Woche 42: Wieder ist die Welt etwas unübersichtlicher geworden

Montag: „Bauhof in Gutenstetten ist nun elektrisch unterwegs„, steht über einem Zeitungsartikel. Stellen Sie sich mal einen in einer Straßenbahn reisenden Bauhof vor!

Gleichsam unterwegs waren heute auch zahlreiche Kollegen und ich, da ein Gebot von höherer Stelle ausging, auf dass ein jeder umziehe in ein anderes Büro in einem anderen Gebäude, warum auch immer das sein muss. Statt aus der 27. Etage auf den Rhein blicke ich nun aus dem zweiten Stock in einen Hinterhof. Doch will ich dessen nicht klagen, immerhin habe ich noch ein Büro, was ja nicht mehr selbstverständlich ist in diesen agilen Zeiten.

Dienstag: Konnte ich im bisherigen Büro während langweiliger Telefonkonferenzen Schiffe auf dem Rhein zählen, so kann ich nun Halsbandsittiche (Pfeil) beobachten. Auch nicht schlecht.

Mittwoch: Apropos komische Vögel – ein echter Vorteil des neuen Büros: Ich muss mir nicht bereits am frühen Morgen und auch sonst nicht im Aufzug das Gelaber irgendwelcher wichtig-witziger Businesskasper anhören.

Ganz andere Probleme heute bei Porsche: Wie aus einer Meldung hervorgeht, war dort nach einer IT-Störung die Produktion lahmgelegt. Das ist nun wirklich nicht sehr schlimm.

Donnerstag: Ähnlich überflüssig wie ein Porsche sind Elektroroller. „Rollern ist töricht“, klebt an einem solchen, ganz im Stil der bekannten Warnhinweise auf Zigarettenschachteln. Sehr nette Aktion, wo erhält man diese Aufkleber? Vielleicht gibt es demnächst auch die passenden Schockbilder dazu, Motive wären reichlich denkbar. Vielleicht wird in tausend Jahren, wenn wir uns längst erfolgreich ausgerottet haben, eine intelligente Spezies zu der Erkenntnis gelangen, dass das Ende des „Homo Sapiens“ zeitlich in etwa zusammenfiel mit dem Aufkommen dieser Roller, wer weiß. Wir werden es nie erfahren.

Freitag: Die Bonner Stadtbahnlinie 66 steht seit längerem wegen Unpünktlichkeit, Ausfällen und überfüllter Züge in der Kritik. Laut einem Zeitungsbericht zum Thema erwägt ein Unternehmensberater aus Montabaur deswegen gar, seinen Arbeitsplatz in Bonn zu kündigen. Liebe Stadtwerke, soweit darf es nicht kommen, jeder Verlust eines Unternehmensberaters ist ein Verlust zu viel!

Seit Jahren fahre ich fast täglich mit der 66, bislang konnte ich die angeprangerten Missstände nur eingeschränkt nachvollziehen: Meistens kam die Bahn, wenn auch oft ein paar Minuten später, egal, und fast immer fand ich einen Sitzplatz. Nicht so diese Woche: Von fünf Fahrten nachmittags nach Hause entfielen drei, eine fiel laut Anzeige aus, kam dann aber doch, und eine endete bereits am Hauptbahnhof. Sollte ich deswegen in das allgemeine Bahnbeschimpfen einstimmen? Nein. Gibt es doch eine wunderbare Alternative: Zu Fuß gehen. So wie heute. Aus der U-Bahn hätte ich nicht des Morgens Röte erblickt.

Oder das Werbeplakat des bekannten Süßbrauseherstellers. Früher war Fanta gelb und Cola dunkel. Laut der Werbung gibt es jetzt auch dunkle Fanta. Wieder ist die Welt etwas unübersichtlicher geworden.

Gelesen bei Herrn Firla über Uhren:

»Das Akustische wie auch das analog Optische der symbolträchtigen Zeiger sind fast verschwunden. Zur bloßen Zahlenfolge wegdigitalisiert. Und wie Fotoapparat und Telefon hat sich die Taschen- und Armbanduhr längst in eine Multifunktionsflachbox zurückgezogen, der wir als Monstranz menschlicher Allmacht vertrauensvoll folgen.«

Samstag: „Immobilenverkauf ohne Makler ist wie Bonn ohne Beethoven“, behauptet ein Plakat der Maklerinnung. So lange ich auch darauf herumdenke: Das ist und bleibt Unfug.

Das hier auch:

KW42 - 1

Sonntag: Von morgens bis abends Regen, was mich nicht vom sonntäglichen Spaziergang abhielt. Ich mag es sehr, wenn mir beim Flanieren durch die Nordstadt nur wenige Menschen unter Schirmen begegnen. Nur die radelnden Speisesklaven mit den riesigen Tornistern, die in durchnässter oranger Arbeitskleidung den Appetit und die Bequemlichkeit derer bedienen, die bei Regen nicht vor die Tür gehen, tun mir etwas leid.

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