Woche 38/2025: Nichts verpasst

Montag: Der erste Arbeitstag nach dem Urlaub war so schlimm nicht. Erstmals seit ihrer Fertigstellung benutzte ich die weiterhin umstrittene Radspur neben der Adenauerallee, für die, o Frevel, je Richtung eine Fahrspur für die Autos geopfert wurde. Es radelt sich dort nun ganz vorzüglich, auch der Kraftfahrzeugverkehr rollte ohne erkennbaren Stauungen dahin. Vielleicht währt dieser Zustand nicht lange: Der Oberbürgermeisterkandidat der CDU, die gestern bei der Kommunalwahl die meisten Stimmen bekommen hat und der gute Chancen hat, nach der Stichwahl in zwei Wochen die bisherige Grüne Oberbürgermeisterin abzulösen, hat bereits angekündigt, die Vierspurigkeit für Autos wiederherzustellen. „Wir bauen auf, wir reißen nieder / So gibt es Arbeit immer wieder“ hieß es wohl früher in der DDR.

Im Büro konnte ich mir weitgehend ungestört einen Überblick über Verpasstes verschaffen (ich habe nichts verpasst). Ganz ohne Besprechungen ging es nicht; „quasi tatsächlich“ hörte ich einen sagen. Hätte er noch „genau“ im Satz untergebracht, hätte ich vielleicht aufgeheult.

Symbolbilder können sie bei dpa (aus GA-online)

Gehört: „Das ist die Wollmilch legende Eiersau.“ (Interessanterweise beanstandet die Rechtschreibprüfung weder Wollmilch noch Eiersau.)

Dienstag: In den frühen Morgenstunden wurden wir geweckt von einem fernen, auf- und abschwellenden Geräusch wie eine Mischung aus Schienenschleifzug und hochdrehendem Laubbläser. Wie der Zeitung zu entnehmen ist, war die Ursache ein außerplanmäßiges Dampfablassen beim städtischen Heizkraftwerk. Als ich Kind war, bliesen ab und zu bei der Feldmühle-Papierfabrik in Bielefeld-Hillegossen die Sicherheitsventile ab, was auch bei uns in Stieghorst, gut zwei Kilometer entfernt, noch deutlich zu hören war. In meiner Erinnerung grollte das wesentlich bedrohlicher als jetzt das Heizkraftwerk, vor allem nachts, wenn Geräusche ohnehin oft beeindruckender sind. Es mag aber auch an der Unschärfe meiner Erinnerung liegen.

Laubbläser brüllten mich auch morgens von allen Seiten an, als ich zu Fuß ins Werk ging. Es war trocken, deutlich kühler und dunkler als vor dem Urlaub, Jackenwetter. Dabei fällt mir auf, dass auch junge Leute offenbar zunehmend Gefallen an Bekleidung in Beigetönen finden. Textile Frühverrentnerung*.

Hinweg
Rückweg. Die untere Trinkebene des Rheinpavillons wird zusammengeräumt.

*Diesen Begriff erdachte ich vergangene Nacht während einer kurzen Wachphase und ich dachte: Musst du dir merken. Morgens das Übliche: Die Erinnerung daran, dass ich mir etwas unbedingt merken wollte, war noch da, nur nicht mehr an das zu Merkende. Erst als auf dem Rückweg vom Werk ein älterer Herr mit beiger Jacke vor mir herging, fiel es mir wieder ein.

Mittwoch: Es ist immer wieder beglückend, ein Wort zu lernen, von dessen Existenz ich bislang nichts ahnte, dessen Sinn, wenn auch nicht zwingende Notwendigkeit sich gleichwohl beim Lesen, spätestens beim Nachschauen im Duden (warum heißt das noch nicht dudeln? Egal:) unmittelbar ergibt. So las ich heute in einem Fachkonzept erstmals „konfligieren“, das Verb zu Konflikt, gleichsam ein gehobener Ausdruck für „zanken“. Ich bewundere den Wortschatz des Autors und nehme mir vor, es selbst gelegentlich anzubringen, wenn ich es nicht bald wieder vergesse.

Donnerstag: Mindestens genauso freut es mich, wenn ein Satz sich selbst bestätigt wie der folgende, heute gelesen in einem Verbesserungsvorschlag: „Nicht jeder schreib aber leserlich oder korrekt.“

Ansonsten war ich heute zu Fuß im Büro, obwohl kleine Woche ist und ich somit frei hätte. Aus familiärem Anlass der angenehmen Art ist der freie Tag auf morgen verschoben, was mir schon heute die Möglichkeit bot, mich von den Kollegen mit „Schönes Wochenende“ zu verabschieden.

Morgens

Freitag: Was schön war: Frühstück und Leutekucken mit den Lieben bei schon morgens milden Temperaturen vor dem Café in der Bonner Innenstadt, eine Hochzeit im Ostwestfälischen bzw. angrenzenden Niedersachsen, das Wiedersehen mit vielen lieben Menschen, gut unterhalten, gegessen, getrunken und gelacht, unter anderem hierüber (wie gut, wenn man Dinge sofort notiert): „Fußpils“ als Synonym für Gehbier, „Harnsteinzimmer“ als Umschreibung für Toilette und den (be-)merkenswerten Satz, hervorgebracht von der Nichte des Liebsten: „Wenn ich mich kompetent unterhalten möchte, führe ich Selbstgespräche.“ Die zunächst standesamtliche Trauung fand in Melle statt, die anschließende Feier bei perfektem Gartenpartywetter auf dem Land bei Melle. Im nächsten Jahr sehen wir uns wieder, wenn kirchlich geheiratet wird; jedenfalls gehe ich fest davon aus, dass das junge Glück bis dahin hält.

Auch optisch war es schön:

Abendlicht I
Abendlicht II
Später
Gesehen in Melle

Samstag: Mittags kamen wir zurück aus Bünde, wo wir im Hotel übernachtet hatten. Zur notwendigen Wiederbelebung diverser Lebensgeister unternahm ich als erstes bei immer noch sommerlichem Kurze-Hosen-Wetter einen Spaziergang. Gedanke dabei: Wenn nach meiner Beobachtung die Fahrer von Autos in der Stadt, die durch besonders aggressive Fahrweise und hohe Lautstärke auffallen, größtenteils männlich, dunkelhaarig und bärtig sind, ist das dann fremdenfeindlich, rassistisch gar, oder nur selektive Wahrnehmung?

Am frühen Abend stand bereits die nächste Gartenparty an: Die Gattin eines Mitglieds des Karnevals-Musikcorps feierte ihren sechsundsechzigsten Geburtstag, und also spielten wir ihr ein Ständchen. Die musikalische Qualität war mäßig und ich meine, eine gewisse Erleichterung in den Gesichtern der Gesellschaft wahrgenommen zu haben, als wir die Instrumente wieder einpackten. Höflich applaudiert wurde dennoch, Bratwurst und Bier bekamen wir auch.

Das leitet über zur Frage 66, die lautet: „Zu welcher Musik tanzt du am liebsten?“ Tanzen, wie lange ist das her … Aufgrund allgemeiner, nicht zu beklagender Ruhigerwerdung komme ich kaum noch dazu. Jedenfalls gibt es schon einige Lieder aus den Achtzigern und Neunzigern, die mich immer noch, wenn die Gelegenheit besteht, auf die Tanzfläche ziehen. Stellvertretend genannt seien „Shout“ von Tears For Fears, „True Faith“ von New Order und „Don‘t Look Back In Anger“ von Oasis. Nur komme man mir bitte nicht mit Paartanz. Wie schön früher dargelegt, habe ich dazu kein Talent.

Sonntag: Über Nacht verabschiedete sich die späte Sommerepisode wieder, morgens beim Aufwachen war sanftes Regenrauschen zu vernehmen. So sollte es laut Ankündigung den ganzen Tag bleiben, und deutlich kühler werden. Die Realität zeigte sich freundlicher: Die Temperatur ließ ein Frühstück auf dem Balkon zu, auch ein paar späte Wespen zeigten sich noch interessiert an Wurst und Käse.

Zum Spaziergang am Nachmittag wappnete ich mich für alle (Regen-)Fälle mit wasserdichten Wanderschuhen und Regenschirm, doch es blieb trocken, sogar die Sonne zeigte sich kurz. Der Schirm erfüllte seine Funktion als Regenverhinderungsschirm wieder perfekt. Auf dem Weg warf ich die Wahlbriefe für die Oberbürgermeister-Stichwahl am kommenden Sonntag ein, wäre das auch erledigt.

Auf dem Münsterplatz präsentierte sich der Bund der Vertriebenen mit Ständen, Bierbude und Bühne. Mit Verlaub, vielleicht ist das auch böse: Müssten die nicht inzwischen ausgestorben sein?

Eine Straße weiter eröffnet demnächst ein neuer Lieferdienst für Schnitzel, laut Anschrift am Ladenlokal mit der weltbesten Schnitzelbowl. Anscheinend erfahren Nahrungsmittel bei jüngeren Leuten nur noch Akzeptanz, wenn sie in einer Bowl gereicht werden. Vielleicht gibt es demnächst auch Brathering- und Mettbrötchenbowl.

Am Bahnübergang Weberstraße stand ich vor geschlossenen Schranken. Kurz darauf fuhr ein Triebzug von National Express durch, wie sie auf der RB 48 eingesetzt sind. Als Fahrtziel war nicht Wuppertal-Oberbarmen angegeben, sondern „Hamster on tour“, was auch immer das nun wieder zu bedeuten hat. Ich war zu überrascht, um ein Foto zu machen.

Aufgrund des unerwarteten Außenbierwetters gönnte ich mir zum Schluss beim bayrischen Wirtshaus in der Innenstadt eine Halbe Oktoberfestbier, das sie zurzeit im Ausschank haben. Das muss man ausnutzen.

Apropos Oktoberfest: Mitbloggerin Kaltmamsell aus München ist vor dem alljährlichen Wiesnwahnsinn nach England geflüchtet und offenbar gut angekommen; ihre Befürchtungen, was alles schief gehen könnte (sie ist mit der Bahn gereist) waren unnötig. Ich wünsche ihr, sofern sie es lesen sollte, sonst auch, einen angenehmen Aufenthalt und hoffe, in einer Woche ähnliches von mir vermelden zu können. Zwar reise ich nicht nach England sondern nur nach Büsum an der Nordsee, aber eben auch mit der Bahn.

Poppelsdorfer Allee
Adenauerallee mit neuen Radspuren, siehe Montag
Festbier

***

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Kommen Sie gut durch die Woche und bleiben Sie zuversichtlich.

17:30

Woche 42/2023: Der deprimierende Anblick körperrasierter Jungmänner

Montag: »Der Mensch hat unter den Weiten des Himmelszeltes nicht mindere Rechte als das Reh im Wald, der Hase auf dem Feld oder die Robbe im Spülsaum der Ostsee«, befand laut Zeitungsbericht das Amtsgericht Lübeck über das ungeregelte Urinieren, vulgo Wildpinkeln in die Ostsee, was mich bereits am Morgen zum Lächeln veranlasste.

Es ist kalt geworden, zudem morgens dunkel; erstmals in diesem Herbst radelte ich mit Handschuhen und Warnweste zum Werk. Nur am Kopf war es kalt, weil die Helmunterziehmütze beim letzten Garagenräumen in Verlust geraten ist. Die jahreszeitgemäß gesunkenen Temperaturen sind auch ein beliebtes Thema auf den Fluren, bislang traf ich niemanden, der sie beklagt.

Ansonsten heute mehrere Besprechungen voller Traurigkeit wegen des Kollegen, der am Wochenende gestorben ist. Das wird uns noch einige Zeit begleiten.

Abends spielte ich mit der Eisenbahn, das war schön.

Dienstag: Morgens wurde ich Zeuge eines innerhalb einer Viertelstunde aufkommenden und wieder abklingenden Morgenrots, das zahlreiche Passanten zu Fuß und zu Rad veranlasste, kurz innezuhalten und das Datengerät zu zücken:

7:38
7:40
7:43
7:45
7:47
7:51

Keinen Blick für das Naturleuchten hatte ein stadteinwärts Radfahrender, der eine entgegenkommende Radfahrerin sehr aggressiv beschimpfte: „Dein Licht blendet!“, anstatt es positiv zu sehen, dass sie überhaupt mit Licht fuhr. Das ist keineswegs selbstverständlich, wie auch heute wieder festzustellen war; vor allem die jüngeren finden es offenbar uncool (oder wie die das heute nennen), mit Licht zu fahren. Auf sein Geschrei hin entfuhr mir spontan ein „A…loch“, nur leise, er wird es nicht gehört haben. An meiner Selbstbeherrschung ist noch zu arbeiten.

Aus einer internen Arbeitsanweisung, über den Umgang mit Fehlern: »Leitet gemeinsam im Team Lösungen davon ab, das der Fehler abgestellt wird.« Finde den Fehler.

Mittwoch: Wie bereits morgens im Radio gemeldet wurde, hat die Bonner Bezirksvertretung beschlossen, die Viktoriabrücke, die Nord- und Weststadt über sie trennende Bahnlinien verbindet, umzubenennen in Guido-Westerwelle-Brücke, nachdem mehrere Versuche gescheitert waren, eine Straße oder einen Platz nach dem ehemaligen FDP-Kanzlerkandidaten zu benennen. (Wer hätte schon gern eine Adresse, in der ein FDP-Politiker vorkommt, selbst wenn er nicht mehr lebt, von Genscher vielleicht mal abgesehen. Schlimm genug, dass mein Nachname identisch ist mit dem von Wolfgang K. aus SH.) Nachdem die Brücke mit der üblichen Überschreitung von Zeit- und Kostenrahmen saniert beziehungsweise neu gebaut wurde und bis heute nicht vollendet ist, eine eher zweifelhafte Ehrung.

Die gestern gekaufte neue Fahrradhelmunterziehmütze ist sowohl wärmend als auch frisurerhaltend, daher erscheint mir der Preis von fast zwanzig Euro für ein relativ kleines Stück Stoff zwar nicht angemessen, indes vertretbar.

Bei Wikipedia las ich den Begriff Wenigborster und dachte sogleich an den deprimierenden Anblick körperrasierter Jungmänner.

Abends lief ich nach ich weiß nicht wie vielen Monaten, vielleicht Jahren, erstmals wieder die Runde über die Kennedybrücke ans andere Ufer und die Nordbrücke zurück, mit nur einmal kurz Gehen zwischendurch, und empfand darob einen gewissen Stolz.

Donnerstag: Der ADFC erkennt laut einer Radiomeldung an, dass von Lastenfahrrädern auf Rad- beziehungsweise kombinierten Rad-/Fußwegen eine gewisse Gefahr ausgeht. Deshalb fordert er für große und schnelle Fahrräder eine Aufhebung der Pflicht, Radwege zu benutzen, vielmehr soll ihnen erlaubt werden, auch bei vorhandenem Radweg die Straße zu nutzen. Das wird die Autofahrer freuen. Als kombinierter Radfahrer und Fußgänger frage ich: Wie wäre es stattdessen, wenn die Nutzer großer und schneller Fahrräder anerkennen, dass sie nicht alleine sind im Verkehr?

Zu den Unarten der Radfahrer, unabhängig von Größe und Geschwindigkeit, gehört es übrigens, sich während der Fahrt die Nase zu säubern, indem sie ein Nasenloch zuhalten und durch das andere ihren Rotz in die Umgebung sprühen ohne Rücksicht auf Leute in ihrer Nähe, heute Morgen wieder beobachtet am Rhein. Widerlich. Dabei sind es augenscheinlich immer Radfahrer, die derart rotzen, noch nie sah ich eine Frau dergleichen tun. Vielleicht Zufall.

Nachdem am frühen Abend der Regen durch war, lag das gegenüberliegende Ufer in besonderem Licht

Freitag: Aufgrund familiärer Verwicklungen, die darzulegen hier zu weit führen würde, war ich morgens in Bad Godesberg zu Gast auf einer Hochzeitsfeier von mir bis dahin unbekannten (Ehe-)Leuten. Vorgestellt wurde ich als „der Anhang“, was mir recht war. Die Hochzeitsgesellschaft war nicht allzu groß, niemand der Anwesenden suchte das Gespräch über meine Verbindungen zum Brautpaar, auch das war mir recht. Interessanterweise – auch für die Standesbeamtin, wie sie einräumte – trugen Braut und Bräutigam bereits vor der Vermählung denselben Nachnamen, nicht weil sie Müller, Meier oder Schmitz (wir sind im Rheinland) hießen, sondern weil der Mann die Ex-Frau seines Bruders ehelichte, auch das eine familiäre Verwicklung der eher speziellen Art. Dessen ungeachtet mussten sie sich entscheiden, ob als gemeinsamer Nachname der des Mannes oder der Frau gelten soll, Gesetz ist Gesetz. (Sie entschieden sich für den des Mannes, wie amtlich beurkundet wurde.)

Nach dem Standesamt war geladen in die Wohnung der Frischvermählten, wo Sekt und Häppchen gereicht wurden. Letztere waren auf einem Büffet in einem Zelt im Hof platziert, wo sie zunächst das Interesse der Katze des Hauses weckten. Für die Mitnahme an den Platz standen gewöhnliche Unterteller bereit, vielleicht um möglicher Gier Einhalt zu gebieten. Ich wurde dennoch satt. Es ist erstaunlich, wie viele Häppchen man auf einem Unterteller platzieren kann, wenn es nichts anderes gibt.

Üblicherweise fremdle ich bei Zusammenkünften mit überwiegend unbekannten Leuten etwas. Linderung des damit einhergehenden Unbehagens bringt meist Alkohol: Hauptabnehmer für den Sekt waren der Vizeschwiegervater und ich, während der Geliebte sich in Zurückhaltung übte, da er Auto fahren musste. Nach Rückkehr zu Hause war ein längerer Mittagsschlaf erforderlich.

Samstag: Ich wachte bereits um sechs auf und schlief nicht wieder ein, was für einen Samstag etwas ärgerlich, jedoch nicht zu ändern ist. Während ich, weiterhin auf erfreuliche Träume hoffend, bis zur gewohnten Wochenendaufstehzeit im Bett liegen blieb, kamen mir ein paar ansatzweise gute Ideen zu einem (durchaus erfreulichen) Thema, über das ich mir ohnehin noch Gedanken machen wollte, wovon später, als ich sie notierte, schätzungsweise noch siebzig bis achtzig Prozent präsent waren. Um was es ging, darüber werde ich Sie zu gegebener Zeit in Kenntnis setzen.

Nach etwa fünfundzwanzig Jahren habe ich entschieden, mein Abonnement der Zeitschrift PSYCHOLOGIE HEUTE zu kündigen, vor allem aus zeitlichen Gründen. Die hierdurch freigewordene Lesezeit werde ich nutzen, um endlich den Stapel der ungelesenen Bücher zu reduzieren. Nicht ausschlaggebend für die Kündigung, gleichwohl zunehmend als störend empfunden ist die dort seit einiger Zeit praktizierte vermeintlich geschlechterneutrale Sprache in der Form, abwechselnd innerhalb desselben Artikels mal die männliche, mal die weibliche Form zu verwenden, also etwa so: »Wissenschaftlerinnen sind sich einig, dass viele Psychotherapeuten nicht alle Tassen im Schrank haben.« (Ausgedachtes Textbeispiel.)

Sonntag: Deutlich länger geschlafen als am Vortag mit einem abwechslungsreichen, bunten Traumprogramm. Womöglich besteht ein mittelbarer Zusammenhang mit dem in einem Partykeller verbrachten Vorabend, wo wir mit Freunden in Lederhosen, Weißwurst und Getränken den laufenden Monat feierten. (Anscheinend halten nicht wenige Leute nur für diesen zeitlich-saisonal beschränkten Zweck ganzjährig Lederhosen beziehungsweise Trachtenblusen vor.)

Während des Spaziergangs ging ich an einem am Straßenrand geparkten Wohnmobil vorbei, an dessen Seitenscheibe von innen ein Zettel geheftet war: »Probleme? +49 – 171 …« Für welche Art von Problemen der Besitzer des Wagens Lösungen bereithält, war nicht näher ausgeführt. Falls Sie gerade Probleme plagen, stelle ich Ihnen auf Anfrage gerne die vollständige Telefonnummer zur Verfügung.

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Kommen Sie gut durch die Woche.

Woche 26: Provence, Vaucluse, Drôme – Hauptsache Südfrankreich

Südfrankreich finden wir schön, deswegen fahren wir da andauernd hin – auch wenn diese Sprache und ich wohl niemals richtige Freunde werden. Übrigens liegt unser Ort Malaucène nicht in der Provence, sondern im Vaucluse; die eigentliche Provence beginnt südlicher. Das macht aber nichts, ist genau so schön. Außerdem hält dies diverse Markthändler und Souvenirläden der Region nicht davon ab, ihre feilgebotenen Waren als „provençale“ zu bezeichnen, den Touristen stört es nicht, denn er wähnt sich ja in der Provence. So wie sich der Bonn(besuch)er in der Altstadt wähnt, wenn er in die Innere Nordstadt kommt. Egal.

Also waren wir in der vergangenen Woche wieder dort. Dieses Mal endete der Urlaub mit einem besonderen Ereignis: wir waren zur Hochzeit in einer befreundeten Winzerfamilie im Drôme eingeladen, was ohne Zweifel eine große Ehre ist. Hierbei lernte ich etwas über französische Vermählungen. Erstens: Wenn der Termin in der mairie für 16 Uhr angesetzt ist, dann heißt das noch lange nicht, dass das Brautpaar um 16 Uhr schon anwesend ist. Zweitens: Der Bräutigam darf die Braut schon vor dem Jawort küssen. Drittens: Die Stimmung während der Zeremonie in der Kirche ist angenehm locker, statt Orgel greift der Pfarrer zur Gitarre, Freunde und Familie werden aktiv in das Geschehen eingebunden, und wenns schön ist, darf applaudiert werden. Viertens: Auch der Ablauf des Abendessens weicht von gewohnten Gepflogenheiten ab – zwischen Vorspeise und Hauptgang gibts erstmal eine Stunde Party mit Tanzen, damit die Gäste wieder Hunger bekommen. Ob das in Frankreich so üblich ist, weiß ich nicht, hier war es so. Um Mitternacht dann die riesige Hochzeitstorte, das kennt man wieder. Ein schöner Abend, die Stimmung war trotz Gewitter und Regen ausgezeichnet.

Eine weitere angenehme Begleiterscheinung der Woche war das Wetter: zumeist sonnig um dreißig Grad, das vermisse ich besonders. Da hilft auch kein Regenbogen über der Eifel gestern Abend auf der Rückfahrt.

Ein paar Bilder habe ich die Woche auch wieder gemacht. Inspiriert durch Martins #weekstagram habe ich mir erlaubt, einige davon durch den bekannten Filter zu ziehen. Voila:

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