Woche 14/2024: Voller Einsatz und ein spontanes Wiedersehen

Montag: Mein Dank gilt der Christenheit für diesen weiteren arbeitsfreien Tag*. Da morgens anhaltender Regen auf das Fensterbrett vor dem Schlafzimmer prasselte und keine besonderen Verpflichtungen anstanden, blieben wir auch heute etwas länger liegen. Das Frühstück begann erst, als in anderen Haushalten schon das Osterlamm (oder der -blumenkohl, je nach Ernährungsgewohnheiten) aufgetischt wurde.

Danach hielten mich Regen und Feiertag nicht davon ab, Flaschen zum Altglascontainer zu bringen, wir waren diesbezüglich seit Rückkehr aus Frankreich recht produktiv. (Dort im Übrigen auch, jedoch kümmerten sich andere um die Entsorgung geleerter Flaschen.) Ich weiß, an Feiertagen darf man keine Flaschen einwerfen, doch schert mich das nicht: Erstens befindet sich in Hörweite der Container keine Wohnbebauung, zweitens ist es Motorrädern auch an allen Tagen erlaubt, ungehemmt durch die Gegend zu knallen.

Die Entsorgung verband ich mit einem Spaziergang an den Rhein und durch die Innere Nordstadt, die auch heute von Kirschblütenbegeisterten gut besucht war, nicht ganz so stark wie an den Vortagen. Dabei wunderte ich mich über mehrere Menschen, die trotz Trübnis Sonnenbrille trugen.

* Gab es schon Überlegungen, nur noch Kirchenmitgliedern den freien Tag zu gewähren, um den zunehmenden Kirchenaustritten zu begegnen und die darbende Wirtschaft zu stärken? Nur ein Gedanke, um Himmels Willen kein Vorschlag an gesetzgebende Stellen oder die FDP.

Dienstag: Wie üblich nach einem Urlaub kostete es am ersten Arbeitstag wieder erhebliche Energie, Interesse aufzubringen, für was zu interessieren ich gut bezahlt werde. Hinzu kam ab Mittag schwere Müdigkeit, zumal ich in der letzten Nacht nicht sehr gut geschlafen hatte. Zudem mutet ein leichtes Kratzen im hinteren Rachen wie der Beginn einer neuen Erkältung an, was ich, da die alte kaum vollständig abgeklungen ist, dem Körper persönlich übel nehmen würde.

Ansonsten zeigte sich der Arbeitstag gnädig: die Zahl der Mails überschaubar, darunter keine heute zu erledigenden Dringlichkeiten, nur eine Besprechung. Ab morgen dann wieder voller Einsatz.

Woanders is‘ auch sch …
Verstehe ich nicht

Mittwoch: Wegen Regens nahm ich morgens die Bahn. Am Hauptbahnhof stieg ein mitteljunges Paar mit geöffneten Handbieren ein, setzte sich in die Vierergruppe neben meiner und begann, sich über einen offenbar unwohlmeinenden Kioskbesitzer auszulassen, unter anderem fiel das Wort „Gammler“. Kurz darauf setzte sich ein junger Mann ihnen gegenüber, der sogleich ins Gespräch einbezogen wurde, indem sie ihm als erstes Bier anboten, das er dankend ablehnte mit Hinweis auf anstehende Werktätigkeit. Sie ließen nicht locker und entlockten ihm, dass er ein in Bonn geborener und lebender Kroate ist, woraufhin der Mann sagte: „Kroatien … da fällt mir gleich Cevapcici ein. Isst du gerne Cevapcici, oder ist die Frage diskriminierend?“ – „Fühlst du dich mehr als Deutscher oder Kroate?“ – „Wenn Deutschland gegen Kroatien Fußball spielt, für wen bist du dann?“ So ging das weiter, geduldig und schüchtern beantwortete der Junge alle Fragen. Ich bewunderte ihn, gleichzeitig tat er mir leid. Ich an seiner Stelle hätte mir wohl einen anderen Platz gesucht oder wäre ausgestiegen und mit der nächsten Bahn weitergefahren. Womöglich sind Kroaten geselliger oder toleranter gegen dummes Geschwätz als Ostwestfalen, aber vermutlich ist das wieder eine unzulässige Verallgemeinerung.

Im Büro der übliche Kram. Wenn eine Mail beginnt mit »Hi, wie beim letzten Meeting zum Thema schon anmoderiert«, tendiert meine Lust zum Weiterlesen gegen Zero.

Es ist nicht mehr zu übersehen: Diese Spezies wird zunehmend irre. Wenn Sie mal wirklich nichts besseres zu tun haben, rufen Sie den angegebenen Link auf, das ist recht unterhaltsam zu lesen.

Donnerstag: Die Tage las ich einen interessanten Artikel darüber, dass Produkte durch scheinbare Innovationen für den Anwender schlechter werden. Als Beispiele wurden Herde und Autoarmaturen genannt, die statt über klassische Drehknöpfe und Schieberegler nur noch über unverständliche Displays zu bedienen sind.

Ähnliches erfuhr ich gestern, als Microsoft mir vorschlug, die App To Do zu verwenden statt der Outlook-Aufgabenverwaltung, die mir ein wichtiges Werkzeug bei der täglichen Werktätigkeit ist. Neuerungen gegenüber durchaus aufgeschlossen stimmte ich zu und war sogleich enttäuscht, was nicht oder allenfalls sehr entfernt an der Bezeichnung der App lag. Sie ist unübersichtlich, ich vermisse die Gruppierung nach „Nicht begonnen“, „In Bearbeitung“, „Wartet auf anderen“ usw., auch empfand ich die Nutzung als wenig selbsterklärend. Daher nutze ich ab heute wieder die Outlook-Funktion und bin damit sehr zufrieden.

»Welche olympischen Sportarten siehst du dir am liebsten an?« lautet die Frage des Tages. Da fragen sie den Richtigen. Mangels Interesse schaue ich mir niemals sportliche Aktivitäten irgendwelcher Werbeträger an. Hinzu kommt, ich halte das IOC für eine korrupte Verbrecherbande, genauso die FIFA. Aber wenn man mich unter Gewaltandrohung und Alkoholentzug zwingen würde, wähle ich Turmspringen der Männer. Nicht aus sportlichem Interesse, rein aus optischen Gründen.

Freitag: Aus zeitlichen Gründen war es mir heute nicht möglich, mich an der Aktion #WMDEDGT von Frau Brüllen zu beteiligen. Das ist nicht als Klage zu verstehen, ganz im Gegenteil. Grund war ein recht spontanes Wiedersehen am Nachmittag und Abend mit der lieben Blogfreundin Frau Kraulquappe, über das ich mich sehr freute.

Foto: Der Liebste

Samstag: Lästige Vereinspflichten erforderten unzeitiges Aufstehen in der Frühe und eine Autofahrt nach Ostwestfalen. Beides, sowohl die Fahrt als auch die Pflicht, verliefen zufriedenstellend; im Anschluss besuchte ich die Mutter in Bielefeld, mit der ich einen erfreulichen Abend zu zweit verbrachte. An dessen Ende saßen wir in milder Abendluft mit einem Abendglas auf dem Balkon und schauten, die Straßenbahnendhaltestelle in Sichtweite, den Bahnen beim Ankommen und Abfahren zu. Das war sehr schön.

Pöter (m), ostwestfälsche Bezeichnung für eine hintere südliche Körperregion

Sonntag: Auch die Rückfahrt verlief ohne nennenswerte Ereignisse, noch vor Einsetzen des Oster-Rückreiseverkehrs kam ich nach gut zwei Stunden in Bonn an. Gleichwohl wurde meine grundsätzliche Abneigung gegen das Autofahren bestätigt. Augenscheinlich ist es nicht mehr erforderlich, beabsichtigte Fahrstreifenwechsel zuvor durch Blinken anzukündigen; die diesbezügliche Anpassung der Straßenverkehrsordnung muss mir entgangen sein.

Apropos Autobahn: Hat unser großartiger Verkehrsminister wirklich geäußert, ein Tempolimit sei schon deshalb nicht sinnvoll, weil der dadurch entgangene Zeitgewinn viele Autofahrer dazu bewegen würde, stattdessen die kürzere Strecke über die Dörfer zu wählen, das wäre der Landbevölkerung nicht zuzumuten?* Das ist ja noch besser als das Argument fehlender Verkehrsschilder vor einiger Zeit, Sie erinnern sich vielleicht. Fast kommt es heran an den von Marie Antoinette mutmaßlich nie gesagten Satz mit dem Brot und dem Kuchen. Es ist offensichtlich: Die FDP will uns hinter die Fichte führen.

*Aufgelesen hier im LandLebenBlog

Nach Rückkehr und kurzem Erlebnisaustausch mit meinen Lieben begab ich mich auf den üblichen Spaziergang, nach längerer Autofahrt besonders erforderlich. Die Innere Nordstadt lockt weiterhin zahlreiche Kirschblütenposer aus aller Welt, doch nicht mehr lange: Die ersten grünen Blätter wachsen aus dem pinken Gewölk, die Blütenblätter werden blasser und beginnen, abzufallen.

Jeder ist auf seine Art bekloppt

Der Lieblingsbiergarten hat seit gestern wieder geöffnet, das freut mich besonders. Dort hielt ich Einkehr auf ein Dunkles mit Brezen und las die Blogs der letzten drei Tage nach, wozu ich bislang nicht kam. Man war wieder überaus fleißig.

***

Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche, lassen Sie sich hinter keine Fichte führen, weder von der FDP noch sonst wem.

Woche 33: Diverse Unwägbarkeiten

Montag: Regen am Morgen. So sehr ich des Sommers Hitze schätze, so sehr kann ich mich auch für Regen begeistern. „Regenmöger“ als Bezeichnung meiner Person wäre daher nicht deplatziert, ebenso Warmduscher. Ich wüsste wirklich nicht, was an einem Brausebad unter angewärmtem Wasser Anlass zur Geringschätzung bietet.

Meine Bahn entfällt. Komme ich also später ins Werk, da gibt es wohl schlimmeres. Die Bahnhaltestelle ist überdacht und ich habe ein Buch dabei.

Die größte Herausforderung an Montagen liegt ja oft darin, nach dem Wochenende das Interesse wieder auf Dinge zu lenken, für welche zu interessieren man mich entlohnt.

„Die Lösung ist nicht ganz so fancy„, hörte ich in einer Besprechung und notierte es umgehend.

Dienstag: Nachtrag zu letzter Woche: Franzi hat einen schönen Text (unter anderem) zum Thema „Leben in der eigenen Welt“ geschrieben, den sie letzten Freitag auf der #Mimimimi-Lesung vortrug. Zitat: »Warum ist „Du lebst in deiner eigenen Welt“ nicht ganz offiziell eines der schönsten Komplimente, die man einem anderen Menschen machen kann?« Recht hat sie. Jeder hat das Recht, wenn nicht die Pflicht, in seiner eigenen Welt zu leben. Jedenfalls zeitweise.

In einer sehr eigenen Welt leben wohl auch Menschen, die sich Wörter wie „Eisenbahn-Inbetriebnahmegenehmigungsverordnung“ ausdenken.

Mittwoch: Jan Ullrich, Ende der Neunziger bekannt geworden als Radrennprofi und Werbeträger eines großen Telekommunikationsanbieters, zieht zurzeit aufgrund diverser persönlicher Unwägbarkeiten das Interesse zahlreicher Medien auf sich. Dabei ist das nur mäßig bis gar nicht interessant. Warum lassen die ihn nicht einfach in Ruhe?

Donnerstag: Heute war ich ziemlich müde den ganzen Tag über, vielleicht ein Glas Rosé zu viel am lauen Vorabend. Deshalb heute Weißwein.

Ich habe jetzt einen Rückspiegel am Fahrrad. Das ist wohl so ziemlich das uncoolste, was man haben kann, und doch wesentlich lebenserleichternder als so manche absurde App.

Herbert Reul beweist seine hervorragende Eignung als Innenminister von NRW, indem er verlangt, Gerichtsentscheidungen müssten auch das „Rechtsempfinden der Bevölkerung“ berücksichtigen. Nur: Was soll das sein? Was die Bild-Zeitung schreibt? Oder was bei Facebook gepostet wird? Oder was am lautesten geschrien wird?

Apropos Düsseldorf: „Dort gibt es Läden, in denen man gebrauchte Baby-Kleidung kaufen und gleichzeitig einen smoothie trinken kann. Das ist genau die Lebenswelt, die ich abstoßend und verachtenswert finde“, schreibt Seppo. Ich verstehe gut, was er meint.

Freitag: In gewisser Weise erscheint mit der Brückeneinsturz von Genua wie ein Symbol unserer Gesellschaft und ihrem Umgang mit der Natur: Viele wissen, dass dringend etwas getan werden muss, doch die, die was tun müssten, tun nichts. Bis zum Zusammenbruch. Dann haben die, die zuvor nichts taten, es ja immer gewusst.

Samstag und Sonntag: (Wird aus Zeitgründen nachgereicht.)

Tomatensaft trinkende Autoschleicher

Vor einiger Zeit las ich den Anfang eines Zeitungsinterviews, wobei ich mich weder erinnere, in welcher Zeitung, noch, wer befragt wurde und über was – vielleicht ein Buchautor, Musiker, Politiker, wahrscheinlich jedoch kein Sportler, jedenfalls fiele mir kein Grund ein, freiwillig ein Interview mit einem wandelnden Werbeträger zu lesen, nicht einmal den Anfang. Im Gegensatz zu den meisten Mitmenschen, vielleicht aufgrund eines genetischen Defekts, fehlt mir jedes Verständnis dafür, dass Sport in den Medien die gleiche Aufmerksamkeit zuteil wird wie Politik, Wirtschaft, Kultur, Klatsch und Tratsch, vor allem Fußball und Formel eins; die Nachrichtensendung heute leistet sich gar einen eigenen Sprecher nur für Sport, jeden Tag. Warum nur? Als wenn der andere Sprecher dieses belanglose Zeug nicht auch noch eben mit vorlesen könnte!

Das einzige von dem Interview erinnerte ist die Antwort auf die Frage, welche Menschen der Befragte nicht möge, nämlich langsam fahrende Autofahrer und Leute, die nur im Flugzeug Tomatensaft trinken. Mein erster Gedanke, als ich das las: Was für ein Arschloch! Es gibt sicher viele Gründe, bestimmten Menschengruppen abgeneigt zu sein, zum Beispiel Neonazis, IS-Terroristen, Evangelikalen Christen, Zeugen Jehovas, Telefonwerbern, Investmentbankern, Schlagersänger(inne)n. Oder Rasern und Dränglern. Sie alle bringen durch ihr Tun Leid oder wenigstens Störung in die Welt.

Gewiss, einen Schleicher vor sich zu haben, der vielleicht etwas sucht und sich nicht auskennt, ist für die meisten Autofahrer eine Zumutung, namentlich für diejenigen, die sich selbst für die besten Wagenlenker halten, obwohl sie Tempo fünfzig in geschlossenen Ortschaften für einen lächerlichen, nicht ernstzunehmenden Vorschlag halten, die Geschwindigkeitskontrollen und Strafzettel wegen Parkens in Halteverboten als fiese Abzocke empfinden und die laut „Genau!“ schreien, wenn die großbuchstabige Zeitung mal wieder das Bild von der „Melkkuh der Nation“ bemüht.

Was aber ist einem Gelegenheitstomatensafttrinker zur Last zu legen? Doch maximal, dass er in elftauschend Metern Höhe dem Dauertomatensafttrinker die letzte Dose weggeschnappt hat und sich zweiterer deshalb mit dem aus einer anderen Frucht Erpressten zufrieden geben muss. Ob so etwas in der Praxis vorkommt, entzieht sich meiner Kenntnis, ich trinke niemals Tomatensaft, weder in der Luft noch am Boden.

Ich mag solche Leute nicht. Daher brach ich die weitere Lektüre des Interviews ab.