Woche 41/2025: In der Hitze der Geschäftigkeiten

Montag: Vergangenen Freitag notierte ich über die Zugfahrt von Heide nach Köln: „Durch den Wagen ging ein kleiner Junge und sagte „Blablablablabla …“. Wenn er mal groß ist und vielleicht in einem großen Unternehmen arbeitet, wird er andere Worte gebrauchen, um sinngemäß das gleiche zu sagen.“ Zum Beispiel Erwartungsmanagement, heute wieder in einer Besprechung gehört; wem der Satz „Ich möchte nicht zu viel versprechen“ zu profan klingt, der sagt stattdessen „Ich muss da etwas Erwartungsmanagement betreiben“. Was so gesagt wird, um möglichst klug zu klingen und die Arbeitszeit herum zu bekommen. Oder wie William Shakespeare es ausgedrückt haben soll: „Das leere Gefäß macht den größten Lärm.“ Wie so oft erscheint auch hier größere Ernstnahme unangebracht.

Weiterhin schrieb ich über den Freitagabend: „Dithmarscher Dunkel gibt es hier leider nicht.“ Das muss ich korrigieren, gibt es doch: Der Liebste fand es in einer Godesberger Getränkehandlung und erstand zu meiner großen Freude einige Flaschen.

Da ich Sie im Übrigen nicht mit montäglicher Larmoyanz langweilen möchte, sei auf weitere Ausführungen über diesen in mehrfacher Hinsicht trüben, ansonsten von größerem Unbill freien Tag verzichtet.

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Dienstag: Der Radiowecker weckte mich mit „Yellow River“. Während ich noch lag, fragte ich mich, vielleicht inspiriert durch leichten Blasendruck, wie dieses Lied einst entstanden sein mag.

Weil Dienstag ist und Gehen glücklich macht, ging ich zu Fuß ins Werk und zurück. Dort, am Schreibtisch sitzend, schwärmte ich mich, die Draußentrübnis betrachtend, zurück in die vergangene Woche, als ich um diese Zeit auf dem Schiff nach Helgoland saß. Immerhin, die innere Trübnis lichtet sich langsam. Es nützt ja auch nichts, man kann nicht nur zufrieden sein, wenn man frei hat. Dann aber schon besonders.

Mittwoch: Das Wetter fühlte sich nicht an die Vorhersage der Wetter-App gebunden, so radelte ich morgens bei Niesel in Richtung Werktätigkeit. Bei Ankunft am Turm waren die Brille benetzt, die Hosenbeine nur leicht feucht, in der Hitze der Geschäftigkeiten trockneten sie bald.

Im Kühlschrank in der Kaffeeküche steht eine unverdeckelte Schüssel, randvoll mit gekochtem Reis. Sie stand dort schon vor meinem Urlaub, an den Rändern wird der Inhalt langsam bräunlich, verströmt aber noch keinen wahrnehmbaren Geruch. Vielleicht ein Langzeitexperiment, entweder biologischer Natur (Wie lange dauert es, bis ein Kilo Reis bei sechs Grad vollständig vergammelt ist?) oder sozialer (Wie lange dauert es, bis das jemand wegwirft?) Ich werde es weiterhin mit Interesse verfolgen.

„Ich habe das mal angehängt“ schreibt einer in der Mail. Ich freue mich jedes Mal, wenn die transitive Form des Verbs „hängen“ korrekt verwendet wird; viel zu häufig liest man stattdessen „angehangen“.

Donnerstag: Manchmal geht es schnell. Zum einen ist Donnerstag, die Arbeitswoche neigt sich schon wieder dem Ende entgegen, zum anderen ist die erst gestern beschriebene Reisschüssel seit heute Mittag aus dem Kühlschrank verschwunden. Ob sie jemand entfernt hat oder sie den Kühlschrank schon eigenständig verlassen konnte, war nicht mehr nachvollziehbar.

Unterdessen ist die Entscheidung des EU-Parlaments, wonach wegen angeblicher Verwechselungsgefahr nur noch tierische Produkte Bezeichnungen wie Schnitzel, Wurst, Steak, Burger und so weiter tragen sollen, Quell allgemeiner Erheiterung, teilweise auch Empörung; kaum ein Kommentar ohne das Wort Scheuermilch und die berechtigte Frage, ob wir nicht andere Probleme haben. Da dazu alles Wesentliche gesagt und geschrieben ist, unter anderem hier und da, enthalte ich mich weiterer Äußerung über diesen Unfug.

Morgens

Freitag: Was schön war: den freien Tag für kommende Woche gebucht und mit dem Liebsten die Urlaubsplanung für das nächste Jahr abgesprochen. Und ein nicht sehr spätes Arbeitsende. Ich glaube, meine Arbeitslust braucht dringend eine Kur. Oder mein Meindsett. Übrigens plane ich auch für das kommende Jahr wieder eine Woche Alleinurlaub wie vergangene Woche. Auf ein Reiseziel bin ich noch nicht festgelegt, Bedingungen sind: Es muss von Bonn aus innerhalb eines Tages gut mit der Bahn zu erreichen sein und es muss Wandermöglichkeiten geben. Vorschläge nehme ich gerne entgegen.

Samstag: Über eine meine liebsten Beschäftigungen, durch die Gegend zu gehen und zu schauen, las ich morgens vor dem Aufstehen in der Zeitung: Man geht nicht einfach durch die Stadt, sondern man betreibt Urban Hiking. Von mir aus, wer es mag. Das bringt mich zur nächsten Frage:

Nr. 187 lautet: „Wie siehst du die Zukunft?“ Ich glaube, dazu äußerte ich mich schon: Ich bin sehr froh, nur noch maximal dreißig Jahre im Lichte dieser Welt zu wandeln und keine Nachkommen zu haben, über deren künftiges Schicksal ich mich sorgen müsste. Verzeihen Sie meinen Fatalismus.

Innere Nordstadt
Örben-Heiking am Rhein
Welcher urbane Trend dahinter steckt, Pfähle von Verkehrsschildern mit Schleifen zu verzieren, entzieht sich meiner Kenntnis

Sonntag: Die kürzlich beworbene BonnTastik-VI-Lesung der Bonner Gruppe vom Bundesverband junger Autoren (BVjA) war gut besucht und es war mir eine Freude, daran teilzunehmen.

Foto: Stephanie Müller

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, kommen Sie gut durch die Woche.

19:45

Woche 19: Notizen unter Weineinfluss, Abgründe und nackt kochende Männer

Montag: Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer hat sich mal wieder mit irgendwas unbeliebt gemacht; was genau, erfährt der Zeitungsleser nicht. Dafür dieses: „Mit dem Begriff N-Wort wird eine früher in Deutschland gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben.“ Schön, dass das endlich mal klargestellt ist. Darauf ein N-Wortkussbrötchen. (Ich gestehe, das N-Wort im intimsten Kreise, wo es niemanden stört oder verletzt, gelegentlich noch auszusprechen, ohne jede böse Absicht.)

Ein weiteres N-Wort, indes gänzlich unbedenklich, ist Namenstag. Den haben heute laut Zeitung: Epimach, Gordian, Isidor, Job; als Namen eher ungebräuchlich, daher nur selten auf Auto-Heckscheiben zu lesen.

Dienstag: Der erste Piks. Durch das kleine Pflaster auf dem Oberarm fühlt man sich fast ein wenig systemrelevant. Unterdessen freuen sich viele darauf, was sie bald vielleicht wieder dürfen. Ich sehe darüber hinaus mit etwas Unbehagen, was wir womöglich demnächst wieder müssen.

Zum Beispiel dieses: „Wir müssen ja auch Erwartungsmanagement betreiben“, gehört in einer Besprechung.

Mittwoch: „Ich bin der Jan-Malte“, sagte morgens der Mann im Radio. Für seinen Namen kann er nichts, für den bestimmten Artikel schon.

Mittags nach dem Essen begegnete mir im Rheinauenpark eine Läuferin, begleitet von einer männlichen Stimme aus einem Lautsprecher. Ob es sich dabei um einen Wortbeitrag im Radio oder eine Telefonkonferenz handelte, war auf die Schnelle nicht auszumachen. – Nachmittags auf dem Heimweg vom Werk sah ich einen, der freihändig radelnd ein Tablet in den Händen hielt, worüber er mit Trottel-Koronalisierung telefonierte. Demnächst fahren sie dann vielleicht mit aufgeklapptem Laptop auf Elektrorollern. Was geht in diesen Menschen nur vor? Oder wie es in einer Fernsehreklame heißt: Bin ich der einzige, der das nicht normal findet?

Ansonsten liebe ich – neben dem Herbst – diese Jahreszeit sehr, deswegen:

Die gestern injizierte Systemrelevanz fühlte sich heute an wie ein leichter Muskelkater. Keine Larmoyanz, reine Feststellung. Außerdem ist heute wegen Feier- und Brückentag gleichsam schon Freitag, wer wollte da jammern.

Der Geliebte bevorzugt neuerdings schwarze Einmalhandschuhe. „Daran sieht man das Blut nicht so“, sagt er. Ich gehe nicht von einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben aus.

Donnerstag: „Verarschen kann ich mich selbst!“ – „Los, mach mal.“ Und wie war Ihr Himmelfahrt so? (Es ist Liebe, glauben Sie mir; vielleicht eine Form, die sich Außenstehenden nicht unmittelbar erschließt.)

Freitag: Brückentag. Welch wunderbares Wort, in einer Reihe mit so schönen deutschen Wörtern wie Wanderlust, Weltschmerz, Kindergarten, Habseligkeiten, Doppelhaushälfte und Auslegeware. Zumal eine Brücke dem Zweck dient, Täler und Abgründe zu überwinden, womit der Charakter der Werktätigkeit einigermaßen treffend erfasst ist.

Samstag: „Rund fünf Prozent der deutschen Männer bevorzugen es, ohne Kleidung zu kochen“, schreibt die PSYCHOLOGIE HEUTE über die Freude am Nacktsein. In Gedanken gehe ich nun alle mir bekannten kochenden Männer durch und hoffe bei den meisten, sie gehören zu den anderen fünfundneunzig Prozent.

Bleiben wir in der Küche: Nach Bleikristall, Kaffeemaschinen und -tassen hat der Geliebte jetzt Gefallen gefunden an einer bestimmten Geschirrsorte; der Paketbote brachte heute gleich drei Pakete davon, wofür nun Platz geschaffen werden muss. Demnächst trage ich also wieder ausgemusterten Hausrat in das Häuschen zwei Straßen weiter. Was tut man nicht alles, wenn man liebt. Und einer muss den Konsum ja am Leben halten.

Laut Zeitung hat Isidor heute schon wieder Namenstag. Vielleicht für diejenigen, die es Montag für einen Scherz hielten.

Sonntag: Meine Bettlektüre der vergangenen Woche war „Vervirte Zeiten“ von Ralf König, wo der Corona-Alltag des Kölner Paares Konrad und Paul mit seinen Entbehrungen geschildert wird. Wer (wie ich) die Comics von Ralf König mag, wird auch dieses Buch mögen. Auch wenn sie in den letzten Jahren sehr harmlos, geradezu jugendfrei geworden sind; schon lange sieht man dort nicht mehr das Körperteil, das womöglich in nicht allzu ferner Zukunft als das „P-Wort“ umschrieben wird.

Gestern Abend haben wir uns übrigens die Serie „All you need“ angeschaut, die es in der ARD-Mediathek zum Strömen gibt. Obwohl ich nicht gerade der begeisterte Serienkucker bin, hat es mir gut gefallen. Es geht um das Liebesleben von vier jungen Männern und einer Frau in Berlin, wobei auch dem Auge was geboten wird. (Allerdings ebenfalls kein <P-Wort>, das ist im deutschen Fernsehen auch 2021 noch undenkbar.)

„Kann es eigentlich sein, dass Deutsche weniger gut Deutsch können als Engländer Englisch und Franzosen Französisch?“, fragt Claudius Seidl in der FAS zum Thema Sprachverschmutzung. Ja, kann gut sein.

Die Geschirrlieferung von gestern beinhaltete auch eine Kuchenplatte mit aufwändiger Glaskuppel. Diese nahmen wir heute in Betrieb mit Geburtstagskuchen aus der Nachbarschaft.

Eine deutsche Eigenart ist ja, Kuchen und Torten ab einem gewissen Sättigungsvermögen als „mächtig“ zu bezeichnen, warum auch immer. Nie hörte ich dieses Wort im Zusammenhang mit Rinderkotelette oder Grünkohl, die ebenfalls ganz schön satt machen können, dafür bei Kohleflözen, von deren Verzehr eher abzuraten ist. Das hier abgebildete Exemplar war jedenfalls äußerst mächtig. Liebe M, er war köstlich! Lieber J, alles Gute dir!

Ansonsten in dieser Woche notiert: 1) „Hildegard Knef und die Kesselflicker“ (vermutlich als Bandname) und 2) „Asphalt in Aspik“. Die Hintergründe dieser Notizen sind, da sie unter Weineinfluss erfolgten, nicht mehr nachvollziehbar.

Woche 39: Es hört nie auf

Montag: „Bitte denken Sie an Ihre Verantwortung für die natürlichen Ressourcen, bevor Sie diese E-Mail ausdrucken“, lese ich unter einer Nachricht. Lieber Versender, bitte denken Sie an meine persönlichen Ressourcen, bevor Sie mir eine Mail schicken.

Proaktiv mache ich jetzt erstmal keinen Aufschlag„, steht in einer anderen Mail. Das geht schon sehr an die Ressourcen.

Auch lesenswert: „Eine hohe Präsenz der Sicherheitskräfte [sorgte] dafür, dass sich der Freitag nicht am Samstag wiederholte.“ (Stand so im General-Anzeiger)

Am frühen Abend kletterte auf dem Spielplatz gegenüber mit sichtlichem Vergnügen ein Kind in den Wipfeln des Gesträuches. Ein bemerkenswerter Vorgang aus zwei Gründen: Zum einen halten sich auf diesem Spielplatz nur selten Kinder auf, stattdessen zweifelhafte Gestalten zum Zwecke des Konsums diverser Genussmittel. Zum anderen sieht man in Zeiten, da Kinder ob überall dreuender Gefahren ohne elterliche Begleitung kaum noch einen Fuß vor die Tür setzen dürfen, selten welche bei gefahrgeneigtem Spiel.

Hier kam noch hinzu, dass die augenscheinlich Erziehungsberechtigte das Spiel nicht unterband oder gar die Feuerwehr rief, sondern gelassen abwartete, bis der Nachwuchs zu Ende gespielt hatte und unversehrt herab kletterte.

Dienstag: „Ich glaube, wenn man Physik erstmal verstanden hat, wird es ziemlich einfach sein“, höre ich in der Bahn einen Schüler sagen. Ein kluges Kind. Eines Tages wird es erkennen: Das gilt nicht nur für Physik, sondern für so ziemlich alles im Leben.

Mittwoch: Aus einer Mail: „In a nutshell geht es darum…“ – Zusammengefasst: Ihr geht mir auf die Nüsse.

Gespräch in der Bahn mitgehört: „Ich hätte heute Morgen zwei Stunden länger schlafen können.“ – „Was hast du stattdessen gemacht?“ – „Am Handy Sachen gelesen.“ Kein Zweifel: Wir leben in einer Digitatur. Jedenfalls einige von uns.

Donnerstag: In der Frühe entzückte ein Regenbogen über der Inneren Nordstadt das morgenmüde Auge.

KW39 - 1

Anderer Leute Renovierungesarbeiten und innerhäuslichen Baustellen begegne ich üblicherweise mit Desinteresse, unaufgefordert gezeigte Bilder von aufgerissenen Küchen und Bädern nehme ich maximal halbäugig zur Kenntnis. Da ich annehme, dass es Ihnen da nicht anders geht, verschone ich Sie vor detaillierten Schilderungen des Ausnahmezustandes, mit dem wir uns nach einem vorangegangenen Wasserschaden in den nächsten Wochen ohne Bad arrangieren müssen. Auch bemühe ich mich, meine diesbezügliche Larmoyanz auf das Nötigste zu beschränken. Vielleicht erzählte ich es schon, falls ja, wiederhole ich es aus gegebenem Anlass: Meine Großeltern mütterlicherseits lebten bis in die Siebzigerjahre in einem alten Bahnwärterhaus ohne Bad. Zur Körperreinigung wurde einmal wöchentlich in der Waschküche Wasser in einem großen Kessel über Holzfeuer erwärmt und anschließend in eine lange Zinkwanne geschöpft. Das Wasserklosett im Haus wurde erst in den Fünfzigerjahren installiert. Statt behaglicher Brille musste man zum Müssen bis dahin über den Hof in einen unbeheizten Schuppen, wo man sich zur Entleerung auf das runde Loch eines Holzkastens („Donnerbalken“) setzte, unter dem sich eine dunkle, Gerüche gebärende Grube befand. Auch nachts, bei Regen und im Winter. Auch in meiner weit zurückliegenden Kindheit war das tägliche Brausebad keinesfalls üblich. Stattdessen war samstags Badetag, an dem die ganze vierköpfige Familie mit einer Wannenfüllung auskam. Wenn ich an der Reihe war, schwammen kleine weiße Flöckchen an der Wasseroberfläche, denken wir nicht weiter darüber nach.

Wannenspa

Insofern: Alles Bestens hier.

Freitag: „Wichtig ist, dass wir das bridgen können.“ Es hört nie auf.

Anlässlich von Bauarbeiten werden manchmal interessante Dinge gefunden: historische Münzen, antike Scherben, Fossilen bislang unbekannter Urfische, verloren geglaubte Eheringe, solche Sachen halt. In Bad Oeynhausen wurde nun laut Zeitungsbericht unter der Terrasse einer Bäckerei eine männliche Leiche entdeckt. „Nach der Obduktion bleibt offen, ob es sich um ein Tötungsdelikt handelt“, so die Zeitung. Man benötigt schon sehr viel Phantasie, um auf eine alternative Todesursache zu kommen. Hiermit lade ich zu einer Blogparade ein: Schreiben Sie auf, wie der Mann ohne Fremdeinwirkung zu Tode gekommen und unter die Terrasse geraten ist.

Samstag: Das Wochenende verbrachte ich in Gütersloh. Statt vieler Worte:

Ist sie nicht wunderschön?

Sonntag: Zur gefälligen Kenntnisnahme.

Geheimnisvolle Zeichen in Bad Godesberg

Eine bemerkenswerte Diskussion geht in diesen Tagen durch Bonn, genauer: Bad Godesberg. Nun scheint den Bad Godesberger eine gegenüber den Bewohnern anderer Stadtteile erhöhte Larmoyanz auszuzeichnen, jedenfalls gewinnt man diesen Eindruck beim Lesen des Lokalteils in der Zeitung: Ungepflegte Blumenkübel, nicht gemähte Rasenflächen oder versiegte Springbrunnen sind die Themen, welche geeignet sind, den Godesberger – Verzeihung: BAD Godesberger, so viel Zeit muss sein – in den Zustand unfroher Gemütslage zu versetzen; Probleme also, die in Bonn-Tannenbusch oder -Auerberg nur geringes Erregungpotential entfalten und allenfalls mit einem gelangweilten „Heul doch“ quittiert würden. Oder in Gelsenkirchen oder Hanau. Vielleicht sind die Bad Godesberger auch immer noch sauer über ihre Eingemeindung nach Bonn im Jahre 1969.

Gleichwohl stimmt der mediale Eindruck überhaupt nicht überein mit meinen persönlichen Erfahrungen aus Begegnungen mit echten Menschen aus Bad Godesberg einschließlich Friesdorf: Die sind sehr nett, meckern und jammern nicht mehr als andere auch. Manches ist ja auch zum Beklagen, zum Beispiel das optische Erscheinungsbild der Godesberger Innenstadt nach der Sanierung, oder besser: Planierung in den Sechzigerjahren.

Was zurzeit den Bürger von Bad Godesberg bedrückt, sind arabische Schriftzeichen auf Werbeschildern und Ladenbeschriftungen. Der Bürger Bund Bonn sieht Handlungsbedarf und verlangt eine Satzungsänderung, wonach Waren und der Geschäftszweck eines Ladens stets vorrangig in deutscher Schrift anzubringen sind. Ich sehe ebenfalls Handlungsbedarf, und zwar dringenden, nämlich zur Rettung des Bindestrichs, nicht nur beim Bürger Bund.

Auch ist das Thema Quelle der Inspiration für das Verfassen von Leserbriefen im General-Anzeiger (immerhin mit Bindestrich). Frau Kerstin K. fühlt sich als Deutsche ausgegrenzt angesichts der arabischen Schriften. „Oftmals werden die Schaufenster darüber hinaus auch noch mit Stoffen und Gardinen blickdicht gemacht, so dass man keine Rückschlüsse auf das Angebot im Ladenlokal ziehen kann.“ Empörend.

Ich befürworte das Begehren des Bürger Bund, jedoch unter zwei Bedingungen. Erstens: Neben den arabischen Schriftzeichen verschwinden auch die Begriffe „Sale“ und „Coffee to go“ für alle Zeiten von Schildern und aus deutschen Schaufenstern. Zweitens: Der Bürger Bund legt sich endlich den verdammten Bindestrich zu.