Montag: Wegen der Dienstreise nach München war der Wecker auf halb fünf eingestellt, zwei Stunden früher als gewöhnlich an Arbeitstagen. Um kurz nach drei wachte ich auf, umgehend stellten sich die vor Reisen üblichen Gedanken darüber ein, was alles schief gehen kann, von Verschlafen über Stellwerksstörung bis Zugausfall, die mich am Weiterschlafen hinderten. Dennoch schlief ich nach mehreren Sorgenrunden nochmal ein, kurz vor dem Wecker wachte ich wieder auf und kam erstaunlich leicht aus dem Bett.
Ich möchte mich nicht allzu sehr in Eigenlob ergehen, jedenfalls war der Beschluss, eine Regionalbahn früher als die in der Bahn-App angezeigte nach Köln zu nehmen, obwohl alles pünktlich sein sollte, genau richtig, auch auf die Gefahr hin, dadurch eine Dreiviertelstunde in der Kälte des Deutzer Bahnhofs auf den ICE nach München warten zu müssen. Nach pünktlicher Abfahrt in Bonn stand der Zug später wegen einer Weichenstörung längere Zeit vor Köln-Süd, aus der Dreiviertelstunde in Deutz wurden schließlich wenige Minuten. Das Unbehagen wäre vermeidbar gewesen, da der ICE entgegen dem Fahrplan auch in Siegburg/Bonn hielt, das bequem und zuverlässig mit der Stadtbahn zu erreichen ist. Warum wurde das geheim gehalten?
Immerhin erreichte ich in Deutz den ICE, während die planmäßige Regionalbahn aus Bonn vermutlich noch vor Köln-Süd im Stau stand. Entgegen der Anzeige in der App war er nicht besonders voll, jedenfalls nicht Wagen 31. Schönheitsfehler: Mein reservierter Platz war einer von den allgemein beliebten, von mir indes gemiedenen Sitzen in einer Vierergruppe mit Tisch, obwohl ich das anders gebucht hatte. In Frankfurt, wo ein größerer Fahrgastwechsel erfolgte, fand ich einen zufriedenstellenden Reihensitz mit Fußfreiheit. Mit etwa einer Viertelstunde Verspätung kamen wir in München an, somit am unteren Rand des Rahmens meiner Planung.
Das Hotel, im wenig pittoresken Stadtteil Obergiesing gelegen, ist einfach und zweckerfüllend. Immerhin verfügt das Zimmer über zwei Jackenhaken, dafür keinen Kleiderschrank oder wenigstens Ablageflächen für Kleidung. Aber ich war hier ja nicht im Urlaub, für zwei Nächte reichte es.

Die Kollegen besuchten abends den Tollwood-Weihnachtsmarkt auf der Theresienwiese. Ich verzichtete zugunsten eines ruhigen Alleinabends mit Aussicht auf frühe Nachtruhe. Ob die den Namen verdiente, würde sich zeigen; die Tegernseer Landstraße ist nicht, wie der Name vermuten lässt, eine ruhige Allee zum gleichnamigen Gewässer, sondern eine brausende, sechsspurige Hauptverkehrsstraße.
Dienstag: Die Kollegen erschienen mit Restmüdigkeit zum Frühstück, nachdem sie um zwei Uhr nachts zurück ins Hotel zurückgekehrt waren. Ich erfreute mich hingegen einer der Tageszeit angemessen Munterkeit, sogar meine Abneigung gegenüber Hotelfrühstücksräume überwand ich. (Pluspunkt: ausreichend große Saftgläser.) Auch die Nachtruhe war gegeben, dank ausreichendem Schallschutz gegen den brausenden Verkehr.
Etwas rätselhaft zwei Bedienelemente über dem Kopfende des Bettes mit flackernden Buttons, über die wohl das Raumlicht zu steuern ist. So sehr ich auch drauftippte und -drückte, nichts ging an oder aus. Ein wenig fühlte ich mich wie Polizeichef Heribert Pilch im Dauerkampf mit dem Kaffeeautomaten in der Krimikomikserie „Kottan ermittelt“.
Satz des Tages in einer Besprechung: „Das Team zeichnet sich durch maximale Humorlosigkeit aus.“
Abends besuchten wir in größerer Gruppe den Augustiner-Bierkeller. Dort war es sehr laut, was die verbale Kommunikation nicht nur für mich erschwerte. Den Biergenuss, unter anderem eine nur mäßig gefüllte Maß, beeinträchtigte das indes nicht. Außerdem wurde Wiener Schnitzel als typisch bayrisches Gericht ausgewiesen. Auf meine Essensauswahl – Ente mit Rotkohl und Knödeln – hatte das keinen Einfluss. Laut Karte sogar eine Bauernente, was auch immer das bedeuten mag.

Mittwoch: Die Rückfahrt mit der Bahn verlief zufriedenstellend. Pünktlich verließ der ICE München, wegen Stockungen vor Frankfurt wurde der Zielbahnhof Siegburg/Bonn mit fünf Minuten Verspätung erreicht. Da kann man nun wirklich nicht meckern.
Ich reiste im Ruhebereich. Vor mir zwei junge Damen, die sich angeregt, jedoch wenigstens mich nicht sehr störend unterhielten. Eine weitere junge Frau daneben sah bzw. hörte das wohl anders: Empört wies sie die beiden zurecht, ehe sie sich wieder dem Film auf ihrem Datengerät widmete, dem sie über Ohrstöpsel lauschte. Man kann sich auch ein bisschen anstellen.
Ab Frankfurt saß eine Dame neben mir, die es mit dem Ruhebereich ebenfalls nicht so eng sah. Deutlich für mich und alle Umsitzenden telefonierte sie mit einem Lokal, wo sie gestern anlässlich einer Weihnachtsfeier einen Ohrring verloren hatte. Muss ein rauschendes Fest gewesen sein.
„Nenne fünf Dinge, in denen du gut bist“ lautet der heutige Themenvorschlag des Blogvermieters. Ich wäre schon froh, wenn ich eins nennen könnte.
Donnerstag: Kleine Woche – Inseltag. Statt der üblichen Wanderung gönnte ich mir einen ruhigen Tag mit Ausschlafen. Zu Frühstück und Zeitungslektüre suchte ich das Kaufhof-Restaurant auf, wie weitere ältere Herren ohne Begleitung an den anderen Tischen. Auch wenn es voraussichtlich noch ein paar Jahre dauert, nähren solche Tage die Vorfreude auf den Ruhestand deutlich. Nach Rückkehr begann es kräftig und für längere Zeit zu regnen, was den Nichtwanderbeschluss bekräftigte.
Nachmittags legte ich die Reihenfolge der Texte für die Lesung am Abend fest und beantwortete den Brief eines Blogkollegen.
Die Lesung hätte ein paar weitere Besucher vertragen können, war ansonsten für die Lesenden wie (hoffentlich auch) die Hörenden vergnüglich, die Zeit verging schnell. Vielen Dank an die Stage Gallery für die Bereitstellung des Raumes und ganz besonders an dich, lieber Lothar, dass ich wieder an deiner Seite vortragen durfte!
Freitag: Der letzte Arbeitstag der Woche war sogleich der erste im Büro. Regen und Sturmerwartung legten die Anfahrt mit der Bahn nahe. Auf der Etage war ich fast allein, die anderen zogen Heimbüro vor. Mir war es recht, so konnte ich nachmittags, als alle Besprechungen überstanden waren, in Ruhe Angefallenes wegarbeiten. Nachmittags war der Regen vorerst durch, was den Rückweg zu Fuß ermöglichte.
Für den Abend hatte der Liebste kurzfristig beim Franzosen unseres vollen Vertrauens reserviert. Seit Weggang des ambitionierten, schon von Sternen träumenden Jungkochs steht der Chef selbst in der Küche, das Niveau ist wieder traditioneller ausgerichtet und die Preise wurden gesenkt, was dem Restaurant nicht geschadet hat. Es war gut besucht, wir waren höchst zufrieden.
Samstag: Beim Aufwachen spürte ich eine gewisse postethanolische Unpässlichkeit, dabei war die Weinbegleitung am Vorabend nicht übermäßig gewesen. Manchmal ist das so, dann vertrage ich nicht viel. Vielleicht das Wetter?
Das, so morgens die Frau im Radio, starte heute mit dichter Bewölkung, erst zum Nachmittag hin werde es voraussichtlich „schöner“, so die Frau. Wieder frage ich mich: Was ist an Bewölkung, sofern sie uns nicht Starkregen, Hagel oder Orkan um die Ohren haut, schlecht?
Aus einem Zeitungsartikel über die anstehende Untersuchung einer der drei Bonner Rheinbrücken: „Radfahrende und Fußgänger müssen daher in dieser Zeit die Brücke auf der jeweils anderen Seite überqueren.“ Für Fußgängerinnen sind demnach keine Einschränkungen zu erwarten.
Aus einem anderen Artikel über Modelleisenbahnen als mögliches Weihnachtsgeschenk:

Sonntag: Im Radio sind nun wieder auf allen Sendern die Weihnachts-Popsongs mit künstlichen Glocken und Pferdeschlittenschellen zu hören, manche eine echte Ohrenplage. Vielleicht äußerte ich es schon in den Vorjahren, in diesem Fall verzeihen Sie mir bitte die Wiederholung: In meinen Ohren das diesbezüglich schlimmste Lied ist nicht das vielgeschmähte „Last Christmas“, sondern „Wonderful Christmas Time“ von Paul McCartney. Ding-dong, ding-dong … Grauenvoll.
Nachmittags verband ich den üblichen Spaziergang mit der Freilassung mehrerer Bücher in öffentliche Bücherschränke. In der Südstadt treiben die Magnolien schon Knospen aus. Sie werden wissen, was sie tun. Die Innenstadt war an diesem verkaufsoffenen Sonntag gefüllt mit kaufoffenen Menschen, die sich auf der Jagd nach Besinnlichkeit durch die Gassen des Weihnachtsmarktes schoben.
Nebenan auf der Hofgartenwiese feierten unterdessen die Syrer mit Flaggen und Freudenrufen die Vertreibung des Tyrannen aus ihrem Land, auch hupende Autokorsos waren später, als ich wieder zu Hause war, zu vernehmen. Ich freue mich mit ihnen. Hoffentlich entwickelt sich dort alles zum Guten, ein wenig skeptisch bin ich noch.



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Kommen Sie gut und möglichst adventsstressfrei durch die Woche. Ding-dong.













