Woche 52/2024: Alternative Tischmanieren und Raclette über Teelichtern

Montag: Weiterhin sind wir in Beaune, Frankreich. Nachtrag zu gestern Abend: Wir waren zum Essen in einem Restaurant, das wir schon von früheren Besuchen kennen und schätzen. Es ist gut, nicht sehr teuer und der Service sehr freundlich. Während des ersten Ganges betrat ein jüngeres Paar mit einem etwa zwei Jahre alten Kind den Raum, sie wurden am Nebentisch platziert. Das Kind zeigte sich lebhaft, es lief herum, plapperte, quengelte, eine alles in allem altersgerechte Verhaltensweise, die vielleicht bei denjenigen, für die Kinderliebe nicht an oberster Stelle steht, ein gewisses Störgefühl auszulösen vermag. Bald warf das Kind das Blumentöpfchen vom Tisch, das nun, getrennt nach Topf, Pflanze und Erde auf dem Boden lag. Die Eltern scherte es nicht weiter, auch sahen sie sich nicht veranlasst, das Malheur zu beheben oder wenigstens zu melden. Als die freundliche Bedienung das sah, zeigte sie sich wenig erfreut. Offenbar hatte man mehr compréhension für kindliche Lebhaftigkeit erwartet, kurz darauf wurden Kind, Malsachen und alles andere zusammengepackt und sie verließen abschiedslos das Lokal. Am Nebentisch, also unserem, wurde dies mit Erleichterung zur Kenntnis genommen, beinahe hätten wir applaudiert. Dem Kind ist kein Vorwurf zu machen. Doch was geht in solchen Eltern vor?

Unser Tischgewächs blieb unbehelligt

Interessant an einem Hotelaufenthalt sind stets auch die anderen Gäste und ihre Verhaltensweisen. Ich vermute, wer in der Gastronomie oder Hotelbranche arbeitet, erlebt vieles, womit man erfolgreich ein Buch oder Blog füllen könnte. (Für entsprechende Blogempfehlungen wäre ich dankbar.) Beim Frühstück fiel mir heute der vielleicht zwanzigjährige Angehörige einer größeren Familie auf, der ungefähr im Minutentakt das Büffet aufsuchte, um noch etwas nachzuholen. Das ganze in kurzen Hosen. Nicht dass ich dem Anblick junger Männerbeine grundsätzlich abgeneigt wäre, aber warum trägt er im Dezember in einem Fünfsternehotel kurze Hosen? Muss der sich oder anderen etwas beweisen?

Sehr nett im übrigen das ältere Ehepaar aus Freiburg, mit dem wir abends in der Hotelbar ins Gespräch kamen. Offensichtlich sind wir nicht die einzigen, die das Verhalten und Auftreten anderer Gäste interessant finden.

Das Hotel hat drei Stockwerke, somit ist es den meisten Menschen möglich, auch ein Zimmer im oberen Stock über die Treppen zu erreichen. Dennoch folgen die meisten Gäste der natürlichen Bequemlichkeit und nehmen den Aufzug, nur selten begegnet mir jemand im Treppenhaus. Im Erdgeschoss gibt es einen Fitnessraum. Dank Aufzug ist er auch für Bewegungssuchende aus den oberen Stockwerken jederzeit bequem erreichbar.

Die Hotelbar. In dem Topf neben dem Feuer wird ausgezeichneter hausgemachter Glühwein warmgehalten, wir haben ihn mehrfach für Sie probiert.

Dienstag: Der Heiligmorgen begann nicht allzu spät und recht entspannt. Nach dem Frühstück gingen wir eine Runde durch die Stadt, die gut gefüllt war mit Autos und Menschen in letzten Besorgungsabsichten für die bevorstehende fête la Noël. Einige Geschäfte, unter anderem Textilläden, hatten bis achtzehn Uhr geöffnet, für Spätentschlossene oder mögliche Weihnachtsverweigerer.

Nach dem Stadtbummel machten wir einen Spaziergang durch den nahegelegenen Parc de la Bouzaise, wo sich Blesshühner und eine Kleingruppe Gänse (neben graugemusterten Wildgänsen auch eine weiße, letztere vielleicht kurz zuvor dem Braten entkommen) vom Fest unbeeindruckt zeigten.

Nach Rückkehr im Hotel gönnten wir uns vor dem heiligen Abend noch etwas Ruhe. Während ich auf dem Sofa die Zeitung und Blogs las, waren von den Lieben nebenan bald leise Schlafgeräusche zu vernehmen. Zwischendurch zuckte immer wieder das Datengerät auf von den tagesüblichen Grüßen und Wünschen in diversen WhatsApp-Gruppen. Im erweiterten Sinne mit Festbezug traf außerdem per Mail eine Empfehlung für bessere Erektionen ein.

Trotz gegenseitigen Nichtschenkpaktes blieben wir dann doch nicht ganz unbeschoren, woher auch immer die Geschenke kamen.

Den Abend verbrachten wir im Hotelrestaurant, wo ein siebengängiges Festmenü in passender Weinbegleitung gereicht wurde. Das war ausgezeichnet, wenn auch des Guten etwas zu viel: Spätestens ab dem vierten Gang konnte ich außer wenigen Probierhappen kaum noch was essen, das zu jedem Gang extra gereichte Brot blieb unangerührt. Das ist nur schwer mit meiner Flüchtlingskinderziehung zu vereinbaren, wonach Teller grundsätzlich leergegessen werden. Allerdings setzt die Magenkapazität hier natürliche Grenzen. Immerhin kam kein Wein um, immer das Positive sehen.

Zuviel des Guten war auch die musikalische Begleitung durch zwei Damen, die mit Geige und Harfe von Raum zu Raum zogen. Sie spielten sehr gut, sogar Stücke von ABBA und Queen, allerdings war es zu laut für Tischgespräche. Deshalb waren wir ihnen nicht böse, als sie weiter zogen und andere Gäste erfreuten.

Nach dem Essen suchten wir mit dem Paar aus Freiburg nochmals für ein Nachtglas die Hotelbar auf. In der Ecke neben dem Kamin saß ein jüngerer Mann augenscheinlich indischer Physiognomie, beschäftigt mit Buch, Datengerät und Getränken. Der saß da schon so, als wir Stunden zuvor ins Restaurant aufgebrochen waren, und er wirkte nicht unzufrieden.

Hotelfensterblick, morgens, mit Weinbergen der Côte d’Or im Hintergrund
Im Parc de la Bouzaise
Sofablick. Mehr braucht es manchmal nicht zur Zufriedenheit.
Nächstes Jahr aber wirklich nichts. (Foto: der Geliebte)

Mittwoch: Beim Aufwachen erwog ich, heute nichts oder überhaupt niemals mehr etwas zu essen. Das späte Frühstück – wir waren die letzten im Frühstücksraum, das Personal war schon mit dem Abräumen des Buffets beschäftigt – fiel mit einem Croissant und einem Pain au chocolat jeweils im Kleinformat, einem Glas Saft und einer Tasse Kaffee entsprechend geringfügig aus.

Mittags deckte ich meinen Bedarf an etwas Bewegung und frischer Luft mit einem Spaziergang über die Remparts, die zu etwa Dreivierteln erhaltene alte Stadtbefestigung um die historische Innenstadt von Beaune. Im Gegensatz zu den vergangenen Tagen waren kaum Autos auf den Straßen, nur wenige Menschen flanierten und führten ihre Hunde oder Kinder aus. Aus einem Fenster drangen Fetzen von „All I Want For Christmas“ von Mariah Carey an mein Ohr, dem in diesen Tagen kaum zu entkommen ist. And Aaaaaahahahahaii …

Nachmittags wurden die meisten Sachen einschließlich getätigter Einkäufe gepackt und ins Auto geladen, auf dass wir morgen zeitig nach Hause aufbrechen können. Wie üblich begleitet von Diskussionen zwischen meinen Lieben. Laut einem beliebten Klischee zerbrechen Ehen an falsch gedrückten Zahnpastatuben. Wie viele Partnerschaften mögen wegen unterschiedlicher Auffassungen über das richtige Packen des Autos bei der Urlaubsabreise in Schieflage geraten?

Nach dem Abendessen nahmen wir den letzten Vin Chaud à la maison in der Hotelbar. Der Inder hatte sich dort inzwischen über drei Sessel häuslich eingerichtet und wirkte weiterhin sehr zufrieden. Die Sitzgruppe gegenüber belegten ein Mann und zwei Teenagerjungs, letztere mit Alpaka-Frisuren. (Diese Bezeichnung für die aktuelle Haarmode junger Männer las oder hörte ich kürzlich irgendwo und finde sie sehr trefflich.) Gesprochen wurde fast nicht, alle drei waren intensiv mit ihren Datengeräten beschäftigt. Manchmal hielt einer dem anderen das Gerät vor die Nase, der grinste dann kurz und widmete sich wieder dem eigenen. Unterbrochen wurde ihr Tun durch einen zwischenzeitlich servierten Imbiss, der mit alternativen Tischmanieren vertilgt wurde, den Blick möglichst wenig vom Bildschirm abgewandt. Sie hatten auf ihre Weise Spaß, nehme ich an.

Rempards mit Moosansicht
Rempards mit Burgund-typischer Dachdeckkunst

Donnerstag: Nachdem auch die letzten Sachen ohne größeren Zank im Auto verstaut waren, verließen wir vormittags Beaune. „Passt bitte gut auf euch auf, die Welt wird nicht besser“, gab uns die Frau des netten Freiburger Ehepaars mit auf den Weg, womit sie zweifellos recht hat.

Auch an der Grenze zu Luxemburg gibt es Kontrollen gegen illegale Einreise. Etwas rätselhaft der Kontrollposten bei Trier: Er ist erst weit hinter der Grenze eingerichtet, nach einem Parkplatz und einer Abfahrt auf deutschem Gebiet. Schleusern wird es somit recht einfach gemacht, ihrem Geschäft nachzugehen. Bestimmt hat man sich dabei was gedacht.

Nach entspannter und sonnenbeschienener Fahrt kamen wir am späten Nachmittag in Bonn an. Dort waren die letzten fünf Törchen des Adventskalenders „Edle Tropfen in Nuss“ abzuarbeiten, was der Ankunft eine gewisse Leichtigkeit verlieh. Zum Abendessen besuchten wir den persischen Lieblingsitaliener. Nach einer Woche mit französischer Küche ist eine Steinofenpizza auch mal wieder ganz schön.

Für den letzten Urlaubstag morgen habe ich einen Wanderbeschluss gefasst.

Freitag: Mittags brach ich auf zur Wanderung, wegen der jahreszeitlich beschränkten Tagesbelichtung nicht sehr lang. Mit dem Bus fuhr ich bis Holzlar, von dort wanderte ich bei Sonnenschein über den Ennert und den mir bislang unbekannten Finkenberg zwischen Küdinghoven und Beuel zurück nach Bonn. Unterwegs begegneten mir vergleichsweise viele Menschen, was am Brückentag zwischen den Jahren liegen mag, viele haben frei, zudem ist die Strecke stadtnah. Jedenfalls war es wieder beglückend, auch wenn die meisten Bäume kahl Winterschlaf halten. Immerhin zeigen sich Moose und Stechpalmen verlässlich dauergrün.

Nach Ankunft in der menschenvollen Bonner Innenstadt belohnte ich mich für die Mühen mit einer Feuerzangenbowle auf dem Remigiusplatz, wo der Weihnachtsmarkt erstmals in diesem Jahr ein paar Tage länger geöffnet bleibt und zum Dreikönigsmarkt wurde, irgendwie muss es ja heißen. Neben mir bestellte und bekam jemand einen Lumumba. Wir kürzlich zu lesen war, soll man das nicht mehr sagen, weil es wohl irgendwie rassistisch ist. Herrje. Ohne Zweifel halte ich es für richtig, nicht mehr Mohrenkopf oder Zigeunerschnitzel zu gebrauchen, auch wenn mir die Diskussion darum bisweilen etwas hysterisch erscheint. Aber Lumumba? Was kommt da demnächst noch? Vielleicht Granatapfel, Götterspeise, Russisches Brot oder Matjes nach Hausfrauenart? AfD und Freie Wähler werden sich freuen, fürchte ich.

Ennert-Wald im Winterschlaf
Hardweiher
Moosansicht
Stilleben auf dem Finkenberg
Der Rhein mal von der anderen Seite

Samstag: Seit Mitternacht darf wieder Silvesterknallwerk verkauft werden. Wie das Radio morgens meldete, hatten die ersten Licht-Schall-Rauchfreunde bereits seit dem Nachmittag vor den Verkaufsstellen gewartet. Zu den Nebenwirkungen hinsichtlich Müll und Lärm befragt, antworteten sie, das hätten sie auf dem Schirm. Dann ist es ja gut.

Nicht auf dem Schirm, sondern auf dem Sofa verbrachte ich große Teile des Tages und war damit sehr zufrieden.

Abends gab es Raclette über Teelichtern, die Öfchen befanden sich in dem am Dienstag gezeigten Geschenkeberg. Das funktioniert erstaunlich gut, schmeckte bestens und machte satt. Und das Spielerische kam auch nicht zu kurz.

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Sonntag: Im Gegensatz zu den Vortagen blieb dieser Tag trüb und kalt, die Pfützen auf den Wegen waren gefroren. Den letzten Sonntagsspaziergang des Jahres verband ich mit einer Probefahrt der neuen Straßenbahnwagen. Zum Glück kam auch gleich einer, im Moment fahren sie noch im Mischbetrieb mit den alten auf der Linie 61. Damit fuhr ich bis bis zur Endhaltestelle in Auerberg und flanierte am Rhein entlang zurück, ein gut einstündiger Marsch, den ich so noch nicht gegangen war. Die neuen Wagen laufen sehr ruhig, was dem an Straßenbahnzügen nicht so interessierten normalen Fahrgast vielleicht gar nicht auffällt.

Wagen 2253 verlässt die Endhaltestelle in Auerberg
Rheinufer gegenüber Graurheindorf

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Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche und einen guten Start in ein neues, möglichst angenehmes Jahr. Vielen Dank, dass Sie meinen Gedanken und Erkenntnissen hier wöchentlich folgen. Passen Sie gut auf sich auf, die Welt wird voraussichtlich nicht besser.

Woche 11/2023: Ein bisschen Störgefühl und explodierende Baugenehmigungen

Montag: Das Wort zum Montag las ich hier bei Herrn S.: »Hin und wieder tut er einfach so, als würde er sich über irgendeinen Stuss aufregen, redet dann einfach auch mal empört daher. Sonst denken die Leute, man ist keiner von ihnen. Gerade auf Arbeit ist das wichtig.« Besser kann man das Leid der beginnenden Arbeitswoche kaum auf den Punkt bringen.

Worüber ich mich nicht mehr aufrege sind Kollegenanfragen per Teams-Chat, wann ich Zeit hätte, um über irgendeinen Stuss zu sprechen, anstatt kurz in den Outlook-Kalender zu schauen und eine Einladung zu senden. Überhaupt ignoriere ich Teams-Chatnachrichten grundsätzlich; ich benötige neben Mail und Telefon (und zwar in der Reihenfolge) keinen weiteren Kommunikationskanal.

Nach Rückkehr von der Mittagspause roch es in der Eingangshalle des Werks nach nassem Hund. Ein Geruch, der sich mir, obwohl nie Hundebesitzer, eingeprägt hat: Im Schwiegerelternhaus lebte die Labradordame des Liebsten. Aika, so ihr Name, zeichnete sich nicht nur durch nahezu unerschütterliche Gutmütigkeit aus, sondern auch durch ihre Vorliebe für Gewässer aller Art. Näherte man sich mit ihr unangeleint einem Teich, Bach oder einer Pfütze, war sie nicht davon abzuhalten, sich in die Fluten zu stürzen und darin zu toben. Bis sie des Tobens müde zurückkehrte, nass und mit Entengrütze im Fell, und sich erst in unmittelbarer Nähe des Menschen ausgiebig schüttelte. Dementsprechend roch es in dem Haus, noch lange nach ihrem Ableben. Woher der Geruch heute Mittag kam, war nicht zu ergründen, er bestärkte mich indessen darin, vorerst weiterhin von Hundehaltung Abstand zu nehmen.

Dienstag: Bonner Oper und Schauspielhaus erhalten laut Zeitung nunmehr vierzig Millionen Euro jährlich an städtischen Zuschüssen. Vierzig Millionen, damit eine relativ kleine Bevölkerungsgruppe sich angemessen vergnügen kann. Zu recht, befindet ein Kommentator, schließlich seien die Besucher nicht nur Angehörige elitärer Kreise. Das schließt er daraus, dass das Garderobenpersonal an Opernabenden nicht unter der Last schwerer Nerzmänteln ächze und im Parkhaus nicht nur Porsches stünden. Was man auch mit vierzig Millionen Euro im Jahr tun könnte: vier bis fünf Vorstandsmitglieder von Dax-Konzernen vergüten. Auch darüber rege ich mich nicht mehr auf, ich merke nur an.

Porsche meldete übrigens für das vergangene Jahr eine Steigerung des operativen Ergebnisses um mehr als siebenundzwanzig Prozent. Ich will jetzt nicht schon wieder auf der FDP rumhacken, die kann da vermutlich nichts für. Jedenfalls läuft irgendwas schief.

Ich empfinde es immer wieder als Privileg, bei Bedarf zu Fuß ins Werk gehen zu können. Heute hatte ich Bedarf.

Was Positives: Heute ist Steak-und-Blowjob-Tag, das sollten Sie wissen, Allgemeinbildung ist so wichtig. Für mich gab es indessen mittags Currywurst, geblasen hat nur der Wind ums Mutterhaus, und zwar ziemlich heftig.

Abends fertigte ich einen Tagebucheintrag über das Wetter und menschliche Launenhaftigkeit, den ich hier nicht wiedergeben kann. Ich bitte um Verständnis.

Mittwoch: Für nächste (das heißt, wenn Sie es lesen: diese) Woche Donnerstag einen Inseltag gebucht. Das hebt schon jetzt (da ich es schreibe) die Laune deutlich.

Heute ist Internationaler Tag zur Bekämpfung der Islamfeindlichkeit. Ich bin kein Feind des Islams, doch ich gestehe: Ich misstraue ihm. So wie ich dem Christentum und überhaupt allen Religionen misstraue. Es ist mir rätselhaft, warum derart viele Menschen deren Verheißungen und Märchen Glauben schenken und im Namen dieses Glaubens anderen, die nicht oder anders glauben, die Kehle durchschneiden oder sie auf dem Scheiterhaufen rösteten. Oder ihnen das Recht aberkennen, zu lieben, wen sie wollen. Der Staat muss sich davon fern halten, er darf das nicht unterstützen. Das heißt nicht, dass Religionsgemeinschaften verboten werden müssen. Wenn sie sich treffen wollen, um ihren Gott oder wen auch immer zu preisen, sollen sie das tun. Modelleisenbahn-, Folklore- und Schützenvereine sind ja auch erlaubt, wobei es bei letzteren schon fragwürdig ist, dass sie zur Ausübung ihres Hobbys, das absurderweise als Sport anerkannt ist, scharfe Waffen benutzen dürfen.

Abends wurde ich gefragt: „Kubicki? Haben Sie was mit dem Politiker zu tun?“ Antwort: „Nein. Und wenn, würde ich es nicht zugeben.“

Donnerstag: Deutschland verpasst im Verkehrssektor die Klimaziele, wer hätte das gedacht. Dazu der zuständige Verkehrsminister: „Die Antriebswende ist eingeleitet und ihr Hochlauf nimmt immer mehr zu.“ Zunehmender Hochlauf – dann kann ja nichts mehr schief gehen.

Gehört in einer Besprechung: „Ich hab da ein bisschen Störgefühl.“ Wer nicht, lieber Kollege, wer nicht.

Jedes Jahr freue ich mich erneut an diesem Tag, da Gummar Namenstag hat. Gesetzt den Fall, jemand heißt wirklich so: Wie oft im Leben mag er wohl, während er still seine Eltern verflucht, sagen: „Nein, mit Doppelemm in der Mitte“?

Aus einem Zeitungsartikel: »Immer wieder gibt es Streit und Diskussionen über die Anerkennung von Sportarten. Darts, Schach, eSports – Wir haben Spieler aus der Region mit den Vorwürfen konfrontiert.« Abgesehen von der durchaus berechtigten Infragestellung erscheint die Wortwahl fragwürdig, wenngleich mittlerweile allgemein üblich. Warum bezeichnen die Medien fast jede Meinungsverschiedenheit immer gleich als Streit? Und wieso Vorwürfe? Was ist den Leuten vorzuwerfen, die den oben genannten Beschäftigungen nachgehen? Laut dem Bericht erkennt der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) eSports nicht als Sport an, da ihm »ein gemeinnütziger und demokratischer Ansatz« fehle; weiter: »Gewinnorientierte, global agierende Unternehmen stünden im Vordergrund und würden allein über Regeln, Inhalte und Spielformen entscheiden.« Aha. Demnach wäre Fußball auch kein Sport, oder was ist die FIFA anderes als ein gewinnorientiertes, global agierendes Unternehmen, das über alles entscheidet? Sportschützen und -angler werden in dem Artikel übrigens nicht erwähnt. Denen wäre durchaus einiges vorzuwerfen.

Freitag: Aus logistischen Gründen, die darzulegen Ihnen erspart sei, fuhr ich morgens mit der Bahn ins Werk. Mir gegenüber saß ein etwa zwölfjähriger Junge, der mit einem Zauberwürfel beschäftigt war, was man nur noch selten sieht. Er ging dabei mit unglaublicher Geschwindigkeit und Fingerfertigkeit vor, nur kurz vor dem Ziel scheiterte er zunächst und begann von vorne. Fast war ich geneigt, ihn zu fragen, ob ich es mal versuchen darf. Am Ende, kurz bevor er mit seiner Begleiterin ausstieg, gelang es ihm, die Farbenreinheit des Würfels herzustellen, zufrieden packte er ihn in den Rucksack. Ich war beeindruckt. (Beim Aufschreiben war mir so, als hätte ich sowas hier schon mal geschrieben. Und richtig: Im April 2018 notierte ich eine ähnliche Beobachtung.)

„Hat noch jemand einen Nachbrenner?“, so die Frage am Ende einer Besprechung. Was soll das sein? Eine Spirituose? Oder eine Flatulenz?

Samstag: »Baugenehmigungen brechen zu Jahresbeginn ein« titelt die Zeitung. Bei wem und ob sie etwas gestohlen haben, blieb offen.

Ein neues Wort gelernt, gelesen auf einer Erklärungstafel zu einem städtischen Beet am Rheinufer: „Trittsteinbiotop“. So kann man einen geschotterten Vorgarten auch bezeichnen.

Anschrift an einem Schaufenster: »Stricken und Drucken für Bonn«. Neben Menschenketten für den Frieden und Laufen gegen den Hunger nun auch noch das.

Sonntag: Ich habe den Eindruck, die örtliche Rabenpopulation hat in letzter Zeit stark zugenommen. Oder sie „explodiert“, wie die Presse schreiben würde; vermutlich können sogar Baugenehmigungen mit lautem Knall explodieren. Zurück zu den Raben, sie sind mir sehr sympathisch. Das mag früher, also so richtig früher, nicht dieses Siebziger- oder Achtziger-Früher, anders gewesen sein, da wurden sie wegen ihrer Schwärze als Vorboten von Tod und Verderben gehalten*. Wer mag es den Leuten verdenken, wenn sie alles glaubten, was man ihnen erzählte. Es gab ja noch kein Internet.

*Unbelegte und -recherchierte Behauptung

Zum Schluss noch ein paar Bilder der Woche:

Irgendwann wird mich meine Pareidolie in den Wahnsinn treiben
Auch eine repräsentative Adresse entscheidet häufig über den Geschäftserfolg eines Unternehmens.
Mehr Bio ist kaum denkbar, allerdings nur für größere Wohnungen mit toleranter Nachbarschaft empfehlenswert

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die FDP verboten werden muss.

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Kommen Sie gut durch die Woche.