Im Übrigen waren wir auch nicht besser

Vor längerer Zeit las ich, ich weiß nicht mehr wo, vielleicht in der Sonntagszeitung, den Text einer jungen Autorin. In Form eines offenen Briefes äußerte sie sich kritisch-verwundert über die Generation der sogenannten Boomer, ihre Engstirnigkeit wie etwa die Weigerung, ein Tempolimit auf Autobahnen zu akzeptieren oder geschlechterneutrale Sprache zu verwenden. Vieles in dem Text war zutreffend.

Gleichwohl erlaube ich mir, selbst nicht mehr der Jüngste (je nach Definition ebenfalls Boomer oder Generation X, nicht so wichtig) eine Erwiderung. Also:

Liebe Jungmenschen,*

vieles hat sich im Laufe der Jahrzehnte gewandelt hat, das meiste, auch wenn von vielen Vertretern meiner und noch älterer Altersgruppen gerne gegenteilig behauptet, zum Guten. Etwa das äußere Erscheinungsbild junger Männer: In den Siebzigern trugen sie Hosen mit weitem Schlag, lange Haare, gerne mit etwas schmieriger Anmutung, und Schnauzbärte. Allein wenn man Fußballspieler damals und heute miteinander vergleicht, bei allem mir gegebenem Desinteresse an Fußball, könnte man meinen, es handelte sich um unterschiedliche Spezies: Paul Breitner zu Thomas Müller, Günter Netzer zu Joshua Kimmich und was weiß ich wie die heute heißen.

Dagegen heute: Bis vor kurzem zeigtet ihr euch gerne mit gescheitelter Kurzhaarfrisur, Dreitagebart und schmal geschnittenen Hosen, bei jeder Außentemperatur knöchelfrei oder mit hochgezogenen weißen Sportsocken. Doch ist hier in letzter Zeit eine schleichende Verhässlichung zu beobachten. Damit meine ich nicht den inzwischen typischen Einheitsjugendlichen mit Alpakafrisur und weißen Turnschuhen, Verzeihung: Sneeker. Aber ihr solltet darüber nachdenken, ob eurem Erscheinungsbild die Rückkehr in die Siebziger- und Achtzigerjahre dienlich ist mit Vokuhila-Schnitt, Schnauzbärten und sackartigen Hosen.

Wenn ich bis hierher nur die Jungs angesprochen habe, liegt es daran, dass mir vergleichbares bei Mädchen bislang nicht so auffällt. Vielleicht achte ich auch nicht so sehr darauf, was bitte nicht frauenfeindlich oder -desinteressiert aufzufassen ist. Außerdem: Knöchelfrei bei jedem Wetter tragen sie seit jeher, auch und gerade Rentnerinnen.

Doch bei folgenden Beobachtungen fühlt euch gerne alle angesprochen.

Ständig blickt ihr aufs Datengerät: auf dem Fahrrad, beim Autofahren, in der Bahn und beim Warten auf diese sowieso. Beim Gehen durch die Stadt, beim Laufen, vermutlich auch während des Liebesspieles. Dabei tragt ihr stets Kopfhörer, zumeist diese kleinen weißen Einsteckstöpsel, auch während ihr miteinander sprecht. (Vielleicht werden in einigen Generationen die Menschen bereits damit geboren, fest verwachsen.) Dann schaut ihr Filmchen bei TikTok und Serien mit englischen Titeln. Über TikTok informiert ihr euch auch über das Weltgeschehen; Tagesschau und überhaupt lineares Fernsehen ist was für Alte. Überhaupt schaut ihr für alles Mögliche aufs Gerät; wenn ihr was wissen wollt, googelt ihr danach. Man könnte vermuten, Teile eures Hirns habt ihr auf das Smartphone ausgelagert.

Wenn ihr nicht draufschaut, telefoniert ihr. Wobei, das stimmt nicht ganz, dank flach vor das Gesicht gehaltenen Telefons schafft ihr es, zu telefonieren UND auf das Display zu schauen. Gerne mit eingeschaltetem Lautsprechen, damit auch alle anderen in den Genuss des vollständigen Gesprächs kommen, oder ihr haltet euch zum Hören die schmale Unterseite des Telefons ans Ohr.

Oder ihr macht Fotos, am liebsten von euch selbst, allein vor einem instagrammablen Hintergrund oder zusammen mit euren Freunden. Dann haltet ihr die Kamera mit ausgestrecktem Arm über Kopfhöhe vor euch und grinst hinein. Ist euch noch nie aufgefallen, wie dämlich das aussieht?

Fahrrad fahrt ihr stets im Stehen, auch im Gefälle. Warum? Welchen Vorteil hat das gegenüber bequemem Sitzen auf dem Sattel? Vielleicht werden künftige Fahrräder ohne Sattel hergestellt, so wie Autos kein Ersatzrad mehr haben und Züge vielleicht demnächst keine Fenster, weil alle nur noch auf ihre Geräte schauen und nicht nach draußen. Dafür mit mehreren Getränkehaltern. Es ist euch nicht möglich, ohne gefüllte Trinkflasche aus dem Haus zu gehen und im Minutentakt daran zu nippen. Fürchtet ihr, sonst zu verdursten? Ähnliches gilt für den Gehkaffee. Warum muss man mit einem Kaffeebecher, schlimmstenfalls Einweg, durch die Gegend laufen?

Gut, niemand sagt „Gehkaffee“, sondern Coffee to go. So wie ihr überhaupt gerne englisch sprecht. Weil ihr es könnt, wie ich ein wenig neidisch anerkenne. Aber muss man wirklich bei jeder Gelegenheit chillen, by the way, never ever, really, random sagen?

Aber auch wenn ihr nicht englisch sprecht, benutzt ihr komische Wörter: Alles möglich findet ihr krass, statt äh … sagt ihr genau, und tatsächlich an Stellen, wo es völlig überflüssig ist. Ungeachtet des Geschlechts nennt ihr euch gegenseitig Alter, vielleicht ist das auch gar keine Anrede, sondern nur eine universelle Gefühlsregung.

Ihr ernährt euch vegan, weil euch die Tiere leid tun. Daran ist nichts zu kritisieren, im Gegenteil, das ist sogar sehr lobenswert, wir alle sollten viel weniger Fleisch essen, den Tieren und dem Klima zuliebe, gesünder ist es auch. Doch tun euch nicht auch die Pflanzen leid, wenn sie zu veganer Leberwurst verarbeitet werden? Und was wird aus den ganzen Kühen, wenn niemand mehr Milch trinkt und Bic Mac isst?

Haftete Tätowierungen früher etwas Verruchtes an, sind sie für euch selbstverständlich und ihr zeigt sie mit Stolz. Manche von euch übertreiben es damit etwas, wenn Arme und Beine großflächig eingefärbt sind oder Ornamente am Hals entlang aus dem T-Shirt-Kragen flammen. So mancher von Natur aus wohlgeratener Körper wird dadurch freiwillig und dauerhaft verunstaltet. Warum?

Sympathisch, wenn auch anfangs gewöhnungsbedürftig finde ich eure Gewohneit, alle zu duzen, auch über Hierarchieebenen hinweg. Wobei Kommunikation nicht immer einfacher wird, wenn statt Herr Schröder, Frau Schmidt nur noch „der Tobi“ oder „die Steffi“ gesagt wird und man nicht sofort weiß, welcher beziehungsweise welche von mehreren gerade gemeint ist. Nicht geduzt werden möchte ich hingegen von Firmen, Organisationen und Webseiten. Da bin ich Boomer.

Man sagt euch eine gewisse Nachlässigkeit in der Arbeitsmoral nach, doch das glaube ich nicht. Ihr setzt halt andere Prioritäten, ordnet einer Karriere nicht alles andere unter. Vielleicht seid ihr auch ein wenig verwöhnt von euren Eltern, die ihr statt mit „Mama“ und „Papa“ mit ihren Vornamen ansprecht und die möglichst alle Unannehmlichkeiten von euch fernhalten.

In vielem stimme ich mit euch überein: Wir müssen viel mehr für Klima- und Naturschutz tun, damit ihr und eure Kinder, die ihr trotz allem Irrsinn in der Welt irgendwann haben wollt, auf eine angenehme Zukunft hoffen könnt. Wir müssen nicht jede noch so kurze Distanz mit dem Auto zurücklegen, weil es so bequem ist. Und Arbeit muss nicht der zentrale Lebensinhalt sein, siehe oben.

Im Übrigen waren wir auch nicht besser. In den Achtzigerjahren trugen wir seltsame Frisuren, schaut euch auf Youtube nur mal das Video zu Do They Know It‘s Christmas an. Unsere Bekleidung war auch fragwürdig: Die einen trugen wallende Bundfaltenhosen und grelle Seidenblusons, andere kleideten sich in selbst gefärbten Latzhosen und Hemden aus grobem Leinen, dazu einen Rauschebart.

Statt mit dem Smartphone beschäftigten wir uns stundenlang mit dem Zauberwürfel, später einem elektronischen Haustier namens Tamagotchi. Auch wir gingen schon mit Kopfhörern aus dem Haus, nur kam die Musik von einer Kassette im Walkman statt per Stream aus der Wolke.

Ich glaube, ihr seid nicht verkehrt. Und dass wir euch die Welt so hinterlassen wie sie ist, dafür könnt ihr nichts.

*Ich weiß nicht, wie ich euch anreden soll: Millenials, Generation Y, Z, Alpha, Beta, Gamma, Genau; sucht euch was aus, wenn ihr nicht viel älter als dreißig seid

Aus dem Familienalbum (ohne mich)

Woche 11/2022: Kleinrübe im Singular statt Rabatten im Plural

Montag: Laut einem Zeitungsartikel hat die Deutsche Umwelthilfe die führenden Automobilhersteller aufgefordert, einem generellen Tempolimit zuzustimmen. Ich habe nicht den geringsten Zweifel daran, dass BMW, Mercedes Benz und Volkswagen als „Syndikative“ fester Bestandteil der staatlichen Gewaltenteilung sind, gleichwohl erscheint es sehr bedenklich.

Eher putzig dagegen die morgens im Radio gehörte Forderung einiger Kreise des südlichen Sauerlandes an den Staat, er müsse aufgrund der gesperrten Autobahn 45 kostenlos Werbung für den Tourismus in dieser Region betreiben und zudem Anreisen dorthin finanzieren. Was halt so gefordert wird in völlig verrückten Zeiten.

Dienstag: Unser Bundeskanzler war zu Besuch beim türkischen Machtha Verzeihung: Präsidenten. „Berlin und Ankara rücken näher zusammen“, heißt es dazu. Ein tektonisches Wunder.

Mittags in der Kantine ließ mich Linsensuppe mit Bockwurst das aktuelle Elend kurz vergessen.

Nachmittags gab es Gans, nicht auf dem Teller, sondern auf dem Werksdach, wo zwei Wildgänse über längere Zeit lautstark Unmut oder Lebensfreude äußerten, so genau war das nicht zu erkennen.

»Dicke PS-Monster rauschen brüllend mit 180 oder 200 an mir vorbei, der übliche Aggro-Nahkampf auf der Autobahn, offenbar tun die Benzinpreise Vielen gar nicht weh«, ist hier zu lesen. Daran wird sich leider so bald nichts ändern, siehe Eintrag vom Montag.

Mittwoch: Heute haben laut Zeitung Namenstag, die Gummar heißen. Also vermutlich nicht sehr viele.

Gehört in einer Besprechung: „Aus meiner N-gleich-eins-Sicht …“, was wohl wesentlich klüger klingen sollte als „Meiner unmaßgeblichen Meinung nach …“. Wurde sogleich notiert für die Liste.

Die einen sagen, man lernt nie aus, die anderen predigen „lebenslanges Lernen“. Das kann ich bestätigen: Erst jetzt nahm auch ich zur Kenntnis, dass die beliebte Feldfrucht Rote Bete geschrieben wird und nicht Beete. Kleinrübe im Singular statt Rabatten im Plural. Rote Beete taugt somit allenfalls als Bezeichnung von Mohn- oder Tulpenanpflanzungen.

Donnerstag: Als ich morgens ins Werk ging, war es trübe, erste Tröpfchen nieselten zu Boden.

..
Nur auf den ersten Blick ein Schreibfehler

Erst unmittelbar nach Ankunft am Schreibtisch wurden die himmlischen Hähne geöffnet und stärkerer Regen wusch den Saharastaub aus den Wolken, der hier bei uns zwar keine so eindrucksvolle Himmelsröte erzeugte wie in Süddeutschland und anderswo, gleichwohl mit ockerfarbenen Verwehungen die Bodenritzen vor dem Mutterhaus füllte.

Nach dem Mittagessen freute ich mich sehr über die Mailantwort auf einen Brief, den ich erst gestern verschickt hatte. Zuvörderst natürlich über die Antwort, daneben auch über die Verlässlichkeit der Post.

Das Abendessen war von Altbier begleitet, das der Liebste, beruflich nahe Düsseldorf tätig, mitgebracht hatte. Das bleibt bitte unter uns – aufgrund einer folkloristischen Fehde zwischen dem Köln/Bonner Raum und Düsseldorf, für den Ostwestfalen in mir kaum nachvollziehbar, gilt es hier als eine Art Verrat oder Todsünde, Alt statt Kölsch zu trinken, in Düsseldorf entsprechend umgekehrt. Egal – es hat gut geschmeckt und ich würde es wieder tun. So wie ich im Hochsommer Dominosteine und Spekulatius äße, gäbe es sie. Das tut man nicht? Was tut man nicht alles, das man nicht tut.

Freitag: Manches hält man für undenkbar, bis es eintritt. Erstmals solange ich zurückdenken kann ließ ich mittags das Dessert unaufgegessen zurückgehen. Die vegane Panna Cotta (es gab nichts anderes) war sowohl von der Konsistenz als auch vom Geschmack her völlig inakzeptabel. Vegane Panna Cotta – ich möchte nicht wissen, woraus die gemacht worden war.

Wenngleich man also niemals nie sagen soll, wage ich dennoch die kühne These, dass ich niemals außerhalb lästerlich-ironischer Zusammenhänge Gendersternchen, -doppelpunkte oder -unterstriche setzen werde.

Übrigens sind Trüffel, Sie wissen schon, die unterirdischen Luxuspilze, nicht vegan, weil Tiere zu deren Auffinden genötigt werden. Darauf muss man erstmal kommen. Sind Äpfel und Kirschen es dann auch nicht, weil die Blüten von Bienen bestäubt wurden?

Ein Luxusproblem, wenn auch ein sehr teures: Die Sanierung der Bonner Beethovenhalle wird laut Zeitung erneut einige Milliönchen teurer, man fragt sich langsam, warum darüber überhaupt noch berichtet wird. Der folgende Satz erscheint dennoch bemerkenswert: »Bei der bisher vorgesehenen Entrauchungsanlage befürchtet das SGB (Städtisches Gebäudemanagement Bonn, Anm. d. Verf.) außerdem, dass sie während des Konzertbetriebs zu viel Lärm verursachen könnte.«

Abends beim Laufen kam ich an einem riesengroßen Auto vorbei, das am Straßenrand geparkt war. „A…loch-Auto“ war mein erster Gedanke, wie stets bei solchen Gelegenheiten. Dann sah ich am Heck den Aufkleber: »Völlig sinnlos – aber schön«. Da musste ich doch kurz grinsen. Trotzdem bleibt es ein A…loch-Auto.

Samstag: In einer Anzeige für eine Lokalität, in der auch Eheschließungen möglich sind, war das Wort „Eheschmiede“ zu lesen. Ein bemerkenswertes Bild: Beim Schmieden wird bekanntlich ein Stück Eisen bis zur Weißglut erhitzt, danach mit einem schweren Hammer auf einem Amboss in die gewünschte Form geschlagen, ehe es zur jähen Abkühlung in Wasser getaucht wird. Was das im übertragenen Sinne über derart gefestigtes Liebesglück in guten wie in schlechten Zeiten aussagt, ich weiß es nicht.

Im Briefkasten ein langer Brief als Vertiefung der am Donnerstag erhaltenen Mail, über den ich mich nochmals riesig gefreut und den ich im Rahmen samstäglicher Besorgungen, von frühlingshafter Sonne beschienen, mit mehrfachem Lächeln auf einer Bank am Rheinufer las. Ich danke der Absenderin herzlich! Eine Antwort erfolgt in angemessener Frist. (Mit der Absenderin weiß ich mich übereinstimmend darin, dass freundschaftliche Briefkommunikation keine kurzfristige Reaktion innerhalb weniger Tage erfordert, was sie in angenehmer Weise von Elektrokommunikation unterscheidet.)

Sonntag: Der Liebste hat demnächst Geburtstag. Wie immer die Frage: was schenken? Nachteil der Digitalisierung: Schallplatten, CDs und gedruckte Bücher scheiden als Geschenk für ihn wie die meisten Menschen, die solches nur noch materiefrei aus dem Netz beziehen, leider aus.

Auch aus dem Netz, zu lesen hier: »Monogamie ist ein faszinierendes Gedankenkonstrukt, das zumeist an menschlicher Imperfektion scheitert.« Der lesenswerte Text endet mit der Frage »ja geht denn sowas überhaupt in der Praxis?« Ja, das geht.

***

Zum Schluss einige weitere Bilder der Woche:

Dafür hat er nur einen Arm.
Auch am Samstag war die Sahara noch in der Inneren Nordstadt gegenwärtig.
..
(aus General-Anzeiger Bonn)

***

Kommen Sie gut durch die neue Woche.

Noch ein Jahresrückblick 2016

Das menschliche Zusammenleben ist begleitet von merkwürdigen Ereignissen, Zufällen und Gelegenheiten. Wer nun glaubt, die Welle der Jahresrückblicke sei überwunden, der sei um etwas Geduld gebeten, einer kommt noch. Die nachfolgenden Meldungen standen 2016 neben Prominentensterben, Präsidentenwahl, Putin, Pokémon und postfaktisch ebenfalls in der Zeitung.

***

Januar
Die Stadt Bonn verteilt Strafzettel an Besucher der Neujahrsmesse, die ihren Wagen verbotenerweise neben dem Münster geparkt haben, „ohne Rücksicht auf die Menschen und ihre Gefühle und berechnend“, so ein betroffener Wildparker. Doch lässt die Stadt Barmherzigkeit vor Recht ergehen und verzichtet ausnahmsweise darauf, das Bußgeld in Rechnung zu stellen. Dies wiederum erzürnt andere Bürger, die zu recht fragen, ob Gottesdienstbesucher ein Sonderparkrecht genießen.

Februar
Nach einem Gerichtsbeschluss darf die russisch-orthodoxe Kirche in Nischni Nowgorod von den umgerechnet 5.000 Euro, die sie einer Firma für den Einbau eines neuen Heizkessels schuldet, 3.000 Euro einbehalten. Dafür müsse sie Gott um das Wohlergehen der Firmeninhaber und ihrer Familien bitten. Der Richter dürfte bei den Fürbitten auch nicht ganz leer ausgehen.

März
Die Sanierung der Beethovenhalle wird drei Millionen Euro teurer als geplant. Warum ist das der Zeitung eine Meldung wert? Die Sanierung bleibt im Kostenrahmen – DAS wäre eine Sensation.

In Florida schießt ein Vierjähriger auf seine Mutter, eine bekennende Waffenbefürworterin, die zuvor die Schießkünste ihres Sohnes auf Facebook gelobt hatte. Ob der Vorfall ihre Meinung zu Waffenbesitz beeinflusst hat, ist nicht bekannt.

April
Bleiben wir in Amerika. Mit Gun TV nimmt ein Verkaufssender für Waffen den Sendebetrieb auf. Wenige Tage später erschießt ein Zweijähriger in Milwaukee seine Mutter im Auto. Die geladene Waffe lag im Auto herum.

Der US-Bundesstaat Utah erklärt unterdessen Pornografie zu einer öffentlichen Gesundheitskrise.

Mai
Immer noch Amerika: Eine Dame verklagt Starbucks auf fünf Millionen Dollar Schadensersatz wegen angeblich zu viel Eis im Eiskaffee.

Juni
In Berlin klagt ein Anspruchsbürger gegen das Bezirksamt, weil die Grundschule seiner Tochter kein veganes Mittagessen anbietet. Die Klage wird vom Verwaltungsgericht abgewiesen.

Das nordrhein-westfälische Finanzministerium verteidigt Messebesuche von Mitarbeitern des landeseigenen Spielbankanbieters Westspiel als „zwingende Voraussetzung für einen marktgerechten Auftritt“. Unter anderem reiste eine sechsköpfige Delegation nach Las Vegas, wofür Kosten in Höhe von 17.000 Euro anfielen.

Juli
Eine Welle der Empörung rauscht durch Bonn, nachdem der Eigentümer des Beueler Brückenforums die Absicht kundgetan hat, das Gebäude grau zu streichen. Sogar die Politik beschäftigt sich mit dem Thema.

In Bendorf entgehen zwei Polizisten nur knapp ihrer Enthüllung. Als sie nach einer Beschwerde wegen Ruhestörung bei einer Damen-Geburtstagsfeier eintreffen, werden sie von den begeisterten Damen für Stripper gehalten. Ob Waffen zum Einsatz kommen, wird nicht berichtet.

August
Die Welt hält den Atem an: Nach despektierlichen Kommentaren von Fans über seine neue Freundin löscht der Promi-Kasper Justin Bieber sein Instagram-Konto.

Nachdem die Bundesregierung im Zuge des neuen Konzepts für die zivile Verteidigung die Bevorratung von Lebensmitteln empfohlen hat, kriegt sich die Twittergemeinde tagelang nicht ein in der Äußerung von Witzen über Hamsterkäufe.

September
Das Portal bestatter-preisvergleich.de kürt die schönste deutsche Bestatterin zur „Miss Abschied 2016“, was viele Vertreter der Branche zu Reaktionen veranlasst, die eine gewisse Humorlosigkeit erkennen lassen.

Oktober
Das Landratsamt Hof verbietet einer Dame, die sich Natalie Hot nennt, in ihrem Wohnhaus ihr Gewerbe auszuüben. Frau Hot bot einem zahlenden Publikum vor der Kamera ihren Körper zur Schau, was einige Nachbarn erzürnte. Laut Landratsamt sehe der Bebauungsplan eine gewerbliche Nutzung nicht vor. Eine freiberufliche Tätigkeit könne nicht anerkannt werden, weil „nicht er­kenn­bar ist, dass bei ei­nem Er­otik­chat im We­ge frei­er schöp­fe­ri­scher Ge­stal­tung Ein­drü­cke, Er­leb­nis­se und Er­fah­run­gen der Bau­her­rin durch das Me­di­um ei­ner be­stimm­ten For­men­spra­che zur un­mit­tel­ba­ren An­schau­ung ge­bracht wür­den“.

November
Nach der Übernahme durch Flixbus verschwinden die gelben Postbusse aus dem Straßenbild. Zum zweiten Mal in der deutschen Postgeschichte.

postbus-1

Dezember
Skandal in England: Die neue Fünf-Pfund-Note enthält tierische Fette, was bei Vegetariern, Veganern und mehreren Religionsgemeinschaften heftige Proteste hervorruft. Die jüdischen Vertreter sehen es indes gelassen: Der neue Geldschein stelle kein Problem dar, so lange man ihn nicht isst.

Underdessen ist das Interesse an Schlüpfern aus dem Besitz von Queen Victoria gering. Trotz „gutem Zustand mit nur kleinen Verfärbungen“ zahlt kein Bieter das geforderte Mindestgebot von 4.000 bis 6.000 Pfund, so das Auktionshaus.

***

Ein vorausschauender und sehr lesenswerter Jahresrückblick auf das Jahr 2066 ist in der Dezember-Sonderausgabe des SPIEGEL zu finden:

spiegel-1