Woche 13/2025: Wanderlust, Wiedersehen in Ostwestfalen und (noch) keine Kirschblüte

Montag: Schon beim Aufstehen morgens bemerkte ich eine dumpfe Lustlosigkeit, die sich bis zum Nachmittag hielt, manchmal ist das so. Vor der Werktätigkeit lag ein Kontrollbesuch beim Zahnarzt, der sich die Stelle ansah, wo er vor zwei Wochen den Weisheitszahn gezogen hatte. Bis auf eine schwache, von mir unbemerkte Restreizung ist alles in Ordnung. Zur Sicherheit benetzte er die Stelle mit einem Mittel, dessen übler Geschmack mich noch ein wenig begleitete und mit dem ersten Bürokaffee verschwand.

Im Laufe des Arbeitstages schaffte ich es, das Rechnerpasswort dreimal falsch eingegeben. Es ist zwar lang, aber nicht schwer zu merken, vermutlich auch nicht leicht zu erraten. Immerhin passierte das nicht direkt nacheinander, das wäre schlecht, beim dritten Mal sperrt sich der Rechner und man muss irgendwo anrufen und es dauert lange und man muss viele Fragen beantworten, bis man ein neues Passwort bekommt und wieder arbeiten kann. Daher unbedingt immer Sorgfalt walten lassen beim Eintippen. Warum mir die Eingabe dennoch mehrmals misslang, ich weiß es nicht. Vielleicht wollten die Finger noch nicht so wie das Hirn.

Auch ohne verirrte Finger schien der Rechner unter Montagsunlust zu leiden, mindestens zweimal wurde die Bluetooth-Verbindung zum Sprechkopfhörer getrennt und die Stimme des Teams-Anrufers kam aus dem in den Bildschirm integrierten Lautsprecher, bis die Verbindung wieder hergestellt war, nachdem ich herausgefunden habe, wie das geht. So ein Tag war das heute. Morgen wird wieder besser.

In der Zeitung ein Artikel über das Geschwisterpaar, dessen Name mir wieder entfallen ist, das uns in diesem Jahr beim ESC vertreten wird. Nach Anschauen des Liedes auf Youtube habe ich wenig Hoffnung auf eine Platzierung in der ersten Hälfte der Tabelle. Und warum zertrümmert die Frau am Ende das Cello ihres Bruders, was soll das? Danach lag mir das Stakkato ihres Gesangs noch länger unangenehm in den Ohren, verschwand jedoch bald wieder wie das übelschmeckende Mittel des Zahnarztes.

Dienstag: Der Tag begann mit einem handkühlen Fußmarsch ins Werk und endete mit einem dienstlich veranlassten Restaurantbesuch in Rhöndorf mit den Kolleginnen und Kollegen der neu zusammengesetzten Abteilung. Beim nicht sehr späten Verlassen der Gaststätte verabschiedete ich mich von einer Gruppe Rauchern vor der Tür und bemerkte erst, nachdem sie meinen Abschied fröhlich erwidert hatten, dass sie gar nicht zu unserer Gruppe gehörten. Wir ließen uns gegenseitig nichts anmerken.

Morgens am Rheinpavillon
Gebirge oberhalb von Rhöndorf

Mittwoch: Bereits gestern Vormittag zeichnete sich bei einem Projekt, an dessen Umsetzung ich beteiligt bin, eine Komplikation ab, für die ich auch heute noch keine Lösung weiß. Deshalb dachte ich erstmal nicht weiter darüber nach; es hat sich bewährt, solche Fragen zunächst unbeantwortet im Hinterstübchen des Bewusstseins abzulegen, oft kommt die Lösungsidee dann von alleine. Vielleicht am freien Tag morgen beim Wandern. Doch werde ich währenddessen nicht aktiv darüber nachdenken, so weit kommt das noch.

Donnerstag: Wandertag, heute die 5. Etappe des Rheinsteigs von Leutesdorf nach Bad Hönningen. Die Anreise mit der Bahn verzögerte sich um etwa eine Stunde wegen „Reparatur an einem anderen Zug“. Ich sah es gelassen, die Sonne schien auf den Beueler Bahnsteig und ich hatte genug zu lesen. Auf der Karte wirkt die Wanderstrecke harmlos, doch sie hat es steigungsmäßig in sich. Bereits zwanzig Minuten nach Abmarsch in Leutesdorf war ich das erste Mal außer Atem, trotz täglichem Turmtreppentraining.

Unterwegs sah ich den ersten Schmetterling des Jahres, ein Tagpfauenauge, später mehrere Zitronenfalter, Kohlweißlinge und Kleine Füchse, zudem zwei Eidechsen. Hinter dem Ort Hammerstein ging es, stets bergauf, in den Wald, wo erstmals und vorübergehend das permanente Rheintalrauschen von jeweils zwei Bundesstraßen und stark befahrenen Bahnstrecken verstummte.

Nach ziemlich genau fünf Stunden Wanderung erreichte ich den Bahnhof von Bad Hönningen. Die Rückfahrt verzögerte sich wiederum, zur Auswahl standen abwechselnd „ein defektes Stellwerk“, „Verspätung aus vorausgegangener Fahrt“, „Reparatur an einem Signal“ und „Stellwerksstörung in Leutesdorf“. Es fügte sich dann alles zum Guten, mit Currywurst und Bier auf dem Bonner Marktplatz.

Aufstieg bei Leutesdorf
Drogenanbau
Der perfekte Platz für die Mittagspause
Relikt vergangener Zeiten in Hammerstein
Finde den Fehler
Waldesruh oberhalb von Hammerstein
Oberhalb von Rheinbrohl
Blick auf nämliches
Vor Rheinbrohl
In Rheinbrohl
Geschafft

Freitag: Meine Gesichtsfarbe spielte morgens ins Rötliche, die Nase stünde einem professionellen Säufer gut zu Gesicht. (Gut, Grund genug hätte sie dazu.) Die Sonne hatte beim Wandern gestern doch stärker geschienen als erwartet, und natürlich hatte ich keine Sonnencreme dabei.

„Ich wechsle jetzt ins Homeoffice“ sagte mittags jemand, die ich auf dem Rückweg von der Kantine traf. Homeoffice. Freitagmittag. Ist klar. (Bitte denken Sie sich ein vom Zeigefinger heruntergezogenes unteres Augenlid.)

Für die am Mittwoch genannte Komplikation habe ich weiterhin noch keine abschließende Lösung gefunden, stattdessen das Problem und mögliche Lösungen strukturiert aufgeschrieben. Grob gesagt suche ich jemanden für die Erledigung einer künftig aufkommenden Tätigkeit, die ich selbst nicht übernehmen möchte, weil das auf Dauer nicht sinnvoll wäre.

Samstag: Vereinspflichten bei der Dampf-Kleinbahn erforderten meine Anwesenheit in Ostwestfalen, weshalb ich zur Unzeit das Bett zu verlassen und zu einer längeren Autofahrt genötigt war. Die war dann gar nicht so schlimm, ich ärgerte mich weniger als sonst über andere Verkehrsteilnehmer und kam zeitig an. Erkenntnis während der Fahrt: Wenn man sein Fahrzeug in Köln angemeldet hat und beispielsweise Otto Theesen heißt, sollte man nicht unbedingt ein Autokennzeichen mit seinen Initialen wählen. Wohnt man hingegen in Hagen und heißt Siegmund Ippendorf, ist das recht putzig.

Die Vereinspflichten waren frühzeitig erfüllt. Nach nettem Plausch, einige hatte ich länger nicht gesehen, fuhr ich weiter nach Bielefeld zur Mutter. Dort verbrachten wir einen angenehmen Abend zusammen mit Mutterfreunden und Begleitgetränken, der für mich wegen Müdigkeit nicht sehr spät endete. Stolz präsentierte der Mutterfreundesohn seine frisch großflächig tätowierte Wade. Ich kam nicht umhin, meine Missbilligung darüber zum Ausdruck zu bringen, was der Stimmung indes nicht abträglich war.

Dampf-Kleinbahn

Sonntag: Aus Sommerzeitgründen blieb ich morgens etwas länger liegen, die Vorabendgetränke wirkten hingegen nicht nach. Nach dem Frühstück mit der Mutter fuhr ich zurück nach Bonn. Im Gegensatz zu gestern gestaltete sich die Fahrt äußerst langwierig mit einem gut einstündigen Stau vor dem Kamener Kreuz, einem kürzeren bei Remscheid und einer unnötigen, völlig absurden Umleitung durch Wuppertal, zu der mich Frau Navi verleitete. So wurden aus normal zwei Stunden Fahrt mehr als vier. Erkenntnis: Weniges trainiert so sehr Gelassenheit wie ein Stau, weil man als Fahrer überhaupt nichts tun kann, nicht einmal Blogs lesen. Man kann schon, darf aber nicht.

Die Muslime feiern Ramadan, wenn der Neumond zum ersten Mal gesichtet wird, sagte die Frau im Autoradio. Vielleicht habe ich mich aber auch verhört.

Kurz vor Ankunft zu Hause der nächste Verdruss: Wegen der weltberühmten Kirschblüte sind die Straßen in die Innere Nordstadt für den Autoverkehr gesperrt, an den Zufahrten stehen Sperrbaken und Kontrollposten in gelbleuchtenden Westen mit dem Auftrag, nur Anlieger durchzulassen. Erstmals ist in diesem Jahr ist auch unsere Straße betroffen, obwohl dort keine Kirschen blühen. Nachdem mein Anliegen durch Vorlage des Personalausweises bewiesen war, durfte ich passieren und ich war froh, als das Auto endlich auf dem Abstellplatz geparkt war. Bis auf Weiteres ist mein Bedarf am Autofahren gedeckt.

Nach Begrüßung meiner Lieben und telefonischer Ankunftsmeldung nach Bielefeld unternahm ich mit Verspätung den Spaziergang, heute etwa kürzer. Unter anderem durch die Breite- und Heerstraße, wo die Kirschen weiterhin noch gar nicht blühen. Das hält weder die Stadtverwaltung von Straßensperren ab noch zahlreiche Besucher, mit teilweise riesigen Kameraobjektiven die Knospen zu fotografieren. Was soll erst werden, wenn die Bäume wirklich blühen.

Breite Straße
Heerstraße
Michaelstraße – wenigstens dort blüht was

Zum guten Schluss: Erfreulich waren in dieser Woche ein Abteilungsessen, Wandlust und Wiedersehen mit lange nicht Gesehenen.

***

Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche ohne Verdruss und Uhrenumstellungswehen.

Woche 43/2024: Getrübte Wanderlust und Schafböcke ohne nennenswerten Beitrag zur Arterhaltung

Montag: Deutschland erwartet eine durchwachsene Kürbisernte, steht in der Zeitung. Das klingt immerhin besser als verdörrt oder verhagelt. Man hätte auch „mäßig“ schreiben können, aber vielleicht würde das kürbisaffine Teile der Bevölkerung so kurz vor Halloween beunruhigen.

Montäglich durchwachsen heute auch Motivation und Arbeitseifer. Gegen Mittag geriet ich in ein Stimmungstief, das sich nachmittags wieder auflöste, nachdem ein umfangreicherer, kurzfristig zu erledigender Arbeitsauftrag, der mich morgens erreicht hatte, als nicht so aufwendig erwies wie zunächst befürchtet und zügig abgeschlossen werden konnte. Das Mittagessen, Nudeln mit Kürbiscreme, ließ ich nach knapp zwei Dritteln zurückgehen, nicht wegen Kürbisabneigung, sondern mangels Appetit.

Dienstag: Ein Tag ohne besondere Nennenswertigkeiten. Zu Fuß ins Werk und zurück, weiterhin mild. Im Büro verbrachte ich die meiste Zeit mit dem Ausfüllen von Kästchen für ein neues Projekt. Ob ich damit zum Gelingen beitrage, ich weiß es nicht. Aber egal, man bezahlt mich gut dafür, an mir soll es nicht liegen. Wie ich schon öfter anmerkte: Man kann sein Gehalt wesentlich schwerer *hüstel* verdienen.

Stimmung und Appetit waren wieder stabil, wie so häufig von Montag auf Dienstag. Mittags gab es einen ganz vorzüglichen Eintopf mit Bohnen und Lammfleisch. Danach ein kurzer Spaziergang mit dem Kollegen durch den Park.

Abends holte ich die fertigen Maßschuhe vom Schuhmacher ab, schlichte schwarze Lederschuhe, sie sind sehr schön geworden. Nicht, dass ich sie unbedingt bräuchte, aber nun habe ich sie und freue mich darüber.

Jugendwort des Jahres ist Aura, wie wir seit vergangener Woche wissen. Was an dem Wort besonders jugendlich sein soll, erschließt sich mir nicht, muss es auch nicht, ich bin alt. Zur Auswahl stand auch das umstrittene Wort Talahon, das ich niemals zuvor gehört hatte. Seit ich es kenne, spreche ich es oft gedanklich aus, wenn mir Exemplare dieser freiwillig(?) lächerlichen Spezies begegnen.

Morgens

Mittwoch: „Die Achse Moskau-Pjöngjang lässt Südkorea näher an die Ukraine rücken“, steht in der Zeitung. Ein weiteres tektonisches Wunder, scheint es.

Morgens auf dem Fahrrad war es wieder handkalt, kühler als an den Vortagen; neben Handschuhen sollte ich auch die Helmunterziehmütze bald mal suchen. Das ist nicht als Klage zu lesen, immerhin ist der November nicht mehr fern, der Dreimonatswandkalender im Büro deutlich dünner geworden. Morgens bis zum Mittag schaute ich vom Schreibtisch aus wieder über eine geschlossene Wolkendecke, wie bereits am vergangenen Freitag berichtet und bebildert, bei Bedarf schauen Sie bitte dort nach.

Im Büro durchgehend zu tun, nicht zu viel, gerade richtig, zeitweise mit leichtem Flowgefühl. Arbeitsschluss fast eine Stunde später als üblich, auch das ist keine Klage, das Arbeitszeitkonto freut sich. Also nicht das Konto, sondern sein Besitzer, wenn die angesammelten Stunden in den nächsten freien Tag umgewandelt werden, konkret: morgen.

Erster Einsatztag der neuen Schuhe, es geht sich bequem darin. Wie ein Kind schaute ich immer wieder drauf und erfreute mich ihrer. (Waren ja auch teurer genug.)

Die Jetpack-App, mit der ich hier meistens schreibe und die abonnieren Blogs lese, wurde mal wieder unangekündigt umgebaut. Jedenfalls die für das Tablet, die iPhone-Variante ist unverändert. Zum Reader gelangt man nun über ein Seitenmenü, das man, nachdem man das herausgefunden hat, über ein neues Symbol oben links öffnet, früher fand man ihn in der Fußleiste. Zudem steht dort jetzt „Leser“ statt „Reader“, was mir als überzeugtem Anglizismenskeptiker eigentlich gefallen sollte. Wozu das alles gut sein soll, kann ich nicht erkennen, eine Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit ist es nicht. Aber das ist ja mittlerweile häufig zu beobachten bei allen möglichen Anwendungen und Geräten.

Morgen also frei. Wegen der günstigen Wetterprognose freue ich mich auf einen Wandertag durch den Kottenforst (oder das?). Die Lokalität für die anschließende Einkehr ist auch schon gewählt.

Der frühere Tagesschau-Sprecher Jan Hofer macht nun Fernsehreklame für Trigema. Das finde ich deprimierend.

Donnerstag: Inseltag. Da wir in dieser Woche, so auch heute, einen Maler im Haus hatten, der im Laufe des Morgens eintreffen würde, stand ich bereits zur gewohnten Werktagszeit auf, was im Gegensatz zu den Vortagen, an denen ich morgens außergewöhnlich müde war, mühelos gelang. Es ist eben ein Unterschied, ob mich die Vorfreude auf einen Wandertag aus dem Tuche treibt oder auf das Büro.

Nach Proviantkauf und einem schmalen Frühstück in einer bahnhofsnahen Bäckerei fuhr ich mit der Bahn nach Alfter-Witterschlick, ein Ortsname, der wie eine akute Magen-Darm-Verstimmung klingt, wer auch immer sich den ausgedacht hat. Von dort wanderte ich durch den Kottenforst zurück in Richtung Bonn. Der Weg führte fast ausschließlich durch herbstbuntes Waldgebiet.

Zwischendurch stellte Komoot meine Pfadfinderfähigkeiten auf die Probe, als es mich über Wege leitete, die als solche nicht unmittelbar zu erkennen waren, und über einen Bachlauf, den zu überwinden nur mit einem Fußbad möglich gewesen wäre. Wobei den Füßen etwas Kühlung vielleicht ganz gut getan hätte, denn die Wanderlust war getrübt: Schon morgens beim Anziehen der Schuhe kamen sie mir sehr eng vor, vor allem der linke. Da sowohl Schuhe als auch Füße dieselben waren wie bei den letzten Wanderungen, hoffte ich, dass es sich bald fügt. Während der ersten Kilometer ging es auch ganz gut, dann begann der linke Zeigezeh zu schmerzen, erst leicht, mit jedem Kilometer mehr. Ich hielt durch, nach immerhin gut zwanzig Kilometern endete die Wanderung an der ersten erreichbaren Straßenbahnhaltestelle statt bei der vorgesehenen Gaststätte in der Innenstadt. Dorthin brachte mich dann die Straßenbahn, wo ich mich, mittlerweile Tradition, für die Mühen und Schmerzen mit Currywurst und Hellbier belohnte. Spätestens da ließ der Schmerz nach.

Als ich bei Heimkehr die Schuhe endlich ausziehen konnte, setzte erhebliches Wohlgefühl ein. Das war ihr letzter Einsatz, demnächst kaufe ich neue, bin ja ohnehin gerade in Schuhkaufstimmung. Dann, wie für Wander- und Laufschuhe empfohlen, eine Nummer größer.

Sehen Sie:

Nach Ankunft in Witterschlick, das sehen Sie ja selbst
Jahreszeitlich passend
Forst I
Auch hier jede Menge Stechpalmen (extra für Sie, liebe L)
Moos
Ich war das nicht mit dem Aufkleber
Hiervon hoffte ich mehr zu sehen, traf jedoch nur auf dieses eine angefressene Exemplar
Forst II
Kurfürsten-Weiher

Freitag: „Freihandel harkt beim Agrathema“ steht in der Zeitung. Da besser mal nachhacken.

„Wir sind als Menschen dazu geboren zu arbeiten“, sagte der Bundeskanzler beim Arbeitgebertag in Berlin. Die Rheinische Post berichtet hingegen in ihrer Online-Ausgabe über sogenannte Null-Bock-Tage. Wer morgens keine Lust hat, sich an die Arbeit zu machen, teilt das dem Arbeitgeber kurz mit und bleibt im Bett, bei voller Bezahlung. In Großbritannien soll es das schon länger geben unter der Bezeichnung „reset days“, Tage des Neustarts, was wesentlich wirtschaftsverträglicher klingt als null Bock. In Deutschland ist das Konzept laut Bericht etabliert bei einem (ebenfalls) Berliner Kondomhersteller mit dem für diese Branche wirklich herzallerliebsten Namen „Einhorn“; denken Sie sich dabei gerne mein spätpubertäres Kichern, als ich das las. Wohl jeder kennt diese Tage, typischerweise der Montag. Ob es indes die Lösung ist, dann der Arbeit fernzubleiben, zweifle ich an, weil dann der Montagseffekt am Dienstag doppelt zuschlägt.

Samstag: Laut Zeitungsbericht leisten neun Prozent aller Schafböcke keinen nennenswerten Beitrag zur Arterhaltung, da sie dem eigenen Geschlecht zugeneigt sind. Ein Schäfer aus Löhne in Ostwestfalen hat es sich zur Aufgabe gemacht, anderen Kollegen diese sprichwörtlich schwarzen Schafe abzukaufen für eine eigene schwule Herde, in der sie ihrer Liebe und Triebe nach Bockeslust nachgehen dürfen. Einundzwanzig hat er schon, für weitere hundert hat er Kapazität. Mit der gewonnenen Wolle werden (menschliche) queere Projekte unterstützt. Eine wunderbare Idee, die dem Wort „Wolllust“ eine neue Bedeutung verleiht. Glaubte ich an Wiedergeburt, wäre das ein Eintrag in der Wunschliste.

Von Woll- zu Wanderlust: Beim Kauf von Wanderschuhen in einem Sportgeschäft wurde ich an der Kasse nach langer Zeit mal wieder nach meiner Postleitzahl gefragt. Da fiel mir wieder die Aktion eines Menschen ein, der vor einigen Jahren im Netz dazu aufgerufen hatte, bei solcher Gelegenheit stets die Postleitzahl von Brunsbüttel zu nennen. Nach kurzem Hirnkramen sagte ich 25547. Später schaute ich nach: Der Aufruf des bayrischen Sängers Christoph Weiherer erfolgte bereits im November 2016, korrekt wäre 25541 gewesen. Nach so langer Zeit gar nicht schlecht gemerkt, finde ich.

Sonntag: In der vergangenen Nacht endete die diesjährige Sommerzeit. Wie die Zeitung gestern berichtete, unternehmen die EU-Verantwortlichen einen neuen Anlauf, sie endlich ganz abzuschaffen, nachdem bei einer Bürgerbefragung bereits 2018 eine Mehrheit von vierundachtzig Prozent für die Abschaffung der halbjährlichen Zeitumstellung gestimmt hatte. Wobei nur 4,6 Millionen Menschen an der Befragung teilnahmen, also etwas mehr als ein Prozent der EU-Bürger, woraus sich schließen ließe, neunundneunzig Prozent ist es egal. Ich wäre damit sehr einverstanden, auch wenn es heute bereits um siebzehn Uhr sehr dämmerig, eine halbe Stunde später fast dunkel war. Allerdings bin ich skeptisch, ob ich es noch erleben werde.

In der Sonntagszeitung las ich einen Artikel über Beinverlängerung. Vor allem junge Männer, die mit ihrer Körpergröße hadern, lassen diesen Eingriff über sich ergehen, trotz Schmerzen, gesundheitlicher Risiken und erheblicher Langwierigkeit, bis sie danach wieder einigermaßen laufen können. Man muss immer wieder staunen, was Menschen alles in Kauf nehmen für ein gesteigertes Selbstwertgefühl. In meinem Berufsleben lernte ich Führungskräfte kennen, die geringe Körpergröße stattdessen durch Arschlochhaftigkeit ausglichen und damit ziemlich weit kamen.

Apropos Gehen: Zur Erprobung der neuen Wanderschuhe wurde der Sonntagsspaziergang etwas wanderartiger gestaltet. Bei trübem Wetter, anfangs mit leichtem Regen, führte er durch die Südstadt über den östlichen Hang des Venusbergs bis nach Dottendorf, von dort mit der Straßenbahn zurück. Eine sehr schöne Waldstrecke für den Sonntagnachmittag, mit etwa neun Kilometern und eineinhalb Stunden Gehzeit ist sie gut zu schaffen. Im Gegensatz zu einer Donnerstagswanderung begegneten mir zahlreiche Spaziergänger mit und ohne Hund. Ein Paar mit Hund stand am Wegesrand und schaute in den Wald, immer wieder riefen sie etwas und der Mann blies in eine Pfeife. Offenbar widmete sich der zweite, für mich nicht sichtbare Hund einer interessanten Entdeckung. Davon ließ er sich nicht abbringen, noch lange, nachdem ich an ihnen vorbei war, hörte ich die Pfiffe, eingerahmt vom Geräusch von Blättern fallender Wassertropfen.

Die Wanderschuhe erwiesen sich als geeignet und bequem, somit kann diese Woche in Schuherwerbshinsicht als erfolgreich betrachtet werden.

Dörfliche Idylle in Dottendorf, hinten im Dunst der Venusberg

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Kommen Sie gut durch die Woche und viel Spaß mit Halloween, wenn Sie es nicht lassen können.

Woche 14/2024: Voller Einsatz und ein spontanes Wiedersehen

Montag: Mein Dank gilt der Christenheit für diesen weiteren arbeitsfreien Tag*. Da morgens anhaltender Regen auf das Fensterbrett vor dem Schlafzimmer prasselte und keine besonderen Verpflichtungen anstanden, blieben wir auch heute etwas länger liegen. Das Frühstück begann erst, als in anderen Haushalten schon das Osterlamm (oder der -blumenkohl, je nach Ernährungsgewohnheiten) aufgetischt wurde.

Danach hielten mich Regen und Feiertag nicht davon ab, Flaschen zum Altglascontainer zu bringen, wir waren diesbezüglich seit Rückkehr aus Frankreich recht produktiv. (Dort im Übrigen auch, jedoch kümmerten sich andere um die Entsorgung geleerter Flaschen.) Ich weiß, an Feiertagen darf man keine Flaschen einwerfen, doch schert mich das nicht: Erstens befindet sich in Hörweite der Container keine Wohnbebauung, zweitens ist es Motorrädern auch an allen Tagen erlaubt, ungehemmt durch die Gegend zu knallen.

Die Entsorgung verband ich mit einem Spaziergang an den Rhein und durch die Innere Nordstadt, die auch heute von Kirschblütenbegeisterten gut besucht war, nicht ganz so stark wie an den Vortagen. Dabei wunderte ich mich über mehrere Menschen, die trotz Trübnis Sonnenbrille trugen.

* Gab es schon Überlegungen, nur noch Kirchenmitgliedern den freien Tag zu gewähren, um den zunehmenden Kirchenaustritten zu begegnen und die darbende Wirtschaft zu stärken? Nur ein Gedanke, um Himmels Willen kein Vorschlag an gesetzgebende Stellen oder die FDP.

Dienstag: Wie üblich nach einem Urlaub kostete es am ersten Arbeitstag wieder erhebliche Energie, Interesse aufzubringen, für was zu interessieren ich gut bezahlt werde. Hinzu kam ab Mittag schwere Müdigkeit, zumal ich in der letzten Nacht nicht sehr gut geschlafen hatte. Zudem mutet ein leichtes Kratzen im hinteren Rachen wie der Beginn einer neuen Erkältung an, was ich, da die alte kaum vollständig abgeklungen ist, dem Körper persönlich übel nehmen würde.

Ansonsten zeigte sich der Arbeitstag gnädig: die Zahl der Mails überschaubar, darunter keine heute zu erledigenden Dringlichkeiten, nur eine Besprechung. Ab morgen dann wieder voller Einsatz.

Woanders is‘ auch sch …
Verstehe ich nicht

Mittwoch: Wegen Regens nahm ich morgens die Bahn. Am Hauptbahnhof stieg ein mitteljunges Paar mit geöffneten Handbieren ein, setzte sich in die Vierergruppe neben meiner und begann, sich über einen offenbar unwohlmeinenden Kioskbesitzer auszulassen, unter anderem fiel das Wort „Gammler“. Kurz darauf setzte sich ein junger Mann ihnen gegenüber, der sogleich ins Gespräch einbezogen wurde, indem sie ihm als erstes Bier anboten, das er dankend ablehnte mit Hinweis auf anstehende Werktätigkeit. Sie ließen nicht locker und entlockten ihm, dass er ein in Bonn geborener und lebender Kroate ist, woraufhin der Mann sagte: „Kroatien … da fällt mir gleich Cevapcici ein. Isst du gerne Cevapcici, oder ist die Frage diskriminierend?“ – „Fühlst du dich mehr als Deutscher oder Kroate?“ – „Wenn Deutschland gegen Kroatien Fußball spielt, für wen bist du dann?“ So ging das weiter, geduldig und schüchtern beantwortete der Junge alle Fragen. Ich bewunderte ihn, gleichzeitig tat er mir leid. Ich an seiner Stelle hätte mir wohl einen anderen Platz gesucht oder wäre ausgestiegen und mit der nächsten Bahn weitergefahren. Womöglich sind Kroaten geselliger oder toleranter gegen dummes Geschwätz als Ostwestfalen, aber vermutlich ist das wieder eine unzulässige Verallgemeinerung.

Im Büro der übliche Kram. Wenn eine Mail beginnt mit »Hi, wie beim letzten Meeting zum Thema schon anmoderiert«, tendiert meine Lust zum Weiterlesen gegen Zero.

Es ist nicht mehr zu übersehen: Diese Spezies wird zunehmend irre. Wenn Sie mal wirklich nichts besseres zu tun haben, rufen Sie den angegebenen Link auf, das ist recht unterhaltsam zu lesen.

Donnerstag: Die Tage las ich einen interessanten Artikel darüber, dass Produkte durch scheinbare Innovationen für den Anwender schlechter werden. Als Beispiele wurden Herde und Autoarmaturen genannt, die statt über klassische Drehknöpfe und Schieberegler nur noch über unverständliche Displays zu bedienen sind.

Ähnliches erfuhr ich gestern, als Microsoft mir vorschlug, die App To Do zu verwenden statt der Outlook-Aufgabenverwaltung, die mir ein wichtiges Werkzeug bei der täglichen Werktätigkeit ist. Neuerungen gegenüber durchaus aufgeschlossen stimmte ich zu und war sogleich enttäuscht, was nicht oder allenfalls sehr entfernt an der Bezeichnung der App lag. Sie ist unübersichtlich, ich vermisse die Gruppierung nach „Nicht begonnen“, „In Bearbeitung“, „Wartet auf anderen“ usw., auch empfand ich die Nutzung als wenig selbsterklärend. Daher nutze ich ab heute wieder die Outlook-Funktion und bin damit sehr zufrieden.

»Welche olympischen Sportarten siehst du dir am liebsten an?« lautet die Frage des Tages. Da fragen sie den Richtigen. Mangels Interesse schaue ich mir niemals sportliche Aktivitäten irgendwelcher Werbeträger an. Hinzu kommt, ich halte das IOC für eine korrupte Verbrecherbande, genauso die FIFA. Aber wenn man mich unter Gewaltandrohung und Alkoholentzug zwingen würde, wähle ich Turmspringen der Männer. Nicht aus sportlichem Interesse, rein aus optischen Gründen.

Freitag: Aus zeitlichen Gründen war es mir heute nicht möglich, mich an der Aktion #WMDEDGT von Frau Brüllen zu beteiligen. Das ist nicht als Klage zu verstehen, ganz im Gegenteil. Grund war ein recht spontanes Wiedersehen am Nachmittag und Abend mit der lieben Blogfreundin Frau Kraulquappe, über das ich mich sehr freute.

Foto: Der Liebste

Samstag: Lästige Vereinspflichten erforderten unzeitiges Aufstehen in der Frühe und eine Autofahrt nach Ostwestfalen. Beides, sowohl die Fahrt als auch die Pflicht, verliefen zufriedenstellend; im Anschluss besuchte ich die Mutter in Bielefeld, mit der ich einen erfreulichen Abend zu zweit verbrachte. An dessen Ende saßen wir in milder Abendluft mit einem Abendglas auf dem Balkon und schauten, die Straßenbahnendhaltestelle in Sichtweite, den Bahnen beim Ankommen und Abfahren zu. Das war sehr schön.

Pöter (m), ostwestfälsche Bezeichnung für eine hintere südliche Körperregion

Sonntag: Auch die Rückfahrt verlief ohne nennenswerte Ereignisse, noch vor Einsetzen des Oster-Rückreiseverkehrs kam ich nach gut zwei Stunden in Bonn an. Gleichwohl wurde meine grundsätzliche Abneigung gegen das Autofahren bestätigt. Augenscheinlich ist es nicht mehr erforderlich, beabsichtigte Fahrstreifenwechsel zuvor durch Blinken anzukündigen; die diesbezügliche Anpassung der Straßenverkehrsordnung muss mir entgangen sein.

Apropos Autobahn: Hat unser großartiger Verkehrsminister wirklich geäußert, ein Tempolimit sei schon deshalb nicht sinnvoll, weil der dadurch entgangene Zeitgewinn viele Autofahrer dazu bewegen würde, stattdessen die kürzere Strecke über die Dörfer zu wählen, das wäre der Landbevölkerung nicht zuzumuten?* Das ist ja noch besser als das Argument fehlender Verkehrsschilder vor einiger Zeit, Sie erinnern sich vielleicht. Fast kommt es heran an den von Marie Antoinette mutmaßlich nie gesagten Satz mit dem Brot und dem Kuchen. Es ist offensichtlich: Die FDP will uns hinter die Fichte führen.

*Aufgelesen hier im LandLebenBlog

Nach Rückkehr und kurzem Erlebnisaustausch mit meinen Lieben begab ich mich auf den üblichen Spaziergang, nach längerer Autofahrt besonders erforderlich. Die Innere Nordstadt lockt weiterhin zahlreiche Kirschblütenposer aus aller Welt, doch nicht mehr lange: Die ersten grünen Blätter wachsen aus dem pinken Gewölk, die Blütenblätter werden blasser und beginnen, abzufallen.

Jeder ist auf seine Art bekloppt

Der Lieblingsbiergarten hat seit gestern wieder geöffnet, das freut mich besonders. Dort hielt ich Einkehr auf ein Dunkles mit Brezen und las die Blogs der letzten drei Tage nach, wozu ich bislang nicht kam. Man war wieder überaus fleißig.

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Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche, lassen Sie sich hinter keine Fichte führen, weder von der FDP noch sonst wem.

Woche 52/2023: Akuter Magenstillstand und verkohlte Balkons

Montag: Nachlese zum Heiligabend gestern. Gegen zweiundzwanzig Uhr setzte akuter Magenstillstand ein, nachdem es wieder von allem zu viel gab: zunächst nach Ankunft bei des Geliebten Eltern Kuchen, von der Nachbarin mit sichtlich viel Hingabe zubereitet, eine übertrieben große Tasse Eierpunsch, Vorspeisen-Häppchen mit Fisch und Krabben, Rinderfilet zum Hauptgang, schließlich Dessert. Ein jedes für sich genommen köstlich (wobei eine wesentlich kleinere Tasse Eierpunsch völlig gereicht hätte), alles zusammen jedoch nicht zu bewältigen, auch nicht bei Verdünnung durch die in nennenswerten Mengen gereichten Getränke. Das ganze gewürzt, vielleicht etwas überwürzt durch Heldengeschichten, während ungefähr im Minutentakt ein grünes Kleingetränk mit Waldmeisternote eingeschenkt wurde.

Auch Zahl und Umfang der gegenseitig überreichten Geschenke waren reichlich. Vermutlich schrieb ich es schon: Wenn es nach mir ginge, gäbe es Geschenke nur noch für Kinder und bedürftige Personen, ich hingegen verzichte gerne auf jede Art von Gaben zu Weihnachten, Geburtstagen und weiteren Anlässen, zu denen sich Menschen zum Schenken genötigt sehen. Das geht natürlich nicht – Wenn das alle so sähen, brächen wesentliche Teile unserer Wirtschaft, vielleicht unser gesamtes Gesellschaftssystem zusammen, das unter anderem darauf basiert, dass wir möglichst viel Zeug kaufen, das niemand benötigt. Eine Lösung weiß ich dafür auch nicht. Wunschdenken: Mein größter Weihnachtswunsch ginge in Erfüllung, wenn wir endlich auf diese gegenseitige Pflichtschenkerei verzichten würden. Vielleicht mache ich einfach mal den Anfang: Wenn ich Anfang Februar Geburtstag habe, freue ich mich über Gratulationen, bitte jedoch dringend darum, von Geschenken abzusehen, ich habe alles, wirklich. Damit würde man mir einen großen Gefallen tun. (Wenn ich hiermit schenkfreudige Mitmenschen vor den Kopf stoße, tut es mir leid, ich bitte um Nachsicht. Gleichwohl wäre ich allen wirklich sehr dankbar.)

Doch blicken wir auf das Positive: Ich erwachte heute völlig katerfrei, was gemessen an den Vorabendgetränken erstaunlich ist. Nicht ganz so positiv: Gegen vier Uhr in der Frühe kehrten der Nachbar über uns und seine Gäste von irgendwoher zurück und verdeutlichten den übrigen Hausbewohnern, uns, durch Abspielen von Musik ihre Auslegung der stillen Nacht.

Wiederum sehr positiv: Da wir die Familienbesuchspflichen in Ostwestfalen bereits am vorherigen Wochenende erledigt hatten, ich berichtete, standen heute keine Reisen an. Stattdessen ruhige Sofastunden mit Lektüre der Sonntagszeitung und ein langer Spaziergang.

Besinnlichkeitsquisquilien zum Mitnehmen

Reisen werden wir morgen, nicht nach Ostwestfalen, sondern für ein paar Tage ins Burgund, übrigens ein Geschenk an den Geliebten. Darauf freue ich mich. Er bislang nicht so, das kommt bestimmt noch.

Abends schauten wir uns die Weihnachtsshow von Helene Fischer an. Mein Leben wäre keinen Cent ärmer, wenn wir das nicht getan hätten, andererseits hat es nach bisherigen Erkenntnissen keinen bleibenden Schaden hinterlassen.

Dienstag: Um halb neun morgens machten wir uns auf den Weg nach Beaune, wo wir nach fünfeinhalb Stunden recht entspannter Autofahrt ankamen; kurz vor Ankunft brach uns zum Wohlgefallen die Sonne durch die Trübnis. Nach einem Ankunftsgetränk im Hotel gingen wir eine Runde durch die unerwartet menschenvolle Stadt, wo meine Lieben umgehend damit begannen, diverse Textil- und Lebensmittelgeschäfte leer zu kaufen. (Auch ich erstand spontan eine preisreduzierte Winterjacke, gleichsam Liebe auf den ersten Blick. Soviel zur erst gestern geäußerten Konsumkritik.) Der Geliebte scheint zufrieden, immerhin.

Mittwoch: In der Euphorie des ersten Abends blieben wir gestern womöglich etwas länger als unbedingt nötig am Kaminfeuer der Hotelbar, wo nach mehreren Gläsern Burgunder der Geliebte nur mit Mühe und Unterstützung des Hotelpersonals davon abgehalten werden konnte, das Feuer mit weiteren Holzscheiten totzuwerfen.

Infolgedessen zogen wir uns heute nach dem Frühstück zunächst ins Zimmer zurück, das, wie das ganze Hotel, großartig ist. Es geht über zwei Etagen, oben auf der Empore befindet sich unter dem Dachfenster ein Sofa, ein hervorragender Ort zum Lesen und Bloggen, wo diese Zeilen entstanden, derweil von unten Schlafgeräusche zu vernehmen waren.

Nachdem vor ein paar Tagen Ingrid Steeger gestorben ist, wurde heute der Tod von Wolfgang Schäuble gemeldet. Einen direkten Zusammenhang gibt es nicht, wobei Klimbim und Politik manchmal schon Gemeinsamkeiten aufweisen.

Donnerstag: Fast den ganzen Tag regnete es, was die Stimmung nicht zu trüben vermochte. Nach dem Frühstück unternahmen wir eine Ausfahrt durch die Gegend südlich von Beaune, unter anderem durch Autun, wo wir ein einem überdimensionalen Termitenbau ähnelndes Bauwerk unbekannter Zweckbestimmung besichtigten.

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Wir durchfuhren großflächige Weinfelder, deren Reben für dieses Jahr ihre Pflicht erfüllt haben und die nach dem Beschnitt nur noch aus dunklen, blattlosen Holzstümpfen bestehen, dazwischen waagerecht gespannte Drähte, an denen Wassertropfen Perlenketten bildeten. In den Feldern immer wieder gegen den trüben Himmel steigende Rauchwolken von den Feuern des Rebschnittes, deren Asche später als Dünger zwischen den Reben ausgebracht wird, auf dass sie neue Zweige bilden, die dann im nächsten Winter wieder verfeuert werden. Und so weiter.

Auf dem Rückweg erstanden wir in Saint Aubin eine größere Menge des örtlichen Rebenproduktes, auf dass unsere heimischen Vorräte nicht zur Neige gehen, was auf absehbare Zeit nicht zu befürchten ist.

Freitag: Heute besuchten wir bei freundlicherem Wetter Dijon, unter anderem die örtliche Markthalle, schon wegen ihrer historischen Eisenkonstruktion sehenswert. Für das deutsche Auge gewöhnungsbedürftig, nicht nur in Dijon sondern generell in französischen Markthallen ist die Warenpräsentation: Hühner und andere Vögel wurden zwar gerupft, ansonsten ist alles dran, insbesondere Köpfe und Füße. Der gerupften Kreatur kann es egal sein, da sie sich bereits im Geflügeljenseits befindet, mit oder ohne Krallen. Anders dagegen am Fischstand Hummer und Taschenkrebse: Sie leben noch, jedenfalls einige von ihnen. Nicht einigermaßen erträglich in einem Wasserbecken, vielmehr liegen sie mit zusammengebundenen Scheren auf dem Trockenen oder geschreddertem Eis und warten mit letzten Zuckungen auf den Kochtopf des Käufers. „Geh weiter“ meint man in ihren Blicken zu sehen. Das finde ich schon ziemlich bedenklich. Gleiches gilt für Austern, nur sieht man es ihnen nicht an, da sie weder zucken noch kucken.

Wesentlich besser ging es augenscheinlich den Markthallenbesuchern, die sich an der Bar schon zur Mittagszeit dem Wein widmeten, was auch uns zu einem Gläschen im Stehen inspirierte, wo man schon mal da war.

Innenansicht
Außenansicht

Auf dem Rückweg machten wir kurz Halt in Nuits-Saint-Georges, wo ich erstmals im Leben ein französisches Postamt betrat und Briefmarken kaufte.

La Poste

Samstag: Mittags verließen wir Beaune in Richtung Bonn, wo wir nach erfreulich ereignisloser Fahrt am frühen Abend ankamen.

Auch in Beaune gibt es eine Markthalle, die wir vor Abreise besuchten. Allerdings ohne Marktschänke.

Aus einem Zeitungsartikel über Regeln für das Feiern von Silvester: »Vorsicht geboten ist bei Feuerwerkskörpern. Dass die nicht auf Passanten abgefeuert werden dürfen, sollte ein Allgemeinplatz sein.« Demnach also Feuer frei auf alles, was da kreucht und fleucht. Weiter: »Gastgeber haften dabei auch für ihre Gäste, wenn Raketen oder Böller aus ihrer Wohnung heraus gezündet werden und beispielsweise den Balkon der Nachbarn verkohlen«. Liest das vor Veröffentlichung keiner korrektur?

Sonntag: Silvester. Morgens beim Brötchenholen sah ich in der Innenstadt mehrere Gruppen zumeist älterer Menschen, davor jeweils eine stadtkundige Erklärperson, die etwas über Bonns Wissens- und Sehenswürdigkeiten erzählt. Danach kehrten sie vielleicht zurück auf ihr Hotelschiff, wo heute Abend die Bordkapelle zum Tanz aufspielt. Warum auch nicht.

Irgendwo las ich „Hirschrücken“ und verband das Wort kurzzeitig mit einem mir bislang unbekannten Spiel, bei dem es darum geht, Rotwild durch die Gegend zu schieben, ehe sich die kulinarische Bedeutung einstellte. Manchmal sind mir meine eigenen Gedankengänge unheimlich.

Gelesen hier: »Der Meeresspiegel steigt und Noah ist 2023 schon wieder der beliebteste Name für neugeborene Jungs. Genau mein Humor.«

In den Blogs nun wieder die üblichen Jahresrückblicke, dazu auch gerne verwendet der einheitliche Fragenkatalog. („Haare kürzer oder länger“, „Bestes Essen“ und so weiter, vielleicht kennen Sie den.) Darauf verzichte ich auch in diesem Jahr, um Sie nicht über Gebühr zu langweilen. Nur so viel: Trotz aller Krisen, Kriege und Katastrophen war 2023 für mich persönlich ein sehr gutes Jahr, auch dem neuen schaue ich mit Zuversicht entgegen.

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Ich danke Ihnen, meinen Leserinnen und Lesern, dass Sie hier ab und zu reinschauen, und hoffe, dass Sie das weiterhin tun werden. So bleibt mir nur noch, Ihnen alles Gute für das neue Jahr, Optimismus, Gesund- und Zufriedenheit zu wünschen. (Einen „guten Rutsch“ zu wünschen vermeide ich, weil es ein wenig nach Oberschenkelhalsbruch klingt.) Machen Sie es gut, wir lesen uns!

Woche 50/2023: Vielleicht lässt die Evolution den Menschen irgendwann einen dritten Arm wachsen

Montag: Der erste Arbeitstag der Woche verlief weitgehend ohne die regelmäßig auftretende Montagsbetrübnis. Mittags in der Kantine konnte ich erleben, was dieses „Slow Food“ bedeutet: In Sichtweite zerteilte und aß ein junger Kollege einhändig mit einem Messer eine Pizza, was augenscheinlich nicht ganz einfach war. Die zweite Hand war derweil unabkömmlich zur Bedienung des Datengeräts. Ich konnte es nicht bis zum Ende verfolgen, auch meine Mittagspause ist endlich. Vielleicht lässt die Evolution den Menschen irgendwann einen dritten Arm wachsen. Andererseits las ich vor einiger Zeit, ich weiß nicht mehr, wo und in welchem Zusammenhang, die jungen Leute essen heute nur noch ungern mit Messer und Gabel, aus genau dem oben beschriebenen Grund. Ob das stimmt, weiß ich nicht, unwahrscheinlich erscheint es mir nicht.

Nach dem Essen eine kurze Parkrunde mit Aussicht auf einen Schwan

Die letzte Teams-Besprechung ging bis siebzehn Uhr. „Ich wünsche euch noch einen schönen Nachmittag und nachher einen schönen Feierabend“, sagte der Organisator zum Abschied. Bei „nachher“ lachte ich (stummgeschaltet) auf und schaltete den Rechner ab.

Dienstag: In der Kantine erprobt man offenbar zurzeit eine neue Tischanordnung. Dadurch wählte ich heute nicht, wie sonst, wenn ich allein esse, einen Zweier- sondern einen Sechsertisch, da die Zweier entfernt worden sind. Eine der Fragen, die ich üblicherweise mit ja beantworte, obwohl ich nein meine, ist „Dürfen wir uns dazusetzen?“, gestellt um kurz vor zwölf. Kurz darauf saß ich mit einer entfernt bekannten und zwei unbekannten Personen am Tisch. Freundlicherweise versuchte man nicht, mich in das Gespräch einzubeziehen, dennoch löffelte ich das Dessert etwas schneller als gewöhnlich.

Nachdem mir in der vergangenen Woche aus Wetter- und Termingründen ein Besuch der Glühweinbude am Rheinpavillon nicht möglich war, freute ich mich heute Abend auf dem Rückweg umso mehr darauf. Aber ach: Die Bude wurde gerade abgebaut, warum auch immer. Nun gibt es in der Innenstadt zahlreiche Alternativen, doch diese Bude hatte durch ihre Lage direkt am Rhein was Besonderes. Schade.

Alternative

Mittwoch: »Weltklimakonferenz ruft zur Abkehr von fossilen Energien auf«, meldet der SPIEGEL. Für dieses schmale Ergebnis ein so hoher Aufwand? So wird das nichts mit unserer Rettung.

Apropos schmal: Epubli hat die Novemberabrechnung meiner Buchverkäufe geschickt. Ich danke der einen Käuferin sehr und freue mich über Nachahmung.

Nachdem am Vormittag die einzige Besprechung des Tages ins nächste Jahr verschoben worden war, war dies einer der seltenen Arbeitstage ganz ohne Termine. Abgesehen von der täglich im Kalender fest geblockten Mittagspause. Während dieser saß erneut in meinem Blickfeld ein jüngerer Einhandesser, den Blick fest auf das Datengerät in der rechten Hand gerichtet, derweil er mit der Gabel in der linken das Backfischfilet zerteilte, was einige Geschicklichkeit voraussetzte: Ich hatte wegen der fest angebratenen Panade schon mit Messer und Gabel einige Mühe. Der offensichtlich einhandgeübte Kollege benötigte dabei nicht mehr Zeit für den Verzehr als ich mit zwei Händen. Respekt.

Welchen vernünftig-nachvollziehbaren Grund mag es geben, „ein halbes Dutzend“ zu sagen statt einfach „sechs“?

Donnerstag: »Man sieht sich immer zweimal im Leben«, hörte ich einen sagen. Manchmal klingelt das ein wenig bedrohlich.

Der Rhein füllt sich wieder, wie ich auf dem Hin- und Rückweg sah, die ersten Schilder für eine Sperrung wegen Hochwassers sind aufgestellt. Möglicherweise ist das der Grund für den am Dienstag beklagten vorzeitigen Abbau der Glühweinbude am Ufer.

Morgens

Die Liste des Grauens wurde fortgeschrieben.

Im bin mir nicht sicher, ob es langfristig eine gute Idee ist, die Ukraine in die EU aufzunehmen. Nur so ein Gefühl.

Freitag: Für einen Freitag waren heute ungewöhnlich viele Kollegen in den Büros, normalerweise haben Kollegin A., wie ich konsequente Heimbüroverweigererin*, und ich freitags fast das ganze Gebäude oder wenigstens die Etage für uns alleine. Was wollten die da alle heute, haben die kein Zuhause, wo sie Unruhe verbreiten können?

*Aus Vereinfachungsgründen ausnahmsweise generisches Femininum. Den Teilsatz „konsequente Heimbüroverweigererin, wie ich konsequenter -verweigerer bin“, wollte ich Ihnen nicht zumuten.

Dass sich das Jahr dem Ende entgegen neigt merkt man auch daran, dass sich zahlreiche Kollegen in den Weihnachtsurlaub verabschieden mit den saisonüblichen Grüßen und Wünschen sowie dem seit fast vier Jahren etablierten Zusatz „Bleibt gesund“, in letzter Zeit wieder häufiger gehört.

Fast kein Kantinen- oder Kaffeeküchenplausch mehr mit gleichaltrigen (oder den wenigen verbliebenen älteren) Kollegen ohne die Frage, wie lange man noch zu arbeiten habe, nicht nur in diesem Jahr, sondern generell. Da neigt sich auch etwas dem Ende entgegen.

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Samstag: Aus terminlichen Gründen wurden die familiären Weihnachtsbesuchspflichten bereits an diesem Wochenende erfüllt. Und also machten sich auf der Liebste und ich nach Ostwestfalen, erst zu meiner Mutter, nachmittags weiter zum Treffen und Essen mit der Schwiegerfamilie. Gegen halb elf löste sich die Gesellschaft auf (dieser Satz wäre auch geeignet zur Einleitung einer Dystopie über das Ende der Menschheit), wir fuhren ins Hotel, mutmaßlich waren alle zufrieden.

Der NRW-Minister Laumann erscheint äußerlich eher wie ein westfälischer Rübenbauer statt ein Politiker. Das macht ihn sympathisch und ist keineswegs despektierlich gemeint, Rübenbauer ist ein ehrbarer Berufsstand, mehr als zum Beispiel Bundesverkehrsminister, jedenfalls wenn man die Amtsträger der letzten Jahre zum Maßstab nimmt. Herr Laumann hat nun geäußert, er sei froh, dass Jesus geboren wurde, verdanke diesem Ereignis doch seine Partei, die CDU, ihre Existenz. Es würde mich nicht wundern, wenn Herr Merz daraus folgernd demnächst verlauten lässt, die Existenz der CDU sei der beste Beweis, dass Jesus lebt. Halleluja.

Sonntag: Nach dem Frühstück im Hotel verließen wir bei trübem Himmel, innerlich heiter Ostwestfalen; bereits gegen dreizehn Uhr trafen wir sonnenbeschienen zu Hause ein. Driving home for Christmas mal anders.

Finde den Fehler
Kann denn Liebe toxisch sein?

Nach Ankunft drängte es mich zum Spaziergang raus, zumal wir den Tag gestern mit wenig Draußenzeit überwiegend im Auto und an diversen Esstischen verbracht hatten. Mit dem Gang verbunden war ein Gebäckkaufauftrag des Liebsten auf dem Weihnachtsmarkt, der heute gut besucht war. Das machte es recht anstrengend, nur einen bestimmten Stand aufzusuchen und den Markt danach so schnell wie möglich wieder zu verlassen, derweil Kinderwagenschieber durch die Gassen schlichen und alle paar Meter stehen blieben.

Nach dem Kekskauf belohnte ich meine Mühen mit einem angereicherten Kirschwarmgetränk. Dabei sah ich ein älteres gemischtes Paar vorübergehen, er trug einen längeren Jeansrock, sie hatte die Hosen an.

An einem anderen Getränkeausschank stand eine größere Gruppe rot-weiß gekleideter Weihnachtsmänner, teilweise mit Zigaretten und Bierflaschen in der Hand, manche hatten unter Missachtung der heiligen Kleiderordnung die Mütze abgenommen. Immerhin verteilten sie Süßigkeiten an vorübergehende Kinder. Alles in allem wird diese Ansammlung bei Eltern weihnachtsmanngläubiger Kinder einigen Erklärungsbedarf erzeugt haben.

Zum Spazieren kam ich auch noch

Im Übrigen hätte ich nichts gegen die Abschaffung von Weihnachten. Damit stehe ich im Kreis der Lieben, Verwandten und Bekannten wohl ziemlich alleine.

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Ich wünsche Ihnen eine angenehme Vorweihnachtswoche, bald ist es erstmal wieder überstanden.