Montag: „Ich bin gerade etwas lost.“ – „Sorry, ich musste mich erst unmuten (gesprochen: anmjuten).“ – Was Leute in Besprechungen so reden, wenn sie geschäftig wirken wollen. Ansonsten verlief der Wochenbeginn ruhig ohne unmutauslösende Momente.
»Keiner der Koalitionspartner fand das Tempolimit so wichtig, dass es Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hätte. Wir haben uns auf andere Maßnahmen konzentriert.«
Verkehrsminister Wissing gegenüber dem SPIEGEL auf die Frage, warum sich die FDP gegen ein Tempolimit sperrt. In einer amerikanischen Ulksendung käme an dieser Stelle wohl Hintergrundgelächter.
Dienstag: Mittags beim Flanieren durch den Park sah ich eine Wildgans regungs- und fassungslos auf den wasserlosen, noch immer in Sanierung befindlichen See blicken, wo mittlerweile Sand verteilt wird. Nur Geduld, rief ich ihr zu, bis Ende August soll es fertig sein, stand in der Zeitung. Sie nickte kurz, ohne den Blick von der Sandwüste abzuwenden.

Mittwoch: Jeder Tag ist anders, niemals ist einer wie der andere. Und doch verlaufen sie oft ähnlich: Aufstehen, Bad, Kaffee, Fahrt ins Werk, Bürokrams, Besprechung (heute erstmals nach Monaten sogar als Präsenztermin im Mutterhaus, insofern war der Tag besonders), Mittagspause mit Kantine (Cordon Bleu) und kurzem Spaziergang durch den Park, Pressespiegel, mehr Bürokrams, in letzter Zeit auch wieder Schwätzchen mit Kollegen, Feierabend, Fahrt nach Hause; Brötchen für das Abendessen mit den Lieben besorgen, Zeitung und Blogs lesen, heute oder Tagesschau kucken, Essen, zeitig ins Bett, Lesen, Schlafen. Und keine Idee, was ich ins Blog schreiben soll. So ein Tag war heute. Das ist nicht schlimm.
Donnerstag: Es gibt sie noch, die guten Jobs. Dabei meine ich nicht meinen, wobei, doch, der ist auch ganz gut. Aber nicht so gut wie dieser: Als ich morgens zu Fuß ins Werk ging, fuhr ein Fahrzeug der Bundes-Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung vorbei und blieb etwa hundert Meter vor mir am Rheinufer stehen. Ihm entstiegen zwei Herren, die mit elektrischem Grasmäher und Laubbläser die weißen Schilder von Bewuchs befreiten und reinigten, die alle hundert Meter die Rheinkilo- beziehungsweise Hektometrierung (heißt das so?) markieren. Der Fahrer blieb derweil sitzen, bis seine Kollegen fertig waren mit Mähen und Blasen, um sie zum nächsten Schild zu chauffieren.
Ich dagegen werde (zugegeben nicht schlecht) dafür bezahlt, mir Sätze wie diesen anzuhören: „Der Ball liegt im Feld von …, der muss da jetzt ein Preisschild dranmachen.“

Gelesen in einem SPIEGEL-Artikel über Monogamie im Tierreich: »Und bei den Fischen unterhalten Tigerhaie und Seepferdchen oft dauerhafte Zweierbeziehungen.« Die Kinder möchte ich sehen: Tigerpferdchen? Also Zebras? Im selben Artikel werden Reptilien aufgrund ihrer Promiskuität als „wechselfreudig“ bezeichnet. Ein wahrer Schatz im Silbensee.
Freitag: Die Welt ächzt vor Überbevölkerung. Bald acht Milliarden Menschen tummeln und drängeln sich darauf, täglich werden es mehr. Andererseits klagen viele Branchen über Personalmangel. Wie kann das sein? Wo sind die alle?
Abends war ich im Friseursalon meines Vertrauens, jetzt in neuen Räumlichkeiten mit einem für mich neuen Friseur, weil meine Stammfriseurin Urlaub hat. Ein wenig Unbehagen kommt jedes Mal wieder auf bei der Frage „Was kann ich für Sie tun?“ – Was soll man da sagen, das nicht allzu offensichtlich klingt wie „Etwas kürzer“? Natürlich kürzer, länger geht ja wohl kaum. Oder mehr, vor allem hinten-oben, wo es immer lichter wird. Etwas übergriffig fand ich die Frage nach meiner beruflichen Tätigkeit, die ich mit einem knappen „Bürojob in einem großen Unternehmen“ beantwortete. Die Gegenfrage „Und Sie?“ verkniff ich mir. Mit dem Ergebnis war ich indes zufrieden.
Samstag: Bereits gegen halb neun morgens hob nebenan das laute Rauschen eines Gasbrenners an, Sie kennen diese Flammenwerfer, die von Dachdeckern benutzt werden, um Teerpappe gefügig zu machen. Was hier geflammt wurde, war nicht zu erkennen, vermutlich beseitigte jemand Unkraut, die Leute kommen oft auf die absurdesten Ideen, wenn es der Bequemlichkeit dient. Anscheinend ist das Gas noch immer zu billig, woran sich zunächst auch nicht viel ändern wird, wenn Herr Putin den Hahn zudrehen lässt, da hierfür kein Erdgas verwendet wird.
Meine Empörung hielt sich dennoch in Grenzen, da ich schon aufgestanden war, um später mit der Bahn nach Dortmund zu fahren, wo ich mit C., meinem ältesten Schulfreund, verabredet war. Also natürlich nicht der älteste an Jahren, sondern den ich am längsten kenne, Sie verstehen schon. Auch nach über fünfzig Jahren ist der Kontakt trotz der räumlichen Entfernung nicht abgerissen, wir telefonieren zu den Geburtstagen, und ab und zu – viel zu selten – treffen wir uns auf halber Strecke zwischen Bonn und Bünde in Dortmund.
Die An- und Abreise im Nahverkehr bot einmal mehr die Möglichkeit, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Mir war es egal, ich hatte einen Sitzplatz am Fenster. Auf dem Hinweg saßen hinter mir welche auf dem Weg zu einem Festival, wenn ich es richtig verstanden habe. Sie unterhielten sich im üblichen Jargon der Umdiedreißigjährigen, mit „genau“ und „tatsächlich“ sowie englischen Einsprengseln in jedem zweiten Satz. In Düsseldorf stieg eine lärmende Hobby-Fußballmannschaft hinzu, die von den Umdiedreißigjährigen eine Flasche Rosé gereicht bekam, die einmal den Gang runter und wieder rauf gereicht wurde, natürlich ohne Gläser. Mich grauste. Erfreulicherweise stiegen sie bereits in Mülheim an der Ruhr wieder aus, was zu folgendem, durchaus witzigen Dialog mit den Umdiedreißigjährigen führte: „Was wollt ihr denn in Mülheim?“ – „Da haben wir unsere Ruhr.“

Seuchenbedingt lag das letzte Treffen mit Freud C. drei Jahre zurück, daher gab es viel zu erzählen, und da Erzählen durstig macht, gab es Weißwein dazu. Viel Weißwein, was die Koordination der Rückreise etwas abenteuerlich werden ließ. Aber der Umstieg in Köln gelang, ich kam wohlbehalten, wenn auch etwas später als ursprünglich geplant, zu Hause an.
Sonntag: Da der Weißwein von gestern nachwirkte, fiel der Spaziergang heute etwas länger aus.
Auch kam ich erst heute dazu, die Samstagsausgabe des General-Anzeigers fertig zu lesen. Wolfgang Pichler schrieb darin über Rap: „… dieses höchst gewöhnungsbedürftige Gebell auf den Billig-Musiksendern, wo Leute mit suboptimalem Klamotten- und Schmuckgeschmack so dreinblicken, als wollten sie entweder einander oder den Zuschauer massakrieren, während sie nicht druckfähige Äußerungen über eigenes und fremdes Sexualverhalten von sich geben.“
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Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche.