Woche 25: Schalten Sie auch nächste Woche wieder ein

Montag: Nichts benötigt man bei Wochenanfangslaune weniger, als gefragt zu werden, ob man schlecht gelaunt sei.

Dienstag: Wenig gute Laune erzeugt auch ein Bericht in der Zeitung, wonach die neue italienische Regierung beabsichtigt, die in Italien lebenden Roma zu zählen mit dem Ziel, möglichst vielen von ihnen auszuweisen. Diejenigen mit italienischer Staatsangehörigkeit müsse das Land „leider behalten“, so der Innenminister. Das erinnert an vergangenen, dunkle Zeiten. Als Angehöriger einer anderen Minderheit, der in besagten dunklen Zeiten ebenfalls nicht gerade Wertschätzung entgegengebracht wurde, schaudert es mich beim Lesen des Artikels, auch wenn Angehörige „meiner“ Minderheit es inzwischen zu Ministern, Oberbürgermeistern und Konzernvorständen bringen. Das kann sich ganz schnell wieder ändern.

Erheiternd dagegen die Anordnung Donald Trumps, eine amerikanische Weltraumarmee zu schaffen. „Wir müssen den Weltraum dominieren“, so der Präsident. Das ist zu befürworten, vielleicht ergibt sich dadurch ja die Gelegenheit, ihn und ein paar andere auf den Mond zu schießen. „Schalten Sie auch nächste Woche wieder ein, wenn Sie Onkel Donald sagen hören …“

Besprechung am Vormittag. Bei manchen Menschen frage ich mich, woher sie die vielen Buchstaben nehmen. Hier sollte die Evolution mal eine natürliche Limitierung einrichten. Ist ja auch ein Überlebensvorteil: Wer zu viel quatscht, läuft Gefahr, gefressen zu werden. Oder erschlagen.

Mittwoch: Notierte ich vergangenen Dienstag, die Kosten für die Sanierung der Bonner Beethovenhalle beliefen sich auf neunundsiebzig Millionen Euro? Weit gefehlt, vergessen Sie es schnell. Nach neuen Erkenntnisse sind es siebenundachtzig Millionen, wie heute zu lesen ist.

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An den Busfahrer der Rhein-Sieg-Verkehrsgesellschaft, der dem Fahrgast das Verlassen des Wagens an der vorderen Tür verweigerte und ihn stattdessen nach hinten schickte, weil dort nunmal der Ausstieg ist: Schön, dass es noch Menschen mit Prinzipien gibt.

Donnerstag: Trotz Desinteresse lässt es sich nicht immer vermeiden, ab und zu etwas von der Fernseh-Berichterstattung über die Fußballweltmeisterschaft mitzubekommen. Was mich als regelmäßigen und begeisterten Zuschauer der heute-Show dabei irritiert, ist die Moderation durch Oliver Welke. Noch mehr irritiert mich, als „Experten“ diesen Kahn-Titanen an seiner Seite zu sehen und nicht Olaf Schubert.

Freitag: „Berufspendler empfinden den Arbeitsweg als deutlich angenehmer, wenn sie mit ihrem Sitznachbarn plaudern“, schreibt die von mir geschätzte Psychologie Heute. Auf meine Person bezogen, möchte ich dazu den von mir ebenfalls geschätzten Eugen Roth zitieren: „Das mag vielleicht als Regel gelten / Ausnahmen aber sind nicht selten.“

Samstag: Die Digitalisierung macht unser Leben einfacher. Auch bei uns: Früher legten wir eine CD ein, wenn wir Musik hören wollten, heute diskutieren wir minutenlang mit einer unsichtbaren, schwerhörigen Dame namens Siri.

Sonntag: Nach einem gepflegten Wirkungstrinken am Vortag erschien mir heute Nachmittag ein Spaziergang angebracht. Dabei sah ich eine telefonierende Radfahrerin. Das ist an sich nichts Besonderes, sieht man doch immer mehr Radfahrer, die während der Fahrt telefonieren oder, für mich unverständlich, auf das Display schauen anstatt auf den Verkehr. Sollte ich jemals Zeuge werden, wie zwei radelnde Datensklaven ineinander fahren, könnte ich ein Grinsen wohl nicht unterdrücken. Warum ich der eingangs erwähnten Dame hier nun ein paar Zeilen widme: Die lindgrüne Telefonhülle war perfekt abgestimmt auf den gleichfarbigen Sturzhelm. Schon erstaunlich, auf was die Leute alles achten.

Woche 36: Das geht gar nicht

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Montag: In Beuel gibt es die Musikschule „Metronom“. Das ist, finde ich, ein sehr schöner Name für eine Musikschule. Allemal schöner als „Sekundreibung“ oder „forzato“.

Dienstag: Vorteil einer Bahnreise: Man kann unterwegs arbeiten. Man muss es aber nicht.

Mittwoch: Gewiss ist Fernweh kein Schmerz, welcher mich plagt. Als ich jedoch am Morgen aus geschäftlichen Gründen mit dem IC nach Duisburg fuhr, fragte ich mich einen kurzen Moment, wie es sei, einfach im Zug sitzen zu bleiben. Andererseits – was sollte ich um zwölf Uhr sechzehn in Norddeich Mole? – Auf der Rückfahrt aus Duisburg tat ich, was ich während Zugfahrten am liebsten tue: aus dem Fenster schauen. Auf einer Wiese erblickte ich ein Pferd, welchem man eine Art Mantel mit Zebramuster übergeworfen hatte. Ich weiß nicht, ob Pferde zur Schamempfindung in der Lage sind; wenn ja, dann hatte dieser Gaul allen Grund dazu.

Donnerstag: Nachdem im Radio Max Giesinger mal wieder die frustrierte Mutter hatte tanzen lassen, berichtete man von Julian, achtzehn Jahre alt und somit erstmals zur Wahl berechtigt. „Was macht das mit ihm?“, fragt die Radiofrau.

Freitag: Am Mittag brach mir bei Köttbullar in der Kantine ein Zacken aus der Krone. Backenzahn unten links, vier.

Samstag: „Vor­ne im Au­to qual­men, wenn hin­ten Kin­der sit­zen – das geht Ex­per­ten zu­fol­ge gar nicht.“, steht in der Zeitung. Ein Lob dem Expertenscharfsinn und dem Journalismus, der das aufgedeckt hat. Die Tage wurde übrigens ein SPD-Experte zitiert. Bemerkenswert, auf welchen Gebieten es alles Experten gibt.

Sonntag: „Ausspähen unter Freunden – das geht  g a r  nicht„, so einst Frau Merkel. Ging dann aber doch irgendwie. Was hingegen  g a r  nicht geht sind kleine Stoffbärchen an Rucksäcken erwachsener Menschen.

Das Ende ist nahe

Die Welt im Januar 2015. Menschen stehen Schlange, um eine Zeitschrift zu erwerben, deren Sprache sie nicht verstehen, weil sie in der Schule damals lieber Latein statt Französisch gewählt oder das Gelernte längst vergessen haben. Andere fühlen sich durch diese Zeitschrift, die auch sie nicht verstehen, verhöhnt und zünden deswegen Kirchen und Kneipen an. Die übrigen schauen auf RTL einer Gruppe Bekloppter bei zweifelhaften Spielchen im australischen Dschungel zu.

Als Gott der HERR dies sah, erkannte er, dass die Sache mit der Arche damals wohl seine größte Fehlentscheidung gewesen war. Eine Lösung musste her. Doch welche? Überschwemmungen zeigten nur noch örtlich begrenzte Wirkungen; Pest, AIDS und Ebola scheiterten am medizinischen Fortschritt der Menschheit. Vielleicht ein Atomkrieg? Doch würde dieser Gottes Schöpfung vollständig verheeren, einschließlich allen Gewächses und Gewürmes, welches da sprießt und kreucht, ein jedes nach seiner Art.

Da fiel dem HERRN das Internet ein, damit müsste sich was machen lassen. Und also bestellte er zwölf IT-Experten ein und sprach: „Sehet, die Menschheit ist wahnsinnig geworden. So gehet hin, sie zu zerstören. Und diesmal keine Überlebenden bitte, das tue ich mir nicht noch einmal an!“ So schlossen sich die zwölf Experten in ihre Cloud ein und machten sich nach dem Kick Off Meeting an die Arbeit. Sie erstellten die erforderlichen Dokumente, welche da hießen: Business Case, IT-Budgetantrag, Anforderungsdokumentation, System Requirement Statement, Phase Gate 1 bis 34 nach dem zertifizierten KOMPLEX-Vorgehen, Sicherheitskonzept und Datenschutzanalyse. Ferner mussten noch ein Entwicklungs- und ein Wartungsdienstleister ausgewählt sowie ein kostenpflichtiger User Support Helpdesk* eingerichtet werden.

Bald aber waren die Experten so sehr mit sich selbst beschäftigt und im Kompetenzgerangel zerstritten, dass das Projekt schließlich aus Budgetgründen eingestellt wurde. Als Gott sah, dass er dem menschlichen Wahnsinn nichts mehr entgegenzusetzen hatte, weinte er bitterlich sieben Tage und sieben Nächte lang. Dann schaltete er den Fernseher ein, kuckte IBES, und er sah: Das Ende war nahe. Da lächelte der HERR.

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* 54 Cent je Minute aus dem Festnetz der Deutschen Telekom, aus Mobilfunknetzen können höhere Entgelte anfallen.