Im Übrigen waren wir auch nicht besser

Vor längerer Zeit las ich, ich weiß nicht mehr wo, vielleicht in der Sonntagszeitung, den Text einer jungen Autorin. In Form eines offenen Briefes äußerte sie sich kritisch-verwundert über die Generation der sogenannten Boomer, ihre Engstirnigkeit wie etwa die Weigerung, ein Tempolimit auf Autobahnen zu akzeptieren oder geschlechterneutrale Sprache zu verwenden. Vieles in dem Text war zutreffend.

Gleichwohl erlaube ich mir, selbst nicht mehr der Jüngste (je nach Definition ebenfalls Boomer oder Generation X, nicht so wichtig) eine Erwiderung. Also:

Liebe Jungmenschen,*

vieles hat sich im Laufe der Jahrzehnte gewandelt hat, das meiste, auch wenn von vielen Vertretern meiner und noch älterer Altersgruppen gerne gegenteilig behauptet, zum Guten. Etwa das äußere Erscheinungsbild junger Männer: In den Siebzigern trugen sie Hosen mit weitem Schlag, lange Haare, gerne mit etwas schmieriger Anmutung, und Schnauzbärte. Allein wenn man Fußballspieler damals und heute miteinander vergleicht, bei allem mir gegebenem Desinteresse an Fußball, könnte man meinen, es handelte sich um unterschiedliche Spezies: Paul Breitner zu Thomas Müller, Günter Netzer zu Joshua Kimmich und was weiß ich wie die heute heißen.

Dagegen heute: Bis vor kurzem zeigtet ihr euch gerne mit gescheitelter Kurzhaarfrisur, Dreitagebart und schmal geschnittenen Hosen, bei jeder Außentemperatur knöchelfrei oder mit hochgezogenen weißen Sportsocken. Doch ist hier in letzter Zeit eine schleichende Verhässlichung zu beobachten. Damit meine ich nicht den inzwischen typischen Einheitsjugendlichen mit Alpakafrisur und weißen Turnschuhen, Verzeihung: Sneeker. Aber ihr solltet darüber nachdenken, ob eurem Erscheinungsbild die Rückkehr in die Siebziger- und Achtzigerjahre dienlich ist mit Vokuhila-Schnitt, Schnauzbärten und sackartigen Hosen.

Wenn ich bis hierher nur die Jungs angesprochen habe, liegt es daran, dass mir vergleichbares bei Mädchen bislang nicht so auffällt. Vielleicht achte ich auch nicht so sehr darauf, was bitte nicht frauenfeindlich oder -desinteressiert aufzufassen ist. Außerdem: Knöchelfrei bei jedem Wetter tragen sie seit jeher, auch und gerade Rentnerinnen.

Doch bei folgenden Beobachtungen fühlt euch gerne alle angesprochen.

Ständig blickt ihr aufs Datengerät: auf dem Fahrrad, beim Autofahren, in der Bahn und beim Warten auf diese sowieso. Beim Gehen durch die Stadt, beim Laufen, vermutlich auch während des Liebesspieles. Dabei tragt ihr stets Kopfhörer, zumeist diese kleinen weißen Einsteckstöpsel, auch während ihr miteinander sprecht. (Vielleicht werden in einigen Generationen die Menschen bereits damit geboren, fest verwachsen.) Dann schaut ihr Filmchen bei TikTok und Serien mit englischen Titeln. Über TikTok informiert ihr euch auch über das Weltgeschehen; Tagesschau und überhaupt lineares Fernsehen ist was für Alte. Überhaupt schaut ihr für alles Mögliche aufs Gerät; wenn ihr was wissen wollt, googelt ihr danach. Man könnte vermuten, Teile eures Hirns habt ihr auf das Smartphone ausgelagert.

Wenn ihr nicht draufschaut, telefoniert ihr. Wobei, das stimmt nicht ganz, dank flach vor das Gesicht gehaltenen Telefons schafft ihr es, zu telefonieren UND auf das Display zu schauen. Gerne mit eingeschaltetem Lautsprechen, damit auch alle anderen in den Genuss des vollständigen Gesprächs kommen, oder ihr haltet euch zum Hören die schmale Unterseite des Telefons ans Ohr.

Oder ihr macht Fotos, am liebsten von euch selbst, allein vor einem instagrammablen Hintergrund oder zusammen mit euren Freunden. Dann haltet ihr die Kamera mit ausgestrecktem Arm über Kopfhöhe vor euch und grinst hinein. Ist euch noch nie aufgefallen, wie dämlich das aussieht?

Fahrrad fahrt ihr stets im Stehen, auch im Gefälle. Warum? Welchen Vorteil hat das gegenüber bequemem Sitzen auf dem Sattel? Vielleicht werden künftige Fahrräder ohne Sattel hergestellt, so wie Autos kein Ersatzrad mehr haben und Züge vielleicht demnächst keine Fenster, weil alle nur noch auf ihre Geräte schauen und nicht nach draußen. Dafür mit mehreren Getränkehaltern. Es ist euch nicht möglich, ohne gefüllte Trinkflasche aus dem Haus zu gehen und im Minutentakt daran zu nippen. Fürchtet ihr, sonst zu verdursten? Ähnliches gilt für den Gehkaffee. Warum muss man mit einem Kaffeebecher, schlimmstenfalls Einweg, durch die Gegend laufen?

Gut, niemand sagt „Gehkaffee“, sondern Coffee to go. So wie ihr überhaupt gerne englisch sprecht. Weil ihr es könnt, wie ich ein wenig neidisch anerkenne. Aber muss man wirklich bei jeder Gelegenheit chillen, by the way, never ever, really, random sagen?

Aber auch wenn ihr nicht englisch sprecht, benutzt ihr komische Wörter: Alles möglich findet ihr krass, statt äh … sagt ihr genau, und tatsächlich an Stellen, wo es völlig überflüssig ist. Ungeachtet des Geschlechts nennt ihr euch gegenseitig Alter, vielleicht ist das auch gar keine Anrede, sondern nur eine universelle Gefühlsregung.

Ihr ernährt euch vegan, weil euch die Tiere leid tun. Daran ist nichts zu kritisieren, im Gegenteil, das ist sogar sehr lobenswert, wir alle sollten viel weniger Fleisch essen, den Tieren und dem Klima zuliebe, gesünder ist es auch. Doch tun euch nicht auch die Pflanzen leid, wenn sie zu veganer Leberwurst verarbeitet werden? Und was wird aus den ganzen Kühen, wenn niemand mehr Milch trinkt und Bic Mac isst?

Haftete Tätowierungen früher etwas Verruchtes an, sind sie für euch selbstverständlich und ihr zeigt sie mit Stolz. Manche von euch übertreiben es damit etwas, wenn Arme und Beine großflächig eingefärbt sind oder Ornamente am Hals entlang aus dem T-Shirt-Kragen flammen. So mancher von Natur aus wohlgeratener Körper wird dadurch freiwillig und dauerhaft verunstaltet. Warum?

Sympathisch, wenn auch anfangs gewöhnungsbedürftig finde ich eure Gewohneit, alle zu duzen, auch über Hierarchieebenen hinweg. Wobei Kommunikation nicht immer einfacher wird, wenn statt Herr Schröder, Frau Schmidt nur noch „der Tobi“ oder „die Steffi“ gesagt wird und man nicht sofort weiß, welcher beziehungsweise welche von mehreren gerade gemeint ist. Nicht geduzt werden möchte ich hingegen von Firmen, Organisationen und Webseiten. Da bin ich Boomer.

Man sagt euch eine gewisse Nachlässigkeit in der Arbeitsmoral nach, doch das glaube ich nicht. Ihr setzt halt andere Prioritäten, ordnet einer Karriere nicht alles andere unter. Vielleicht seid ihr auch ein wenig verwöhnt von euren Eltern, die ihr statt mit „Mama“ und „Papa“ mit ihren Vornamen ansprecht und die möglichst alle Unannehmlichkeiten von euch fernhalten.

In vielem stimme ich mit euch überein: Wir müssen viel mehr für Klima- und Naturschutz tun, damit ihr und eure Kinder, die ihr trotz allem Irrsinn in der Welt irgendwann haben wollt, auf eine angenehme Zukunft hoffen könnt. Wir müssen nicht jede noch so kurze Distanz mit dem Auto zurücklegen, weil es so bequem ist. Und Arbeit muss nicht der zentrale Lebensinhalt sein, siehe oben.

Im Übrigen waren wir auch nicht besser. In den Achtzigerjahren trugen wir seltsame Frisuren, schaut euch auf Youtube nur mal das Video zu Do They Know It‘s Christmas an. Unsere Bekleidung war auch fragwürdig: Die einen trugen wallende Bundfaltenhosen und grelle Seidenblusons, andere kleideten sich in selbst gefärbten Latzhosen und Hemden aus grobem Leinen, dazu einen Rauschebart.

Statt mit dem Smartphone beschäftigten wir uns stundenlang mit dem Zauberwürfel, später einem elektronischen Haustier namens Tamagotchi. Auch wir gingen schon mit Kopfhörern aus dem Haus, nur kam die Musik von einer Kassette im Walkman statt per Stream aus der Wolke.

Ich glaube, ihr seid nicht verkehrt. Und dass wir euch die Welt so hinterlassen wie sie ist, dafür könnt ihr nichts.

*Ich weiß nicht, wie ich euch anreden soll: Millenials, Generation Y, Z, Alpha, Beta, Gamma, Genau; sucht euch was aus, wenn ihr nicht viel älter als dreißig seid

Aus dem Familienalbum (ohne mich)

Woche 4/2025: Zwischen Feierabend und Abendfeier

Montag: Es ist immer wieder erstaunlich, wenn nicht erschreckend, wie viele Kollegen meiner Ebene am Wochenende Mails verschicken. Haben die nichts besseres zu tun?

Der Arbeitstag begann mit mehreren vom System geforderten Rechnerneustarts. Was muss das muss. Manchmal wünsche ich mir das für mein Hirn auch. Könnte helfen, vor allem am Montagmorgen. Ansonsten war die erste und vielleicht wichtigste Tätigkeit des Tages, den freien Tag für diese kleine Woche zu buchen, dieses Mal ausnahmsweise Freitag.

Während der Rechner neu startete, dachte ich über die Tagesfrage des Blogvermieters nach, die heute lautete: „Was ist dein Traumjob?“ Das ist schwierig zu beantworten, Privatier oder Pensionär zählen wohl nicht. Im Idealfall was mit länger Schlafen, viel Freizeit und gutem Einkommen. Also nichts von dem, was mir in jungen Jahren als Traumjob erschien wie Lokführer, Fahrdienstleiter auf einem kleinen Landbahnhof oder Schriftsteller. Auch als Pornodarsteller wird man nicht alle Tage Höhepunkte erleben. Dagegen fielen mir viele Jobs ein, an denen ich gar keine Freude hätte: Möbelschlepper etwa, oder Bundeskanzler. Vermutlich hat jeder noch so tolle Job seine regelmäßigen Schattenseiten, wenn man ihn lange genug ausübt. Mit meinem jetzigen bin ich ganz zufrieden, auch wenn er mich werktäglich zur Unzeit aus dem Tuch treibt und die freien Tage mehr sein könnten. Vielleicht ist das sogar mein Traumjob, ich habe es nur noch nicht bemerkt.

TikTok hat in Amerika vorläufig den Betrieb eingestellt. Das mag man als frühgeborener Nichtsnutz Nichtnutzer schulterzuckend zur Kenntnis nehmen. Doch wenn WordPress in Deutschland stillgelegt würde, fände ich das als – wenn auch erfolgloser – Kleinblogger betrüblich und wünschte ich mir vielleicht auch einen Trump, der es wieder heile macht.

Abends spielte ich Triebfahrzeugführer, Fahrdienstleiter und Schrankenwärter

Dienstag: Auch heute forderte der Bürorechner mehrfach zu einem Neustart auf, weil wieder irgendwas zu installieren war. Viel aufregender wurde es nicht, was keineswegs zu beklagen ist.

Heute ist übrigens Ehrentag der Hörnchen. Falls Sie auf einer Party sind, können Sie mit diesem Wissen spannende Gespräche beginnen.

Morgens war es kalt

Mittwoch: Nach anstrengend-gegenwindiger Radfahrt zum Büro belohnte bei Ankunft grandioses Morgenrot über dem Siebengebirge die Mühen. Wegen Spiegelungen der Bürobeleuchtung in den Fenstern war die Anfertigung eines vorzeigbaren Fotos nicht möglich, daher stattdessen ein Archivfoto aus Oktober 2023, das eine ähnliche Färbung zeigt.

Symbolbild

Sehr wahrscheinlich bemerkte ich es schonmal, mittlerweile habe ich nicht mehr den Überblick, was ich hier schon alles schrieb und bin zu bequem, es zu recherchieren*: Neben „tatsächlich“, „genau“ und „quasi“ entwickelt sich „natürlich“ zunehmend zu einem beliebten Füllwort. Erst heute las ich es wieder mehrfach in einem Text an Stellen, wo es die Aussage nicht mehrte, weder im Sinne von „nicht künstlich“ noch „selbstverständlich“. Sehr wahrscheinlich verwende ich selbst regelmäßig unnötige Wörter in Wort und Schrift, ohne es zu merken, man selbst merkt sowas ja nicht, wenn es einem keiner sagt, ähnlich wie Mundgeruch. Wenn Ihnen diesbezüglich etwas auffällt, scheuen Sie sich bitte nicht, mir einen Hinweis zu geben, ich wäre sehr dankbar dafür.

*Habe ich dann doch getan, und tatsächlich: Am Samstag der 15. Woche vergangenen Jahres erwähnte ich es kurz.

Der angekündigte Regen ab Mittag kam zuverlässig. Entgegen der Vorhersage hörte es allerdings zum Nachmittag wieder auf, so dass mich der immer noch nordwärts blasende Wind trockenen Reifens nach Hause schob.

Donnerstag: Seit einiger Zeit bin ich beim Mittagessen im Kollegenkreis oft der letzte, der den Teller geleert hat. Egal ob ich als erstes am Tisch sitze oder später dazu komme, lange vor dem Dessert haben alle anderen aufgegessen. Dabei spreche ich bei Tisch weniger als die meisten anderen, auch esse ich nicht besonders langsam, mit dreißig mal Kauen oder so. Das ist nicht schlimm und ich sehe keinen Grund, daran etwas zu ändern. Es fällt mir nur auf.

Laut Zeitung haben heute Namenstag: Emerantiana, Ildefons, Liuthild. Laut anderer Quelle hingegen Eugen, Hartmut, Heinrich und Raimund. Die lügen uns doch an.

Freitag: Wie Montag bereits geschrieben, legte ich den freien Tag dieser kleinen Woche auf heute statt wie üblich Donnerstag, wodurch dieser Freitag seinen Namen verdient. Grund ist die Prunksitzung unserer Karnevalsgesellschaft ab dem frühen Abend. Ja, die hätte auch stattgefunden, wenn ich heute im Büro gewesen wäre, nur wäre dann eine gewisse Hektik aufgekommen zwischen Feierabend und Abendfeier, das muss ja nicht sein. Generell zählt unnötige Hektik für mich zu den Dingen, die unbedingt zu vermeiden sind.

Herr Buddenbohm war gestern in Bonn, wie er hier berichtet. Dabei kam er zu der zutreffenden Erkenntnis, dass diese Stadt zurzeit mit der Bahn schlecht zu erreichen ist. Ansonsten hat Bonn bei ihm keinen besonderen Eindruck hinterlassen, wie er abschließend schrieb: „Ich kann nach diesem kurzen Aufenthalt also die alte und sicher große Frage, warum es am Rhein so schön ist, weder abschließend beantworten noch auch nur die inkludierte Grundannahme bestätigen.“ Das kenne ich von eigenen Dienstreisen: Von der bereisten Stadt sieht man oft nur den Veranstaltungsort, das Hotel, vielleicht abends ein Restaurant, gegebenenfalls den Bahnhof sowie die Wege dazwischen. Die schönen Seiten bleiben verborgen, schließlich ist man nicht zum Vergnügen dort. Als zwar nur zugezogener, gleichwohl begeisterter Bonner lade ich Herrn Buddenbohm gerne ein zu einem Spaziergang durch die Südstadt, die Weststadt und über die Rheinpromenade, allesamt Orte, die sein Bonnbild vielleicht in etwas positiveren Farben leuchten lassen. Richten Sie ihm das gerne aus, da ich nicht annehme, dass er hier liest, was natürlich kein Vorwurf ist.

Samstag: Die Karnevalssitzung am Vorabend war großartig, das Programm wie die Stimmung im Saal und auf der Bühne sehr gut. Anschließend sprach mich ein Unbekannter im Foyer an und drückte sein Bedauern aus darüber, dass ich nicht mehr auf der Bühne singe. Auf mehrmaliges Nachfragen meinerseits versicherte er glaubhaft, es nicht ironisch zu meinen. Ich fühle mich geschmeichelt, indes ist es für alle Beteiligten im Saal das Beste, wenn ich weiterhin als Trommler meinen Beitrag zum Gelingen des Abends zu leisten mich bemühe. Hier ein paar Eindrücke:

Kasalla, die auch, das war mir nicht bewusst, gut a capella singen
Brings
Druckluft
Geschafft

Auch heute wirkte die Sitzung noch längere Zeit nach. Dadurch verzögerte sich der weitere Tagesverlauf – Frühstück, Zeitung und Blogs lesen – um mehrere Stunden, wir bitten um Verständnis. Doch nach der Sitzung ist vor der Sitzung: Bereits am Abend machten wir uns wieder auf nach Bad Honnef, wo der nächste Auftritt anstand. (Immer noch staune ich regelmäßig, wie sehr mich inzwischen Karneval und die aktive Teilnahme in Uniform begeistert. Noch vor zehn Jahren wäre das undenkbar gewesen.)

Sonntag: Nicht nur die politische Stimmung, auch der Zeiger der Waage schlägt weiter nach rechts aus, trotz der seit einer Woche konsequent durchgeführten arbeitstäglichen Treppenstiege über achtundzwanzig Etagen. Vielleicht ist dadurch die Beinmuskulatur zwar nicht sicht-, aber messbar gewichtsmehrend angewachsen. Wenngleich von Übergewicht weit entfernt, möchte ich den Trend gerne wenigstens aufhalten. Die Reduzierung kalorienreicher Getränke könnte ein Ansatz sein.

Nachtrag zu Freitag: Dass es in Bonn, auch jenseits des Rheines, schön ist, belegt vielleicht die folgende, nicht repräsentative Auswahl an Bildern, entstanden heute beim Spaziergang. Wegen der Schönheit des Rheins verweise ich auf frühere Bilder und Beiträge.

Mozartstraße in der Weststadt
Humboldstraße, ebenfalls Weststadt
Ehemalige Bundesbedienstetensiedlung in Poppelsdorf
Hofgarten mit Universität, Baustellen und Pfützen

Selbstverständlich ist auch Bonn nicht überall schön:

Bahnunterführung zur Weststadt. Denken Sie sich gerne passenden Uringeruch dazu.
Architektonische Irrungen und Wirrungen in Poppelsdorf

Und immer wieder Botschaften:

Teils mit klarer Aussage …
… teils nicht ganz so klar.
Das Öffnen des hinterlegten Links erfolgt auf eigene Gefahr
Kuriose Geschäfte in der Innenstadt

Hier und da strecken die ersten Frühblüher ihre grünen Spitzen aus dem Boden und lassen darauf hoffen, dass es auch in diesem Jahr weiter geht. Deshalb vermag ich nicht einzustimmen in das nun wieder vielfach zu hörende und lesende Januarjammern. Vielmehr freue ich mich auf die ersten Schneeglöckchen, später Forsythien, Kirschblüte in der Inneren Nordstadt, Flieder, Kastanien, ehe im Herbst Astern das Auge erfreuen. Bis dahin dauert es noch etwas, andererseits wissen wir alle, wie schnell es alles wieder geht und wir uns fragen, wo das Jahr geblieben ist.

In anderen Blogs ist es Tradition, regelmäßig drei Dinge zu nennen, die gut waren. Gerade in Zeiten, da vor allem die schlechte Nachricht zählt, eine gute Gewohnheit. Deshalb erlaube ich mir, das zu übernehmen, besser kann man einen Wochenrückblick kaum abschließen. Also, in dieser Woche habe ich mich gefreut über:

1. eine Sprachnachricht aus München, obwohl ich Sprachnachrichten grundsätzlich eher als lästig empfinde. Von dieser Versenderin nicht.

2. begeistert schunkelndes und mitsingendes Publikum im Saal und gemeinsames Musizieren.

3. das Mittagessen mit einer lieben Kollegin, die ich länger nicht sah. Das nächste gemeinsame Essen ist bereits terminiert.

Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche. Wenn auch Sie der Januar drückt: Er ist ja bald vorüber.

Woche 6/2022: Gehen, Grünkohl und Glück

Montag: Morgenstund’ hat Gold im Mund und Erdogan hat Omikron, mit milden Symptomen. So steht auch mal was positives über ihn in der Zeitung.

Wie ich erst heute las, war bereits am vergangenen Freitag „Tag des Zustellers“, an dem der geneigte Empfänger aufgerufen war, seinem Post- und Paketboten Dank und Lob entgegen zu bringen. Man sollte ohnehin viel öfter loben, nicht nur die Zustellkraft an dafür festgelegten Tagen; stattdessen nur Gemotze und Gezeter, wenn mal etwas nicht funktioniert. – Anders in Amerika: Dort werden – ebenfalls heute gelesen – Paketzusteller per Zettel am Klingelschild dazu aufgefordert, vor der Türkamera zu tanzen, auf dass es anschließend bei TikTok hochgeladen wird. Die meisten Boten folgen der Aufforderung, da ihnen bei Weigerung eine schlechte Bewertung droht. Ich weiß nicht, ob die amerikanische Verfassung etwas vergleichbares enthält wie Artikel 1 Absatz 1 des deutschen Grundgesetzes, jedenfalls erscheint die Unantastbarkeit der Menschenwürde hier fraglich.

Dienstag: Was Sie vielleicht auch noch nicht wussten: Heute vor hundert Jahren gelang erst­mals der expe­rimen­telle Nach­weis der Richtungs­quante­lung von Drehimpulsen, schreibt Wikipedia.

Dem Glücklichen schlägt bekanntlich keine Stund. Ob überschäumendes Glück jemandes Anlass war, an einer Bonner Bushaltestelle diese Wanduhr zu hinterlassen, war nicht in Erfahrung zu bringen.

..

Mittwoch: Der Tag war ein wenig kopflastig, denn er begann mit einem (schmerzfreien) Zahnarztbesuch zur planmäßigen Esszimmerreinigung und endete mit einem Friseurtermin (ebenfalls weitgehend schmerzfrei).

Ein leichtes Stimmungstief am Abend wurde mit Döner gelindert. Satz des Abends: „Ich bin lieb, du hast nur eine andere Auffassung von lieb.“

In Bonn und anderen rheinischen Städten werden demnächst Bereiche festgelegt, in denen unter bestimmten Auflagen, wie Alkoholverbot, demnächst Karneval gefeiert werden darf; für diese Bereiche wurde das schöne Wort „Brauchtumszonen“* ersonnen. Na dann Alaaf.

Ansonsten Vorfreude meinerseits, denn morgen ist schon wieder Donners- und somit Zufußinswerkgehtag.

*Lesen Sie dazu bitte auch hier.

Donnerstag: Mittags gab es in der Kantine Grünkohl. Bitte denken Sie sich hierzu das entsprechende Foto eines Dreikammer-Mitnahmegefäßes mit Kartoffeln, Grünkohl, einer Mettwurst und Senf darin. Gehen, Grünkohl und Glück – es kann kein Zufall sein, dass diese Wörter denselben Anfangsbuchstaben haben.

Der Radiosender WDR 4* spielt ab heute achtzig Stunden lang Achtziger-Hits. In der Weinbar unseres Vertrauens war letzthin** Achtziger-Abend, ein Plattenleger legte entsprechende Schallplatten (richtige aus Vinyl) auf. Anscheinend erfreut sich diese Epoche, zumindest in musikalischer Hinsicht, gerade großer Beliebtheit, was daran liegen mag, dass die Programmgestalter, wie ich, in jener Zeit die Stürme ihrer Jugend erlebten, daher kann ich das gut verstehen und freue mich darüber. Vielleicht sollte ich über die Achtziger demnächst mal einen längeren Aufsatz verfassen. (Während der Niederschrift vorstehender Zeilen spielten sie Shakin‘ Stevens, auch in den Achtzigerjahren war nicht alles toll, aber mir allemal lieber als heute Max Giesinger.)

*WDR 4 war in den heute besungenen Achtzigern ein absolut unerträglicher Schlagerdudelstörsender, ich erwähnte es vor einiger Zeit schon. So ändern sich die Zeiten.

**Es freut mich sehr, aus Gründen, die Sie hier auf jeden Fall nachlesen sollten, erst- und sicher nicht letztmals dieses Wort zu gebrauchen. Herzlichen Dank, liebe N., für die Widmung!

Freitag: Mittags auf dem Weg in die Kantine sah ich die ersten Krokusse … Kroken? Kroki? Sie wissen schon, diese gelben Stehglöckchen, auf Wunsch auch in weiteren Farben erhältlich, die heute waren jedenfalls gelb, krokusgelb. Auch nach all den Jahren immer wieder beruhigend, wenn das Leben draußen erneut erwacht.

Abends beim Laufen fiel etwa einen Meter vor mir ein Vogelschiss zu Boden. Ähnliches passierte mir bereits oft im Leben, augenscheinlich ist mein Schutzengel ganz brauchbar.

Während sich meine Lieben später wegen irgendwas zankten, las ich bei Frau Anje den Satz »lächle, du kannst sie nicht alle töten« – und lächelte.

Samstag: »Mama hebt Kaffeegläser auf für‘n Gelee / Du bist schon ewig in der IG Chemie«, sang Klaus Lage in den Achtzigern. Ein wahres Kleinod deutscher Liedtextdichtung, nur knapp erreicht von Giesingers »Wenn wir uns begegnen / dann leuchten wir auf wie Kometen«.

Sonntag: Laut unserer Rechtsordnung dürfen bereits Jugendliche ab vierzehn Jahren alkoholische Getränke zu sich nehmen, vorausgesetzt, ihre Eltern sind dabei. Das nennt man dann „begleitetes Trinken“, das habe ich mir nicht ausgedacht.

Selbstverständlich sollte auch das „mit Augenmaß“ erfolgen, ein weiterer Begriff, den man häufig liest und hört, der gleichwohl bei genauerer Betrachtung unsinnig ist. Was soll dabei herauskommen, wenn man mit den Augen misst? Doch bevor ich mich in weiteren Haarspaltereien verliere, sei dieser Wochenrückblick beendet.

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Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Start in eine neue, möglichst schmerzfreie Woche.