Woche 46/2024: Ein weiterer Pinselstrich im düsteren Bild unseres Unterganges

Montag: „Ich bin hier noch sehr unwissend unterwegs“, schrieb einer per Mail. Das ist kein bisschen besser als das vor allem bei jungen Menschen weit verbreitete „keine Ahnung“. Im Übrigen war der erste Arbeitstag der Woche erträglich und nicht zu lang. Ab Mittag zeigte sich nach längerer Abwesenheit mal wieder die Sonne; die den elften Elften feiernden Jecken auf dem Marktplatz und anderswo wird es gefreut haben.

Im Briefkasten ein handgeschriebener Brief aus Duisburg beziehungsweise Düsseldorf, über den ich mich, obwohl per Mail angekündigt, freue und der so bald wie möglich beantwortet wird. Da sage noch jemand, es würden keine Briefe mehr geschrieben. Wenn Sie mir auch gerne schreiben möchten, meine Adresse finden Sie im Impressum. Es würde mich freuen und ich schreibe zurück, irgendwann, versprochen.

Abends schauten der Liebste und ich anlässlich der Sessionseröffnung ein Stündchen im nahegelegenen Zeughaus der Bonner Ehrengarde rein. Es war nicht überfüllt, doch gute Stimmung und lebhaftes Partytoben. Ein wenig ungewohnt ist es noch, am Montagabend zu einschlägigem Liedgut Kölsch zu trinken, das wird schon wieder.

Dienstag: Während des Fußwegs ins Werk überholte mich am Rheinufer ein jüngerer Läufer. Kurz vor mir blieb er stehen, holte sein Datengerät aus der Hosentasche, hielt es schräg über Kopfhöhe, grinste es gequält an und steckte es wieder ein. Warum er das direkt in meinem Blickfeld tat anstatt vorher, oder zu warten, bis der mittelalte Mann mit dem morgenmürrischen Gesicht vorbeigegangen ist, weiß ich nicht. Vermutlich kann er sich nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die diese Selfiesucht seltsam finden und darüber bloggen, was, zugegeben, auch eine Art Sucht geworden ist.

Komplimente to go, welch schöne Idee
Auch in dieser Woche darf dieses Motiv nicht fehlen

Mittags gab es Gänsekeule mit Knödeln, Maronen und Rotkohl, eine umfangreiche Portion von beglückendem Geschmack. Für die Kantine war es ungewöhnlich teuer, im Restaurant hätte es in vergleichbarer Menge und Qualität indes das dreifache gekostet; immer das Verhältnis sehen, schon wird es günstiger. Ich vermute einen Zusammenhang mit diesem Martin, wegen dessen sie dieser Tage überall auf die Straße gehen.

Mittwoch: Ein insgesamt angenehmer Tag ohne berichtenswerte Beobachtungen und Erlebnisse. Schauen wir deshalb mal wieder auf die WordPress-Tagesfrage, die heute lautet: „Was ist das Coolste, das du je gefunden (und behalten) hast?“ Puh. Dazu fällt mir spontan gar nichts ein, jedenfalls nicht, wenn man die Frage auf einen Gegenstand bezieht, den man zufällig am Wegesrand aufsammelte und ihn sich auf den Kaminsims stellte, wo er noch heute vollstaubt. Und cool soll es ja auch noch sein, was ist schon cool? Ist dieses Wort heute überhaupt noch gebräuchlich, ist das nicht Jugendsprache aus vergangenen Zeiten? Ich selbst gebrauchte und gebrauche es selten bis nie, was die Beantwortung der Frage nicht einfacher macht. Lassen Sie mich deshalb eine Nacht darüber schlafen; sollte mir etwas einfallen, reiche ich es nach.

Donnerstag: Über den Straßen der Fußgängerzone sind die jahreszeitüblichen Besinnlichkeitsleuchtmittel angebracht, wie ich morgens sah, vorläufig noch unbeleuchtet. Vielleicht hängen sie schon länger dort und sie sind mir nur nicht aufgefallen, wenn ich mich mit gesenktem Blick ins Werk schleppe. Immerhin dürfte es nun nicht mehr lange dauern, bis am Rheinpavillon die Glühweinbude aufgebaut ist, die mich auf dem Rückweg zur besinnlichen Einkehr nötigt.

Kürzlich berichtete ich über einen Jüngling auf dem Fahrrad, der bei ähnlich niedrigen Temperaturen wie jetzt obenrum mit nichts als einem Rucksack bekleidet war. Heute sah ich ihn in gleicher Weise (un-)bekleidet wieder am Rheinufer entlang radeln. Immerhin trug er zusätzlich eine Wollmütze.

Morgens
Abends

Freitag: Wie im Radio morgens gemeldet wurde, klagen sauerländische Hotelbesitzer gegen das Aufstellen von zwei Windrädern, weil sie den Panoramablick verunzieren und somit schlecht fürs Geschäft mit dem Ski-Tourismus sind. Ein weiterer Pinselstrich im düsteren Bild unseres Unterganges.

In diesen Tagen gibt der künftige US-Präsident bekannt, wer künftig seiner Administration angehören wird, unter anderem der nicht minder irre reichste Mann der Welt. Armes Amerika, aber sie wollen es so. Vielleicht ist es das beste, die dortigen Geschehnisse nicht als Drama, sondern als Komödie zu betrachten. Ich weiß, das ist dem Ernst der Lage nicht angemessen, aber ich kann ja nichts daran ändern.

Aus dem Bonner General-Anzeiger:

„Vertagt wurde lediglich die Erhöhung der Abwassergebühren, weil die Fraktionen noch Klärungsbedarf haben.“

„Eine vom Aussterben bedrohte Meeresschildkröte ist über 8000 Kilometer von ihren Heimatgewässern entfernt gefunden und nun wieder zurückgebracht worden.“

Von der Internetseite der Stadt Bonn zum Parkraumkonzept: „Öffentliche Parkplätze in der Nordstadt sollen vor allem Anwohnenden zur Verfügung stehen. Diese können mit dem Bewohnerparkausweis parken.“

Samstag: Für den voraussichtlich künftigen Bundeskanzler Merz ist das Recht auf Abtreibung ein Thema, „das wie kein zweites das Land polarisiert“. Da fielen mir umstrittenere Themen ein, wenn man mich fragte. Aber mich fragt ja keiner.

Morgens fuhren der Liebste und ich nach Bad Godesberg, wo die Karnevalssession traditionell erst am Samstag nach dem elften Elften mit Buden und Bühnenprogramm auf dem Theaterplatz eröffnet wird. Unsere Gesellschaft war mit einer Bierbude vertreten, allerdings war mein Bierbedarf gedämpft, es war zu kalt für Kaltgetränke. Stattdessen holte ich mir an einem anderen Stand den ersten Glühwein der Saison, der allerdings nur unzureichend wärmte, vor allem nicht die Füße. Deshalb war ich nicht unfroh, als wir vorzeitig aufbrachen. (Ich hörte mal vor längerer Zeit, wenn man eine Veranstaltung, etwa eine Party, ohne Abschied verlässt, heißt das „polnische Verabschiedung“, warum auch immer. Vielleicht ist es in Polen so üblich, was ich durchaus sympathisch fände.)

Auf dem Rückweg vom Hauptbahnhof nach Hause wurden wir, durch Vereinsjacke, Orden und Schiffchen als Karnevalisten erkennbar, mit „Helau“ angerufen. Eine Dame fragte immerhin, ob man hier Helau oder Alaaf rufe, eine Frage, die den Rheinländer vermutlich stärker polarisiert als die Abtreibungsfrage; eine Passantin äußerte sich uns gegenüber bestürzt über derlei Unwissenheit. Ich nehme das den Leuten nicht übel, als zugezogener Ostwestfale ist meine (nicht nur) diesbezügliche Leidenschaft gering. Touristen halt.

Sonntag: Nachmittags besuchte ich eine Modelleisenbahnbörse in einer Schule in Bornheim-Roisdorf, da es regnete mit der Stadtbahn. Nachdem ich alles gesehen, einen Waggon erstanden und den im Eintrittspreis enthaltenen Kaffee getrunken hatte, hatte es zu regnen aufgehört und die Sonne ließ das verbliebene Herbstgelb leuchten. Deshalb beschloss ich, zu Fuß zurück zu gehen, so kam ich auch noch zum Sonntagsspaziergang, eher schon eine kleine Wanderung. Zuvor suchte ich die Toiletten auf, wo ich mich wunderte:

Zum einen über die keinerlei Sinn ergebenden Anführungszeichen. Vor allem aber über den Anbringungsort bei den Waschbecken und nicht in den Verrichtungszellen. Das verstehe ich nicht: Nach meiner Erfahrung hat es sich bewährt, unmittelbar nach dem Geschäft nach dem Papier greifen zu können, ohne die Gründe dafür weiter auszuführen. Wie läuft das hier? Entnimmt der Schüler vorher so viele Blätter, wie er zu benötigen schätzt? Wenn er zu großzügig geschätzt hat, wird er das überzählige Papier vermutlich mit wegspülen, was Verschwendung ist. Was aber soll er tun, wenn er zu wenig mit in die Kabine nahm?

Schotterbeete sind deprimierend. Doch gibt es nichts, was sich nicht noch steigern ließe.
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Zwischen Alfter und Bonn-Dransdorf zauberte die Meteorologie einen beeindruckenden Regenbogen. Kurz darauf setzte ein Regenschauer ein, der das Gehglück nur geringfügig trübte.

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Kommen Sie gut durch die Woche.