Woche 45/2025: Weiterhin mit Vergnügen

Montag: Die üblichen Wochenanfangsbeschwerlichkeiten hielten sich in erfreulichen Grenzen. Dem Wohlbefinden förderlich war auch eine Kohlroulade zum Mittagessen. Der Arbeitstag endete zeitig.

Wie vorgenommen ging ich direkt im Anschluss ins Sportstudio. Die Funktionsweisen der meisten Geräte waren mir seit dem Probetraining letzten Donnerstag noch weitgehend vertraut, es turnte sich gut, laut Geräteanzeigen bewegte ich dabei mehrere Tonnen. Das nächste Mal Mittwoch.

Dienstag: Der Fußweg ins Werk erfolgte durch milde Morgenluft. Am Rheinufer gingen vor mir drei schnatternde Damen derart raumeinnehmend nebeneinander, dass man kaum an ihnen vorbeikam. Erst als eine Läuferin entgegenkam, entstand kurz eine Lücke, die ich nutzte. Im Überholen hörte ich eine sagen: „Die Belinda ist eine schwierige interne Person, aber sie nimmt es auch mega genau.“ Was in Abwesenheit so geredet wird. Etwas später überholte mich ein Läufer mit großflächig tätowierter Wade. So etwas sollte meines Erachtens auch in die aktuelle Stadtbild-Diskussion mit einfließen.

Auf der Wiese im Rheinauenpark graste eine größere Gruppe Wildgänse. Nun also ihr, dachte ich im Vorbeigehen und rief ihnen gedanklich „Bleibt gesund!“ zu. Was heute Stallpflicht für Geflügel ist, hieß für uns vor fünf Jahren – so lange ist das schon her, unglaublich – Homeoffice.

Mittags in der Kantine gab es Curryfrikadelle mit Pommes. Das ist wie Currywurst mit Pommes, nur ohne Wurst, dafür mit Frikadelle. Aber darauf wären Sie vermutlich selbst gekommen. War jedenfalls gut.

Für mich eines der besten Lieder von Supertramp ist „Take The Long Way Home“. Den langen Weg nach Hause nahm ich nachmittags, da es weiterhin angenehm mild war, und zwar rechtsrheinisch. Zu meiner freudigen Überraschung war der Biergarten „Zum Blauen Affen“ noch geöffnet, wo ich ich die unerwartete Gelegenheit wahrnahm, mich an einem Bier zu erquicken, während auf der anderen Rheinseite die Sonne unterging.

Morgens kurz vor Sonnenaufgang
Wieder so ein Was-soll-das-Moment
Nachmittags, Rheinauenpark
Beueler Ufer

Mittwoch: Im Büro lachten wir laut über Internes, das Ihnen mangels Kenntnis der belachten Personen und Gegebenheiten vermutlich nicht mal ein Grinsen entlocken würde. „Stell dir vor, die würden uns hier abhören“ sagte der Kollege vom Schreibtisch gegenüber. Wenn sie das täten, wären wir beide wegen ungebührlicher Lästerlichkeit längst rausgeflogen.

Abends bewegte ich im Sportstudio wieder mehrere Tonnen, weiterhin mit Vergnügen. Ich meine, der Bizeps sei schon etwas gewachsen, vielleicht ist das aber auch Einbildung.

Bald beginnt der Karneval wieder. Aus einem Zeitungsartikel über unangemessene Verkleidungen:

(General-Anzeiger Online)

Donnerstag: Morgens zeigte sich der Mond über den Dächern gegenüber. Dafür, dass er angeblich in diesen Tagen besonders groß wirken soll – irgendwo las ich, das nenne man Nebelmond -, war er ziemlich klein oder wenigstens normal groß. Vielleicht ist unsere Begleitkugel über Nacht wieder geschrumpft. Nebelmond, Vollmond, Halbmond, Neumond, Blutmond, demnächst vielleicht auch noch Fleischmond. Ach nein, das soll ja verboten werden.

Morgenmond

Gedanke während einer Besprechung: Vielleicht ist meine Weigerung, möglichst aufwendige PowerPoint-Präsentationen zu erstellen, der Grund, warum ich nicht Karriere gemacht habe.

Blick auf Beuel während des Heimwegs

Im Ortsteil Kessenich waren abends die Straßenränder gesäumt von Sperrmüll, wie ich auf dem Weg zur Musikprobe sah. Wunderbare Konsum- und Wegwerfwelt, es hört nie auf. Unterdessen verhandeln sie in Brasilien darüber, um wieviel Prozent der CO2-Ausstoß (nicht) verringert werden soll. Ich bleibe skeptisch.

Freitag: Morgens auf dem Fahrrad blies mir stärkerer, kühler Wind entgegen. Ich betrachtete es als eine Sporteinheit, immer auch das Positive sehen. Was schön war: Nachmittags hatte sich die Windrichtung nicht geändert, so dass ich auf dem Rückweg angenehm angeschoben wurde.

Nachmittags bliesen die Kohlekraftwerke am Horizont bizarre Dampfungetüme in den Himmel

Abends begann mit dem Ordensfest der Karnevalsgesellschaft die Session. Nicht, dass ich es kaum erwarten konnte, aber meinetwegen. Na dann: dreimol hetzlisch Alaaf.

Samstag: Nach spätem externen Frühstück mit den Lieben (das Ordensfest hatte keine appetitmindernden Nachwirkungen) unternahm ich einen Spaziergang. Bei allem, was man am Universum zurzeit beklagen kann: Der Herbst ist in diesem Jahr besonders wohlgeraten.

Nordstadt
Innere Nordstadt

Abends aßen wir im Wirtshaus Gänsekeule mit Rotkohl und Klößen, wie es sich gehört. Auch so ein Gericht, bei dem ich mich frage, warum es das nur saisonal gibt, während Enten und Hühnern ganzjährig die Federn gerupft werden.

Da geht noch was

Sonntag: Dieser Tag zeigte sich im Gegensatz zu den Vortagen wesentlich novembriger, trüb und sonnenlos. Also so, wie viele den November malen würden, wenn sie müssten und könnten und weshalb er bei vielen – zu unrecht, wie ich finde – als unbeliebtester Monat gilt. Immerhin blieb es trocken und die Temperatur draußenbiertauglich, so dass der Spaziergang am Nachmittag in noch gut besuchter Außengastronomie abgerundet werden konnte. Über die Wespe, die kurz mein Glas umkreiste, bevor sie ihrem vermutlich baldigen Ende entgegen flog, staunte ich dennoch.

Ich persönlich finde den Februar viel schlimmer, obwohl (oder weil?) ich dann Geburtstag habe; wenn das Gefühl, jetzt ist es aber mal gut mit kalt und keine Blätter an den Bäumen, auf das Gemüt drückt.

Vorher aber, bald schon, ist dort, wo ich sitze und diese Zeilen ins Datengerät tippe, Weihnachtsmarkt. Trotz allem Kitsch und meiner grundsätzlichen Weihnachtssinninfragestellung (ich liebe unsere Sprache, die solche Wörter ermöglicht) freue ich mich ein wenig darauf.

Die allgemeine Verblödung ist unübersehbar

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, kommen Sie gut durch die Woche.

19:30

Woche 44/2025: Kein Ausstieg in der Abstellung

Montag: Der erste Tag der Woche, nunmehr wieder in Mitteleuropäischer („Winter“-)Zeit, war gefüllt mit üblichen Müd- und Geschäftigkeiten und vollherbstlich-handkaltem Wetter, indes ohne berichtenswerte Vorkommnisse. Vormittags war ich dankbar, in einer zweistündigen Informationsveranstaltung, die erfreulicherweise nicht den albernen Titel Townhall trug, einfach nur sitzen und zuhören zu können. Anschließend tauschte ich mich beim Mittagessen, aufgrund ungünstiger Umstände während der Hauptverzehrzeit, mit einer lieben Kollegin über die Provence aus. Zum Abendessen gab es passend dazu Rosé, somit endete auch dieser Tag erfreulich.

Dienstag: Erfreulich auch der heutige Fußweg ins Werk ohne Regen. Regen hingegen nachmittags, so dass das Deutschlandticket mal wieder genutzt wurde, jedenfalls theoretisch, sehen wollte es in der Bahn niemand.

Morgens, deutlich heller, vgl. vergangene Woche

Erfreulich auch, jedenfalls für Veganer und -innen, ein vorläufiger Sieg der Vernunft, nachdem kürzlich noch darüber debattiert wurde, ob Wurst zwingend Fleisch enthalten muss: Der norddeutsche Hersteller einer eierlikörähnlichen, gleichwohl eierfreien Spirituose darf sein Getränk nach Entscheidung des Landgerichts Kiel weiterhin „Likör ohne Eier“ nennen. Das missfällt den Herstellern eierhaltiger Liköre, beziehungsweise geht ihnen auf die Eier. Deren Interessenvertretung mit dem etwas bedrohlichen Namen „Schutzverband der Spirituosen-Industrie“ (deren Vorsitzender Inhaber der bekannten Bonner Eierlikörfabrikation ist) hat bereits angekündigt, dagegen in Berufung zu gehen, was wiederum einiges über die Einschätzung der Intelligenz derer Kunden und ihrer Auslegung des Wortes „ohne“ aussagt. Eieiei.

Mittwoch: Die Vorlieben der Menschen sind verschieden, ebenso ihre Abneigungen. Der eine braust auf, wenn er sich kritisiert glaubt, der andere zürnt, wenn der Raumpflegeplan in Verzug zu geraten droht; ich hingegen rolle heftig die Augen, wenn man mir unaufgefordert ein Mobiltelefon vor die Nase hält, auf dass ich schaue, insbesondere beim Essen und von Menschen, die das genau wissen. Ich weiß nicht, warum das so ist, jedenfalls möchte ich es nicht.

Donnerstag: Eines der Dinge, die auf meiner ungeschriebenen Müsste-ich-mal-machen-Liste ziemlich weit oben stehen ist Sport. Ja, da staunen Sie. Also mehr als Wandern, Spazieren, Radfahren und der werktägliche Treppenstieg im Turm, was ja alles auch nicht nichts ist. Nicht, dass ich einer Fuß-, Hand-, Basket-, Volley- oder was auch immer -Ballmanschaft beitreten wollte, meine Abneigung gegen Ballspiele aller Art ist ungebrochen, aktiv wie passiv, überhaupt jede Art sportlicher Betätigung, bei der das Gewinnen im Mittelpunkt steht. Vielmehr meine ich die nicht gewinnorientierte Muskelpflege an Geräten: im Fitnessstudio, oder Gym, wie sich für modern haltende Menschen sagen.

Vor längerer Zeit, vermutlich ist es noch länger her als dieses Blog existiert, war ich schon mal Mitglied einer solchen Stätte. Anfangs war ich motiviert, trainierte dreimal die Woche, dann zweimal, später einmal, danach ab und zu, schließlich gar nicht mehr, die Motivation war weg, ich fand es nur noch lästig und langweilig. Doch nun der Sinneswandel: Meine Lieben trainieren seit einiger Zeit in einem nahegelegenen Studio und berichten Gutes darüber. Es sei nie voll, das Personal angenehm. Wenigstens anschauen wollte ich es mir mal. Und zwar heute, an meinem freien Donnerstag, statt der üblichen Wanderung mittags ein Probetraining. Der sehr nette Trainer erklärte mir die Geräte und stellte sie auf mich ein, dank moderner Technik merken sie sich das; wenn ich mich mit meinem persönlichen Chiparmband anmelde, fahren sie selbsttätig in die richtige Position. Das mag Ihnen, falls Sie regelmäßig sowas machen, selbstverständlich erscheinen, für mich war es neu; in dem Studio damals musste ich alles selbst einstellen. Nachdem alles erklärt und eingestellt war, gab es einen weiteren Durchgang, das ging schon recht gut, fast bin ich versucht zu schreiben, es hat Spaß gemacht. Mein Vorsatz nun oder wenigstens die Idee: zweimal wöchentlich, montags und mittwochs jeweils direkt nach der Arbeit. Ab Montag. Übrigens ist die Mitgliedschaft monatlich kündbar.

Um nicht völlig auf Wanderlust und Herbstwald zu verzichten, unternahm ich nachmittags eine Kleinwanderung über den Venusberg bis Kessenich, zurück mit der Straßenbahn, somit war die anschließende Einkehr auf Currywurst und Bier auch gerechtfertigt. Im Wald begegnete mir ein Paar mit zwei unangeleinten Hunden. Als die vorauslaufenden Hunde* mich sahen, blieben sie stehen, dann liefen sie zurück zu ihren Menschen** und baten kongruent um Anleinung. Respekt, derart gut erzogene Hunde habe ich noch nicht erlebt.

*Viele hätten hier wohl „Vierbeiner“ geschrieben.

**Durch Verzicht auf dieses ausgeleierte Synonym brachte ich mich um die Möglichkeit, hier „Zweibeiner“ zu schreiben.

Südstadt
Venusberg

Auf der oben genannten Liste stünden weiterhin: mein Englisch verbessern und endlich richtig Französisch lernen. Freihändig Fahrradfahren vielleicht auch, weiter unten, ich komme gut damit klar, es nicht zu können. Überhaupt wäre die Liste der Dinge, die ich nicht mehr machen möchte und muss, wesentlich länger. Dazu hat der geschätzte Mitblogger Herr Buddenbohm das Wesentliche aufgeschrieben, treffender könnte ich es nicht:

Mir fallen viel eher Sachen ein, die ich nicht mehr machen möchte. Sie fallen mir jedenfalls deutlich eher ein als Sachen, die ich dringend noch machen möchte. Ich pfeife auf den Jakobsweg und auf Flugstunden, auf das Erlernen von Schwimmstilvarianten und den Erwerb einer Marathonqualifikation. Viel wichtiger ist es mir, viel erstrebenswerter kommt es mir vor, diverse Aufgaben loszuwerden. Dies und das nicht mehr machen zu müssen, es wäre mir wahrlich ein Fest. Hier und da nicht mehr verantwortlich zu sein, nicht mehr zuständig und administrationspflichtig. Auch nicht mehr ansprech- oder erreichbar. Wäre ich nicht erreichbar, ich hätte wirklich etwas erreicht.

(Überhaupt maße ich mir nicht an, irgendetwas treffender oder besser schreiben zu können als Herr Buddenbohm.)

Über Frau AnJe fand ich einen höchst lesenswerten Artikel über das Älterwerden. Hier ein Auszug:

In deinen 20ern sagst du: „vor etwa drei Jahren“, wenn du von Erinnerungen sprichst, von denen du nicht mehr genau weißt, wie lange sie her sind. Irgendwann hörst du dich dann plötzlich „vor etwa zwanzig Jahren“ sagen. Und das nicht nur einmal, sondern immer wieder. Und zwar über Dinge, die sich anfühlen, als seien sie vor drei Jahren passiert.

[…]

Warum fühlt sich Älterwerden manchmal so abrupt und plötzlich an? Ein Grund ist, dass zwischen unserem realen und gefühlten Alter oft eine Lücke klafft. […] Wenn du 18 bist, fühlst du dich wie 18, wenn du 35 bist, fühlst du dich wie 35. Und wenn du 53 bist, fühlst du dich wie … 35. Ständig musst du zwischen deinem gefühlten Alter und deinem wahren Alter vermitteln. Ständig musst du dich selbst daran erinnern, dass du eben nicht mehr dieser Mensch bist und dich entsprechend verhalten solltest. […] Wenn du jung bist und mit einem Älteren sprichst, denke dran: Der glaubt im Innersten vielleicht, er wäre in deinem Alter. Viele solcher Gespräche sind asymmetrisch. Der Jüngere spürt die Kluft, der Ältere nicht so sehr.

Freitag: Morgens ließ die aufgehende Sonne das Herbstgold besonders eindrucksvoll leuchten, was den Fußweg ins Werk zu einem besonderen Vergnügen machte und was zweifellos unter der Rubrik „Was schön war“ zu verbuchen ist.

Herbstgold I
Herbstgold II

In einer Besprechung mit zwölf Personen breitete sich in kürzester Zeit das Tatsächlich-Virus aus, keiner kam in seinem Redebeitrag ohne mehrfachen Gebrauch des Wortes aus, selbst solche, die diesbezüglich bislang unauffällig waren. Keiner? Doch, einer schon, raten Sie gerne, wer.

Auf dem Rückweg kam mir am Rheinufer ein älterer Herr mit Krückstock entgegen, der, abgesehen von der auffallend bunten statt rentnerbeigen Bekleidung, starke Ähnlichkeit mit Opa Hoppenstedt aufwies, einschließlich Pantoffeln. Sein Gang war etwas ungelenk wie eine Marionette der Augsburger Puppenkiste, der Stock lief nicht synchron mit den Schritten, nur ungefähr bei jedem zweiten Schritt hatte er Bodenberührung. Vielleicht fühle der Mann sich ebenfalls wie 35, siehe oben, jedenfalls wirkte er recht zufrieden. Warum auch nicht.

Abends kochte der Liebste für uns Grünkohl. Das traf sich gut, so mussten wir an diesem Halloween-Abend nicht mehr raus.

Gunkl zum Tage:

Als kulturübergreifende Maßnahme kann man sich ja das Gruselige, das in Halloween abgefeiert wird, und den Weltspartag verbinden, indem man sich die eigenen Kontoauszüge betrachtet.

Im Übrigen ging Halloween spurlos an uns vorüber: Weder wurden wir von Süßigkeiten begehrenden Menschen belästigt noch unser Haus mit Eiern oder schlimmerem beworfen.

Samstag: Die Nacht endete für mich zeitig, da ein Besuch der Mutter in Bielefeld anstand, wie üblich und von mir bevorzugt mit der Bahn. Bei Anfahrt des Kölner Hauptbahnhofs wurde mehrfach hintereinander darauf hingewiesen, dass die Fahrt dort endete und man auf keinen Fall vergesse, auszusteigen, weil der Zug danach abgestellt würde und, so die Durchsage, „in der Abstellung ist kein Ausstieg mehr möglich“, ein Satz, der sich vielleicht auch für andere Lebensbereiche verwenden ließe, darüber gelegentlich nachdenken.

Der anschließende Regionalexpress traf mit geringer Verspätung in Köln ein, die sich bis Bielefeld auf eine halbe Stunde ausweitete, weil der Zug mehrfach im Stau stand und es streckenweise nur langsam voranging. Mich störte das nicht, ich hatte einen Fensterplatz und keinen Termin in Bielefeld einzuhalten, konnte mich vielmehr dem großen Vergnügen des Sitzens und Schauens hingeben. Passend zum Tag durchfuhren wir langsam Neuss-Allerheiligen, was mir bei regulärer Reisegeschwindigkeit wohl entgangen wäre.

„Wirtschaften für deinen Wohlstand“ steht auf einem Plakat am Bahnhof Düsseldorf-Flughafen, „Wir“ in einer anderen Farbe als „tschaften“. Ich weiß nicht, für welches Produkt das Plakat wirbt, jedenfalls hätte ich als Auftraggeber der Werbeagentur dieses Wortspiel aus der Hölle nicht durchgehen lassen. Ähnliches gilt für „Obiraschungen“, gesehen beim bekannten Baumarkt in Oelde.

In Hamm grüßte aus der Abstellung ein Zug der Eurobahn mit „Frohes neues Jahr“ in der Zielanzeige. „Denk absurd“ wird einige Kilometer weiter per Lärmschutzwandbeschmierung gefordert. Dem komme ich gerne nach.

Sonntag: Nach dem Frühstück verließ ich Bielefeld, die Rückfahrt verlief erfreulich ohne nennenswerte Verspätung und begleitet durch die üblichen Geräusche von Menschen und ihren Geräten. Wobei mich immer wieder erstaunt, mit welcher Selbstverständlichkeit Leute ihre Umgebung beschallen, sei es durch köpfhörerloses Musikhören und Filmeschauen oder durch wörtliche Rede. Ab Duisburg plapperten schräg hinter mir zwei rollkofferbewehrte junge Männer auf dem Weg zum Flughafen Köln / Bonn, in jedem Satz mindestens einmal „ischwör“.

Statt in Köln eine halbe Stunde auf den Regionalexpress zu warten, fuhr ich direkt rechtsrheinisch bis Bonn-Beuel. So kam ich noch in den Genuss des Sonntagsspaziergangs und kehrte ungefähr zur selben Zeit heim wie wenn ich in Köln gewartet hätte.

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, kommen Sie gut durch die Woche.

Woche 43/2025: Alles in allem zumeist sinnvolle oder wenigstens tagfüllende Tätigkeiten

Montag: Die neue Woche begann mit einer Lüge und einer Fehleinschätzung. Gelogen hatte – mal wieder – die Wetter-App, die morgens anzeigte, der Regen sei durch. Die anschließende Fehleinschätzung lag darin, das, was bei Verlassen des Hauses vom Himmel fiel, als ein paar letzte Tropfen zu interpretieren, die sicher gleich zu fallen aufhören würden, und deshalb das Fahrrad zu nehmen. Nach einer Stunde am Schreibtisch waren die Hosenbeine wieder trocken.

Dessen ungeachtet gingen mir die Gewerke ganz gut von der Hand und der Arbeitstag endete zeitig, man muss es nicht gleich zu Wochenbeginn übertreiben, nicht wahr.

In einer Regelung las ich das Verb „händeln“. Wie eine schnelle Duden-Recherche ergab, gibt es das Wort nicht, oder jedenfalls kennt es der Duden noch nicht, obwohl es in fast jeder Besprechung gebraucht wird und dann mutmaßlich alle wissen, was gemeint ist.

Die Rückfahrt erfolgte indessen trocken bei herbstlicher Milde unter einem blaufleckigen Himmel, freundlicher Rückenwind schob mich am Rheinufer dem trauten Heim entgegen.

Es gab schon wesentlich beschwerlichere Montage.

Dienstag: Zu Fuß ins Werk und zurück, wobei es morgens wesentlich dunkler war als vergangene Woche um dieselbe Zeit, was an der weitgehend geschlossenen Wolkendecke gelegen haben mag. Nächste Woche wird es dann dank Uhrenumstellung wieder heller sein.

Zurück nahm ich einen kleinen Umweg, weil es mild und ich guter Hoffnung war, dass es beim Salvator noch Oktoberfestbier gibt. Ich wurde nicht enttäuscht.

Die Tage wurde ich in einem Formular mal wieder nach meinem Beruf gefragt. Dann weiß ich nie, was ich antworten soll. Eine Ausbildung hatte ich schon, darf mich seitdem Diplomverwaltungswirt nennen, meine derzeitige Stellenbezeichnung lautet Senior-Experte oder Senior Specialist, also nichts, worunter Betriebfremde sich etwas vorstellen können wie etwa bei einem Tischler, Lokführer oder Pornodarsteller. Ich gehe täglich ins Büro und mache dort typische Bürodinge wie Mails lesen und schreiben, telefonieren, an Besprechungen teilnehmen, Kästchen ausfüllen. Manchmal räume ich zur Pflege des Kaffeeküchenkarmas die Spülmaschine ein oder aus, oder befreie den Abfluss im Waschbecken der Toilette von Papierfetzen, auf dass das Wasser wieder ablaufe. Alles in allem zumeist sinnvolle oder wenigstens tagfüllende Tätigkeiten, für die es indes keine griffige Berufsbezeichnung gibt. Heute beim Gehen fiel mir die Antwort ein: Ich bin ein Bürokrat. Da dieser Begriff eher negativ besetzt ist, gebe ich beim nächsten Mal vielleicht Büroiker oder Büronaut an. Vielleicht auch nicht, ich sollte noch ein wenig darüber nachdenken.

Morgens
Nachmittags

Mittwoch: Kürzlich wurde mit „Das crazy“ das Jugendwort des Jahres bestimmt. Nach der umstrittenen Äußerung des Bundeskanzler das Stadtbild betreffend und der deshalb herrschenden allgemeinen Empörung dürfte nun auch das Unwort dieses Jahres gefunden sein.

Nicht empört, vielmehr erfreut war ich über die nachmittags im Briefkasten vorgefundene Postkarte mit Alpakabezug. Lieber T., herzlichen Dank dafür!

Nachtrag zu den gestrigen Berufsbezeichnungsüberlegungen: Wie wäre es mit Bürologe, -nom oder -mane?

Donnerstag: Sturmtief Joshua zeigte sich wenigstens hier einigermaßen verträglich und ermöglichte mir den Fußweg ins Werk und zurück, ohne nennenswert nass zu werden. Ab dem Nachmittag ließ stärkerer Wind den Turm knarzen wie ein Schiff bei Seegang. Laut einem in der Zeitung zitierten Meteorologen ist der Vollherbst da, ein mir neuer Begriff. Demnach hatten wir bislang Halb- oder Teilherbst.

„Ich bin kürzlich auf deinen Hintergrund gestoßen und war wirklich beeindruckt von der Tieffe an Erfahrung, die du im digitalen Bereich aufgebaut hast. Dein Profil zeigt eine starke Mischung aus Führungskompetenz, Leistungsverständnis und strategischem Denken.“ Tieffe? Führungskompetenz, Leistungsverständnis? Ich? Manche Versender von Spam versuchen gar nicht erst, ihre Absichten zu verschleiern.

Turmblick Richtung Innenstadt

Freitag: Aus der Täterbeschreibung in einem Zeitungsartikel: „Er trug eine Glatze“.

In einem werksinternen Dokument las ich mehrfach das etwas antike Adverb „mithin“ und freute mich darob.

Zwischenzeitlich schaute ich per Webcam immer wieder nach Büsum, wo Joshua die Nordseefluten gegen den Deich trieb. Deswegen blieb die Hafenschleuse geschlossen und die Funny Girl im Hafen anstatt nach Helgoland zu fahren. Hier bei uns war es hingegen vollherbstlich ruhig und überwiegend trocken, so dass die Radfahrt ins Werk und zurück unbeweht und -regnet möglich war.

Turmblick in Richtung Venusberg
Tosende Nordsee

Samstag: Heute feiert einer in diesem Haushalt runden Geburtstag. Das leitet elegant über zur nächsten Frage der Woche.

Nummer 50 lautet: „Was kannst du richtig gut?“ Hier muss die Antwort leider lauten: nichts. Jedenfalls fällt mir nichts ein, was ich gut oder wenigstens besser als die meisten anderen kann, vielmehr liegen die meisten meiner Fähigkeiten im Mittelmaß. Damit komme ich bislang gut zurecht und beklage mich nicht.

Der oben genannte Geburtstag ist übrigens verbunden mit einem Reisebeschluss nach Paris im nächsten Mai. Somit werde ich dort auch endlich mal gewesen sein und muss mich nicht länger fragen lassen: „Was, du warst noch nie in Paris?“

Zur Feier des Tages waren wir abends im GOP-Theater, wo die Show „Youniverse“ gegeben wurde, zuvor stärkten wir uns im angeschlossenen Restaurant. Verglichen mit früheren Besuchen waren wir von der Show etwas enttäuscht: Es wurde weniger beeindruckende Akrobatik geboten, und die dahinterstehende Geschichte, irgendwas mit digital, erschloss sich uns nicht. Es war dennoch ein unterhaltsamer Abend.

Durchgang am GOP

Sonntag: In der Sonntagszeitung las ich mit Schaudern einen Artikel über ein mögliches künftiges Weltgefüge, in dem die Macht aufgeteilt ist auf die USA, Russland und China, wobei Deutschland dem russischen Block zugeteilt wird. Und das möglicherweise schon sehr bald, ab 2028, wenn nach den nächsten Wahlen in Europa die rechten Parteien erstarken. Vielleicht hat es längst schon begonnen und das, was gerade um uns herum geschieht, ist so wenig aufzuhalten wie der Klimawandel. Alles in allem keine guten Aussichten für Menschen, die nicht weiß, christgläubig und heterosexuell sind. Das kann die Laune schon trüben; man muss dankbar sein für jeden Tag, an dem man in Ruhe leben und lieben kann, wie man will.

Zur Hebung der Laune unternahm ich einen langen Spaziergang auf die andere Rheinseite, dabei fiel mir einiges zum Thema Stadtbild auf:

Stadtbild I
Stadtbild II
Stadtbild III
Stadtbild IV mit „Sitzgruppe“
Stadtbild V
Stadtbild VI
Stadtbild VII
Stadtbild VIII
Stadtbild IX

Viel besser wurde die Laune nicht.

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Kommen Sie gut durch die Woche und lassen Sie sich nicht erschaudern.

19:00

#relevant: Wie wir uns fortbewegen

Die nächste Blogparade bei Blogissimo läuft. Dieses Mal lautet die Aufgabenstellung unter dem Stichwort #relevant: „Fahrrad, Auto, Bus“, also die Frage, wie wir uns bevorzugt von einem Ort zum anderen bewegen. Auf gehts.

***

Fahrrad, Auto, Bus – da fehlen mir wesentliche Elemente (oder: Da regt mich ja die Frage schon auf, wie es Frau Hoppenstedt einst formulierte), nämlich Bahn und zu Fuß, zugleich die von mir bevorzugten Fortbewegungsformen. Ich liebe Gehen, Strecken bis etwa fünf Kilometern lege ich möglichst zu Fuß zurück. Nichts ermöglicht es mehr als das Gehen, die Details der Umgebung so intensiv wahrzunehmen. (Eine besondere Form des Gehens ist das Wandern, auch das liebe ich, wobei die ideale Wanderstrecke nicht zu steil und nicht wesentlich länger als zwanzig Kilometer ist. Dabei dient das Wandern dem Selbstzweck, also der Befriedigung der Wanderlust, nur selten hingegen der zielgerichteten Überwindung einer Strecke von A nach B.)

Für Strecken bis etwa zehn Kilometer, oder wenn die Zeit zu knapp ist zum Gehen, bevorzuge ich das Fahrrad. (Auch hier muss unterschieden werden zwischen zielgerichteter Wegstrecke und Lustfahrten; Radtouren können wesentlich länger werden, dabei sollten sie keine längeren Steigungen enthalten, diese wirken sich deutlich lustmindernd aus. Es sei denn, es steht elektrische Unterstützung zur Verfügung, die mich auf Knopfdruck unsichtbar anschiebt.)

Für weitere Strecken oder wenn es regnet oder sonstige meteorologische Unbill herrscht, fahre ich mit Bahn und Bus. Dank freundlicher Subventionierung durch den Arbeitgeber verfüge ich über das Deutschlandticket, auch wenn es sich für mich eigentlich nicht mehr lohnt. Aber es ist schon äußerst praktisch, bei Bedarf jederzeit irgendwo in einen Bus oder eine Bahn steigen zu können, ohne mir Gedanken über das örtliche Tarifsystem machen zu müssen. Bei größeren Entfernungen ist immer noch die Bahn erste Wahl, trotz ihrer viel besungenen Unzuverlässigkeit, Verspätungen und Ausfälle. Es gibt für mich keine angenehmere Art zu reisen, dabei kann ich stundenlang aus dem Fenster schauen und die durchfahrene Landschaft vorüberziehen lassen, ohne den Drang zu verspüren, auf das Datengerät zu schauen. Vorausgesetzt, ich habe einen Sitzplatz am Fenster, was in heutigen Zügen nicht mehr selbstverständlich ist. Es scheint den Konstrukteuren nicht mehr möglich zu sein, Züge so zu bauen, dass jeder Fensterplatz den freien Blick nach draußen ermöglicht, stattdessen schaut man nicht selten gegen die graue Wand zwischen zwei Fenstern.

Autofahren mag ich nicht, am wenigsten als Fahrer, auch als Beifahrer sitze ich am liebsten hinten, weil mir der Fahrer meistens zu schnell, zu langsam, mit zu wenig Abstand oder unnötig auf der linken Spur fährt. Am meisten stören mich beim Autofahren die anderen Autos, die auf der Autobahn ohne Rücksicht vor mir links rüberziehen oder mich von hinten bedrängen, wenn ich mich an die vorgegebenen Geschwindigkeit halte. Auch Blinken scheint aus der Mode zu sein. Nur wenn es gar nicht anders geht, etwa weil das Ziel mit anderen Verkehrsmitteln nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu erreichen wäre oder schwere Lasten zu transportieren sind, nehme ich das Auto. Ansonsten bin ich glücklich und empfinde es als Privileg, meine Arbeitsstelle wahlweise zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit der Stadtbahn zu erreichen und nicht regelmäßig im Stau zu stehen.

Auch hier brachte die Coronazeit einen Wandel. Zuvor fuhr ich fast ausschließlich mit der Bahn zur Arbeit, einmal wöchentlich ging ich zu Fuß. Dann, während der Pandemie, fuhr ich konsequent bei jedem Wetter mit dem Fahrrad statt der Bahn, auch bei Kälte und Regen. (Von der Möglichkeit des Heimbüros machte und mache ich keinen Gebrauch, weil ich das schrecklich finde; das ist ein anderes Thema.) Dabei bin ich geblieben: Montags, mittwochs und freitags fahre ich mit dem Fahrrad, dienstags und donnerstags gehe ich zu Fuß. Außer bei Regen, Sturm, Hagel oder Glatteis, dann nutze ich das Deutschlandticket.

Gesehen im Hamburger Hauptbahnhof

Im Übrigen bin ich auch gerne zu Hause, daher stimme ich voll und ganz Blaise Pascal zu, dem der Satz zugeschrieben wird: „Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen.“

Woche 42/2025: Englisch sprechende Menschen in weißen Turnschuhen

Montag: „Words are very unnecessary“ sang Depeche Mode morgens im Radio. Ich fühlte mich bestätigt, was mich nicht davor bewahrte, gelegentlich sprechen zu müssen.

Meines Erachtens unnötige Worte verschwendete am frühen Abend auch der Liebste, als er eine Autofahrerin belehrte, die sich anschickte, im Halteverbot vor unserem Haus zu parken. Zum Dank hörte er „Ich parke aber immer hier“ und „Regeln? Nun kommen Sie mir nicht so!“ Mir ist es mittlerweile viel zu mühsam, fremde Leute auf ihr Fehlverhalten anzusprechen, wenn es mich nicht unmittelbar betrifft. Das macht nur schlechte Laune auf beiden Seiten und der Angesprochene ändert sein Verhalten erst recht nicht. Menschen wollen nicht belehrt werden. Wer nicht will, muss eben zahlen.

Aus der Zeitung: „Söders Strahlkraft ist innerhalb der CSU im Moment für niemand anderen auch nur ansatzweise erreichbar. Sein Glück sei es, dass es keinen zweiten Söder gebe.“ Nicht nur seins.

Dienstag: Auch heute fragte ich mich wieder, warum junge Kollegen nicht mehr in der Lage sind, ein einfaches „Hallo“ oder „Guten Morgen“ einigermaßen angemessen zu erwidern und mich stattdessen, während sie sich einen unverständlichen Grunzlaut abringen, anschauen, als hätte ich einen auffälligen Hautausschlag oder stünde unbekleidet vor ihnen. Was ist mit denen los?

Auch wunderte ich mich über die große Anzahl von Rechtschreibfehlern (über die sachlich-inhaltlichen äußere ich mich gar nicht) in gelesenen Anforderungsdokumenten. Wie sehr muss man unter Druck stehen, dass man sich das nicht nochmal durchliest, bevor man es absendet? Oder ist es Absicht, um den Anschein hoher Arbeitsbelastung entstehen zu lassen? Oder ist das einfach egal, Hauptsache man ahnt ungefähr, um was es geht?

Überhaupt wundere (oder ärgere) ich mich immer wieder über die zunehmend liederliche Art der werksinternen, manchmal aus -externen Kommunikation, nicht nur wegen Rechtschreib- und Grammatikfehlern. Vieles erfolgt nur noch auf Zuruf oder per Teams-Chat, schon eine Woche später kaum noch nachvollziehbar. Erst heute entging mir wieder eine mindestens wissenswerte Information, weil ich nicht Teil der betreffenden Chatgruppe war. Andererseits, wie eine frühere Kollegin zu sagen pflegte, ich zitierte es bereits mehrfach, was dessen Wahrheit nicht schmälert: Unwissenheit schafft Freizeit.

Beliebt ist es auch, zu einer Teams-Besprechung einzuladen ohne konkrete beziehungsweise im Einladungsbetreff nur rudimentär beschriebene Angabe, um was es geht. Solche Besprechungen enden oft nach kurzer Zeit, weil ich mich nicht in der Lage sehe und auch nicht bereit bin, die zu erörternden Fragen spontan, ohne Recherche oder wenigstens gründliches Nachdenken zu beantworten. Auf meine Bitte, mir das Problem noch einmal schriftlich zukommen zu lassen, kommt dann oft nichts mehr.

Immer öfter denke ich: Ich bin zu alt für diesen Scheiß. Vielleicht bin ich es wirklich.

Ansonsten war der Tag von leuchtendem Herbstgold verziert:

Morgens am Rhein
Ebenda
Auf dem Rückweg
Gülden auch das Oktoberfestbier im Glas

Mittwoch: Vormittags brachte eine Kollegin der Nachbarabteilung ihr Kind mit ins Büro. Kein Säugling, es kann schon laufen, und also lief es den Flur auf und ab, gefolgt von der mit durchdringender Stimme auf es einredenden Mutter und augenscheinlich zum Zwecke der Niedlichfindeaufforderung. An unserem Büro liefen sie dank geschlossener Glastür vorbei, was vielleicht auch am Augenrollen von mir und meiner Bürogenossin lag, die ähnlich antinatalistisch veranlagt ist wie ich.

Danach wurde das Kind noch lautstark (die Mutter) etwas bespaßt, ehe es wieder weg war, vielleicht abgeholt, und die Kollegin sich im Nachbarbüro platzierte, wo sie mit unverminderter Lautstärke lange und viel telefonierte.

Dafür war es abends zu Hause sehr ruhig, weil jemandem offenbar eine auch auf Nachfrage nicht näher beschriebene Laus über die Leber gelaufen war und er es deshalb vorzog, zu schweigen. Mir war es recht, siehe Montagmorgen.

Donnerstag: Diese ist eine gerade, somit eine kleine Woche, das heißt, heute hatte ich frei. Der Tag begann mit dem Frühstück im Kaufhof-Restaurant, das kurz nach der Öffnungszeit schon erstaunlich gut besucht war, keineswegs nur von Rentnern. Haben die nichts zu tun an einem Tag, da anständige Menschen arbeiten? Vielleicht waren das Touristen, oder Lehrer in den Herbstferien.

Danach übte ich mich in Örben Heiking; für eine längere Wanderung war keine Zeit, da ich in Bereitschaft war zur Erledigung einer Vereinsangelegenheit, namentlich Korrekturlesen eines Druckwerks, das bis Anfang November fertig sein muss und morgen in den Druck gehen sollte. Dazu benötigte ich die Zuarbeit anderer, die im Laufe des Tages eintreffen sollte. Um dennoch wenigstens etwas in Gehgenuss zu kommen, fuhr ich mit dem Bus bis zur Endhaltestelle im Stadtteil Brüser Berg, von dort ging ich zu Fuß zurück durch das mir bislang unbekannte, herbstlich eingefärbte Derletal, Duisdorf, Lessenich, das Messdorfer Feld, Endenich und die Weststadt; Ziel war die Gaststätte am Friedensplatz, wo ich am frühen Nachmittag eintraf, um mich mit Hilfe von Currywurst und Bier zu regenerieren.

Im Derletal
Ebendorten
Für die Sammlung – ein außergewöhnlich pitoresker Trafoturm in Lessenich
Messdorf
Essigbäume im Messdorfer Feld
Fassaden in der Weststadt

Frisch gestärkt war ich bereit für die Vereinsangelegenheit, jedoch traf die Zuarbeit heute nicht mehr ein. Dann geht es eben erst Montag in den Druck, sollte auch noch reichen. So lange wie es dauert, dauert es halt.

Freitag: „… wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, …“ beginnt eine Mail, die mich auf die Teilnahme an der regelmäßigen Pflichtschulung zur Korruptionsverhütung hinweist. Gerne hätte ich geantwortet „Die Freude ist ganz Ihrerseits“, wenn die Nachricht nicht von einem noreply-Absender gekommen wäre. Immerhin werde ich gesiezt, das ist mittlerweile selten in solchen Mitteilungen. Die Durchführung habe ich auf Montag terminiert, wenn die Arbeitslust ohnehin gering ist.

In der Kantine mittags war ich umgeben von englisch sprechenden Menschen in weißen Turnschuhen. Hat vermutlich nichts zu bedeuten, fiel mir nur auf.

Was schön war: Nach dem Mittagessen hatte ich Gelegenheit, an einer Führung für Externe durch den Turm teilzunehmen, in dem ich, mit zwei Unterbrechungen, vom ersten Tag seiner Inbetriebnahme vor dreiundzwanzig Jahren an arbeite. Viel Neues erfuhr ich dabei nicht, beging immerhin erstmals ein gläsernes Treppenhaus im Konferenzbereich, das weitgehend unnütz ist und, immerhin das war mir neu, seine Existenz der Tatsache verdankt, dass Kunst am Bau ab einer bestimmten Gebäudegröße Pflicht ist. Der Ordnung halber sei darauf hingewiesen, dass ich mich für die Führung in der Zeiterfassung ausgebucht hatte.

Auch schön: Die Wochenkolumne von Kurt Kister erscheint nach monatelanger Sommerpause wieder. Jedesmal, wenn er sich in eine solche Pause verabschiedet, lässt er ein wenig offen, ob er nochmal schreibend wiederkehren wird. Umso mehr freute es mich heute, als sie per Mail eintraf. Darin zitiert er einen gewissen Frank Turner mit diesem schönen Satz: „In einer Welt, die sich dafür entschieden hat, den Verstand zu verlieren, soll man wenigstens versuchen, freundlich zu sein.“ Ja, auch diesbezüglich sollte man stets bemüht sein.

Samstag: Während des Frühstücks mit dem Liebsten im Restaurant traf die bereits für Donnerstag erwartete Zuarbeit für das Vereins-Jahresheft ein, somit verbrachte ich anschließend einige Stunden am Schreibtisch. Was man so macht am Wochenende.

Der Begriff FOMO (fear of missing out, die Furcht, etwas zu verpassen) dürfte allgemein bekannt sein. Doch daneben gibt es auch MOMO, wie beim Hamburger Mitblogger zu lesen ist. Dazu schrieb er:

Mystery of Missing Out: Das Gefühl, etwas zu verpassen, ohne zu wissen, was es ist. Etwa weil andere nichts mehr über ihr vermeintlich tolles Erleben in den sozialen Medien teilen. Das ist ein sehr schönes Beispiel für Probleme, auf die ich noch nicht einmal ansatzweise gekommen bin.

Zeit für die nächste Frage. Heute ist der 291. Tag des Jahres. (Je nachdem, wo man schaut; nach anderen Quellen der 275. oder 290.; die meisten Quellen sagen 291, also glaube ich das mal. Ich könnte es auch mithilfe des Kalenders selbst ermitteln, aber so wichtig ich es nicht.) Frage 291 lautet: „Verzeihst du anderen Menschen leicht?“ Ja, ich glaube schon. Vielleicht, weil mir bislang nichts nachhaltig Unverzeihliches zugefügt wurde, jedenfalls erinnere ich mich an nichts derartiges. Auch meine Geburt war gut gemeint, da bin ich mir sicher. Sogar als der Geliebte vor ein paar Jahren mit dem Staubsauger über meine Modelleisenbahn ging, verrauchte der Zorn bald, nachdem diverse Figürchen und Fahrzeugteile aus dem Staubsaugerbeutel geborgen und wieder an den vorgesehenen Stellen befestigt waren. Vielleicht bin ich einfach zu gut für diese Welt.

Abends aßen wir mit einem befreundeten Paar, das wir lange nicht gesehen hatten, im französischen Restaurant. Exklusiv für uns gab es Lammkeule, die wir aus dem letzten Provence-Urlaub mitgebracht hatten, dazu perfekt passenden Rotwein aus Châteauneuf-du-Pape. Das war sehr schön und äußerst sättigend.

Sonntag: Noch immer gesättigt vom Vorabend verspürten wir nur geringen Frühstücksappetit, entsprechend unüppig fiel das Frühstück aus. Wesentlich empfänglicher für Nahrung zeigte sich eine Schar Raben am Rheinufer, die von Passanten mit Erdnüssen gefüttert wurden, wie ich während des Spaziergangs sah. Gerecht ist das nicht: Tauben dürfen nicht gefüttert werden, Raben schon.

Rheinufer
Innere Nordstadt

Ansonsten war es ein ruhiger Sonntag mit Lesezeit auf dem Sofa. Übrigens liest man nicht mehr einfach so, jedenfalls nicht längere Texte, Bücher gar, sondern man betreibt Deep Reading, wie ich hier las. Man geht ja auch seit geraumer Zeit nicht mehr einfach so durch einen Wald, sondern man betreibt Waldbaden. „In einer Welt, die sich dafür entschieden hat, den Verstand zu verlieren, …“ Siehe oben.

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Kommen Sie gut durch die Woche und bleiben Sie bei Verstand.

18:00