Herzlichen Glückwunsch, Twitter!

10Jahre_Twitter

Liebes Twitter,

ich gratuliere dir zu deinem zehnten Geburtstag! Selbst bin ich jetzt seit sieben Jahren dabei, ist ja auch schon ganz schön lange in dieser schnelllebigen Welt. Leider liest man in letzter Zeit nur wenig Gutes über dich: Der Aktienkurs schwächelt, die Nutzerzahl geht zurück, deine Manager verlassen dich. Dann ärgerst du auch noch deine Stammnutzer, indem Algorithmen die Anzeige des Verlaufs beeinflussen und du ihnen erlauben (!) möchtest, künftig mehr als die berühmten hundertvierzig Zeichen zu schreiben (worüber sich zu empören mir besonders abwegig erscheint. Wann haben sich zum letzten Mal Menschen darüber beschwert, dass ihnen ein Mehr gestattet wurde?).

Und doch hat sich unser beider Verhältnis in den letzten Jahren gewandelt, meine anfängliche Leidenschaft für dich ist deutlich abgekühlt. Was du falsch gemacht hast, fragst du? Nichts. Immerhin: Facebook, Wer-kennt-wen und XING habe ich längst den Rücken gekehrt; Google+, Snapchat und wie sie alle heißen habe ich gar nicht erst ausprobiert; dir hingegen halte ich noch immer die Treue, wenn auch nicht mehr mit so großer Begeisterung wie früher. Früher, als ich täglich viel Zeit damit verbrachte, zu lesen, was andere schrieben, selber regelmäßig schrieb, mich freute über Sternchen (warum sind das jetzt eigentlich Herzchen??) und neue Folger, sogar mehrfach an Twittertreffen teilnahm, wo ich viele nette Menschen kennen lernte, auch aus den Reihen der „Twitter-Prominenz“. Durch dich nahm ich an Lesungen teil, manchmal sogar aktiv.

Doch spürte ich bald auch das Suchtpotential, das von dir ausgeht: Sternchen und Folger bedeuten Aufmerksamkeit, und Aufmerksamkeit schreit nach mehr Aufmerksamkeit. Hinzu kam manchmal Neid: „Wieso bekommt der für so einen Mist jetzt so viele Sterne?“ oder, schlimmer: „Verdammt, warum ist mir das nicht eingefallen?“

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Dieser Wandel meiner inneren Einstellung zu dir störte mich. Ich schrieb auch hier über dich, was ganz gut ankam (und die vorgenannte Aufmerksamkeitsspirale weiter anspannte).

Doch irgendwann war es vorbei. Ich selbst las immer seltener, was andere schrieben, und wenn, brach ich gelangweilt nach wenigen Minuten ab (vor allem sonntags zur Tatort-Zeit). Viele von denjenigen, deren Zeugs ich immer gerne gelesen hatte, schrieben weniger oder gar nicht mehr. Auch mir fiel immer seltener etwas ein, was mir twitternswert erschien, und wenn doch, kam kaum noch Resonanz. Vielleicht, weil das, was ich selbst schrieb, nicht mehr gut war, vielleicht auch, weil die, die mich früher im Sternenglanz erstrahlen ließen, selbst nicht mehr bei dir reinschauten. Die Suchtspirale hat sich seitdem langsam entspannt, heute ist mir das vollkommen schnuppe.

Liebes Twitter, ich wünsche die für die nächsten mindestens zehn Jahre weiterhin alles Gute! Ob ich dann allerdings noch dabei sein werde, kann ich dir nicht versprechen. Und doch: Du hast mir in den vergangenen sieben Jahren viel Freude bereitet. Manchmal gelingt dir das heute noch. Deswegen bleibe ich. Erstmal.

Dein Postwestfale / @PlanC_

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5 Gedanken zu “Herzlichen Glückwunsch, Twitter!

  1. Thomas März 21, 2016 / 21:57

    Die Zeiten ändern sich. Aber das muss ja nicht unbedingt schlecht sein.

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  2. Zeitstimme März 25, 2016 / 18:32

    Kommt mir doch sehr bekannt vor.

    Wenn Twitter allerdings sein Textlimit erhöht – Wer soll das dann noch lesen? Die Entwicklung würde ja immer mehr in Richtung Blog gehen. Wie Du schon selbst schreibst – Du liest kaum noch Tweets anderer. Das wird sich wohl kaum ändern, wenn die Texte noch länger werden 🙂

    Ich denke eher, dass wie in vielen Bereichen im Internet eine Konsolidierung statt finden wird – Immer weniger User werden immer mehr Follower an sich binden. Vielleicht wird das ja sogar Twitter finanziell retten.

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