Woche 45/2025: Weiterhin mit Vergnügen

Montag: Die üblichen Wochenanfangsbeschwerlichkeiten hielten sich in erfreulichen Grenzen. Dem Wohlbefinden förderlich war auch eine Kohlroulade zum Mittagessen. Der Arbeitstag endete zeitig.

Wie vorgenommen ging ich direkt im Anschluss ins Sportstudio. Die Funktionsweisen der meisten Geräte waren mir seit dem Probetraining letzten Donnerstag noch weitgehend vertraut, es turnte sich gut, laut Geräteanzeigen bewegte ich dabei mehrere Tonnen. Das nächste Mal Mittwoch.

Dienstag: Der Fußweg ins Werk erfolgte durch milde Morgenluft. Am Rheinufer gingen vor mir drei schnatternde Damen derart raumeinnehmend nebeneinander, dass man kaum an ihnen vorbeikam. Erst als eine Läuferin entgegenkam, entstand kurz eine Lücke, die ich nutzte. Im Überholen hörte ich eine sagen: „Die Belinda ist eine schwierige interne Person, aber sie nimmt es auch mega genau.“ Was in Abwesenheit so geredet wird. Etwas später überholte mich ein Läufer mit großflächig tätowierter Wade. So etwas sollte meines Erachtens auch in die aktuelle Stadtbild-Diskussion mit einfließen.

Auf der Wiese im Rheinauenpark graste eine größere Gruppe Wildgänse. Nun also ihr, dachte ich im Vorbeigehen und rief ihnen gedanklich „Bleibt gesund!“ zu. Was heute Stallpflicht für Geflügel ist, hieß für uns vor fünf Jahren – so lange ist das schon her, unglaublich – Homeoffice.

Mittags in der Kantine gab es Curryfrikadelle mit Pommes. Das ist wie Currywurst mit Pommes, nur ohne Wurst, dafür mit Frikadelle. Aber darauf wären Sie vermutlich selbst gekommen. War jedenfalls gut.

Für mich eines der besten Lieder von Supertramp ist „Take The Long Way Home“. Den langen Weg nach Hause nahm ich nachmittags, da es weiterhin angenehm mild war, und zwar rechtsrheinisch. Zu meiner freudigen Überraschung war der Biergarten „Zum Blauen Affen“ noch geöffnet, wo ich ich die unerwartete Gelegenheit wahrnahm, mich an einem Bier zu erquicken, während auf der anderen Rheinseite die Sonne unterging.

Morgens kurz vor Sonnenaufgang
Wieder so ein Was-soll-das-Moment
Nachmittags, Rheinauenpark
Beueler Ufer

Mittwoch: Im Büro lachten wir laut über Internes, das Ihnen mangels Kenntnis der belachten Personen und Gegebenheiten vermutlich nicht mal ein Grinsen entlocken würde. „Stell dir vor, die würden uns hier abhören“ sagte der Kollege vom Schreibtisch gegenüber. Wenn sie das täten, wären wir beide wegen ungebührlicher Lästerlichkeit längst rausgeflogen.

Abends bewegte ich im Sportstudio wieder mehrere Tonnen, weiterhin mit Vergnügen. Ich meine, der Bizeps sei schon etwas gewachsen, vielleicht ist das aber auch Einbildung.

Bald beginnt der Karneval wieder. Aus einem Zeitungsartikel über unangemessene Verkleidungen:

(General-Anzeiger Online)

Donnerstag: Morgens zeigte sich der Mond über den Dächern gegenüber. Dafür, dass er angeblich in diesen Tagen besonders groß wirken soll – irgendwo las ich, das nenne man Nebelmond -, war er ziemlich klein oder wenigstens normal groß. Vielleicht ist unsere Begleitkugel über Nacht wieder geschrumpft. Nebelmond, Vollmond, Halbmond, Neumond, Blutmond, demnächst vielleicht auch noch Fleischmond. Ach nein, das soll ja verboten werden.

Morgenmond

Gedanke während einer Besprechung: Vielleicht ist meine Weigerung, möglichst aufwendige PowerPoint-Präsentationen zu erstellen, der Grund, warum ich nicht Karriere gemacht habe.

Blick auf Beuel während des Heimwegs

Im Ortsteil Kessenich waren abends die Straßenränder gesäumt von Sperrmüll, wie ich auf dem Weg zur Musikprobe sah. Wunderbare Konsum- und Wegwerfwelt, es hört nie auf. Unterdessen verhandeln sie in Brasilien darüber, um wieviel Prozent der CO2-Ausstoß (nicht) verringert werden soll. Ich bleibe skeptisch.

Freitag: Morgens auf dem Fahrrad blies mir stärkerer, kühler Wind entgegen. Ich betrachtete es als eine Sporteinheit, immer auch das Positive sehen. Was schön war: Nachmittags hatte sich die Windrichtung nicht geändert, so dass ich auf dem Rückweg angenehm angeschoben wurde.

Nachmittags bliesen die Kohlekraftwerke am Horizont bizarre Dampfungetüme in den Himmel

Abends begann mit dem Ordensfest der Karnevalsgesellschaft die Session. Nicht, dass ich es kaum erwarten konnte, aber meinetwegen. Na dann: dreimol hetzlisch Alaaf.

Samstag: Nach spätem externen Frühstück mit den Lieben (das Ordensfest hatte keine appetitmindernden Nachwirkungen) unternahm ich einen Spaziergang. Bei allem, was man am Universum zurzeit beklagen kann: Der Herbst ist in diesem Jahr besonders wohlgeraten.

Nordstadt
Innere Nordstadt

Abends aßen wir im Wirtshaus Gänsekeule mit Rotkohl und Klößen, wie es sich gehört. Auch so ein Gericht, bei dem ich mich frage, warum es das nur saisonal gibt, während Enten und Hühnern ganzjährig die Federn gerupft werden.

Da geht noch was

Sonntag: Dieser Tag zeigte sich im Gegensatz zu den Vortagen wesentlich novembriger, trüb und sonnenlos. Also so, wie viele den November malen würden, wenn sie müssten und könnten und weshalb er bei vielen – zu unrecht, wie ich finde – als unbeliebtester Monat gilt. Immerhin blieb es trocken und die Temperatur draußenbiertauglich, so dass der Spaziergang am Nachmittag in noch gut besuchter Außengastronomie abgerundet werden konnte. Über die Wespe, die kurz mein Glas umkreiste, bevor sie ihrem vermutlich baldigen Ende entgegen flog, staunte ich dennoch.

Ich persönlich finde den Februar viel schlimmer, obwohl (oder weil?) ich dann Geburtstag habe; wenn das Gefühl, jetzt ist es aber mal gut mit kalt und keine Blätter an den Bäumen, auf das Gemüt drückt.

Vorher aber, bald schon, ist dort, wo ich sitze und diese Zeilen ins Datengerät tippe, Weihnachtsmarkt. Trotz allem Kitsch und meiner grundsätzlichen Weihnachtssinninfragestellung (ich liebe unsere Sprache, die solche Wörter ermöglicht) freue ich mich ein wenig darauf.

Die allgemeine Verblödung ist unübersehbar

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, kommen Sie gut durch die Woche.

19:30

Woche 44/2024: Eine altersgerechte Begleiterscheinung und ungeplante Lustigkeit

Montag: Der erste Tag in Mitteleuropäischer Zeit, umgangssprachlich auch als Winterzeit bezeichnet, verlief insgesamt angenehm; dafür, dass die Herbstferien vorüber sind, war es am Arbeitsplatz vergleichsweise ruhig.

Manchmal scheint es, man hätte mir auf die Seele geschaut und das dort vorgefundene notiert. Zum Beispiel Frau Anje, bei der dieses zu lesen ist:

„Dazu kommt, dass mein Interesse an anderen Menschen deutlich unterausgeprägt ist. Manchmal bekomme ich durch Zufall mit, was andere Menschen so machen oder planen und es kommt öfter vor, dass ich dann innerlich die Augen verdrehe, äußerlich versuche ich dann aber meist krampfhaft, mir nichts anmerken zu lassen, eben weil ich finde, es geht mich nichts an, soll doch jeder selber tun, was er für richtig hält.“

Erst heute Mittag in der Kantine empfand ich wieder so, als die Mitesser ausführlich ihre Kinder besprachen. Dankenswerterweise versuchten sie gar nicht erst, mich in das Gespräch einzubeziehen; mangels Kenntnis und Interesse hätte ich nichts dazu beitragen können. Wie bei Fußball, Autos, Serien und Skiurlaub.

Dienstag: Morgens während einer hochrangig besetzten Informationsveranstaltung zum bevorstehenden Weihnachtsgeschäft äußerte sich der IT-Chef zufrieden mit der Stabilität der Systeme. Wenige Stunden später trat eine umfangreiche Störung ein, die bis zu meinem Arbeitsende nicht behoben war und zu deren Behebung ich auch nichts beitragen konnte. Vielleicht hätte er besser nichts gesagt.

Mittwoch: Die IT-Störung konnte bereits gestern Abend behoben werden. Nach bisherigen Erkenntnissen sind keine Menschen zu Schaden gekommen.

Im Anschluss an den Werktag war ich letztmals zur Physiotherapie wegen Rücken. Das hintere Zwicken ist nicht ganz behoben, immerhin nur noch in einem Maße zu spüren, das ich als altersgerechte Begleiterscheinung zu akzeptieren bereit bin. Vielleicht habe ich mich auch einfach daran gewöhnt. Was will man machen, besser wird es voraussichtlich nicht.

Abends besuchte ich die Lesebühne in einer nahegelegenen Kneipe. Beim nächsten Mal, das zugleich das letzte Mal ist, da die Kneipe Ende des Jahres schließt, darf ich dort auch was lesen. Darauf freue ich mich.

Donnerstag: Morgens auf dem Fußweg ins Werk sah ich einen Silberstreif am Horizont. Ansonsten freute ich mich mittags über roten Wackelpudding zum Dessert und ganztägig auf das bevorstehende lange Wochenende. Viel mehr Berichtenswertes bot der Tag nicht, muss ja auch nicht.

Silberstreif am Horizont (Pfeil)

Vielleicht noch das: Aus hier nicht näher darzulegenden Gründen empfiehlt es sich, beim Kauf von Erdbeermilch die Augen aufzuhalten. Wie schnell labt man sich an Erdbeer-Limes und wundert sich zunächst ob unerwarteter Schärfe, später ungeplanter Lustigkeit.

Freitag: Bei aller Skepsis gegenüber der Katholischen Kirche und überhaupt Religionen jedweden Glaubensbekenntnisses, die Sache mit den arbeitsfreien Feiertagen auch für Anders- und Ungläubige finde ich immer wieder gut geregelt, dafür auch mal dankbar sein, nicht immer nur kritisieren. Heute also Allerheiligen, warum auch nicht.

Als morgens die Vorhänge des Schlafzimmers aufgezogen wurden, zeigte sich der Tag novemberlich trüb, als nehme die Meteorologie irgendeine Rücksicht auf den Kalender. Ich mag den November. „Die Bestattungsbranche wächst“ wird im Radio gemeldet, während ich noch im Bett liege. Gestorben wird immer, nicht nur im November, wenigstens darauf kann man sich verlassen in diesen Zeiten.

Samstag: Offenbar bin ich nachts nur knapp einem feigen Anschlag entgangen. Nach dem Aufstehen fand sich an meiner Liegestelle, wo ich mich zuvor behaglich im Tuche gewälzt hatte, eine ausgewachsene Stecknadel. Das hätte ins Auge oder vielmehr andere Körperteile gehen können.

In der Zeitung lese ich von der Gruppe „Liste undogmatischer Student*innen“ und muss etwas grinsen. Ebenso über das Wort „Wirkungstrinken“ in einem anderen Artikel über Alkoholverzehr in der Tierwelt, für das ich Verwendung in meinem Wortschatz sehe.

Die erste Verwendungsgelegenheit ergab sich bereits am Abend beim Ordensfest der Karnevalsgesellschaft, wo die neue Session begrüßt wurde. Die Uniform passt noch, jedenfalls meine, was nicht selbstverständlich ist. Schon mancher wunderte sich, wenn Hosenbund und Weste nach mehrmonatiger Nichtnutzung eingelaufen sind.

Sonntag: Manchmal wirkt das Wirkungstrinken etwas nach bis in den Folgetag hinein. Zur Linderung haben sich längere Spaziergänge bewährt. Heute erweiterte ich das übliche Spazierrevier um einen Gang durch Poppelsdorf und das Melbtal bis nach Ippendorf, zurück mit dem Bus. Immer wieder erstaunlich, welch idyllische Wege es nur eine Gehstunde von der Haustür entfernt gibt, die mir bislang unbekannt waren.

Melbtal I
Melbtal II

Laut einer Umfrage glauben fast dreißig Prozent an Spuk und Geister in der eigenen Wohnung, steht in der Sonntagszeitung. Vielleicht haben die auch schon Stecknadeln oder Schlimmeres im Bett vorgefunden, oder die Hose ist auf unerklärliche Weise eingelaufen.

Die allgemeine Sprachverdummung schreitet voran

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Kommen Sie gut durch die Woche.

Zu warm

tulpenfeld - 1Wir schreiben November 2015. Die Sonne lässt die letzten Blätter, welche noch nicht abgeworfen und von emsigen Laubbläsern verweht wurden, gelb und rötlich leuchten. Die Tagestemperatur hält sich seit Tagen um die achtzehn Grad, morgens singt wieder die Amsel, Straßencafés sind gut besucht, auch die Eisdielenbesitzer sind noch nicht in den Süden abgezogen, nachdem sie die Scheiben ihres Lokals sorgsam mit buntem Eispackpapier zugeklebt haben. Dicke Jacken wurden zurück in die Schränke gehängt*, hier und da wagen sich gar einige in kurzer Hose auf die Straße. Der Sommer will anscheinend noch nicht in den Winterschlaf treten.

Und was machen die Menschen? Sie jammern. „Viel zu warm“, ist überall zu hören, im Kaufhof wird gar die Inbetriebnahme der Klimaanlage gefordert. Ein weiterer Mosaikstein meines mit jedem Jahr deutlicher werdenden Bildes: Die Menschen sind bekloppt.

Damit ist es bald vorbei, dann bläst Tief „Carsten“ den Sommer weg, auch dann werden sie jammern: zu trübe, zu kalt, zu windig, zu nass. Bekloppt und in hohem Maße unangemessen finde ich es übrigens auch, einem Tief den Namen „Carsten“ zu geben, aus Gründen, welche darzulegen ich gar nicht einsehe.

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* gehängt, nicht gehangen. Dazu irgendwann mal mehr.