Woche 17/2025: Dafür kann man es nicht selbst machen

Montag: Weiterhin Ostern. Der Papst ist tot. Völlig unangemessen spielt, seit ich es erfahren habe, in meinem Kopf der Kinderkanon „Der Hahn ist tot“, nur statt Hahn eben Papst und „Hallelu – lelujah“ statt „kokodi – kokoda“. Sein Chef möge mir verzeihen.

Nachmittags unternahm ich einen Spaziergang durch die Nordstadt und an den Rhein. Dabei sah ich unter anderem ein Schwanenballett:

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Die Zufahrten zur Inneren Nordstadt sind weiterhin für den Durchgangsverkehr gesperrt, obwohl die meisten Kirschblüten inzwischen abgefallen sind und einen rosa Niederschlag auf dem Pflaster bilden.

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Peterstraße, mittlerweile kirschblütenfrei

Die Liste des Grauens wurde nach längerer Zeit mal wieder ergänzt.

Dienstag: Auch die letzten dürften inzwischen mitbekommen haben, dass der Papst gestorben ist, daher erscheinen weitere Meldungen, Brennpunkte und mediale Trauerbekundungen entbehrlich. Wenngleich weiterhin viele Menschen aus ihrem Glauben Halt und Hoffnung schöpfen, sollte nicht vergessen werden: Der Papst ist oberster Repräsentant eines weltweiten Konzerns, der auf Grundlage uralter, zweifelhafter Überlieferungen viel Leid und Schmerz über die Menschen gebracht hat.

Im Übrigen war der erste Arbeitstag der Woche wenig montäglich. Er endete spät, weil eine Besprechung um eine halbe Stunde überzogen wurde und ich davon absah, zum vorgesehenen Ende die Runde zu verlassen; ich bin einfach zu nett. Angenehme Fußwege hin und zurück. Da auf dem Rückweg die Sonne schien, erlag ich den Verlockungen der Außengastronomie und entschädigte mich für den späten Feierabend.

Weg ins Werk
Detail am Wegesrand

Mittwoch: Heute war Gelegenheit, den großen bunten Regenschirm zu benutzen, den mir meine Lieben mal zum Geburtstag geschenkt haben, da es sowohl morgens als auch feierabends regnete und daher die Stadtbahn das Verkehrsmittel der Wahl war. Die fuhr jeweils pünktlich und war osterferienmäßig unvoll, das gerne mal loben bei allem Gezeter in der Welt (und oft genug auch in diesem Blog, ich weiß).

Vom Schreibtisch aus schaute ich der Meteorologie bei der Arbeit zu, wie sie von Südwesten dunkles Gewölk über den Venusberg schob und über der Stadt abregnen ließ, einmal war leichtes Donnergrollen zu vernehmen. Gearbeitet habe ich selbstverständlich auch, seit gestern Nachmittag mit Windows 11, auf das mein Rechner apgedäitet … geapdäitet* … na Sie wissen schon wurde. Noch ein wenig gewöhnungsbedürftig, das wird schon. Jedenfalls stört es mich nicht so sehr wie einen Kollegen, der unschöne Worte dafür gebraucht, die Ihnen erspart seien.

*Ja ich weiß, selbstverständlich schreibt man upgedatet. Ab sofort halte ich es damit wie Frau Anje: „… aber wie sonst sollen neue Wörter entstehen, die man nicht sofort als geklaut erkennt?“

Nachmittags verspürte ich Appetit auf Süßes. Hierfür liegen noch mehrere Marzipanbrote und Nougat-Marzipan-Riegel aus der letzten Weihnachtszeit in meiner Schreibtischschublade, was bemerkenswert ist, in früheren Jahren wären die spätestens im Februar vollständig vertilgt gewesen. Vielleicht ist der verminderte Zuckerdrang eine weitere Altersbegleiterscheinung, wenn ja, wohl nicht die schlechteste. Heute jedenfalls gelüstete es mich danach, nur ein halbes, den Rest später. Daraus wurde dann in kürzester Zeit doch ein ganzes. Reicht jetzt aber auch erstmal wieder.

Aus der Zeitung: In einem Artikel über in örtlichen Gewässern entsorgte Heimtiere beklagen Experten ausgesetzte Rot- und Gelbwangen-Schmuckschildkröten, die »den heimischen Landschildkröten […] großen Schaden zufügten«. Heimische Landschildkröten im Rheinland, überhaupt in Deutschland? Da hat der Reporter wohl nicht richtig zugehört.

Ein echter Experte auch Herr Dr. Uwe H. aus Bonn. In seinem Leserbrief nimmt er Bezug auf einen Artikel aus der vergangenen Woche, wonach die Stadt Bonn einem Oldtimer-Club aus Mehlem untersagt hat, ihre historischen Autos nach einer traditionellen Landpartie der Öffentlichkeit im Park einer Villa zu präsentieren, weil es dadurch zu Bodenverdichtung und Verunreinigungen durch auslaufendes Öl kommen könnte. Die Entscheidung der Stadt möchte ich hier nicht bewerten, Herr Dr. H. weiß hingegen: »Die Besucher [der Villa früher, Anm. d. Chronisten] mit Auto suchten sich einen Platz im Park. Das sind meines Erachtens die Wurzeln des Wortes „Parkplatz“ und des „Parkens“«. Die Akademiker sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.

Donnerstag: Diese Woche ist Kleine Woche, also wäre heute planmäßig frei gewesen. Da sie schon durch den Ostermontag nur vier Arbeitstage aufweist, verzichtete ich auf den freien Tag und spare mir die Stunden für später auf, zumal auf diese Woche zwei Wochen Urlaub folgen. Spare in (bzw. an) der Zeit, dann hast du in der Not, wie die Oma wusste.

Auch heute regnete es die meiste Zeit, freundlicherweise morgens nicht und abends nur leicht, so dass ich zu Fuß trocken ins Werk und zurück kam. Zurück nur einigermaßen trocken, nicht weil wieder die Gastronomie lockte, vielmehr waren bei Rückkehr trotz Schirm die Socken an den Fußspitzen feucht, als hätte ich Sandalen statt Turnschuhe* getragen. Offenbar nicht die richtigen für Leichtregen. Auf dem Hinweg sah ich am Rheinufer den Monteurwagen eines Unternehmens mit dem Namen „Pipe Protection“, dessen Profession demnach in der Wartung von Leitungen liegt. Wäre es meine Firma, hieße sie vielleicht „Rohrsorge“.

*Für die Jüngeren: Snieker.

Die Arztrechnung für die Zahnziehung kürzlich ist gekommen. Demnach kostet die „Entfernung eines tief frakturierten/zerstörten Zahnes“ 34,93 Euro. Da kann man nicht meckern, dafür kann man es nicht selbst machen.

Morgens

Freitag: Der letzte Arbeitstag vor dem Urlaub war nochmal für einen Freitag ungewöhnlich reich an Besprechungen, dennoch gelang es, die anstehenden Angelegenheiten zu erledigen oder wenigstens in einen Zustand zu versetzen, der es erlaubt, sich ihnen mit gutem Gewissen erst nach dem Urlaub wieder zu widmen.

Der Regen ist durch, ab dem Nachmittag schien wieder die Sonne, die erste Flasche Schaumwein geöffnet, gleichsam ein Vorgeschmack: Die Koffer sind gepackt, morgens früh geht es los in die Champagne. Vorfreude streichelt das Gemüt.

Samstag: In nicht allzu früher Morgenstunde brachen wir auf nach Épernay, wo wir am späten Nachmittag ankamen. Die Anfahrt verlief äußerst entspannt durch die Eifel und Belgien unter Vermeidung von Autobahnen, so sieht man wesentlich mehr, auch wenn es länger dauert, vor allem wenn man mehrfach hinter Traktorgespannen herfährt, ehe man sie überholen kann. Wir haben ja Zeit.

Bei Ankunft im Hotel etwas außerhalb des Ortes wurde als erstes ein Glas ortsüblichen Schaumweins gereicht. Wir fühlten uns sogleich willkommen geheißen.

Sonntag: Am ersten Urlaubstag unternahmen wir eine Ausfahrt ins nahegelegene Reims. Am Weg dorthin lag ein Leclerc-Supermarkt, der, wie in Frankreich üblich, auch sonntags geöffnet ist. Daher ließ es sich der Liebste nicht nehmen, dort einen Halt einzulegen. Das erwies sich als erträglich, da der Markt nur mäßig besucht war.

In Reims besichtigten wir die örtliche Kathedrale, die (wenigstens mich) vor allem durch ihre bunten Fenster beeindruckt. Ansonsten gilt, was für alle derartigen Bauten gilt: Man muss der Kirche nicht nahestehen, um die Leistung zu würdigen, derartiges zu bauen, erst recht mit den damals zur Verfügung stehenden Mitteln.

Anschließend besichtigten wir den Keller von Pommery. Über 136 Treppenstufen steigt man hinab und durchschreitet ziemlich dunkle Gänge, in denen neben unzähligen Champagnerflaschen in allen gängigen Größen zahlreiche Kunstwerke zu sehen sind, die mit der Schaumweinkellerei in keinem erkennbaren Zusammenhang stehen und aus meiner unmaßgeblichen Sicht dort entbehrlich sind. Immerhin bekommt man, nachdem man die 136 Stufen wieder aufgestiegen ist, ein Gläschen eingeschenkt. Insgesamt erschien es mir ziemlich teuer für das Gebotene, muss man nicht unbedingt machen. Zurück fuhren wir über die Dörfer, in denen bekannte große Champagner-Produzenten ihre Residenzen haben.

Apropos Schaumwein: Schaumloser Wein heißt Stillwein, erklärte der Liebste, der es wissen muss. Stillwein – da bekommt das Wort „stillen“ eine neue Bedeutung.

Unser Hotel, Teilansicht
ÖPNV in Reims
Kathedrale ebendort
Reims
Keller von Pommery
Drogenanbau bei Bouzy

(Aufgrund später Rückkehr von den vorgenannten Tagesaktivitäten entstand dieser Tageseintrag unter Zeitdruck, die Schlussredaktion für diesen Wochenrückblick erfolgte unter leichtem Alkoholeinfluss. Etwaige Fehler und sonstige Nachlässigkeiten bitte ich zu entschuldigen.)

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Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche.

Die Zweitausender – Wilde Zeiten

Nach Betrachtung der Siebziger-, Achtziger– und Neunzigerjahre schauen wir nun in die

Zweitausenderjahre.

Das Jahr 2000 begann mit einem bizarren Streit über die Frage, ob das neue Jahrtausend jetzt begann oder erst 2001. Eine eher theoretische Diskussion – für mich begann das neue Jahrtausend jetzt, am 1. Januar 2000. Ebenso uneins war man sich, wie dieses Jahrzehnt denn nun heißt. Bei den Siebziger-, Achtziger und Neunzigerjahren war es klar, aber jetzt? „Nullerjahre“? Klingt komisch, daher habe ich für mich entschieden, das Jahrzehnt trotz alpiner Anmutung als „Zweitausender“ zu bezeichnen.

Weltpolitisch begann das Jahrzehnt zunächst unauffällig, dann indes spektakulär mit den Terrorangriffen auf die USA am 11. September 2001. Als ich vormittags auf den Werksfluren erstmals davon erfuhr – kurz zuvor war das erste Flugzeug ins World Trade Center eingeschlagen – hielt ich es noch für einen Scherz, oder wenigstens einen Unfall. Erst nach Eintreffen des zweiten Flugzeugs wurde klar: Das war kein Versehen. Und doch – bei aller Schrecklichkeit war ich tief beeindruckt von der organisatorischen Leistung der Terroristen, unbemerkt von Geheimdiensten gleichzeitig vier Flugzeuge zu entführen und zwei davon innerhalb kurzer Zeit eigenhändig in die New Yorker Türme zu lenken. – Eine beliebte Frage bis heute: „Wo waren Sie am 11. September 2001?“ Für mich kann ich sie beantworten: Nachmittags hatte ich einen Besichtigungstermin einer Wohnung in der Bonner Weststadt, vier Zimmer, neunzig Quadratmeter mit Balkon, als Ersatz für unsere für zwei Personen doch etwas beengte Dachkammer in der Südstadt. Wir bekamen sie und waren sehr zufrieden damit, wenngleich auch diese Wohnung, wie die Dachkammer, in unmittelbarer Nähe zur Bahnlinie lag, daher nicht gerade ruhige Lage. Aber daran waren wir inzwischen gewöhnt und fühlten uns darin sehr wohl. Nach dem Umzug (für den wir letztmalig Freunde und Bekannte missbrauchten) hatte ich das Gefühl, in Bonn und im Rheinland richtig angekommen zu sein.

Die Kirschblüte in der „Altstadt“ lockte noch nicht Touristenscharen an

Ebenfalls 2001 beschloss der Deutsche Bundestag das Lebenspartnerschaftsgesetz. Wir durften zwar aufgrund eines verfassungsgerichtlich bestätigten, absurden „Abstandsgebotes“ nicht heiraten, immerhin eine „Eingetragene Lebenspartnerschaft“ eingehen, die alle Pflichten und kaum Rechte der herkömmlichen Ehe zwischen Mann und Frau beinhaltete, insbesondere keinerlei steuerliche Vorteile. Das hielt uns nicht davon ab. Mein Antrag, noch vor dem Umzug in der Dachkammerküche dargebracht, verlief ostwestfälisch knapp und wurde vom Liebsten positiv beschieden, statt mit einem Ring wurde der Beschluss mit Jägermeister besiegelt. Als Termin legten wir einen Tag im Mai des Folgejahres fest, genau der Tag, an dem wir uns fünf Jahre zuvor kennen gelernt hatten.

Der standesamtliche Akt erfolgte im schmucklosen Trauzimmer des Bonner Stadthauses, das laut Standesbeamtin anlässlich unserer Vermählung so voll war wie selten. Der Liebste nahm (freiwillig) meinen Nachnamen an. Etwas irritiert war ich, als ich nach der Trauung meinen Chef hinter mir „Herzlichen Glückwunsch, Herr K.“ sagen hörte und erst im Umdrehen, um mich zu bedanken, bemerkte, dass er meinen Mann beglückwünschte. Amüsant hingegen die Frage aus Reihen der nachfolgenden Hochzeitsgesellschaft: „Wo ist denn die Braut?“

Glücklich und frisch verheiratetpartnert

Für die anschließende Feier hatten wir eine Gaststätte in Bonn-Kessenich reserviert, wo unsere zahlreichen Gäste die Wirtsleute durch erheblichen Appetit beeindruckten; gegen Ende musste der Jungkellner Jägermeister aus Privatbeständen seiner Eltern ranholen. Maßgabe für die Feier war, auf keinen Fall irgendwelche peinlichen Hochzeitsspielchen durchzuführen, woran sich alle hielten. Einziger unvermeidlicher Programmpunkt war der Hochzeitstanz, der mangels Tanzvermögens meinerseits nicht gar so elegant ausfiel, dafür schnell vorüber war.

Die Hochzeitsnacht verlief in nicht allzu romantischem Rahmen, niemand trug den anderen über die Türschwelle, im Zweifel wäre dazu auch keiner in der Lage gewesen. Stattdessen zählten wir Geld – anstelle von Sachgeschenken hatten wir uns finanzielle Unterstützung der Feier gewünscht.

Die Tatsache, nun „verpartnert“ zu sein, hinderte uns gemäß gegenseitiger Übereinkunft nicht daran, die Ausgeh- und Begegnungsmöglichkeiten in Bonn, Köln und darüber hinaus zu nutzen, was auch körperliche Kontakte mit Dritten ausdrücklich nicht ausschloss, weder gemeinsam noch jeder für sich. So verbrachte ich bereits die nächste Samstagnacht nach der Feier mit Ehering, Wissen und Erlaubnis meines Mannes im Kölner Chains, einem Lokal, dessen Zweck nicht in erster Linie dem Tanz und Getränkeverzehr diente und das für darüber hinausgehende Aktivitäten entsprechende Räumlichkeiten aufwies.

Selbstverständlich kam es nicht immer zum Äußersten. Manchen traf man einmal, andere öfter; einer blieb uns über Monate verbunden, kurzzeitig war gar sein Name an Klingelschild und Briefkasten angebracht – der Sommer 2003 war nicht nur in meteorologischer Hinsicht sehr heiß.

Auch gänzlich der Unzucht unverdächtige Aktivitäten nahm ich wahr: Im Sommer 2005 trat ich einem Männerchor in Köln bei, dem ich immerhin fünfzehn Jahre lang die Treue hielt. Jeden Mittwochabend fuhr ich nun zur Chorprobe nach Köln. Manchmal kostete es Überwindung, abends nach einem Arbeitstag noch mit der Bahn nach Köln zu fahren und erst kurz vor Mitternacht wieder zu Hause zu sein, doch fast immer kehrte ich mit einem Glücksgefühl zurück. Singen macht glücklich. Erst recht auf der Bühne vor Publikum, trotz vorangehendem Lampenfieber, das gehört dazu.

Irgendwas aus der Westside Story

Auch dem Hobby Eisenbahn widmete ich wieder mehr Zeit. Nachdem wir 2005 erneut umgezogen waren, jetzt in die Innere Nordstadt (auch Altstadt genannt, was nicht ganz richtig ist: Die Bonner Altstadt wurde im Zweiten Weltkrieg zerbombt und nicht wieder aufgebaut, jedenfalls nicht als Altstadt; das nur am Rande) baute ich ab 2008 eine Modelleisenbahn auf, wenn auch nur eine ganz kleine, die an frühere Anlagen auf dem Dachboden des Bielefelder Elternhauses nicht heranreichte. Immerhin konnte ich meine Loks und Wagen, die sich bis dahin in einer Wandvitrine die Räder in den Rahmen gestanden hatten, wieder etwas bewegen, was nach so langer Abstinenz in etwa so glücklich machte wie Singen.

Nahverkehrszug 7843 nach Dransfeld kurz vor Abfahrt

Beruflich änderte sich nicht viel für mich. Mit meinem Chef, mit dem ich anfangs leichte Probleme gehabt hatte, kam ich inzwischen gut aus. Ende 2002 zog das Unternehmen vom ehemaligen Postministerium in ein repräsentatives (und zunächst innerhalb Bonns umstrittenes) Hochhaus am Rhein, auf den ich nun vom 24. Stock aus blickte.

Das Dampfschiff „Goethe“ wurde 2008/2009 leider von Dampf- auf Dieselantrieb umgebaut

Urlaube verbrachten wir mit zwei Freunden regelmäßig auf Gran Canaria, wo es ebenfalls zahlreiche der oben beschriebenen zwischenmännlichen Begegnungsorte gibt. Die Tage verbrachten wir üblicherweise am Strand vor den Dünen von Maspalomas.

Vermutlich trug ich zum Zeitpunkt der Aufnahme eine Badehose

Erstmals im Sommer 2006 fuhren der Liebste und ich mit dem Auto nach Südfrankreich, zunächst nach Nyons, dann Malaucène. Dort in der nördlich Provence gefiel und gefällt es uns so gut, dass das bis heute unser bevorzugter Urlaubsort geblieben ist.

Rosé passt immer

Anfang des Jahrtausends fand ich die Freude am Schreiben wieder, bis dahin hatte ich nur regelmäßig Tagebuch geschrieben. So entstanden einige Bücher, für eines fand ich gar einen Verlag, der es 2006 herausbrachte. Allerdings war ihm keine Erfolg beschieden, es wurden nur ein paar hundert Exemplare verkauft. Zu recht, wie im Nachhinein zu bemerken ist, es war wirklich schlecht geschrieben und so gut wie gar nicht einem Lektorat unterzogen. Ein paar mal versuchte ich mich noch an Literatur im Themengebiet schwules Lieben/Leben/Leiden, stets ohne Erfolg. Inzwischen habe ich mich vom Traum einer Schriftstellerkarriere verabschiedet; manches sollte man denen überlassen, die es können.

2007 entstand dieses Blog, das ich noch immer mit großer Freude befülle. Zwei Jahre später entdeckte ich Twitter für mich. Dort entwickelte sich schon bald diese gewisse Sucht nach Sternchen, Erwähnungen und neuen Verfolgern, deren ich zeitweise über tausend hatte. Mit Facebook hingegen freundete ich mich nie an, nach zwei Anläufen trennten wir uns endgültig.

Was war sonst in den Zweitausendern:

  • Apple brachte mit dem iPhone das erste Smartphone in die Welt, welches das Verhalten und die Gewohnheiten der Menschen seitdem erheblich beeinflusst hat. Auch bei uns, nachdem sich der Liebste, stets ein Freund der Produkte mit dem angebissenen Apfel, eins zugelegt hatte. Ein Jahr später war es meins, nachdem er es durch ein Gerät der neuesten Generation ersetzt hatte.
  • Angela Merkel löste Gerhard Schröder als Bundeskanzler ab und hielt sich für den Rest des Jahrzehnts und weit darüber hinaus im Amt.
  • Der Euro löste die D-Mark und weitere europäische Währungen ab. Viele rechneten bei jedem Bezahlvorgang noch in Mark um und befanden, nach der Umstellung sei alles teurer geworden, vor allem die Gastronomie, was der neuen Währung bald des Namen „Teuro“ einhandelte. Manche tun das noch heute.
  • Putin und Erdogan kamen jeweils als Präsident ihres Landes an die Macht, mit den bekannten Auswirkungen auf die Freiheitsrechte ihrer Völker und darüber hinaus.
  • Mit Joseph Ratzinger wurde ein Deutscher Papst. „Wir sind Papst“, titelte die Bild-Zeitung. Als er am Weltjugendtag in Köln teilnahm, ratzteten die Besucher aus und feierten ihn mit „Benedetto“-Rufen fast wie einen Popstar, was er nun wirklich nicht war.
  • Die USA eröffnen unter George W. Bush den zweiten Irakkrieg mit Auswirkungen im Irak und der Region bis heute.
  • Oasis, für mich die größte Band aller Zeiten, lösten sich nach Streit der Gallagher-Brüder auf. Beide traten danach noch ein paar mal mit Solo-Projekten in Erscheinung, die alten Erfolge von Oasis wurden nicht mehr erreicht. Vielmehr weiß ich in musikalischer Hinsicht zu diesem Jahrzehnt nicht zu schreiben. Sicher gab es Gutes und Typisches, doch fiele es mir im Gegensatz zu den vorangegangenen Jahrzehnten schwer, typische Hits und Interpreten der 2000er zu benennen. Ich habe sie gehört, doch ist kaum etwas hängen geblieben.

Den Jahreswechsel 2009/2010 verbrachten wir unspektakulär zu zweit zu Hause, wie immer hatte der Liebste vorzüglich gekocht. Nach dem Essen gingen wir zum Opernhaus am Rhein und schauten zu, wie andere hunderte und tausende Euro in die Luft jagten. Die Zehnerjahre hatten begonnen und wir gingen noch ein paar Kölsch trinken und Leute treffen in Bobas Bar.

Woche 35: Tragik und Komik liegen manchmal nahe beieinander

Montag: Laut Papst sollen Eltern homosexueller Kinder ihre Brut in psychiatrische Behandlung geben. Hat wohl etwas zu viel am Weihrauch geschnuppert, der Gute.

Dienstag: Am Morgen stand in der Stadtbahnhaltestelle Heussallee die Rolltreppe zwischen Bahnsteig- und Zwischenebene still. Obwohl sie dadurch immer noch einen Aufstieg ermöglichte, benutzen alle die direkt daneben liegende, in Stein gemeißelte Treppe; selbst diejenigen, die zunächst, abgelenkt von Müdigkeit oder Datengerät, den Stillstand nicht bemerkten und, wie jeden Morgen, auf die Rolltreppe zugingen, machten im letzten Moment einen Schlenker nach links auf ihre steinerne Schwester. Aus unerfindlichen Gründen meiden Menschen eine stehende Rolltreppe wie der Papst die Gaysauna oder ich die Sportstätte, als ginge von ihr eine Gefahr aus, oder als gehörte es sich einfach nicht, sie zu benutzen.

„Ihre Meinung ist richtungsweisend“, steht auf den Plakaten zur diesjährigen Mitarbeiterbefragung. Lassen wir mal offen, in welche Richtung meine Meinung das Unternehmenswohl weisen würde.

„Schlafen im Büro ist sinnvoll“, steht in der Zeitung. Dem stimme ich zu und versichere, dass eine entsprechende Ruhemöglichkeit nach dem Mittagessen meine Meinung rolltreppenartig nach oben bewegen würde. Dabei sollten zwei bis drei Stündchen täglich ausreichen.

Mittwoch: „Bitte geben Sie mir einen Ping, wenn Sie noch Anmerken dazu haben.“ – „Go for it“ – „Es wäre sehr hilfreich, wenn Sie mir im Vorfeld Ihre Erwartungshaltung dazu kommunizieren könnten.“ Es sind immer wieder Sätze wie diese, welche das Lesen geschäftlicher Mails zu einem literarischen Erlebnis erheben.

Donnerstag: „Alle Sky Konferenzen der UEFA Champions League jetzt bei Telekom Sport mit Sky Sport Kompakt!“, preist man mir per Kurznachricht an. Eher würde ich mir einen kotbeschmierten, rostigen Blecheimer über den Kopf stülpen und stundenlang mit einem hölzernen Kochlöffel dagegen schlagen.

Tragik und Komik liegen manchmal nahe beieinander:

(General-Anzeiger Bonn)

Freitag: Sebastian ist ein wirklich schöner Name, nach meinem unmaßgeblichen Dafürhalten einer der schönsten überhaupt, allemal schöner als Max-Luca, Elias, Justin oder Ben. Menschen, deren Eltern bei der Namensauswahl sich dahingehend entschieden, sind zu beneiden und ihren Erzeugern zu lebenslangem Dank verpflichtet. Insofern ist mir unbegreiflich, wie es Menschen einfallen kann, diesen Namen auf ein hingerotztes „Basti“ zu verkürzen, sei es in der Anrede oder gar in der Selbstbezeichnung. Was geht in ihnen vor, warum tun sie das? Nämliches gilt auch für den auf einen „Flo“ reduzierten Florian.

Samstag: Wahre Schönheit kann nichts entstellen, auch nicht eine ins Bild gerückte Tragetasche eines Einkaufszentrums (oder Mall, wie man heute unter dem Zwang zweifelhafter Modernität auch dazu sagt). Dem jungen Mann möchte man sagen: „Jetzt hast du so viel Geld für die Frisur ausgegeben. Warum hast du dir keine schöne machen lassen?“

KW35 - 1 (1)

Übrigens: Wer glaubt, bei Vergleichen schlecht abzuschneiden, vergleicht sich vielleicht mit den Falschen.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Männer sich nicht die Achseln rasieren sollten.

Sonntag: Vertreibung aus dem Paradies? Kenne ich. Erlebe ich täglich in dem Moment, da ich das Bett verlassen muss. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Vertreibung um 6:30 oder erst um 11 Uhr erfolgt.

Den Vogel abgeschossen

Wieder hat der Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften (BHDS) das Fingerspitzengefühl einer mittelgroßen Abbruchbirne bewiesen. Dieses Mal traf es Mithat Gedik, der, obwohl er beim Schützenfest in Werl-Sönnern den Vogel abschoss, aufgrund seines muslimischen Glaubens nicht Schützenkönig werden darf. Streng genommen hätte er als Muslim nicht einmal Mitglied in dem Verein werden dürfen, so der BHDS.

Bereits im März 2012 offenbarte der BHDS seine – freundlich ausgedrückt, da man mit Vergleichen aus dem fäkalfarbenen Spektrum schnell aneckt – mittelalterliche Gesinnung, als er dem schwulen Schützenkönig Dirk Winter aus Münster untersagte, öffentlich mit seinem langjährigen Lebenspartner aufzutreten. Nun gut, immerhin durfte der noch Schützenkönig bleiben, womöglich glaubt er diesen Kreuzkram.

Die jüngste Entscheidung der Schützenschützer zieht inzwischen weitere Kreise. Wie aus Rom verlautbart, erwägt Papst Franziskus, den BHDS und alle ihm angeschlossenen Schützenbruderschaften „wegen nicht mehr zeitgemäßer, diskriminierender und Gottes Schöpfung verachtender Weltanschauung“ aus der katholischen Kirche zu exkommunizieren, wodurch er Lob und Anerkennung aus aller Welt erfährt. Selbst der Europäische Verband bekennender Atheisten und Agnostiker (EVAA) zeige sich beeindruckt: „Respekt, so langsam kommt die katholische Kirche anscheinend im 21. Jahrhundert an“, so ein Sprecher.

Bereits Ende Juni erregte Franziskus Aufsehen, als er während einer Messe im italienischen Cassano allo Ionio kurzerhand alle Mafiaorganisationen aus seiner Kirche ausschloss: „Diejenigen, die den falschen Weg wählen, wie auch die Mafiosi, sind nicht in der Gemeinschaft mit Gott. Sie sind exkommuniziert.“ Ähnliche Worte soll Franziskus für den BHDS gefunden haben, wobei auch hier der hemmungslose Gebrauch von Schusswaffen eine wesentliche Rolle spielte.

Auch in Bayern ist man alarmiert: Wie gewöhnlich gut unterrichtete CSU-Kreise berichten, hat Horst Seehofer inzwischen alle Parteimitglieder zur Zurückhaltung in Bezug auf minderheiten- und ausländersensible Themen angehalten. Selbst die PKW-Maut soll auf der Kippe stehen. Über die FDP redet indes schon lange niemand mehr.