv „Kefi“ für „die gelegentliche – manche sagen unerlässliche – Befreiung von stumpfsinniger Routine und sozialer Konvention“ durch mannigfache sinnliche, körperliche, zuweilen sittenlose Eskalation. Kefi alaaf!

Zum Schluss noch was auf die Ohren:

Ansonsten in dieser Woche gehört: „In der Not frisst der Teufel Hafer“ – „zwischen Himmel und Henkel“

Woche 9: Jecke und Irre

Montag: Laut Zeitungsbericht streben über neunzig Prozent der älteren Arbeitnehmer einen vorgezogenen Ruhestand an. Umgekehrt bedeutet das, fast zehn Prozent wollen bis zum Schluss arbeiten. Was mag bei denen schief gelaufen sein?

„Und – noch Spaß am Beruf?“ fragte früher ein Kollege, der längst den Ruhestand genießt.  Selbstverständlich, lautete auch heute noch meine Antwort. Auch wenn manches vorstellbar ist, das ich noch lieber täte, als mich morgens ins Werk zu schleppen.

Dienstag: „Theresa May gerät weiter unter Druck“, so die Nachrichten. Es fehlt nicht mehr viel, und sie ist zu einem Diamanten gepresst.

Ein Juwel ist auch der Liebste, denn er hat Getränke gekauft. Natürlich nicht nur deswegen, aber auch das ist eine Facette des Schliffes. Am Abend tragen wir die Kästen vom Auto hoch in die Wohnung. Er einen, ich drei. Auf dieses Ungleichgewicht angesprochen, bekomme ich zur Antwort: „Du bist manchmal etwas bequem.“ Vermutlich hat er recht.

Mittwoch: Den zweiten Morgen in Folge bin ich vor dem Wecker wach und stehe auf. Kommt jetzt diese präsenile Bettflucht? Was unterdessen immer deutlichere Gestalt annimmt, ist der Drang zur Büroflucht.

Donnerstag: „Schlechte Sänger sind immer schlecht, da helfen weder Bier noch Wein“, lese ich in der Zeitung. Ethanolhaltige Getränke schaden in dem Falle aber auch nicht, füge ich hinzu. In diesem Sinne gebe ich heute bei sechs Auftritten mein Bestes. Alaaf!

KW9

(Foto: Anja Profitlich)

Auf der Rückfahrt nach Hause ist es eher nützlich, ein wenig dem Alkohol zugesprochen zu haben: Unser Taxifahrer liefert sich auf der B9 ein Rennen mit einem von einem Testosteronäffchen gelenkten, auspuffknallenden „Sportwagen“. Nüchtern hätte ich womöglich unter mich gelassen.

Freitag: In den Medienberichten über das Treffen von Donald Trump und Kim Jong Un wird der eine stets als „Präsident“, der andere als „Machthaber“ bezeichnet. Als ob Trump von der Mehrheit der Bürger gewählt und damit der Gute sei, nur Kim hingegen durch dunkle Machenschaften die Herrschaft ergriffen hätte. Insofern erscheint eine einheitliche Bezeichnung angemessen. Vielleicht „Jeck“. Aber damit kämen sie wohl zu gut weg. Eher „Irrer“.

Samstag: Der Rheinmetall-Konzern freut sich über eine dank voller Auftragsbücher fast fünfzigprozentige Steigerung des Betriebsgewinns in der Militärsparte. Mir fällt spontan nur weniges ein, das geeignet wäre, mich noch mehr anzuwidern.

Den karnevalsfreien Tag nutze ich für einen längeren Spaziergang auf die andere Rheinseite durch die Schwarzrheindorfer Auen, unter anderem um den Kopf freizubekommen von ein paar beruflichen Dingen, die ich entgegen sonstiger Gewohnheit mit ins Karnevalswochenende genommen habe, was nicht gut ist und nicht sein sollte, auf welche ich indes nicht näher eingehe, es würde Sie langweilen. Auf der noch ungeschriebenen Liste der Dinge, die ich tun würde, wenn ich nicht mehr ins Werk müsste, steht dieser Gang als tägliche Übung weit oben. Neben Singen macht auch Gehen glücklich. Singen beim Gehen erst recht, wobei das auf Außenstehende befremdlich wirken mag. Der Besitz eines Hundes steht nicht auf der Liste, was vermutlich noch zu einigen Diskussionen führen wird.

Auf dem Rückweg sehe ich am Radweg vor der Kennedybrücke einen „fliegenden“ Anbieter von Dienstleistungen zur Fahrradwartung: Ein Campingtisch mit diversen Flick- und Putzutensilien, davor und dahinter jeweils eine große Tafel mit Anpreisung des Wartungsservices. Eine ebensolche Tafel hält der Betreiber des Standes jedem Radfahrer entgegen, der vorbeikommt. Leider ohne Erfolg, keiner hält an, anscheinend ist der Bedarf an fliegender Fahrradwartung nur gering. Vielleicht sollte der Mann sein Geschäftsmodell noch einmal überdenken. Kleiner Tipp: Das Ausbringen von Nägeln im Abstand von ein- bis zweihundert Metern vor dem Stand könnte dem Geschäft Anschub verleihen. Das ist zwar ein wenig fragwürdig, aber immer noch viel sympathischer als Rheinmetall.

Sonntag: De Zoch kütt in Bad Godesberg. Ich bin übrigens der Grün-weiße mit der schräg klingenden Trompete. Das kann ich nämlich auch nicht.