Woche 21/2025: Gequälte Ukulelen und liederliche Zeichensetzung

Montag: Wochentagsübliche Müdig- und Antriebslosigkeit lagen über dem Arbeitstag. Dazu mehrere Besprechungen, deren Anzahl und Länge in keinem vertretbaren Verhältnis zu meinem Redebedarf standen. Auch mein Interesse am Besprochenen ließ zu wünschen übrig, immer wieder schweifte ich gedanklich ab und verwünschte stumm die endlosen Wortgirlanden.

Mittags wurde anlässlich eines erfolgreichen Projektabschlusses Pizza spendiert. Obwohl mein Beitrag zum Gelingen nahe Null lag, war ich zum Mitessen eingeladen. Dafür entfielen der Gang in die Kantine und der Treppensteig zurück. Man kann nicht alles haben.

Aus Datenschutzhinweisen: „Deine Teilnahme an der Befragung ist freiwillig. […] Klicken Sie hier für weitere Details.“ Derartige Liederlichkeiten beobachte ich zunehmend, anscheinend werden Texte vor Veröffentlichung nicht mehr durchgelesen, vielleicht schlägt auch hier der allgemein beklagte Personalmangel zu. Vielleicht bin ich auch zu empfindlich geworden.

Dienstag: Da die Wetterprognose Anzugwetter in Aussicht gestellt hatte, wählte ich nach langer Zeit, nach Monaten, vielleicht Jahren, morgens den Anzug als Arbeitskleidung, den letzten und einzigen, den ich nach der letzten großen Kleiderschrankbereinigung noch besitze, der nach vielen Jahren immer noch passt und den ich weiterhin liebe, sofern dieses Verb bezüglich Textilien und außerhalb fetischistischer Veranlagung angebracht ist, Sie wissen schon, wie es gemeint ist. Im Werk fällt man als Anzugträger inzwischen auf, die Kleiderordnung hat sich seit der Seuche stark gewandelt, was nicht zu beklagen ist, vor allem den früher üblichen und erwarteten Krawatten trauere ich kein bisschen nach. Jedenfalls fühlte ich mich im Anzug wieder sehr wohl und nahm mir baldige Wiederholung vor.

Regelmäßig amüsieren mich Autofahrer, die vor der roten Ampel warten und irgendwann, wenn die Geduld knapp wird, mehrfach einige Zentimeter vorfahren in der Hoffnung, die Ampel dadurch zum Ergrünen zu bewegen. Ähnliches widerfuhr mir morgens vor einer Fußgängerampel, die wegen starken Autoverkehrs besser nicht missachtet werden sollte. Die blieb heute ungewöhnlich lange rot. Irgendwann ging ich einen Schritt vor, um zu schauen, ob sich vielleicht doch eine Verkehrslücke für mich ergab. In dem Moment schaltete sie für den Straßenverkehr auf rot und ließ mich passieren. Es scheint doch zu funktionieren.

Wie epubli per Mail mitteilte, hat im April jemand mein Buch gekauft. Ich danke herzlich und wünsche viel Vergnügen damit.

Weg ins Werk

Mittwoch: Nach einem Tag voller Ereignisse, deren keines hier der Notiz bedarf, verbrachte ich den Abend bei einer Lesung im Pantheon in Beuel, was sich mit einem längeren Abendspaziergang verbinden ließ; ich bin ja der Meinung, jede Strecke bis zu vier Kilometern sollte man, wenn man Zeit hat, zu Fuß zurücklegen. Ich schweife ab. Es lasen: Horst Evers, Dietmar Wischmeyer, Lara Ermer, Philipp Scharrenberg und Nektarios Vlachopoulos.

Horst Evers kenne ich als Autor mehrerer Bücher, er schreibt so ähnliches Zeug wie ich, nur in gut; Dietmar Wischmeyer aus dem Radio in den Neunzigern und dem Fernsehen in der heute-Show; die drei anderen kannte ich bislang nicht. Es war großartig, ich habe im wahrsten Sinne Tränen gelacht. Am besten gefielen mir die Texte des Gastgebers Horst Evers und die von Dieter Wischmeyer; die anderen drei waren indes auch gut. Satz des Abends, von Evers: „Wenn Männer Ukulelen quälen / soll man Makrelen nicht bestellen.“ Wenn Herr Evers mit seinen Freunden oder allein mal in Ihre Stadt kommen sollte, gehen Sie hin, es lohnt sich. Oder hören Sie am 30. Mai im Radio auf WDR 5 die „Unterhaltung am Wochenende“, dafür wurde der heutige Abend aufgezeichnet. Wenn Sie genau hinhören, hören Sie mich vielleicht lachen.

Wegen der fortgeschrittenen Zeit fuhr ich, vermutlich immer noch mit einem Lächeln im Gesicht, anschließend mit dem Bus zurück, der sogleich kam. Ein Lob dem vielgescholtenen Bonner ÖPNV. Auch wenn es mir fragwürdig erscheint, wenn in den späteren Abendstunden ein Gelenkbus viel Luft und mit mir drei Personen durch die Gegend fährt.

Die Herren Evers, Wischmeyer und Scharrenberg (von links)

Donnerstag: Inseltag. Entgegen den Forderungen von Herrn Merz hatte ich heute zur Pflege der Wörkleifbellenz frei. Nachdem ich zur werktagsüblichen Zeit dem Tuche entstiegen war, nutzte ich den Tag für einer Wanderung, und zwar die fünfte Etappe des Natursteigs Sieg von Eitorf bis Herchen. Das war hinreichend beglückend, auch wenn das Wetter sich wechselhaft zeigte, mit einem kurzen Regenschauer gar. Nach viereinhalb Stunden erreichte ich den Zielort Herchen. Wer nun glaubt, es sei geschafft, irrt; die letzten drei Kilometer haben es in sich, mit schmalen Pfaden hart am Abgrund, heftigen Steigungen und Gefällen und mehreren Stellen, an denen der Wanderer aufpassen muss, nicht abzurutschen oder umzuknicken, auch die Wegmarkierung weist an mancher Abzweigung Mängel auf, gleichsam eine liederliche Zeichensetzung. Dafür belohnt die Strecke mit wunderbaren Eindrücken. Vielleicht sollte ich mir einen Wanderstock zulegen.

Erst eine Stunde später erreichte ich endlich den Bahnhaltepunkt von Herchen, wo ich wegen leichter Verspätung des Regionalexpress‘ diesen noch erreichte. Perfekt. Bis Hennef an der Sieg, dort endete die Perfektion: Wegen eines Böschungsbrandes vor Siegburg ging es nicht weiter. Mir war es egal, ich hatte Lesestoff dabei und für die anschließende Belohnungscurrywurst wäre auch noch genug Zeit gewesen. Nachdem die Streckensperrung auch eine halbe Stunde später noch bestand, wurde entschieden, den Zug zurück nach Siegen fahren zu lassen, ich nahm den Bus bis Siegburg, der entsprechend voll war und wesentlich länger brauchte als die Bahn, wenn sie denn fährt.

Sichtung während der Busfahrt: Ein Hennefer Hotel bietet an jedem ersten Samstag im Monat einen „Probe-Day“ an.

Die Currywurst gab es dann auch noch, etwa eine Stunde später als ohne Böschungsbrand. Das war nicht schlimm.

Bei Eitorf
Das auch, glaube ich
Gerste
Für die Sammlung
Fichtenfinale
Ginster. Auch schön.
Wegesrandbirke
Vor Herchen
Schmaler Pfad kurz vor Schluss

Freitag: Der Arbeitstag verlief zufriedenstellend ohne größere Störungen der Büroruhe, sieht man von einigen Teams-Besprechungen ab. Auch in unserem Unternehmen setzt es sich zunehmend durch, dabei die Kamera einzuschalten, als wenn es irgendeinen Vorteil hätte, wenn man dabei gesehen wird und die anderen sehen kann bzw. muss. Ich finde das anstrengend und könnte gut darauf verzichten. Bei größeren Runden schalte ich meine Kamera deshalb nur an, wenn ich das Wort habe. Merkt keiner.

Auch nach mehr als zwanzig Jahren Arbeiten im Turm amüsieren mich immer noch die zwanghaften Aufzugtürzuknopfdrücker, einst hier beschrieben. Als hinge ihr Leben davon ab. Mittlerweile mache ich mir, wenn ich als erster die Kabine betrete, den Spaß, mich direkt an den Knopf zu stellen, so nah, dass ihn keiner drücken kann, und genieße es, wie sie bei offener Tür nervös werden.

Nachmittags befiel mich jäh Schokoladenlust. Zur Linderung schlachtete ich den Lind-Osterhasen (oder Sitzhasen?), der noch in der Schreibtischschublade seiner Bestimmung entgegenlag.

Kurt Kister schreibt in seiner Wochenkolumne „Deutscher Alltag“ wieder Kluges:

Die Diskriminierung des Faxgeräts als Symbol für die Unmoderne ist ein Merkmal mancher leicht autoritär gesinnter Scheuklappenfortschrittler.

(Zum Gesamttext hier entlang.)

Samstag: War es der Ostersitzhase? Morgens zeigte die Waage zwei Kilo mehr an als eine Woche zuvor. Vielleicht lag es auch am leicht erhöhten Bierkonsum in dieser Woche bei mannigfachen Gelegenheiten: Feierabend-Maibock am Dienstag, Lesungsbegleitgetränke am Mittwoch, Wanderungsbelohnungsbier zur Currywurst am Donnerstag und Wirtshausbesuch mit den Lieben gestern. Non, je ne regrette rien.

Zeit für eine weitere der tausend Fragen, heute Nummer *Trommelwirbel* …

(Fotografiert beim Wandern am Donnerstag)

Frage 69 lautet: „Gibst du Menschen eine zweite Chance?“ Das kommt sehr auf den Anlass an. Wenn mir jemand etwas Unverzeihliches antun würde, etwa mutwillig meine Modelleisenbahn beschädigt, wird es schwierig. Ansonsten neige ich zur Harmoniesucht, deshalb grundsätzlich ja. Donald Trump hätte ich nicht wiedergewählt.

Zusammenhangloses Spaziergangsbild

Sonntag: Der Spaziergang führte heute über unübliche Wege durch den Stadtteil Beuel auf der anderen Rheinseite, mit fast elf Kilometern fiel er etwas länger aus. Das Wetter zeigte sich auch heute wechselhaft mit Sonnenschein und Regenschauer, insgesamt war es wesentlich wärmer als erwartet.

Durch eine glückliche Fügung fiel der Regenschauer in einem passenden Moment, als ich unter Dach saß

Wie mir erst jetzt zugetragen wurde, ist der Pornostar Tim Kruger gestorben, bereits im März. Ich kannte ihn nicht, weder persönlich noch vom Ansehen. Da sogar der Focus darüber berichtete und es einen eigenen Wikipedia-Eintrag über ihn gibt, muss er über eine gewisse Prominenz verfügt haben, bemerkenswert für einen Angehörigen dieses Genres. Was bitte nicht despektierlich zu verstehen ist, ich habe volle Hochachtung vor dem Berufsstand und kann nichts Anrüchiges daran erkennen, jedenfalls nicht mehr als an der Werbebranche oder dem Profifußball. Mann muss stets Können können, sonst nützt die beste Schauspielkunst nichts.

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, kommen Sie gut durch die Woche.

Woche 18/2024: Öler klingt wenig verkehrswerbend

Montag: Seit nunmehr einer Woche weilt der Liebste aus beruflichem Anlass in Atlanta. Mehrmals täglich telefonieren wir mit sechsstündigem Versatz und tauschen unsere Erlebnisse aus, wobei er mehr zu berichten hat, ich bin von Natur aus eher der Zuhörer beim Telefonieren. Anfangs rechnete ich immer, wie spät es bei ihm jetzt wäre, dabei ist es gerade als Besitzer einer Analoguhr ganz einfach: Man muss sich den kleinen Zeiger nur genau gegenüber vorstellen.

So langsam könnte er aber auch mal zurück kommen.

Dienstag: Zu Fuß ins Werk und zurück, es ist deutlich wärmer geworden. Bald Anzugwetter.

Das muss nun wirklich nicht sein

Im Rheinauenpark, in Sichtweite meines neuen Arbeitsplatzes mit Aussicht, wurden ein Riesenrad und weitere Fahrgerätschaften aufgebaut für das Spektakel Rhein in Flammen am Wochenende, wo Feuerwerk, Musik und Außengastronomie die Menschenmassen erfreuen werden. Wegen letzteren werden wir es auch in diesem Jahr wieder meiden. Auf dem Rhein sind, neben den ganzjährig üblichen Frachtschiffen, wieder mehr Hotelschiffe zu sehen, zudem die Ausflugsdampfer (freilich keine Dampfer mehr, aber Dieseler oder Öler klingt wenig verkehrswerbend) der Köln-Düsseldorfer und Bonner Personenschifffahrt bis Linz und zurück. Damit könnten wir auch mal wieder einen Ausflug machen, vielleicht kann ich meine Lieben dazu motivieren.

Auch die Rheinnixe wurde nochmals bewegt, sie liegt nun wieder vor Beuel und harrt dort ihrer ungewissen Zukunft entgegen.

..

Auf dem Heimweg sah ich zwei junge Frauen auf zwei geschobenen Fahrrädern einen Maibaum transportieren; es ist ein Schaltjahr, da werden die Herren mit geschmücktem Totholz beglückt. Kurz darauf zwei junge Männer zu Fuß mit einem Bierkasten zwischen sich. Klare Aufgabenteilung.

Als ich mir im Außenbereich eines Lokals in der Fußgängerzone einen Feierabend-Maibock (ich schrieb erst Mailbock, interessante Variante) genehmigte, platzierte sich davor einer mit Klarinette, aus der er wenig hörenswerte Melodien hervorbrachte. Nach dem dritten oder vierten Lied ging er durch die Tische, um Kleingeld zu ernötigen. Ich gab ihm nichts. Dabei fühle ich mich immer ein wenig wie ein Arschloch, aber ich sehe es nicht ein, für etwas zu bezahlen, das ich nicht bestellt habe und das mir keinerlei Nutzen oder wenigstens Freude bringt.

Abends wurden der Geliebte und ich im Restaurant Zeuge einer Begebenheit: Eine mittelalte Frau kam herein und fragte die Kellnerin nach einem Telefon, bei ihrem eigenen wäre der Akku leer. Es wurde ihr gebracht, damit setzte sie sich an einen Tisch nahe unserem, breitete einen Notizblock und andere Sachen vor sich aus und begann zu telefonieren, ohne etwas zu bestellen. Nachdem sie mehrere Gespräche geführt hatte, auch auf Englisch, kam ein anderer Kellner und bat sie freundlich um Rückgabe des Telefons, da man es benötigte, außerdem bat er sie, zu gehen. Nach einigen unfreundlichen Worten gegen den Kellner verließ sie empört das Lokal. Ein Blick auf das Telefon ergab: Sie hatte nicht ein einziges Telefonat geführt.

Mittwoch: Wenn man es sich zur Aufgabe gemacht hat, täglich etwas ins Blog zu schreiben, ist es an manchen Tagen nicht einfach, was geeignetes zu finden. Nicht so am 1. Mai, an dem wie in jedem Jahr gilt: Es ist paradox, zugleich erfreulich, am Tag der Arbeit nicht zu arbeiten.

Dazu passend Balkonliegestuhlwetter. Im SPIEGEL las ich erstmals von einem Hohlraumforscher und freute mich ein weiteres Mal darüber, was es alles gibt.

Donnerstag: Nach Rückkehr des Liebsten am Vormittag ist die Welt wieder etwas mehr in Ordnung, jedenfalls der winzige Teil davon, den ich überblicke.

Der Tag war sonnig und warm, für den Abend waren starke Gewitter angekündigt. Die kamen auch, allerdings nicht hier in Bonn. Während des Fußweges nach Hause baute sich ringsherum dunkles Gewölk auf, Windböen wirbelten Staub und Abfälle auf und ließen die bunten Bänder in den gestern aufgestellten (in diesem Jahr nach meinem Eindruck wenigen) Maibäumen flattern, ab und an war in der Ferne ein Grollen zu vernehmen. Nach Rückkehr verzogen sich die Wolken zunächst, sogar die Sonne schien zwischendurch wieder. Erst jetzt am späteren Abend, zum Zeitpunkt der Niederschrift, regnet es dicke Tropfen, laut Vorhersage wird sich daran in den nächsten Stunden nicht viel ändern. Bestes Schlafwetter.

Gewölk über Köln

Aus einem Zeitungsbericht: »Auch die Frösche gaben am 1. Mai ein so lautes Konzert, dass Spaziergänger am Weiher anhielten und fotografierten.« Anscheinend Tonbilder, wieder so ein neumodischer Kram, der an mir vorbeigegangen sein muss.

Freitag: Der Regen hielt bis zum Mittag an, gegen Abend zeigte sich die Sonne. Im Gegensatz zu anderen Regionen, wo die Meteorologie gestern heftig tobte und schädigte, hatten wir mal wieder Glück.

Um halb vier nachmittags erreichte mich überraschend per Mail die Einladung zur Eigentümerversammlung eine halbe Stunde später. Kurz empörte ich mich über die Kurzfristigkeit, dann schaute ich in den privaten Maileingang, und siehe da: Bereits im März wurde fristgerecht eingeladen, ich hatte es versäumt, den Termin im Kalender einzutragen. Das ist mir völlig durchgegangen und angemessen peinlich. Nicht, dass mir Eigentümerversammlungen größeres Vergnügen bereiteten, doch das sollte nicht passieren.

Unterdessen berichtet die Zeitung über einen Amerikaner, dem sein Therapie-Aligator abhanden gekommen ist. Dagegen ist eine versäumte Eigentümerversammlung vergleichsweise unerheblich.

Samstag: Unerwartet humorlos reagierten laut Zeitungsbericht Angestellte der LVR-Klinik, die auch eine Psychiatrie betreibt, auf eine Werbeaktion ihres Arbeitgebers um neues Personal. Hierzu hatte die Klinik rosa und grüne Postkarten drucken und in Kneipen verteilen lassen mit der Aufschrift „Klapsenbeste“ (rosa) beziehungsweise „Klapsenbester“ (grün) auf der Vorderseite. Darauf muss man auch erstmal kommen.

Sonntag: Heute ist der Fünfte im Fünften, somit #WMDEDGT-Tag. Alles weitere hier.

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Kommen Sie gut durch die Woche, verlieren Sie nicht den Humor.

Woche 30/2023: Verfallserscheinungen und Restlaufzeiten

Montag: Da für heute kühleres Wetter mit Regen angekündigt war, kleidete ich mich in einen länger nicht getragenen Anzug und fühlte mich sehr wohl darin. Vorsichtshalber nahm ich morgens statt des Fahrrades die Bahn, was sich im Nachhinein als unnötig herausstellte, das kann man vorher nie wissen. Dadurch kam ich nachmittags immerhin in den Genuss eines außerplanmäßigen Fußmarsches nach Hause.

Was ich während der Arbeit höre, lautet die Tagesfrage des Blogvermieters. Falls damit Musik gemeint ist, muss die Antwort „Nichts“ lauten, außer dem tagesaktuellen Ohrwurm, der mich heute allerdings verschonte, vielleicht wegen Montagsunlust seinerseits. Ansonsten hörte ich in einer Besprechung mal wieder viel zu oft „tatsächlich“.

Vom Hören zum Sehen beziehungsweise Lesen: Mich erreichten gleich zwei Mails, bei denen weder aus dem Betreff noch dem grußlos-knappen Inhalt das Begehr des Absenders erkennbar war. Als überwiegend freundlicher Mensch fragte ich zurück, obwohl sofortiges Löschen die angemessene Reaktion gewesen wäre.

Apropos Löschen: Wenn die ARD zu den Waldbränden am Mittelmeer nach der Tagesschau einen Brennpunkt sendet, entbehrt das nicht einer gewissen Komik.

Während des Rückwegs beeindruckendes Gewölk am anderen Ufer

Dienstag: Die Landwirte im Ruhrgebiet sind halbwegs zufrieden, wurde morgens in den Radionachrichten gesagt. Ein trotz der Einschränkung bemerkenswerter Satz, den ich nie zuvor hörte; ich hätte nicht gedacht, dass das möglich ist. Von Apothekern ist derlei vorerst nicht zu erwarten, die verkünden stattdessen regelmäßig die nahende Apothekalypse.

Nachmittags erschienen zwei Mitarbeiter der Fachfirma für Jalousienangelegenheiten, um den defekten Motor zu tauschen, ich berichtete. Wie sich herausstellte, ist der Motor keineswegs defekt, vielmehr wurde die vorgelagerte Stromzufuhr als Ursache ausgemacht, wofür wiederum nicht vorhandene Elektrikerkompetenz vonnöten sei. Man gibt es weiter. Egal, zurzeit scheint die Sonne ohnehin kaum.

Twitter heißt jetzt X, sonst ändert sich nix. – Wie oft mag dieser Satz in den einschlägigen Hetzwerken schon geschrieben worden sein, wie viele Sterne, Herzchen und Daumenhochs gab es dafür? Mir egal. Für mich habe ich diesbezüglich eine Entscheidung getroffen, dieses Mal endgültig.

Mittwoch: Morgens telefonierte ich mit M., meinem früheren Bielefelder Kollegen und Chef, der heute, genau wie ein gewisser Mick Jagger, achtzig wird. Deshalb ist er, also nicht Mick Jagger, sondern der andere M., mit Frau und Hund nach Langeoog geflüchtet. Zu Hause kämen zu viele gleichaltrige Gratulanten zu Besuch, die über ihre Verfallserscheinungen und Restlaufzeiten reden, darauf hat M. keine Lust, sagte er, das kann ich gut nachvollziehen. (Ich bin übrigens etwa gleichaltrig mit Sinéad O’Connor, die heute gestorben ist, du liebe Güte.) M. ist neben Mick Jagger der wohl jüngste beziehungsweise junggebliebenste … jüngstgebliebene? – egal, Sie wissen schon, was ich meine – Achtzigjährige, den ich kenne. Wäre mir dereinst Ähnliches vergönnt, könnte ich mir vorstellen, auch so alt werden zu wollen. Aber auch nur dann.

In der Kantine gab es Mittags an der Vegantheke Eintopf mit Sonnenblumenhackfleisch. Dürfen die das wirklich „Fleisch“ nennen? Ich entschied mich stattdessen für Nudelauflauf mit Käsesoße. Nicht vegan, immerhin fleischlos.

Donnerstag: Da es von morgens an bis in den Nachmittag hinein regnete, endete der planmäßige Fußmarsch ins Werk bereits an der Stadtbahnhaltestelle, von wo aus mich die Bahn trocken, pünktlich und für die Tageszeit erstaunlich leer in Werksnähe brachte.

Mittags wurde Kollege D. in größerer Runde in den Ruhestand verabschiedet, mit Kaltgetränken und Bochumer Currywurst, daher entfiel der übliche Kantinengang. Leider zogen sich die Lobes- und Dankesreden der Chefs und des zu Verabschiedenden hin, so dass mir bis zur nächsten Besprechung nur noch eine Viertelstunde blieb für den Verzehr eines Schälchens Wurst und ein wenig Nudelsalat.

Zu Arbeitsende hatte der Regen nachgelassen, deshalb ging ich zu Fuß nach Hause, wenigstens das. Im Gegensatz zur herbstlichen Kühle am Morgen war es trotz weiterhin dichter Wolkendecke recht warm geworden. Unterwegs meldete sich der kleine Hunger als Folge des schmalen Mittagsmahls, der sich im weiteren Verlauf zu einem unverhandelbaren Appetit (oder Jieper, wie es auf Dummdeutsch heißt) auf ein Stück Kuchen entwickelte. Daher suchte ich am Marktplatz den beschirmten Außenbereich eines Cafés auf, wo ich ein Stück Apfelkuchen und eine Tasse Kaffee bestellte; letzteres ein kleines Experiment, ob die Bestellung mit dem klassischen Hinweis „draußen nur Kännchen“ abgewiesen wurde. Aber nein, Kaffee und Kuchen wurden wie gewünscht serviert und der kleine Hunger vorläufig gestillt.

Freitag: „Ich habe das mal angehangen.“ Was immer wieder auffällt: Viele können nicht die transitive und intransitive Form des Verbs „hängen“ unterscheiden und sie jeweils korrekt anwenden. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es immer kann.

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Manchmal riecht man es

Gehört: „Du musst mehr unter Menschen.“ – „Ich bin bei euch.“ – „Das ist nicht unter Menschen.“ – Und das: „Was du pupst ist mein Deo.“

Samstag: Besuch der Mutter in Bielefeld, dank Deutschlandticket mit dem Bahn-Nahverkehr. Die Hinfahrt lief trotz baustellenbedingter Umleitung perfekt, abgesehen von einer schwäbischen Dame, die sich neben mich setzte und das Gespräch suchte, aufgrund meiner ostwestfälischen Abneigung gegen Gespräche mit Fremden jedoch nicht fand und bald einen anderen Platz wählte.

Wie sich auf der Rückfahrt zeigte, verstehen es neben der Deutschen Bahn auch andere Anbieter, hier National Express, die Kunden durch originelle Einlagen zu überraschen. Bei Ankunft des Anschlusszuges in Hamm war der hintere Zugteil verschlossen, was zahlreiche Reisewillige nicht davon abhielt, trotz des augenscheinlich leeren Wagens längere Zeit auf den Türaufknopf zu drücken, ehe sie nach vorne eilten, wo sich durch die fehlenden Plätze eine gewisse Füllung einstellte. Mir selbst gelang es, einen der letzten Sitzplätze zu bekommen und das, da ich über fünfzig bin, ohne schlechtes Gewissen.

In Hagen blieben wir längere Zeit wegen einer technischen Störung stehen, irgendwas mit den Bremsen, so die Durchsage des Triebfahrzeugführers. Nach etwa einer Viertelstunde ging es weiter ohne weitere Beeinträchtigungen. Zum Glück erwachte nicht der Ohrwurm „Der Zug, der Zug, der Zug hat keine Bremsen“.

Aus der Zeitung: Herr Dr. Heinz-Lothar B. lehnt das bedingungslose Grundeinkommen ab, wie er in einem Leserbrief kundtut, unter anderem deshalb: »Der Arbeit kommt außerdem in christlicher Tradition eine eigene Würde zu.« Wer wundert sich da über zunehmende Kirchenaustritte.

Gibt es eigentlich ein Wort dafür, wenn man gerade etwas liest, schreibt oder nur denkt, und im selben Moment hört man es jemanden im Hintergrund sagen? Also ein anderes als Zufall?

Sonntag: Während des Spaziergangs hörte ich eine junge Frau in bestem Deppendialekt in das flach vor den Mund gehaltene Telefon sagen: „Respekt muss man sisch verdienen. Ey warum hast du kein Respekt vor mir.“ Ja, warum.

Statt weiterer Worte Bilder:

DAS ist mal eine Aussage
An diesem Wochenende sind die Bonner aufgerufen, Fotos von Straßenkunst zu machen, die jetzt aus irgendwelchen Gründen Streetart genannt wird. Daran beteilige ich mich gerne.
Oft sind es kleine Zeichen am Wegesrand, die die Vermutung stärken, dass der dauerhafte Fortbestand dieser Spezies ernsthaft gefährdet ist

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Kommen Sie gut durch die Woche.