Woche 28/2023: Von Wanderglück beseelt

Montag: Am Wochenbeginn war nichts Wesentliches zu beanstanden, es gab schon montäglichere Montage. Zu beklagen ist der Defekt der Geschirrspülmaschine nach nur acht Jahren Betrieb, was nicht dem Montag anzulasten ist. Dabei handelt es um ein Gerät des einst für die Verlässlichkeit und dauerhafte Haltbarkeit seiner Produkte bekannten Gütersloher Hausgeräteherstellers im gehobenen Preissegment. Anscheinend kann man sich auf nichts mehr verlassen. Vor geraumer Zeit stellte bereits der Wäschetrockner aus demselben Hause seine Dienste ein; sein Nachfolger, ebenfalls aus Gütersloh, nervt seitdem mit durchdringendem Piepen nach Trocknungsende.

Aus einem Zeitungsbericht über den Brand in einem Landauer Autohaus am vergangenen Wochenende: »Durch das Feuer wurden unter anderem Autos zerstört« – Wer hätte das gedacht.

Arno Frank im aktuellen SPIEGEL über Freibadkultur: »Und wenn weibliche Brüste vom Schönheitschirurgen sein können, dann sind männliche manchmal von der Brauerei.«

Dienstag: Vormittags fuhr ein Lieferwagen auf die gelb verdorrte Rasenfläche hinter dem Werk, mit Anhänger, darauf ein Aufsitz-Rasenmäher, obwohl es dort nichts mehr ernsthaft zu mähen gab. Bevor er lärmend zu grasen begann, brachte der Grünschnittvollstrecker mittels einer nicht minder lärmenden Motorsense die umstehenden Hecken in Facon. An Büroschlaf war nicht zu denken. Ich schloss die Fenster und dachte: Der macht auch nur seine ihm aufgetragene Arbeit. Wenigstens bediente er sich zum Aufsammeln der Heckenreste einer klassischen Harke statt eines Blasinstruments.

„Da sind wir schon in Progress“ hörte ich in einer Besprechung und fasste mich an den Kopf.

In einer Überschrift las ich was von „spannendem Gemüse“ und wunderte mich.

Aus gegebenem Anlass wünsche ich mir für WhatsApp eine Funktion, die eine Gruppe automatisch für mindestens acht Stunden stummschaltet, sobald jemand ein Spruchbild darin veröffentlicht. Oder mehr als ein Ausrufezeichen verwendet.

Nachmittags unterhielt ich mich mit einem Kollegen über den Ruhestand und kam zu der Erkenntnis, dass ich in spätestens neun Jahren gehen kann. Neun Jahre sind nicht viel, zurückgerechnet ist das 2014. Das war doch gerade erst.

Mittwoch: „Wir haben leider ein Delay“ hörte ich in einer Besprechung. Das tut mir leid, hoffentlich singt er nicht.

Die Tagesfrage des Blogvermieters lautet, welche Strategie ich anwende, um das tägliche Leben angenehmer zu gestalten. Eine bewusste Strategie, die einhergeht mit einer Planung, verfolge ich nicht, doch gibt es schon ein paar Dinge, die mir unverzichtbar erscheinen: die konsequente Trennung von Beruf und Privat, weshalb ich Heimarbeit ablehne. Eine Mittagspause ohne geschäftliche Gespräche und abseits des Schreibtisches, ganz wichtig und nicht verhandelbar. – Bewegung, das muss kein Sport im engeren Sinne sein: Radfahrten und Fußgänge ins Werk, Spaziergänge, die weitgehende Meidung von Rolltreppen und Aufzügen. (Das Sportstudio, das ich vor Jahren regelmäßig aufsuchte, ehe ich daran die Lust verlor, befindet sich im zweiten Stock. Sie glauben nicht, wie viele der Muskelzüchter dorthin den Aufzug benutzten.) – Ein, zwei Gläser Wein oder Bier am Abend. Ja ich weiß, nicht gut, weniger wäre besser, gehört für mich aber dazu. – Ausreichend Schlaf, das heißt, vor Arbeitstagen gegen zweiundzwanzig Uhr ins Bett, am Wochenende nicht vor zehn wieder raus. – Mich nicht für alles interessieren, worum allgemeines Geschrei tönt. – Lesen. Schreiben. – Das war eine kleine Auswahl, die sich mit etwas Nachdenken noch erweitern ließe.

Abendgewölk

Donnerstag: Etwas, das das Leben auch angenehmer macht, sind Unterbrechungen des Alltags. Das muss nicht gleich ein mehrwöchiger Urlaub sein, einzelne Tage zwischendurch erquicken ebenfalls. Ein solcher Inseltag war heute, den ich bei perfektem Wetter wandernd verbrachte, auf der zweiten Etappe des Natursteigs Sieg von Hennef nach Blankenberg. Glücksgefühl stellte sich erstmals ein, nachdem der zum Teil steile Zuweg von Hennef herauf geschafft war und mich auf dem Hauptweg Waldkühle umgab, derweil von rechts aus dem Tal fernes Stadt- und Straßenrauschen ans Ohr drang.

Der Wanderweg führt nicht nur durch Wald und Feld, sondern ab und an auch durch ein Wohngebiet. Ich mag das. Ob die Anwohner es genauso mögen, wenn fremde Leute an ihren Gartenzäunen entlang wandern, ist eine andere Frage.

Während der Mittagspause auf einem wohlgelegenen Rastplatz mit Blick auf das Tagesziel diktierte ich aus gegebenem Anlass die erste Whatsapp-Sprachnachricht meines Lebens. Dabei hielt ich, worüber ich sonst gerne lästere, das Telefon flach vor den Mund und schaute mich immer wieder um, ob mich jemand sehen könnte. Obwohl es für viele völlig normal ist, wäre mir das peinlich gewesen. Ähnlich wie beim WildWaldpinkeln.

Gegen vierzehn Uhr erreichte ich den Ortsteil Stein, wo ich mich in einer Außengastronomie an einem Weizenbier labte. Derart gestärkt erklomm ich anschließend den Hügel, auf dem die idyllische Stadt Blankenberg ruht, eigentlich schon Beginn der dritten Siegsteig-Etappe, die ich mir für einen der nächsten Wandertage vornehme. Danach fuhr ich, von Wanderglück beseelt, mit einer fast leeren S-Bahn zurück nach Siegburg, wo spontan aufgekommener Currywurstappetit gestillt wurde.

Wenn es Sie interessiert, hier einige Eindrücke des Tages:

Sieg bei Hennef
Waldeslust
Farben
Das Ziel vor Augen (Pfeil)
Für die Sammlung (Stein)
Stadt Blankenberg
Finde den Fehler

Freitag: „Es wird demnächst tatsächliche Standards für die Betreiber kritischer Infrastruktur geben“, sagte die Innenministerin anlässlich der Störaktion Klimaklebender auf dem Düsseldorfer Flughafen. Tatsächlich. Dann kann ja nichts mehr passieren.

Irgendwer hat mir per Teams ohne weitere Kommentierung eine Aufgabe zugewiesen. Da ist er bei mir richtig. Ohne genauer zu wissen, was er von mir will, habe ich sie auf Erledigt gesetzt und warte ab, was passiert. Mit dem Alter kommt die Gelassenheit, derlei nicht ernst zu nehmen und die Erkenntnis, dass in über neunzig Prozent solcher Fälle gar nichts passiert.

Samstag: Das Wetter zeigt sich unentschieden, mal regnet es, ab und zu lugt die Sonne durch ein Wolkenloch, dazu angenehme Temperaturen nicht weit über zwanzig Grad. Dank der neuen Markise kann ich den Nachmittag niederschlagsunabhängig auf dem Balkon sitzen und das Blog befüllen, auf dass Sie am Montag wieder was zu lesen haben. Ein wenig getrübt wird das Vergnügen durch Arbeitsgeräusche des bisweilen zu Hyperaktivität neigenden Nachbarn gegenüber, der heute etwas mit einer elektrischen Handkreissäge bearbeitet, dazwischen heult immer wieder ein Staubsauger mit nervensägenden Klopfgeräuschen, ungefähr so: „Uüüüüüüüüü – bum bum bum – üüüüüüüüü – bum bum bum – üüüüü …“.

Aus Unpässlichkeitsgründen haben wir ausnahmsweise Cola im Haus, die klassische bauchige Glasflasche im Einliterformat, ich wusste nicht, dass es das (noch) gibt. Nach so langer Zeit schmeckt die braune Süßbrause erstaunlich gut, wird aber nicht zur Gewohnheit werden.

Aus der Zeitung:

Haben die das wirklich nicht gemerkt?

Alles Gute zum Namenstag unter anderem an Bonaventura, Gumbert und Regiswind.

Sonntag: Bei den Kraftstoffpreisen ist offenbar noch Luft nach oben. Anders ist nicht zu erklären, dass ich beim Spaziergang an gleich drei Fahrzeugen vorbeiging, die mit laufendem Motor entweder am Straßenrand standen, derweil der Fahrer sich mit dem Datengerät beschäftigte, oder vor geschlossen Bahnschranken. Soll man die Leute ansprechen? Ja, sollte man wohl, aber außer einer dummen Antwort, vielleicht auch Gewaltandrohung, wird man nichts erreichen.

Meine Abneigung gegen das Händeschütteln schon lange vor der Seuche brachte ich bereits des öfteren zum Ausdruck. Wie der aktuellen Ausgabe der PSYCHOLOGIE HEUTE zu entnehmen ist, praktizierten die australischen Walbiri den Penishandschlag. Leider wird nicht erläutert, wie eine solche Begrüßung genau ablief, auch in des Netzes Weiten fand ich nichts dazu. Das würde mich sehr interessieren, wenngleich ich nicht annehme, für dieses Wissen eine praktische Anwendung beziehungsweise eine allgemein akzeptierte Alternative zum Händeschütteln zu finden.

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Kommen Sie gut in und durch die Woche.

Woche 42: Wieder ist die Welt etwas unübersichtlicher geworden

Montag: „Bauhof in Gutenstetten ist nun elektrisch unterwegs„, steht über einem Zeitungsartikel. Stellen Sie sich mal einen in einer Straßenbahn reisenden Bauhof vor!

Gleichsam unterwegs waren heute auch zahlreiche Kollegen und ich, da ein Gebot von höherer Stelle ausging, auf dass ein jeder umziehe in ein anderes Büro in einem anderen Gebäude, warum auch immer das sein muss. Statt aus der 27. Etage auf den Rhein blicke ich nun aus dem zweiten Stock in einen Hinterhof. Doch will ich dessen nicht klagen, immerhin habe ich noch ein Büro, was ja nicht mehr selbstverständlich ist in diesen agilen Zeiten.

Dienstag: Konnte ich im bisherigen Büro während langweiliger Telefonkonferenzen Schiffe auf dem Rhein zählen, so kann ich nun Halsbandsittiche (Pfeil) beobachten. Auch nicht schlecht.

Mittwoch: Apropos komische Vögel – ein echter Vorteil des neuen Büros: Ich muss mir nicht bereits am frühen Morgen und auch sonst nicht im Aufzug das Gelaber irgendwelcher wichtig-witziger Businesskasper anhören.

Ganz andere Probleme heute bei Porsche: Wie aus einer Meldung hervorgeht, war dort nach einer IT-Störung die Produktion lahmgelegt. Das ist nun wirklich nicht sehr schlimm.

Donnerstag: Ähnlich überflüssig wie ein Porsche sind Elektroroller. „Rollern ist töricht“, klebt an einem solchen, ganz im Stil der bekannten Warnhinweise auf Zigarettenschachteln. Sehr nette Aktion, wo erhält man diese Aufkleber? Vielleicht gibt es demnächst auch die passenden Schockbilder dazu, Motive wären reichlich denkbar. Vielleicht wird in tausend Jahren, wenn wir uns längst erfolgreich ausgerottet haben, eine intelligente Spezies zu der Erkenntnis gelangen, dass das Ende des „Homo Sapiens“ zeitlich in etwa zusammenfiel mit dem Aufkommen dieser Roller, wer weiß. Wir werden es nie erfahren.

Freitag: Die Bonner Stadtbahnlinie 66 steht seit längerem wegen Unpünktlichkeit, Ausfällen und überfüllter Züge in der Kritik. Laut einem Zeitungsbericht zum Thema erwägt ein Unternehmensberater aus Montabaur deswegen gar, seinen Arbeitsplatz in Bonn zu kündigen. Liebe Stadtwerke, soweit darf es nicht kommen, jeder Verlust eines Unternehmensberaters ist ein Verlust zu viel!

Seit Jahren fahre ich fast täglich mit der 66, bislang konnte ich die angeprangerten Missstände nur eingeschränkt nachvollziehen: Meistens kam die Bahn, wenn auch oft ein paar Minuten später, egal, und fast immer fand ich einen Sitzplatz. Nicht so diese Woche: Von fünf Fahrten nachmittags nach Hause entfielen drei, eine fiel laut Anzeige aus, kam dann aber doch, und eine endete bereits am Hauptbahnhof. Sollte ich deswegen in das allgemeine Bahnbeschimpfen einstimmen? Nein. Gibt es doch eine wunderbare Alternative: Zu Fuß gehen. So wie heute. Aus der U-Bahn hätte ich nicht des Morgens Röte erblickt.

Oder das Werbeplakat des bekannten Süßbrauseherstellers. Früher war Fanta gelb und Cola dunkel. Laut der Werbung gibt es jetzt auch dunkle Fanta. Wieder ist die Welt etwas unübersichtlicher geworden.

Gelesen bei Herrn Firla über Uhren:

»Das Akustische wie auch das analog Optische der symbolträchtigen Zeiger sind fast verschwunden. Zur bloßen Zahlenfolge wegdigitalisiert. Und wie Fotoapparat und Telefon hat sich die Taschen- und Armbanduhr längst in eine Multifunktionsflachbox zurückgezogen, der wir als Monstranz menschlicher Allmacht vertrauensvoll folgen.«

Samstag: „Immobilenverkauf ohne Makler ist wie Bonn ohne Beethoven“, behauptet ein Plakat der Maklerinnung. So lange ich auch darauf herumdenke: Das ist und bleibt Unfug.

Das hier auch:

KW42 - 1

Sonntag: Von morgens bis abends Regen, was mich nicht vom sonntäglichen Spaziergang abhielt. Ich mag es sehr, wenn mir beim Flanieren durch die Nordstadt nur wenige Menschen unter Schirmen begegnen. Nur die radelnden Speisesklaven mit den riesigen Tornistern, die in durchnässter oranger Arbeitskleidung den Appetit und die Bequemlichkeit derer bedienen, die bei Regen nicht vor die Tür gehen, tun mir etwas leid.