Woche 7/2024: Aschermittwochsgesabbel, Büromöbelkorrekturen und Wodka mit Gurkenwasser

Montag: In der Nachlese zu gestern verlief der Godesberger Zoch ziemlich genauso wie am vergangenen Samstag vorausgeschrieben. Ergänzend zu erwähnen ist eine Hautrötung am rechten Oberschenkel von der Größe des Saarlands auf einer Karte im Maßstab eins zu einer Million, hervorgerufen vermutlich durch die Trommel, die sich unbemerkt während des Marsches an dieser Stelle rieb. Ansonsten war mein Trommelspiel nicht perfekt, für das erste Mal im Zoch aber wohl passabel, wenngleich ich am Ende froh war, das Teil endlich abnehmen zu können.

Ulrich Lüke vom Bonner General-Anzeiger über den politischen Aschermittwoch, dieses alljährlich aufgeführte Kasperletheater für Große: »Erfunden wurde das Ganze nicht, um Gemeinsames zu betonen, sondern die Differenzen. So verstanden ist für die FDP derzeit eigentlich immer Aschermittwoch.«

Heute ist Rosenmontag. Geplant war es ganz anders: Gegen vierzehn Uhr ein bis zwei Stündchen den Bonner Zoch anschauen, der nahe unserer Wohnung verläuft, dabei ein bis drei Kölsch. – Gegen dreizehn Uhr erreichte mich die Anfrage, wo ich denn bliebe, man sei schon dort. Aus den zwei Stunden wurden gut vier, aus den maximal drei Kölsch … fragen Sie nicht. Übermenscht und überkölscht, gleichwohl zufrieden notiere ich diese Zeilen nach Rückkehr und freue mich auf die behagliche Ruhe im Büro ab morgen wieder.

Karnevalistischer Niederschlag
Ostwestfälischer Frohsinn in höchster Ausprägung

Dienstag: Morgens war der Rosenmontag in der Innenstadt noch nicht vollständig aufgekehrt, auch am Rheinufer waren noch die fleißigen Männer in Orange tätig. Ansonsten war es wieder recht vergnüglich, zu Fuß ans Werk zu gehen, wenn auch überraschend kühl, dafür optisch ansprechend.

Friedrichstraße
Rheinufer, auch in dieser Woche kann ich Ihnen das nicht ersparen

Nachmittags begann mein Hirnradio anlasslos, über Stunden diesen Karnevalsschlager mit der Prinzessin und dem Krokodil zu spielen, der in den letzten Wochen häufig zu hören war. Es hätte schlimmer kommen können, daher ließ ich es laufen und sang, zumal allein im Büro, mit. Aus wenig nachvollziehbaren Gründen dachte ich dabei an Poldi, den schönsten Jungdrachen der Welt aus Hallo Spencer, die Älteren kennen ihn vielleicht noch, und sang „… das Krokodil will dir fressen“. Vielleicht war in meinen Hirnwindungen der Rosenmontag auch noch nicht vollständig aufgekehrt.

Zu einer anderen Spezies mit Kr: Am späten Nachmittag ließ mich Kranichkreischen aufhorchen und -schauen, sie kreisten in größerer Zahl ohne erkennbare Formation über dem Viertel. Erst als ich auf dem Heimweg war, zogen sie in einem geradezu mustergültigen V über mich hinweg in Richtung Köln. Pass op, pass op …

Mittwoch: Auf die Tagesschau verzichtete ich heute Abend, um nicht das unerträgliche Aschermittwochsgesabbel von Lindner, Söder, Merz und all den anderen anhören zu müssen. Lieber hundert weitere Strophen des Krokodil-Liedes, und die sind schon schwer zu ertragen.

Gelesen und für gut befunden:

»Ich fand schon immer eine ausgewogene Work-Life-Balance wichtig. Habe nach Möglichkeit stets pünktlich Feierabend gemacht, Überstunden, wenn’s ging, vermieden, diese, wenn das nicht ging, zeitnah abgefeiert und nie auch nur einen Urlaubstag verfallen lassen. Ich war schon Generation Z, da gab es den Begriff noch gar nicht.«

https://fliegende-bretter.blogspot.com/2024/02/vermischtes-und-zeugs-lxxvi.html

Tagesfrage von WordPress: »Wenn es eine Biografie über dich gäbe, wie würde der Titel lauten?« – Vielleicht so: »Stets mit gutem Beispiel hinterher«. Oder: »Ihr macht das schon«. Oder: »Begegnungen auf Gürtelhöhe«. Oder: »Zum Schreiben verdammt – vom Erfolg verpönt« (Inspiriert durch die jüngste Abrechnung meiner Buchverkäufe)

Zum Aschermittwoch

Donnerstag: »Winterkorn weist jede Schuld von sich«, übertitelt die Zeitung einen Bericht über den früheren VW-Chef, der jetzt wegen des Dieselskandals von 2015 (wie die Zeit vergeht) vor Gericht steht. (Warum eigentlich „steht“ man vor Gericht? Die meiste Zeit wird doch gesessen, je nach Ausgang des Verfahrens auch längere Zeit danach. Ich schweife ab.) Jede andere Einlassung des Herrn W. hätte auch sehr verwundert. Der Titel seiner Biografie könnte »War ich nicht« lauten.

Zu Fuß ins Werk und zurück. Für Mitte Februar war es geradezu grotesk mild. Dementsprechend anregend die Anblicke am Rheinufer, weitere Details erspare ich Ihnen.

Abends schwebte eine Art Makromeduse am Himmel über dem Rhein

Vormittags erschienen im Büro zwei Techniker, um die Schreibtischplatte der Kollegin zu richten, die, nachdem eine andere Kollegin sich vergangene Woche seitlich darauf gesetzt hatte, in Schräglage geraten war (die Platte, nicht die Kollegin), was nur mit Werkzeug zu heilen war. Erst gestern hatte ich mich deswegen an den Hausservice gewandt, weil mich als passionierten Rechtwinkler erstens der Anblick der schiefen Platte störte – seit Loriot weiß man, zu was so etwas führen kann -, ich zweitens die abwesende Kollegin davor bewahren wollte, auf die schiefe Bahn zu geraten. Bei der Gelegenheit wurde festgestellt, dass auch die Platte meines Schreibtisches direkt gegenüber nicht waagerecht ausgerichtet war, das hatte ich gar nicht bemerkt und es wurde ebenfalls behoben. Nun ist wieder alles im Lot, oder eher in der Libelle. Die beiden Techniker kamen übrigens vom Unternehmen, das bis vorletzte Woche noch Arbeitgeber des Liebsten war, wobei Büromöbelkorrekturen nicht in seiner Aufgabenbeschreibung standen.

Meine frühere Chefin, seit geraumer Zeit im Ruhestand, hat heute Geburtstag. Da ich über keine privaten Kontaktdaten von ihr verfüge, sei ihr auf diesem Wege herzlich gratuliert, vielleicht liest sie es ja. Das nehme ich zwar nicht an, schließe es indes auch nicht aus; ich wundere mich immer wieder, wer hier mittlerweile alles mitliest. Sogar meine Mutter, überzeugte Offlinerin, sprach mich kürzlich darauf an, nachdem eine mitlesende Freundin ihr berichtet hatte, daher: Seid gegrüßt, liebe Mama und liebe U.! Und natürlich du, liebe I., alles Gute zum Geburtstag, ich hoffe, es geht dir gut!

Freitag: An Kollegen R., falls auch er hier liest: Um neun Uhr eine Besprechung mit „Mahlzeit“ zu betreten deutet auf einen fragwürdigen Humor hin.

In einem Artikel lese ich »Bäuer:innen« und denke: Merkt ihr es wirklich nicht?

Abends fand mit dem traditionellen Fischessen der Karnevalsgesellschaft diese Session ihr Ende, danach wird man die meisten über Wochen und Monate leider nicht mehr sehen; die Trommel kann für die nächsten neun Monate verstaut werden, das am Montag gesichtete Saarland ist inzwischen wieder vollständig verblasst. Auch in diesem Jahr war es eher ein Fischtrinken, weil Fisch gemäß einer alten, nur leicht angestaubten Überlieferung schwimmen muss. Besonders kreativ zeigte sich dabei die Vereinsjugend mit einem wertvollen Beitrag gegen Lebensmittelverschwendung, indem sie Wodka mit Gurkenwasser trank. Ob diese Kreation einen eigenen Namen hat, weiß ich nicht, es schmeckt jedenfalls bei weitem nicht so ekelig wie es klingt, ich habe es probiert.

Samstag: Der Tag war von leichten Kopfschmerzen mit bekannter Ursache begleitet. Ob das Gurkenwasser einen Anteil daran hatte, ließ sich nicht feststellen. Ansonsten Samstäglichkeiten wie Be- und Entsorgungen in der Stadt und Sofalesezeit. Weiterhin das Fahrrad geputzt, weil es kommende Woche zur Inspektion geht. (Wohl aus ähnlichen Gründen räumen Leute ihre Wohnung auf, bevor die Putzfrau kommt.) Dabei fiel mir auf, dass die Kette Rost angesetzt hatte und spendierte ihr einige Tropfen Öl. Ich gelobe, der Radpflege künftig etwas häufiger Aufmerksamkeit zu widmen, nicht nur vor Inspektionsterminen.

Sonntag: Regen hielt mich nach Lektüre der Sonntagszeitung nicht vom üblichen Spaziergang ab, heute durch die Südstadt. Ich freue mich schon darauf, wenn gestiegene Außentemperaturen wieder einen Besuch der Außengastronomie ermöglichen. Sicher, bis dahin könnte ich das Nachmittagsgetränk auch innerhalb einer Gaststätte zu mir nehmen, doch hält mich bislang eine gewisse Schwellenhemmung davon ab.

Moosbetrachtung I – am botanischen Garten
Moosbetrachtung II – offensichtlich bin ich nicht der einzige, dessen Radpflege als liederlich zu bezeichnen ist

Der Liebste studiert zurzeit die Gourmet-Bibel Frankreich, ein großes Fachbuch über Essen und Trinken ebendort. Darin folgendes über Aperitif: »Der thé dînatoire dagegen beginnt mit einem Heißgetränk. Es besteht jedoch kein Verbot, sich nicht in Richtung eines kleinen Kir-Cocktails zu bewegen …« – Trotz des überzähligen »nicht« ein schöner Satz. Was die Verfasser wohl über Wodka mit Gurkenwasser denken?

Aus einem Tchibo-Prospekt:

Finde den Fehler

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Kommen Sie gut durch die Woche, möglichst ohne Schräglagen

Die Vernunft ist weiblich

Eine der Hauptbeschäftigungen liegt heute darin, sich zu empören. Zurzeit wohl beliebtestes Empörungsobjekt ist der sogenannte Sexismus: Von der Wand einer Hochschule muss ein harmloses Gedicht entfernt werden, weil sich Frauen durch die vom Dichter ihnen, Blumen und Alleen entgegen gebrachte Bewunderung angegriffen fühlen; Gemälde in Museen werden verhüllt oder abgehängt, weil jetzt, nach Jahrhunderten, jemand Anstoß nimmt an einer blanken Brust. Kaum vergeht ein Tag, an dem nicht ein Prominenter angeprangert wird, weil er in der Vergangenheit mal eine schlüpfrige Bemerkung fallen ließ oder auch nur einen unzüchtigen Gedanken hegte.

Besonders die Sprache steht immer wieder im Zentrum der Kritik. An amerikanischen Universitäten soll es mittlerweile sogar Hinweise am Anfang von Texten geben, die vor möglicher Erwachsenensprache warnen, ähnlich der Warnung auf diversen Lebensmittelverpackungen vor möglichen Erdnussspuren. Wie schnell ist der junge Mensch traumatisiert, weil er in einem Botanik-Fachbuch unvorbereitet auf das Wort „Vergeilung“ stieß *.

Zugegeben: Auch ich empöre mich immer wieder gerne, manchmal mit geradezu kindischem Eifer, über schludrigen Sprachgebrauch, wie fehlende Bindestriche („Deppen Leerzeichen“) oder falschen Genus des Possessivpronomens („Qualität hat seinen Preis“). Niemals schriebe ich ein Wort mit Binnen-I, Gender-Sternchen oder -Unterstrich (und welche unschönen Varianten es sonst noch gibt), wenn eindeutig ist, was gemeint ist. Ein Mensch ist ein Mensch, eine Person ist eine Person und ein Mitglied ist ein Mitglied. (Irgendein SPD-Heini sprach neulich im Fernsehen von „Mitgliedern und Mitgliederinnen“.)

Weiterhin rege ich mich immer wieder gerne auf über fingerhutgroße Saftgläser bei Hotel-Frühstücksbüffets und das Unvermögen der Bahnindustrie, moderne Züge zu bauen, bei denen jeder Fensterplatz wirklich einen Blick nach draußen ermöglicht statt gegen eine graue Innenverkleidung. (Entstanden ist dieser Aufsatz übrigens in einem ICE, Sie ahnen vielleicht, wo ich währenddessen saß.) Doch fiele es mir nicht ein, wegen solcher Quisquilien, die dem allgemeinen Lebens-Unbill zuzurechnen sind wie Glatteis oder Max Giesinger, vor Gericht zu ziehen.

Genau das tat eine Dame aus dem Saarland, die dort zu erreichen suchte, in Formularen der Sparkasse künftig als „Kundin“ angesprochen zu werden und nicht länger allgemein als „Kunde“. „Ich sehe das überhaupt nicht mehr ein, dass ich als Frau totgeschwiegen werde“, so ihre Argumentation, die ein wenig an Frau Hoppenstedt in dem bekannten Loriot-Sketch erinnert, nachdem der Reporter von Radio Bremen sie gefragt hat, was ausgerechnet sie als Frau dazu bewogen habe, das Jodeldiplom zu machen. Die Saarländerin klagte über mehrere Instanzen bis zum Bundesgerichtshof.

Doch es gibt Lichtblicke im dichter werdenden Nebel der Vernunftsverschleierung:

Unsere Bundeskanzlerin daselbst (ohne Binnen-Dings) wies erst kürzlich das Ansinnen der Gleichstellungsbeauftragten des Familienministeriums ab, unsere Nationalhymne umzudichten; unter anderem sollte „Vaterland“ zu „Heimatland“ werden (was ich persönlich nicht besonders schlimm fände, und Herr Seehofer als zuständiger Minister vermutlich auch nicht).

Und der Bundesgerichtshof hat die oben genannte Klage aus dem Land der Kramp-Karrenbauers nun abgewiesen. Die seit jeher gebräuchliche männliche Kollektivform sei auf Formularen klar und ausreichend. Das Hinzufügen des weiblichen Geschlechts (und konsequenterweise weiterer) würde Formulare und Texte unnötig verkomplizieren.

Allen Damen, die mir nun böse sind, sei gesagt: Ich erkenne an und hege keinen Zweifel daran, dass die Vernunft weiblich ist.

(Im Übrigen hätte auch ich allen Grund, mich diskriminiert zu fühlen: Wann sieht man mal eine Werbung, in der zwei oder drei Männer oder Frauen eindeutig als Lebens- und Liebespartnerschaft in Erscheinung treten? Stattdessen immer nur Vater, Mutter, zwei Kinder und der Hund in einem weißen Neubaugebiet-Eigenheim, oder junge Hetero-Paare mit Dreitagebart (er) und entblößten Fesseln (beide), die sich mit Fotogrinsen gegenseitig Lebensmittel in den Mund schieben. Komisch, dagegen wettert niemand.)

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Siehe hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Vergeilung