Woche 7: Ein E-Boy ist kein elektrisches Gerät zur kurzfristigen Linderung spezieller Unterleibsbedürfnisse

Montag: Aus der aktuellen Ausgabe der PSYCHOLOGIE HEUTE:

„Den ganzen lieben Tag lang bestimmt die Macht des Negativen unsere Stimmung, hat bei unseren Entscheidungen das letzte Wort. Sie ist die treibende Kraft hinter den Nachrichten und prägt den öffentlichen Diskurs; Journalisten bedienen sich ihrer, Politiker, Marketingleute, Blogger, Social-Media-Nattern, Internettrolle und weiß der Kuckuck wem sonst noch an unserer Aufmerksamkeit und unseren Bildschirmen liegt.“

Ich bedanke mich ausdrücklich für den Begriff „Social-Media-Nattern“ und erkläre ihn hiermit für mein persönliches Wort des Tages, ach was: der Woche.

Schon seit einiger Zeit, ich berichtete bereits, glaube ich einen Trend bei jungen Männern zu beobachten, sich auch im Winterhalbjahr außerhalb sportlicher Betätigung in kurzen Hosen zu zeigen, also draußen, bei Wind und Wetter. Allein heute begegneten mir im Laufe des Tages gleich drei Exemplare. Sie werden ihre Gründe haben. Vielleicht ist das ja nur die logische Fortsetzung der seit längerem unabhängig von Geschlecht und Temperatur sich ausbreitenden Knöchelfrei-Mode. Oder der mit zunehmender Beliebtheit getragenen Hosen mit möglichst weit aufgerissenen Knien, wohingegen ich schon weitaus geringer beschädigte Textilien dem Hausmüll zuführe. Aber warum nicht, wenn man die entsprechenden Beine vorzuweisen hat.

In Deutschland gibt es übrigens 124 Fünfsterne-Hotels, wie ich auf dem Werbebildschirm in der U-Bahn-Haltestelle las. Somit wissen Sie das nun auch. Vielleicht sitzen Sie ja mal bei Günther Jauch und er fragt Sie genau das, und schon können Sie die Million einsacken.

Dienstag: Während schlafloser Momente in der vergangenen Nacht habe ich noch ein wenig darüber nachgedacht: Vielleicht ist das mit den kurzen Hosen ja auch eine Weiterentwicklung der E-Boy-Bewegung, über die ich am Wochenende las. Zur Erklärung: Ein E-Boy ist kein elektrisches Gerät zur kurzfristigen Linderung spezieller Unterleibsbedürfnisse, sondern, soweit ich das verstanden habe, ein sehr junger Mann, der mit einem besonders guten Aussehen (und ansonsten zumeist keinen weiteren besonderen Vorzügen und Fähigkeiten) ausgestattet ist und damit im Internet herumposiert.

Oder das ist so eine in Social-Media-Nattern-Kreisen sich ausbreitende Challenge wie vor einiger Zeit diese Eiskübelnummer, kann ja sein: Wer sich bei unter zehn Grad den kalten Wind durch das Beinhaar wehen lässt, setzt ein Zeichen gegen Paradont- oder Leberzirrhose oder sowas.

Oder das ist ein neuartiges Männlichkeitsdings. Vielleicht etabliert sich, neben bereits bestehenden dümmlichen Begriffen wie „Warmduscher“ oder „Schattenparker“ für nicht ganz so Harte, demnächst der „Hosenträger“.

Mittwoch: Einige weitere Vorschläge, falls nicht bereits in einschlägigen Verzeichnissen zu finden: Cola-Light-Besteller, Papiertaschentuchschnäuzer, Armbeugenhuster, BinnenI-Schreiber und Achselrasierer.

Donnerstag: Erstmalig las ich den Titel „Hallenfeldwebel“. Ohne dem Mann nahetreten zu wollen, zumal ich ihn nicht kenne: Das klingt ein wenig wie Taschenbillard.

„Ich habe keinen Zweifel daran, dass Künstliche Intelligenz reguliert werden muss. Firmen wie unsere können nicht einfach vielversprechende Technologien entwickeln und die Entscheidung, wie sie eingesetzt werden, dem Markt überlassen“, schreibt Sundar Pichai, Chef des Google-Mutterkonzerns Alphabet in einem Zeitungsartikel. Schon klar – Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen.

Freitag: Was ist im Zeitalter von Outlook so schwer daran, bevor man jemandem eine Besprechungsanfrage schickt, einen kurzen Blick in seinen Kalender zu werfen, ob er dann überhaupt Zeit hat?

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die „Allen-antworten“-Funktion in Mailprogrammen verboten gehört. Es wäre wirklich viel gewonnen, wenn sich Menschen vor Absenden einer Mail kurz Gedanken machen würden, wen sie in „Cc“ nehmen wollen und warum.

Samstag: Nachmittags nahm unser Musikcorps am Zoch in Graurheindorf teil.

KW7 - 1

KW7 - 1 (1)

Während eines Liedes, bei dem ich mangels Trompetenerfordernis lediglich eine dekorative Funktion erfüllte, löste sich mein selbstgebastelter Halteriemen, woraufhin die Trompete heftig Kontakt aufnahm mit dem Asphalt der Estermannstraße, was dem Trichter eine charakteristische neue Form verlieh. Auf die Qualität meines Spielens hatten die Dellen keinen erkennbar negativen Einfluss, die war heute vorher schon einigermaßen miserabel.

Größerer Sachschaden entstand auch in Barlingerode Ost, dem betrieblichen Mittelpunkt meiner Modelleisenbahn. Nachdem sich das Sturmtief „Sabine“ Anfang der Woche in vielen Regionen, gemessen an den Ankündigungen, eher als laues Lüftchen erwiesen hatte, was anscheinend bei vielen Menschen eine irritierende Enttäuschung hervorrief, zog heute beim Lüften eine Böe über den Bahnhof hinweg und erfasste einen dort ungebremst abgestellten Güterwagen, der daraufhin in den Abgrund stürzte und Totalschaden erlitt. Wie eine Recherche bei E-Boy – Verzeihung: eBay ergab, ist auf die Schnelle leider kein gleichartiges Modell zu erwerben. (Falls Sie jemanden kennen, der sich von einem Exemplar des Roco-Modells 66065 trennen möchte, lassen Sie es mich bitte wissen. Vielen Dank.)

Am späteren Abend, nach gutem Essen und Trinken, stellte der Geliebte eine gar zauberhafte Verbindung her zwischen Augen- und Gaumenschmaus: „Ich mag ja gefüllte Tulpen. Am liebsten mit Nougat.“

Ansonsten lernte ich mit „Leibesfruchtpfleger“ eine neues Wort, für das ich allerdings in absehbarer Zeit persönlich nur wenig Verwendung sehe.

Sonntag: Welchen Schaden einmal die Leibesfrucht eines jungen Elternpaares nimmt, das mir heute auf dem Weg zum Brötchenkauf begegnete, ist nicht absehbar. Mama schob den Kinderwagen, der mutmaßliche Vater trottete displaystarrend hinterher, und auch das maximal dreijährige Kind im Wagen war bereits mit einem Datengerät beschäftigt. Früh übt sich, was ein Digitalsklave und eine Social-Media-Natter werden will.

Ansonsten findet sich das Wort „Dreißig“ in meinen Notizen dieser Woche, dem offenbar eine gewisse Bedeutung zukam, die mir leider entfallen ist. Früher, als es noch nicht als ekelig und abstoßend galt, Stofftaschentücher zu benutzen (was mich nicht davon abhält, es dennoch weiterhin mit großer Überzeugung zu tun), war es üblich, darin einen Knoten zu machen, wenn man irgendetwas nicht vergessen wollte; beim nächsten Schnäuzen zog man es aus der Tasche und wusste: „Richtig, ich muss ja noch gefüllte Tulpen kaufen und die Sexpuppe aus der Reinigung holen.“ Einmal erblickte ich den Knoten und wusste nicht mehr, an was er mich erinnern sollte. So ähnlich geht es mir jetzt auch. Was wollte ich über „Dreißig“ schreiben? Sollte es mir wieder einfallen, reiche ich es selbstverständlich nach.

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