Woche 24/2025: Zufriedenstellende Arbeitslust und Kohlroulade

Montag: Da in dieser Woche aus Pfingstgründen der Montag auf morgen verlegt wurde, hatten wir einen weiteren Tag frei. Herzlichen Dank dafür an die Christenheit und an Herrn Merz, dass uns faulem Pack dieser Tag noch nicht gestrichen wurde. Da sich das Wetter wieder freundlich zeigte, nutzte ich ihn für eine neue Folge der Reihe Bonner Buslinien, heute die 604 nach Ückesdorf, ein weiterer Ortsteil, bei dem ich erstmal schauen musste, wo das überhaupt ist. Dorthin also ließ ich mich fahren und spazierte zurück, eine angenehme Strecke von neun Kilometern durch das Katzenlochbachtal, Lengsdorf, Poppelsdorf und die Südstadt, sie endete zufällig in einer Außengastronomie in der Innenstadt mit Maibock-Ausschank.

In Ückesdorf besteht eine gewisse Uneinigkeit über die Priorität der Verkehrsmittel. Wobei man sich schon fragen muss, ob die Stadt Bonn zu viel Geld hat, denn hier dürften sich Autos und Fahrräder auch ohne aufwendige Markierungen kaum ins Gehege kommen.
Bei Ückesdorf
Mordkapellenpfad oderhalb Poppelsdorf
Rosenblüte in Poppelsdorf

Dienstag: Der nachgeholte Montag verlief recht zufriedenstellend mit nur wenigen Besprechungen und Anrufen, auch sonst hielt der Arbeitstag keine Imponderabilien bereit und er endete zeitig, man muss ja nicht gleich am ersten Tag die Welt retten.

Am frühen Nachmittag befiel erstmals ein Krampf den linken Zeigefinger. Er gehorchte nicht mehr den gängigen Bewegungsbefehlen und ließ sich nur mit Hilfe der rechten Hand beugen, dazu leichter Schmerz. Nach ungefähr zehn Minuten war es vorüber, der Finger funktioniert wieder. Interessant, was man erlebt, wenn so ein Körper älter wird.

Mittwoch: Regelmäßig wundere ich mich über Eltern, deren volle Aufmerksamkeit, während sie ihre Brut im Kinderwagen durch die Gegend schieben, ihrem Datengerät gilt. Eine Variante davon sah ich morgens auf dem Weg ins Werk: Ein Fahrrad fuhr mit belegtem Kindersitz am Rheinufer, der Fahrer trug Kopfhörer. Vielleicht ein Sennheiser Divine-Silence PXC-700.

In einer Besprechung ohne externe Teilnehmer wurde sich teilweise noch gesiezt. Das erlebt man auch immer seltener, fast ist es schon Nostalgie.

Man sagt nicht mehr „Das ist mein Lieblings-[irgendwas]“, es heißt jetzt „Das ist mein go to …“, wie ich abends während der Verabschiedung einer lieben Kollegin in den Ruhestand von zwei jungen Kolleginnen erfuhr. Ansonsten war es ein sehr schöner Abend mit Grillgut, Getränken und Gesprächen im Ennert-Wald.

Ebendorten

Im Briefkasten ein Postkartengruß des Bloggerkollegen aus Duisburg aus Hamburg. Also der Gruß aus Hamburg, der Blogger aus Duisburg. Lieber M., herzlichen Dank!

Donnerstag: Morgens kam ich nur schlecht aus dem Bett, Körper und Geist wären gerne noch etwas länger liegen geblieben. Ein Zusammenhang zum Vorabend ist weitgehend auszuschließen, da ich mich beim Bier in Zurückhaltung geübt hatte und zeitig wieder zu Hause war. Vielleicht setzt nach nunmehr drei freien Donnerstagen hintereinander eine gewisse Gewöhnung ein. Nächste Woche wieder.

Belohnt wurde das Aufstehen mit zufriedenstellender Arbeitslust und Kohlroulade zum Mittagessen. Neben Grünkohl und Erbseneintopf ein Gericht, über das ich mich immer besonders freue, wenn es auf der Karte steht.

Nach der Arbeit war ich beim Friseur, der sich heute ungewöhnlich gesprächig zeigte. Nicht, dass mir das einreißt.

Freitag: Vor geraumer Zeit veröffentlichte ich unter dem Pseudonym Christian Rebeck das Buch „Herbsterwachen“, eine Geschichte über Liebe und Triebe zwischen männlich gelesenen Personen, heute heißt das wohl innerhalb der LGBTQ*-Komjuniti, mit Schwerpunkt auf G. Nun erhielt ich die Mailnachricht von jemandem, der wirklich Christian Rebeck heißt mit der Frage, wie ich auf diesen schönen Namen gekommen sei. Das ist schnell erklärt: Namensgeber sind zwei mir nahestehende Personen. Der eine gab seinen Vornamen, der andere hieß mit Geburtsnamen Becker, woraus als Anagramm Rebeck entstand. Ich hätte mich auch Eckber oder Keberc nennen können, wer weiß, wer dann geschrieben hätte. Weitere Bücher unter diesem Namen und dieses Genres sind von mir im Übrigen nicht zu erwarten.

Aus einer Besprechung: „Wir hatten uns gemeeted, um uns zu syncen.“ Es erscheint mir im Übrigen höchst albern, ein Problem als „Herausforderung“ zu euphemisieren.

Es ist warm geworden, sehr warm. Sogar für mein verfrorenes Empfinden, und das will was heißen. Die Menschen zeigen wieder ihre mehr oder weniger sehenswerten Körper.

oder weniger
Morgens im Rheinauenpark
Abends auf dem Weg zur Packstation, hier eine der vergangene Woche erwähnten unendlichen Bonner Baustellen an der Bornheimer Straße

Samstag: „No woman, no cry“ sang Bob Marley morgens im Radio. Ein Satz, der sich problemlos auf alle Geschlechter erweitern ließe, ohne ein Körnchen an Wahrheit einzubüßen.

Am frühen Nachmittag fuhren der Liebste und ich bei immer noch heftiger Hitze mit dem Schiff nach Königswinter. Dort waren wir verabredet mit Freunden zum gemeinsamen Besuch des jährlichen Weinfestes oberhalb von Rhöndorf. Die Wetter-App hatte vormittags noch Grund zur Hoffnung geboten, dass die angekündigten Gewitter und Unwetter weiter nördlich ihr Unbill treiben würden, doch je näher wir Königswinter kamen, desto dräuender zeichnete sich eine Wolkenfront im Süden ab und erstes Grollen war zu vernehmen. Mit Verlassen des Schiffes fielen dicke Tropfen, die einerseits angenehme Kühlung brachten, andererseits die Freude auf das Weinfest trübten. Da die Freunde noch nicht mit der Fähre aus Mehlem eingetroffen waren, stellten wir uns zunächst mit zahlreichen anderen mehr oder weniger nassen Menschen in den Unterstand der Stadtbahn.

Bei Ankunft der Freunde war der erste Schauer durch, doch kündigte sich aus Süden bereits der nächste mit Gewölk und Grollen an. Dessen unbeeindruckt fuhren wir mit der Stadtbahn nach Rhöndorf und gingen zum Weinfest oben in den Weinbergen. Ich zog die vorausschauend eingepackte Regenjacke an, derweil mein Unbehagen gegen die Naturgewalten wuchs; bei Gewitter ist es nicht das Vernünftigste, sich in einen Weinberg zu begeben, wo allenfalls Pavillonzelte etwas Wetterschutz bieten. Auch das erste Glas Riesling brachte mir nur wenig Gelassenheit über die selbstgefasste Einrede, dass man sich schließlich von Geburt an in ständiger Lebensgefahr befindet. Erst gegen achtzehn Uhr und einige Gläser später waren die Schauer durch und die Sonne beschien die Umgebung. Von da an wurde es sehr gemütlich und der Abend endete ohne weitere Zwischenfälle. Einen Vorteil hatte es: Die Hitze war vorerst gebannt, was bei Weingenuss von Vorteil ist.

Rheintal im Sonnenschein, später

Sonntag: Der Tag begann deutlich kühler und bewölkter als der gestrige, das war nicht schlimm, immer noch angenehmes Kurze-Hosen-Wetter. Der Spaziergang führte durch die Nordstadt und an den Rhein mit Einkehr auf ein Helles im neu möblierten Lieblingsbiergarten. Man kann ja nicht immer nur Wein trinken.

Lieblingsbiergarten mit neuer Möblierung

Was war noch – ach ja, richtig: eine der tausend Fragen. Heute die

110.

Frage Nr. 110 lautet: „Bist du manchmal von anderen enttäuscht?“ Ja, selbstverständlich, wer wäre es nicht, wenn andere sich nicht an Vereinbarungen halten oder Zusagen nicht einhalten, den Geburtstag vergessen oder sich nicht mehr melden. Häufig kommt das allerdings nicht vor, da meine Erwartungen an die Menschheit im Allgemeinen nicht sehr hoch sind. Das letzte Mal enttäuscht war ich nicht von einer Person, sondern einem Unternehmen, konkret dem Veranstalter unserer letzten Schiffsreise im Mai, weil wie berichtet die Verpflegung an Bord deutlich schlechter war als auf unseren vorherigen Reisen mit demselben Veranstalter.

Enttäuscht bin ich auch vom Bonner General-Anzeiger, unserer Tageszeitung. Gestern wurde fast eine zweidrittel Seite lang berichtet über einen kaputten Klodeckel, was die betroffene Mieterin dazu bei Facebook postete und was andere darauf antworteten. Schon vor längerer Zeit habe ich das Abonnement gekündigt mit der Absicht, es nach Ablauf zu günstigeren Konditionen neu abzuschließen. Mittlerweile überlege ich, ob ich das wirklich tun soll.

***

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, ich hoffe, Sie mit diesem Rückblick nicht enttäuscht zu haben. Kommen Sie gut durch die Woche.

Redaktionsschluss: 18:30

Woche 11: Marzipan und Maibock

Montag: Es gibts nichts zu meckern. Die Bahn am Morgen war absolut pünktlich, und der Kollege, der dort in meinem Sichtfeld saß (und ich folglich in seinem), was ich erst bemerkte, nachdem ich saß, verzichtete freundlicherweise darauf, das Gespräch zu suchen. Vielleicht sah er mich einfach nicht, oder ihm sind kollegiale Gespräche vor neun Uhr und dem ersten Kaffee genauso zuwider wie mir.

In der Kantine gibt es wieder Dessert, was mich der Versöhnung mit der Welt ein gutes Stück näher bringt. Vermutlich gab es das vergangene Woche auch schon, nur sah ich es nicht, weil es nicht wie in Vor-Virus-Zeiten frei zugänglich einem Buffet zu entnehmen ist, sondern man an einem Ausgabeschalter danach fragen muss und dann das Gewählte von den freundlichen Mitarbeitern gereicht bekommt. Ist mir auch recht.

Abends erhielt ich bei eBay den Zuschlag für einen Modell-Güterwagen desselben Typs, der kürzlich samstags Totalschaden erlitt. Das ist einerseits erfreulich, andererseits nicht, da ich erst gestern, als das Angebot bei eBay längst abgegeben war, eher zufällig einen gleichen Wagen auf der Modellbahnbörse in Bad Godesberg zu einem wesentlich günstigeren Preis erstand. Was solls – nun habe ich halt zwei davon. Wer weiß, wann die nächste Katastrophe über den Bahnhof Barlingerode Ost hinweg zieht.

KW11 - 1

Wo wir gerade Bahnhof verstehen: Der Gesundheitsminister empfiehlt den Verzicht auf unnötige Reisen und größere Veranstaltungen. Recht hat er, ich reise ohnehin ungern und größere Menschenmengen bereiten mir seit jeher Unbehagen. Ein Verzicht auf unnötiges Reden könnte auch helfen.Vielleicht nicht gegen das Virus, aber gegen vieles anderes.

Dienstag: Aus der PSYCHOLOGIE HEUTE: „Greta Thunberg bringt es auf den Punkt: 2050 habe ich die Hälfte meines Lebens hinter mir, und dann bin ich nach aller wissenschaftlicher Erkenntnis in Lebensgefahr auf diesem Globus.“ Da holen wir mal schnell den Taschenrechner hervor und stellen fest: 2050 ist Frau Thunberg siebenundvierzig. In dem Alter werden die meisten Menschen die zweite Lebenshälfte ohnehin betreten haben – früher, heute wie in dreißig Jahren. Und in Lebensgefahr befinden wir uns ohnehin ständig, spätestens seit dem Moment unserer Zeugung.

Ein neues Wort gelernt: „holistisch“, Bedeutung: ganzheitlich. Benötige ich beides nicht, daher stelle ich es gleich wieder dem Vergessen anheim, um Platz zu halten für so schöne Wörter wie „Belehrmuskel“, gelesen bei Frau Brüllen.

Mittwoch: Einem mir nicht näher bekanntem Rapper wird laut Zeitungsbericht „Beleidigung auf sexueller Grundlage“ vorgeworfen. Auch eine sehr schöne Formulierung.

Zum ersten Mal seit bestimmt zwanzig Jahren sah ich ein Briefing-Dokument an den Bereichsvorstand, das nicht in Powerpoint sondern in Word verfasst war, mit Fließtext ohne überflüssige Bildchen und sonstigen Formatierungszierrat. Daraus auf einen Kulturwandel zu schließen erscheint mir verfrüht, dennoch ein winziges Knösplein der Hoffnung auf eine bessere Arbeitswelt.

Donnerstag: Italien hat nun wegen des Virus landesweit das öffentliche Leben weitgehend eingeschränkt. Auch hier bei uns kommen die Einschläge der persönlichen Betroffenheit näher: Dienstreisen fallen aus, der Liebste muss bis auf Weiteres zu Hause arbeiten, und unser Chor sagt das für Mai geplante Konzert ab.

Überhaupt sind fast alle dienstlichen und privaten Termine in meinem Kalender jetzt mit einem Fragezeichen versehen, was nicht in allen Fällen zu beklagen ist.

Freitag: Heute wurden zwei weitere berufliche Termine abgesagt. Ein privater Wochenendtermin hingegen nicht. Man kann nicht alles haben.

Samstag: Entgegen aller Empfehlungen und vielleicht auch Vernunft fuhren wir ins ostwestfälische Bünde, wo der Schwager seinen 60. Geburtstag feierte. Dies war vermutlich die vorerst letzte größere Reise und Menschenansammlung, an der ich teilnahm.

Während der Fahrt überholten wir einen Mehllaster, der vermutlich zurzeit gut ausgelastet ist. Vielleicht muss der demnächst unter Polizeischutz fahren, wenn die Lage bedrohlicher und die Menschen noch bekloppter werden.

Im Radio sagte ein Sportreporter (dessen Zunft zurzeit deutlich weniger ausgelastet ist als Mehllaster) dieses: „Es macht keinen Sinn, den Spielbetrieb im Profifußball aufrechtzuerhalten.“ Ein Satz, den ich auch außerhalb von Krisenzeiten unterschreiben würde, wobei ich über den Gebrauch des Wortes „macht“ in diesem Fall hinwegzusehen bereit wäre. Besondere Situationen erfordern in solchen Dingen eine gewisse Großzügigkeit.

Der französische Philosoph Blaise Pascal wird in der Zeitung zitiert: „…dass alles Unglück der Menschen von einem Einzigen herkommt: dass sie es nämlich nicht verstehen, in Ruhe in einem Zimmer zu bleiben.“ Das würde ich auch jederzeit unterschreiben.

Da zwischen unserer Ankunft in Bünde und dem Beginn der Feier noch Zeit war, suchten wir einen großen örtlichen Supermarkt auf, um unsere Vorräte unter anderem an Spannbetttüchern, Marzipan und Maibock zu ergänzen. Wie zu erwarten war Toilettenpapier komplett ausverkauft (als ob dazu keine Alternativen gäbe), Nudeln und einige Konserven waren stark dezimiert.

KW12 - 1 (1)

Andere Artikel des täglichen Bedarfes waren in ausreichender Menge vorrätig:

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Sie können sich sicher vorstellen, welches Gesprächsthema auf der Geburtstagsfeier besonders präsent war. Einmal tanzte ich sogar, bezeichnenderweise zu „Hells Bells“.

Sonntag: Nach Rückkehr machte ich einen langen Spaziergang an den Rhein, wie viele andere auch bei dem sonnigen Wetter. Wer weiß, wie lange das noch in dieser Selbstverständlichkeit möglich ist, siehe Italien und Spanien, wo inzwischen weitreichende Ausgangssperren verhängt worden sind. Die derzeitige Situation erinnert mich ein wenig an 1986, nachdem klar geworden war, dass die radioaktive Wolke aus Tschernobyl auch uns erreichen würde. Wir waren verunsichert über eine drohende Gefahr, die man nicht sehen, hören oder riechen kann und die daher in ihrer Auswirkung reichlich diffus blieb. Bei jedem Regenschauer sahen wir schnell zu, unter ein Dach zu kommen, und wir mieden lange Zeit den Verzehr von Waldpilzen, Wild und Gemüse aus dem eigenen Garten. Die Älteren unter Ihnen erinnern sich sicher.

Hoffen wir, dass dieser Spuk ein baldiges und gutes Ende finden wird. Bis dahin und darüber hinaus wünsche ich Ihnen alles Gute!