Woche 30/2025: Ein bisschen irre, aber augenscheinlich lebensfroh

Montag: Beginn einer kleinen Woche. Wiederum auf vielfachen Wunsch einer einzelnen Person habe ich den freien Tag ausnahmsweise von Donnerstag auf Freitag verlegt, zumal auch die Wetterprognose für Freitag trockener ausfällt, jedenfalls Stand heute; das kann sich bis dahin noch ändern, ist dann eben so.

Als in einer Besprechung von „in zehn Jahren“ die Rede war, konnte ich mir die Erwiderung „Mir ist das egal, dann bin ich weg“ nicht verkneifen. Eine angenehme Gewissheit.

Da ich vormittags, wie sonst üblich, nicht dazu kam, die Mutter anzurufen, holte ich das am Nachmittag nach. Antwort: „Ich habe dich noch gar nicht vermisst.“ Es wurde dennoch ein angenehmes Gespräch.

Der Arbeitstag wurde lang. Nicht, weil so viel zu tun war, sondern weil nachmittags ein längerer, fahrradunkompatibler Regenschauer abzuwarten war.

Frau Haessy schreibt über das Bloggen:

Das ist mein Blog. Mein Tagebuch. Weniger Perfektion. Mehr Banalität. Mehr Belangloses. Denn unser Leben ist nicht immer aufregend, unsere Gedanken nicht immer tiefschürfend, die Sätze nicht immer ausbalanciert, ein Fazit nur selten vorhanden.

So ist es und so gilt es auch für dieses Blog, das zu lesen Sie sich freundlicherweise gerade die Zeit nehmen.

„Kann denn Liebe Sünde sein?“ fragte einst Zarah Leander. Die Antwort lautet ja, jedenfalls machten diese Erfahrung kürzlich ein Manager und seine Personalleiterin, beide verheiratet, nur eben nicht miteinander, als sie während eines Coldplay-Konzerts in inniger Zuneigung von der Hallenkamera erfasst wurden und ihr zweisames Glück für jedermann sichtbar auf dem großen Bildschirm dargestellt sahen, Sie haben das vermutlich in den Medien mitbekommen, vielleicht darüber hämisch gegrinst und Kommentare geleikt. Wie heute in der Zeitung zu lesen war, trat der Manager nun von seinem Posten zurück und die Dame wurde beurlaubt. Meine Güte. Ich verstehe die ganze Aufregung nicht, sie haben doch nichts Böses getan. Das mit der Kamera war Pech, allenfalls etwas ungeschickt.

Dienstag: Zu früher Stunde brach der Liebste auf nach Amerika, wo er eine Woche lang beruflich zu tun hat. Mittags nach amerikanischer und abends nach unserer Zeitrechnung traf er am Ziel ein.

Während des Fußwegs ins Werk dachte ich über Kunst nach, man hat ja sonst nichts zu bedenken. Gewiss ist es Kunst, besonders gut malen, dichten oder singen zu können, manche können davon leben, auch wenn man sich bei einigen (ich nenne keine Namen) fragt, wie das sein kann. Doch liegt wahre Kunst nicht im Alltäglichen? (Nein, dieses Blog ist nicht gemeint, auch wenn es so heißt.) Auf diesen Gedanken kam ich bei Betrachtung des gepflasterten Weges. Wieviel handwerkliches Können, wovon sich das Wort Kunst einem geflügelten Wort zufolge ableitet, liegt doch darin, die Steine derart in gleichförmigen, harmonisch ineinandergreifenden Bögen zu verlegen. Wer mag sich dieses traditionelle Muster dereinst ausgedacht haben, und ist es nicht wunderbar, es auch heute noch vielfach in Anwendung zu sehen? Dagegen ist so manche Skulptur eher abgewandte Kunst.

Angewandte Kunst

Eine besondere Kunst ist auch das Jonglieren. Im Büro ist derzeit viel zu tun. Dabei kann ich die anstehenden Aufgaben nicht blockweise abarbeiten, wie es am effizientesten wäre, sondern muss mich unter ständigem Umdenken mehrerer Gewerke parallel annehmen, jeweils immer nur ein bisschen, dann muss erst wieder ein anderer was tun, ehe ich weitermachen kann. Das fühlt sich auch ein wenig an wie mehrere Bälle in der Luft zu halten.

Gefreut: über eine weitere Postkarte abends im Briefkasten, dieses Mal aus dem Bonner Süden. Gut, dass ich zufällig gerade heute frische Briefmarken gekauft habe.

Schon länger habe ich mich nicht mehr der WordPress-Tagesfrage gewidmet, die von heute gefällt mir: „Was würdest du an der modernen Gesellschaft ändern?“ Auch auf die Gefahr hin, mich dem Vorwurf gewisser Rückständigkeit ausgesetzt zu sehen: Nicht blind darauf vertrauen, dass sich alles durch Digitalisierung und mit sogenannter Künstlicher Intelligenz lösen lässt. Wenn irgendwann der große Stromausfall kommt, und ich rechne fest damit, das selbst noch zu erleben, werden wir erhebliche Probleme bekommen. Aber auf mich hört ja niemand.

Mittwoch: Als ich morgens sah, wie ein Bus haarscharf an einem Radfahrer vorbeizog, dachte ich: Das ist Natur. Der Mensch ist wohl das einzige Wesen, das glaubt, es könne das natürliche Recht des Stärkeren allein durch Regeln der Straßenverkehrsordnung außer Kraft setzen. Dabei halte ich mich keineswegs für einen besseren Menschen, doch freue ich mich immer wieder über den zunächst irritierten Blick, anschließend das Lächeln der Fußgänger, wenn ich mit dem Fahrrad vor einem Zebrastreifen anhalte, um sie passieren zu lassen.

Im Werk übte ich mich weiter im Jonglieren der Aufgaben, wobei ein Bällchen im Laufe des Tages aus dem Spiel genommen wurde, die anderen wurden deutlich leichter.

Gelesen und gelächelt: Gott hatte Besuch eines Zeugen Jehovas.

Auch gelesen: „Mehr als ein Jahrhundert später hat Bademode als körperpolitische Chiffre wenig von seiner Brisanz verloren.“ Dass selbst dem SPIEGEL dieser Fehler unterläuft, erschüttert ein wenig.

Donnerstag: Morgens begegnete mir wieder eins dieser modernen Klappfahrräder mit den winzigen Rädern. (Der Geliebte nennt sie „Ballettrad“, auch wenn das wenig Sinn ergibt, jedenfalls sah ich noch nie ein Tanztheater, wo solche choreografisch eingebunden waren, aber was nicht ist … Sie wissen schon.) Die mögen praktisch und platzsparend sein, und doch erinnert mich der Anblick einer solchen Fahrrad-Fahrer-Einheit stets an Zirkusäffchen.

Demnächst sind Kommunalwahlen:

Mehr Mut zum Achselhaar. Finde ich gut.

Freitag: Laut Radiomeldung morgens muss Google elftausend Euro Schadensersatz an einen Mann zahlen, weil er von der Streetview-Kamera erfasst und öffentlich sichtbar wurde, derweil er nackt im Vorgarten weilte. Manches kann man sich nicht besser ausdenken.

Kommen wir zur nächsten Folge der Reihe „Was schön war“: Nach gemütlichem Frühstück auf dem Balkon mit dem Geliebten unternahm ich eine nicht sehr lange, indes wieder schöne Wanderung durch die Wahner Heide ab und bis Troisdorf. Schon mehrfach durchwanderte ich dieses abwechslungsreiche, steigungsarme und waldreiche Gebiet, für warme Tage wie heute ideal. Das Heidekraut steht erst im Spärsommer/Herbst in voller Blüte, ein guter Grund, dann nochmal wiederzukommen.

Voila:

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Mit herzlichem Gruß nach Augsburg
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Schön war auch das anschließende Belohnungsbier (heute ohne Currywurst) auf dem Bonner Marktplatz. Währenddessen kurvte ein mittelalter Mann mit auffallend buntem Hemd und Hut auf dem Fahrrad durch die Passanten, nicht schnell und aggressiv wie die radelnden Speisesklaven, sondern gemächlich und umsichtig. Im Gepäckträgerkorb tönte Musik aus einer Plärrdose, der Fahrer spielte dazu einhändig auf einer Mundharmonika. An der Fischbude machte er Halt, holte sich ein Fischbrötchen und schob das Rad anschließend zu einem Tisch im Außenbereich einer Gaststätte, nahm Platz und verzehrte das Brötchen. Zwischendurch dirigierte er zur weiter laufenden Musik, später, nachdem er aufgegessen hatte, nahm er die Mundharmonikabegleitung wieder auf. Unter anderem zu Oh, Donna Clara, das mir danach für mehrere Stunden als Ohrwurm erhalten blieb. Ein bisschen irre, aber augenscheinlich lebensfroh. Dem Personal des Wirtshauses schien er bekannt zu sein, niemand kam, um eine Bestellung aufzunehmen oder ihn zu vertreiben.

Samstag: Ein angenehm ruhiger, warmer Tag ohne besonderen Bloggenswert; ich möchte Sie nicht langweilen mit Berichten über externes Frühstück und Menschenkucken zu zweit in der Fußgängerzone, gemeinschaftliche Hofreinigung mit den Nachbarn, den Altglasentsorgungsspaziergang, der gar nicht zufällig durch den Lieblingsbiergarten führte und Grillen am Abend. Deshalb ist es an der Zeit für die nächste Frage:

Frage Nr. 137 lautet: „Welche Seite im Internet besuchst du täglich?“ Das ist einfach und schnell beantwortet: Diese hier, um den täglichen Eintrag zum Tage vorzunehmen, denn es gibt immer was zu schreiben, und wenn es nur darüber ist, dass es heute nichts zu schreiben gibt, siehe oben.

Sonntag: „Parken, wo andere Urlaub machen“ wirbt ein wenig pittoreskes Parkhaus per Bildschirmreklame in der Bonner Innenstadt, wie ich morgens beim Brötchenholen sah. Urlaub in der Großgarage, man muss es schon mögen. Andererseits, andere fliegen zum Ballermann oder fahren in den Skiurlaub, beides muss ich auch nicht haben.

Der heftige Regen, dessen intensives Rauschen uns morgens geweckt und sich positiv auf meine Motivation ausgewirkt hatte, noch etwas liegen zu bleiben, hörte im Laufe des Vormittags auf und kehrte entgegen der Ankündigung in der Wetter-App bis zum Redaktionsschluss nicht zurück. Deshalb benötigte ich den zum Spaziergang vorsichtshalber mitgenommenen Schirm nicht, vielmehr wurde meine Vorsicht mit Sonnenschein belohnt.

Zum Schluss ein paar weitere Bilder der Woche:

(Dienstag)
Vermutlich bin ich mal wieder der einzige, der das lustig findet
Alte Kölsche Weisheit
Idyll in Bahnhöfsnähe
Immer höflich bleiben, ganz wichtig

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Kommen Sie gut durch die Woche.

Redaktionsschluss: 17:00

Woche 31/2023: Der Dunst des Desinteresses

Montag: Die Kantinenwoche begann mit Currywurst und ich hatte mich morgens für ein weißes Hemd entschieden. Gutgegangen, oder: unbefleckte Ernährung.

Den anschließenden Spaziergang durch den Park kürzte ich ab, da in der Ferne am Wegesrand eine Schwanenfamilie rastete. Schwäne können während der Elternschaft sehr ungemütlich werden, das weiß ich aus meiner Kindheit in Bielefeld-Stieghorst, wenn wir im Park den erziehungsberechtigten Schwänen zu nahe kamen und sie sich mit ausgebreiteten Flügeln flatternd und fauchend auf uns stürzten. Ich nehme an, dass sie das heute auch noch tun, nicht nur in Bielefeld-Stieghorst.

Dienstag: In der Nacht hatte es zeitweise heftig geregnet, kurzzeitig begleitet von Donnergrollen. Morgens hatte es aufgehört, was den planmäßigen Fußmarsch ins Werk ermöglichte. Dabei sah ich wie jeden Morgen fleißige Leute, die Straßen und Plätze kehrten, Müll abholten, Stühle vor die Cafés stellten, Marktstände aufbauten. Vermutlich arbeiteten manche von ihnen immer noch, als ich mich nachmittags bereits wieder auf dem Rückweg befand und mich fragte, was ich heute geleistet habe, wobei sie wesentlich weniger Gehalt bekommen. Die Welt ist nicht gerecht. Ich kann es doch auch nicht ändern.

Das gilt auch für die radelnden Essensausfahrer (ich möchte sie nicht schon wieder Speisesklaven nennen) mit den riesigen orangen Tornistern. Einige von ihnen hüllen seit einiger Zeit ihr Gesicht vom Hals bis kurz unter die Augen in einen schwarzen Stoffschlauch, ein wenig erinnern sie damit an die Banditen in früheren Cowboyfilmen, die ihre Gesichter ebenfalls mit einem Tuch verhüllten, bevor sie einen Zug überfielen. Warum tun sie das? Jedenfalls nicht, um Züge zu überfallen; der Zug würde wegen Personen im Gleis gar nicht erst losfahren. Wahrscheinlich wollen sie unerkannt bleiben, wenn sie durch die Fußgängerzone rasen und rote Ampeln missachten.

Auf dem Rückweg sah ich einen Mietelektroroller auf der Seite liegen, sein Rücklicht blinkte abwechselnd dreimal lang und zweimal kurz, gemäß Morsealphabet, ich habe das mal nachgeschaut, „I – O“ oder „O – I“. Was will er uns sagen?

Mittwoch: Auch dieser Tag begann herbstlich kühl mit Nieselregen am Morgen und setzte sich fort mit immer wieder teils heftigen Regenschauern. Trotz allem war es nachmittags, als ich zwischen zwei Schauern nach Hause radelte, erstaunlich warm geworden.

Abends lief ich eine Runde am Rhein entlang, dabei passierte ich den Abfluss der Kläranlage im Norden kurz vor dem Hafen, wo das gereinigte Wasser in den Rhein geleitet wird. So richtig geklärt scheint es nicht zu sein, weißer Schaum begleitet das austretende Wasser in Fließrichtung. Das hielt zwei Angler nicht davon ab, wenige Meter unterhalb des Abflusses ihre Rute in die Gischt zu halten. Ich wünschte Petri Heil und guten Appetit.

Donnerstag: »Liebe KollegInnen, vielen Dank für deine E-Mail«, steht in einer Abwesenheitsnachricht.

Bonn-Beuel, morgens

Die Stadt Bonn hat laut Zeitungsbericht im vergangenen Jahr 13,4 Millionen Euro an Bußgeldern für Park- und Tempoverstöße eingenommenen. Damit kann gut ein Drittel der jährlichen Kosten der Bonner Oper abgedeckt werden. Ich höre sie schon wieder schreien: Abzocke! Melkkuh der Nation!

Wie weiterhin berichtet wird, verzögert sich der Abriss des alten Schlachthofes, weil zuvor ein Eidechsenschutzzaun in Richtung Bahngleise errichtet werden muss, damit die dort lebenden Kleinreptilien nicht während der Abbrucharbeiten das Gelände aufsuchen und zu Schaden kommen. (Wegen der vom Bahnverkehr ausgehenden Gefahren für die Echsen hat man offenbar weniger Bedenken.) Das ist zu loben und bemerkenswert: Gebäude, in denen jahrzehntelang massenhaft Tiere getötet wurden, können nun aus Tierschutzgründen nicht abgerissen werden.

Gedanke: Wenn Außerirdische zu uns kämen, warum sollten sie mit uns kommunizieren wollen? Wenn Menschen Wälder roden, um Acker- und Weideflächen zu schaffen, diskutieren sie auch nicht vorher mit den Tieren. Außer vielleicht in Deutschland, siehe oben.

Spruch zum Abend: Das letzte Schaf hat kein Fell mehr. Fragen Sie nicht.

Freitag: Manches, was mich früher irritierte oder gar nervte, nehme ich heute amüsiert zur Kenntnis. Zum Beispiel Leute, die mich mal duzen, mal siezen. Wie die Dame am Empfang des von mir regelmäßig und auch heute aufgesuchten Frisiersalons. Vor einiger Zeit, ich berichtete, war sie nach jahrelanger Distanzanrede ohne erkennbaren Anlass, etwa einer gemeinsamen Ballonfahrt, nach der, wie ich mal hörte, das Duzen obligatorisch ist, zum Du übergegangen; nach interessierter, keineswegs verärgerter Frage meinerseits, was sie dazu veranlasst hätte, vereinbarten wir die Beibehaltung der vertrauten Ansprache und praktizierten sie bei meinen folgenden Besuchen. Heute nun siezte sie mich wieder wie früher; ich verkniff mir die Frage, ob wir wieder beim Sie seien und warum. Diesbezüglich bin ich flexibel, situativ wird zurückgeduzt oder -siezt, beides völlig in Ordnung. Wobei mit zunehmendem Alter meine Vorliebe für das Sie wächst. Auch bei sympathischen Leuten wie der Dame am Empfang.

Gelesen bei Frau Kaltmamsell und sofort eine Spur von Seelenverwandtschaft ausgemacht:

“Entsetzen und Schockstarre” waren die ersten Wörter der 20-Uhr-Tagesschau, ich erschrak heftig – UND DANN GING’S UM SCHEISS FUSSBALL?!

Ich schrieb es schon mal: Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum Sport, insbesondere Fußball, in den regulären Nachrichten neben Kriegen, Katastrophen, Klimawandel, Kirchenskandalen und Kindergrundsicherung einen so breiten Raum einnimmt. ZDF-heute leistet sich dafür gar einen separaten Sprecher. Sobald er spricht, oder schlimmer noch einer dieser unerträglich überdrehten Sportreporter im Radio, legt sich der Dunst des Desinteresses über meine Wahrnehmung. Die Worte nehme ich noch als Geräusch wahr, wie Hundebellen, ihr Inhalt dringt indes nicht bis zu mir vor.

Samstag: Todesanzeigen enthalten unterhalb des Namens des Gestorbenen häufig Zusätze wie „Oberregierungsrat a. D.“ oder „Bäckermeister“. In der Zeitung von heute steht in einer Anzeige: „Finanzangestellter und Sänger“. Bei mir könnte mal „Bundesbeamter und Kleinblogger“ stehen.

Im Zoo von Hannover erhielten drei Junglöwen ihre Namen, die Zeitung nennt es Löwentaufe: Zuri, Alani und Tayo. »Die Namen klingen alle sehr schön und unterscheiden sich gut voneinander. Das hilft uns, wenn wir die Jungtiere einzeln ansprechen und rufen möchten«, so ein Zoo-Mitarbeiter. Vielleicht bei Ansprachen wie „Alani, hatten wir nicht vereinbart, dass du nicht den Tierpfleger frisst? Böse Löwin.“

Sonntag: Durch die Sonntagszeitung wurde ich aufmerksam auf die Beobachtungsstelle für Anomalien, die systematisch Kuriositäten im öffentlichen Raum sammelt und dokumentiert. Über ein Meldeformular kann man eigene Beobachtungen zur Anzeige bringen.

Anormal für Anfang August ist weiterhin das kühle Wetter mit Regen und Wind. Hierdurch fiel der Sonntagsspaziergang kürzer, immerhin nicht ganz aus. Ich mag es, wenn beim Gehen Regentropfen auf den Schirm klopfen und an der Rheinpromenade nur wenige Fußgänger, zumeist mit Hund, um die riesigen Pfützen auf dem Gehweg flanieren, in denen die fallenden Tropfen Kreise bilden. Auf die in letzter Zeit liebgewonnene Einkehr in einer Außengastronomie verzichtete ich. Das ist nicht schlimm und wird nachgeholt.

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Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche.

Woche 43: Frühstück auf dem Gleis und Feuer in der Hose

Montag: „Er gehört zu mir, wie mein Name an der Tür“, sang Marianne Rosenberg einst. Dieser unter meinesgleichen in den Neunzigern überaus beliebte und gerne mitintonierte Schlager („Nananana nanaaa na …“) kam mir heute Morgen in den Sinn, als ich das neue Türschild an meinem Büro erblickte. Offenbar wurde das in der vergangenen Woche provisorisch angebrachte am Wochenende gegen die offizielle ausgetauscht. Einziger Schönheitsfehler: Mein Name fehlt darauf, wohingegen die beiden künftigen Zellengenossen, die ab dieser Woche einziehen, gut lesbar ausgewiesen sind. Mein Chef versicherte auf Anfrage einigermaßen glaubhaft, es handele sich um ein Missverständnis aufgrund ursprünglich anderer Raumplanung. Als grundsätzlich das Gute im Menschen Vermutender glaube ich ihm selbstverständlich. Vorsichtshalber habe ich ein neues Türschild beauftragt.

Eine geänderte Raumplanung hat vom Guten weniger Beseelte möglicherweise dazu bewogen, neben einem Parkplatz bei Ahrweiler eine Küche zu entsorgen. „Es handelt sich um eine 1991 produzierte Küche mit Eichenfront sowie einer Arbeitsplatte mit einer Edelstahleinbauspüle“, so die Zeitung. Falls ein Leser an einer Übernahme interessiert sein sollte, nehme ich an.

Dieses Blog kennen Sie nun, aber haben Sie schon mal was über den Blob gehört oder gelesen? Ich vorher auch nicht. Interessant, aber in gewisser Weise auch unheimlich, nicht nur wegen der 720 Geschlechter.

Dienstag: Das neue Türschild, nun mit meinem Namen, wurde angebracht. Ich werde das im Auge behalten.

Es wird Sie vielleicht nicht sonderlich interessieren, es stand heute in der Zeitung: Die Philippinen bestehen aus 7.641 einzelnen Inseln. Ist dann jede davon eine Philippine?

Gelesen in einem Blog für Berufspendler, was ja an sich ein blödes Wort ist, ich denke dabei immer als erstes an einen Hypnotiseur, der anderen Menschen einen an einem Faden hängenden Gegenstand vor den Augen hin und her schwingen lässt und sie mit leiser, beschwörender Stimme dazu bringt, einzuschlafen oder merkwürdige Dinge zu tun, aber das nur am Rande:

„Besser ist in Ruhe daheim zu frühstücken, hier kann man sich in Ruhe etwas hinrichten (vll. schon Tag zuvor mit deiner Abendroutine). Es ist auch gemütlicher als irgendwo am Bahnhof auf dem Gleis zu stehen und mit klebrigen Fingern etwas zu essen.“

Wer auf dem Gleis sein Frühstück einzunehmen pflegt, hat bezüglich Hinrichtung schon recht gut vorgesorgt.

Mittwoch: Bonn wurde nun als eine der schönsten Städte weltweit in den Lonely-Planet-Reiseführer aufgenommen. Völlig zu recht.

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Gehört: „Wie ist Rapunzel eigentlich gestorben? An einem Apfel, oder? Ach nee, das war die Schlange.“ Diverse Bücher müssen wohl umgeschrieben werden.

Donnerstag: „Mistarbeiter“ steht in einer Präsentation. Das muss nicht zwingend ein Schreibfehler sein.

Aus einer Zeitungsmeldung: „… als gegen 10.45 Uhr ein 28-jähriger Polizeibeamter und seine 34-jährigen Kollegin vom Ordnungsamt vorbeikamen.“ Gerne hätte ich noch die Sternzeichen, Telefonnummern und Bankverbindungen der beiden erfahren.

Ein regelmäßig von mir gelesenes Blog schließt den Tagesbeitrag heute so:

„Verehrter Leser, ich danke abermals für das Lesen dieses Textes gerade in Zeiten, in denen sich Radikale aufmachen, unser System mit demokratischen Mitteln zu zerlegen, bevor wir dann von undemokratischen Mitteln zerlegt werden. So lange das Wort noch frei ist – ein Zustand, den ich allen Ernstes für zeitlich begrenzt halte -, sollten wir das Geschriebene genießen!“

Das gefällt mir so gut, dass ich es ungefragt wiedergebe, bei Aufforderung durch den Verfasser selbstverständlich umgehend zu löschen mich bereit erkläre. Hinzufügen wäre noch die freie Meinung, die zunehmend nur noch geäußert werden darf (und wird), wenn sie möglichst wenig abweicht von dem, was eine breite Mehrheit als korrekt und sagbar erachtet. Das finde ich sehr bedenklich.

Freitag: „Es gibt nichts, was mich mehr an den Untergang der Menschheit erinnert, als eine Touristengruppe auf Segways“, schrieb Alexander Osang vor einigen Wochen im SPIEGEL, was ich sofort notierte und danach vergaß. Heute fiel es mir wieder ein, als mir auf dem Heimweg vom Werk eine solche Gruppe am Rhein begegnete. Aus nämlichem Artikel notierte ich weiterhin den Satz „Wie immer haben die größten Idioten die breitesten Reifen“, den ich Ihnen ob seiner allgemeinen Gültigkeit auch ohne konkreten Bezug zum heutigen Tag zur Kenntnis zu geben mir erlaube.

Samstag: In Los Angeles (oder „Äl Ääy“, wie affektierte Scheinkosmopoliten gerne sagen) ist eine Villa mit einundzwanzig Badezimmern für vierundneunzig Millionen Dollar verkauft worden. Wir hingegen haben seit nunmehr einem Monat gar kein Bad. Vielen Dank an die namhafte Versicherung aus der süddeutschen Lebkuchenstadt, die uns im Zeichen der Burg seit Wochen hängen lässt, weil der zuständige Schadensregulierer Urlaub hat. Vielleicht ist er in Äl Ääy.

„Du bist so sexy! Du hast ein Feuer in meiner Hose gemacht“, schreibt mir ein(e) Unbekannte(r) per Mail. Gern geschehen.

Sonntag: Letzte Nacht träumte ich, so ein orange gekleideter Essensausfahrer hätte mich mit seinem Fahrrad umgefahren. Als ich am Boden lag, stieg er ab, trat mich zusätzlich in die Seite und rief: „Und das war für den Speisesklaven!“

Kürzlich verhinderten Demonstranten in Göttingen eine Lesung des ehemaligen Bundesinnenministers. Dazu schreibt heute die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Unterstützt wurde die Blockade von der Göttinger Ortsgruppe von Fridays for Future, die neben dem Klima jetzt auch die nordsyrischen Kurden vor Thomas de Maizière schützen will.“

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die zu heute erfolgte Zeitumstellung die letzte ihrer Art sein sollte.

Woche 17: Dirndl als Dienstkleidung

Montag: „Was würdest du tun, wenn für dein Einkommen gesorgt wäre?“, lese ich am Morgen auf einem am Laternenpfahl angebrachten Aufkleber. Es gibt wohl keinen besseren Moment, über diese Frage nachzudenken, als den Montagmorgen.

Vielleicht fragen sich dies auch täglich die beiden Fahrrad-Speisesklaven eines bekannten Essenslieferanten, die am frühen Abend auf einer Bank am Rhein saßen und aßen. Spontan fragte ich mich, ob sie ihr Essen zuvor in einem Restaurant geordert und sich anschließend selbst, oder gegenseitig, beliefert hatten.

Dienstag: „Gelbe Plage“, so eine Artikelüberschrift im General-Anzeiger. Meine erste Vermutung, im Folgenden eine weitere Verunglimpfung meines Arbeitgebers lesen zu müssen, bestätigte sich nicht. Es ging stattdessen um Blütenpollen, die in diesen Tagen alles bestauben.

Apropos Natur: Der Tatsache, dass ausgerechnet als Folge einer Klimakonferenz Teile des Rheinauen-Parks der Renaturierung bedürfen, ist eine besondere Ironie nicht abzusprechen. Renaturierung, welch wunderbares Wort: eine Mischung aus Schöpfungsgeschichte und Renate.

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Mittwoch: Apropos gelb: Raps ist einerseits umstritten aufgrund der zunehmenden monokulturellen Inbeschlagnahme von Ackerflächen, andererseits ein vielfältiger Freudenbringer. Zurzeit erfreut er, sonnenbeschienen leuchtend, das Auge, später dann Gaumen und Gasgebefuß. (Leider habe ich gerade kein aktuelles Rapsbild zur Hand.)

Donnerstag: In Bayern wurde angeordnet, in allen Landesbehörden ein Kreuz aufzuhängen. Laut dem aktuell amtierenden Bayernkönig Ludwig Söder symbolisiere es jedoch nicht eine Religion, sonders es verkörpere die bayrische Identität und Kultur. Wie gewöhnlich gut unterrichtete Kreise, die ihren Namen nicht in diesem Blog lesen möchten, verlauten ließen, wurde von der ursprüngliche Idee, alle Landesbediensteten anzuweisen, Lederhose beziehungsweise Dirndl als Dienstkleidung zu tragen, Abstand genommen. Entgegen aller Kritik, Häme und Spott lobt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Bedford-Strohm, die Maßnahme mit der interessanten These, das Kreuz stehe für Humanität. Hoffentlich erfährt das nicht Donald Trump, sonst twittert er Nämliches bald zu Atomraketen, Schnellfeuergewehren und Giftspritzen.

Unterdessen zanken sich deutsche Christen weiterhin darüber, ob im Vaterunser der Satz „Und führe uns nicht in Versuchung“ stehen darf. Haben die eigentlich nichts zu tun? Ach hätten wir doch echte Religionsfreiheit! Also eine, die uns endlich von allen Religionen befreit!

Übrigens gibt es Selbstmordattentäter nicht nur in zweibeiniger Form, sondern auch im Tierreich: Auf Borneo wurde nun die Amok-Ameisenart Colobopsis explodens entdeckt, die sich bei Gefahr selbst in die Luft sprengt und angelegentlich der Mikrodetonation eine giftige Flüssigkeit gegen den Feind versprüht. Ob ihr dafür im Insektenhimmel eine gewisse Anzahl von Jungameisinnenen in Aussicht gestellt wird, ist noch nicht erforscht.

Freitag: Am Abend gelaufen. Wenn Blicke jucken könnten, dann hätten sich heute wieder einige Jungs am Bein gekratzt.

Samstag: Ausflug mit den Lieblingsmenschen und Freunden ins Ahrtal.

KW17 - 1 (2)

Aufgrund meiner Dusseligkeit verpassten wir am Abend unseren Zug ab Dernau und mussten etwa eine Dreiviertelstunde auf den nächsten warten, was die gute Stimmung jedoch nicht trübte und mich nicht unter Beschimpfungsbeschuss brachte. Stattdessen kamen wir mit dem jungen, überaus freundlichen Fahrdienstleiter des Bahnhofs Dernau ins Gespräch, der uns mit sichtlicher Begeisterung die über hundert Jahre alte, aber tadellos funktionierende mechanische Stellwerkstechnik erläuterte, welche sich hier (und außerdem noch in den Bahnhöfen Bad Bodendorf, Bad Neuenahr, Ahrweiler, Walporzheim und Kreuzberg) bis heute halten konnte.

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In wenigen Jahren werden auch diese Arbeitsplätze wegdigitalisiert sein, statt schwerer Hebel werden dann Bildschirme den Zugverkehr der Ahrtalbahn sichern helfen.

Aus dem Bonner General-Anzeiger: »In einem Graffiti-Workshop können Kinder ab zehn Jahren einmal selbst die Sprühdose in [die] Hand nehmen und ein Graffiti ganz nach ihren Vorstellungen entwerfen. Doch auch die Vorbereitungen zum ersten eigenen Graffiti-Kunstwerk gehören gleichermaßen dazu: Es werden zunächst Schablonen mithilfe eines „Cutters“ erstellt und erst dann wird gesprayed.« Das ist zu loben, nur so kann die Qualität der Verzierungen von Hauswänden und Eisenbahnwaggons auf dem gewohnt hohen Niveau gehalten werden.

Sonntag: Während meines Spazierganges am frühen Nachmittag kam es in der Inneren Nordstadt zu einem sonderbaren Vorfall, als eine Dame schwer zu bestimmenden Alters, vielleicht ein paar Jahre jünger als ich, mich ansprach und um etwas Essbares oder, alternativ, Bargeld anhielt. Da sie äußerlich nicht besonders bedürftig wirkte, eher wie der typische, leicht alternativ angehauchte Altstadtbewohner, glaubte ich zunächst, sie sammle für eine Veranstaltung, Tafel oder ähnliches, daher fragte ich nach, an was genau sie denn dachte und erfuhr, dass sie für sich selbst fragte. Da ich gerade keine abgebbaren Nahrungsmittel mit mir führte und dem Ansinnen fremder Menschen zur Überlassung von Bargeld auf der Straße stets mit großem Misstrauen begegne, verneinte ich höflich. Darauf wandte sich die Dame ab und rief mir im Gehen zu: „Warum verwickeln Sie mich dann in ein längeres Gespräch? Das ist unangenehm!“ Ja, das war in der Tat unangenehm.