Woche 22/2025: Mit angemessener Sorgfalt

Montag: In einem SPIEGEL-Interwiu über Kirche und Körperwonnen las ich das Wort „Partner*innenschaft“ und verdrehte darob innerlich die Augen. Ob es wirklich Menschen gibt, die beim Hören des herkömmlichen Begriffs „Partnerschaft“ vor allem an eine wie auch immer geartete Verbindung ausschließlich männlicher Personen denkt? Manchmal geht es mir echt auf den Zeiger. Viel mehr gibt es über den Wochenbeginn nicht zu berichten, das ist nicht schlimm. Auf einer Wohlfühlskala von eins bis zehn gäbe ich dem Tag eine Sieben, das ist für einen Montag ganz passabel.

Dienstag: Da auch dieser Tag, insgesamt zufriedenstellend und ohne nennenswertes Ungemach, wenig Inspiration zum Aufschrieb bot, sei mir bereits heute die nächste Antwort auf eine der tausend Fragen gestattet.

Nachmittags beim Feierabendgetränk: 602

Frage 602 lautet: „Worauf achtest du bei jemandem, dem du zum ersten Mal begegnest?“ Das kann ich generell nicht beantworten, es kommt sehr auf die jeweilige Situation und Person an. Grundsätzlich nehme ich als erstes, naheliegend, das Äußere wahr, männliche Personen werden dabei meistens und weitgehend situationsunabhängig einer automatischen Attraktivitätsbewertung unterzogen, da bin ich sehr einfach gestrickt; was einen Mann in meinen Augen attraktiv erscheinen lässt, führe ich jetzt nicht weiter aus. Rasierte und tätowierte Waden jedenfalls nicht. Ein beachtetes Kriterium ist bei Mann wie Frau auch die Stimme, die sehr angenehm, aber auch anstrengend sein kann. Bedeutend ist auch das mit der Stimme Produzierte: Benutzt die Person Anglizismen, sagt sie häufig „genau“ oder „tatsächlich“, findet sie Dinge „spannend“? Im Übrigen ist es immer erfreulich, wenn etwas sinnvoll ist oder Sinn ergibt, jedoch nicht Sinn macht.

Mittwoch: In einer Mail schrieb ich zunächst „mimimieren“, bemerkte den Fehler dank Rechtschreibprüfungsunterstrichelung und korrigierte ihn. Das Wort notierte ich jedoch zur späteren Verwendung in larmoyanten Zusammenhängenden.

Eine liebe Kollegin hatte den letzter Arbeitstag vor dem Ruhestand. Aus diesem Anlass gab es mittags Sekt und Kuchen, dabei wurde über alte, vordigitale Zeiten mit Faxgeräten und V.d.A.-/N.d.A.-Vermerken geplaudert. V.d.A.? N.d.A.? Das, liebe Kinder, war so: Wenn die Zentrale etwas anzuweisen oder mitzuteilen hatte, wurde nicht einfach eine Mail rausgehauen. Vielmehr wurde mit angemessener Sorgfalt ein Schreiben verfasst. Bevor es rausging, wurde der Entwurf allen Stellen vorgelegt, die bei dem Thema mitzureden hatten. Dazu wurde in den Kopf des Entwurfs „V.d.A.“ (= „Vor dem Absenden“) geschrieben, darunter alle Stellen bzw. Abteilungen, die den Entwurf absegnen sollten. Per Umlauf ging der Entwurf dann von Stelle zu Stelle, die ihre gefällige Kenntnisnahme jeweils durch Namenskürzel eines Befugten und Datum dokumentierte. Erst wenn der Entwurf mit allen Abzeichnungen wieder zurück beim Verfasser war, wurde das Schreiben, die sogenannte Reinschrift, abgeschickt. So konnten zwischen Verfassen und Absenden einige Tage, manchmal Wochen vergehen. Wenn das Schreiben raus war, wurde unter den Entwurf „N.d.A.“ (= „Nach dem Absenden“) geschrieben, darunter alle Stellen, die es nur zur Kenntnis nehmen sollten. Wenn der Entwurf danach wieder beim Verfasser ankam, nahm er ihn zu den Akten (Z.d.A.). Früher war eben nicht alles besser, nur vieles anders. Ging aber auch irgendwie, nur nicht so schnell. Irgendwann wird man auch keine Mails mehr schreiben, dann wird nur noch per Teams-Chat kommuniziert. Hoffentlich bin ich dann auch im Ruhestand.

Nach der Arbeit war ich verabredet zu einem Treffen mit anderen Schreiberinnen, um unsere Romanbaustellen zu besprechen. Letztlich waren wir nur zu zweit, weil zwei andere kurzfristig abgesagt hatten. Es war dennoch, vielleicht gerade deshalb sehr produktiv, die zwei Stunden vergingen schnell. Zufrieden bin ich mit meinem Werk noch nicht: Der Anfang bzw. ungefähr das erste Drittel und das Ende stehen, aber dazwischen fehlt noch einiges. Ich komme zurzeit nicht weiter, weil mir noch die zündende Idee fehlt, um die Lücke literarisch zu füllen. Deshalb erhoffe ich mir aus diesen Treffen einiges.

RTL sendet demnächst keine Spätnachrichten mehr, steht in der Zeitung. Grund: „RTL optimiert den Audience Flow in der Primetime.“

Gesehen:

Früher schnitten wir uns einfach ein Stück von der Wäscheleine ab.

Donnerstag: Heute ist Christi Vatertag, deshalb blieben wir lange im Bett, wo ich unter anderem den gestrigen Tag nachbloggte. Nach spätem Frühstück unternahmen der Liebste und ich eine Radtour durch die Siegauen bis nach Hennef-Geistingen. Auf dem Weg begegneten wir zahlreichen kleineren und größeren Gruppierungen junger Männer, tagesüblich ausgestattet mit Bollerwagen, Bier und Bassgetöse zweifelhafter Musikbegleitung. Außerdem teilten wir die Strecke mit den üblichen Rennradkaspern, die in bunten Strampelanzügen und mit verkniffenem Blicke in irrwitziger Geschwindigkeit die Ausflügler zu Fuß und Rad umkurvten. Ich habe es inzwischen aufgegeben, ihnen jedes Mal „Fahr zur Hölle!“ zuzurufen. Sie werden ihr Verhalten nicht ändern.

In Geistingen stärkten wir uns auf der Dorfkirmes mit Bratwurst und Bier, ehe wir die Rückfahrt auf direktem Weg über Niederpleis und Hangelar antraten. Die Sonne zeigte sich heute nicht, kurzzeitig tröpfelte es andeutungsweise. Zum Radfahren genau richtig.

Siegauen kurz vor Hennef

Freitag: Über Nacht ist der Sommer zurück gekehrt, schon morgens auf dem Fahrrad war es deutlich wärmer als an den Vortagen, mit Jacke noch geradeso angenehm.

Für einen Brückentag waren erstaunlich viele Kollegen in den Büros, die aber nicht weiter störten, das ist nicht selbstverständlich. Gut gelaunt beendete ich zeitig die Arbeitswoche und radelte nicht minder gut gelaunt nach Hause, jetzt mit Jacke auf dem Gepäckträger.

Der Modemacher Harald G. wird 60, berichtet die Presse. Er wisse nicht, wie viele Schönheitsoperationen er bereits hinter sich habe. Ob der Schönheitsbegriff hier angebracht ist, mag jeder für sich entscheiden.

Riesenbärenklau neben den Gleisen. Mal sehen, wie lange, ehe er aus nachvollziehbaren Gründen geköpft wird.

Samstag: Der Wecker weckte früh, weil ein Besuch der Mutter in Bielefeld im Kalender stand. Auf dem Weg zum Bahnhof genoss ich die besondere Stimmung am Morgen, wenn nur wenige Menschen und Autos auf den Straßen sind, die nur an Sams-, Sonn- und Feiertagen zu erleben ist. Oder ganz früh morgens, dann hält sich der Genuss aber in Grenzen.

Die Bahn war pünktlich und nicht sehr voll, erst ab Düsseldorf füllte es sich merklich. Mir war es recht, ich hatte meinen Fenstersitzplatz und konnte rauskucken, meine liebste Beschäftigung während Bahnreisen. Dazu kam ich allerdings intensiv erst ab Kamen, vorher waren auf dem iPad Zeitung und Blogs zu lesen. Die Bordklimaanlage kühlte unterdessen auf kurz vor Gänsehautgrenze, jedenfalls nach meinem persönlichen, diesbezüglich nicht repräsentativen Empfinden.

Lörning des Tages: Offenbar hatte ich am Vorabend das Telefon nicht richtig auf die induktive Ladevorrichtung gelegt, morgens betrug der Ladestand nur rund fünfzig Prozent. Daher versuchte ich, es über das mitgeführte Ladegerät im Zug zu speisen. Aber ach, der Stecker wollte nicht in der Steckdose unter den Sitzen halten, er fiel immer wieder heraus. Ich versuchte es an einer anderen Sitzreihe, auch dort fand ich keinen Anschluss. Offenbar eine Fehlkonstruktion, mindestens eine Nichtkompatibilität. Da die Ladung voraussichtlich bis Bielefeld reichen würde, wo ich das Telefon in der Mutterwohnung füttern konnte, verzichtete ich auch auf den Einsatz der ebenfalls mitgeführten Powerbank. In Hamm setzte sich ein junges Mädchen zu mir und fragte, ob sie die Steckdose kurz nutzen könnte, in der Hand hielt sie ein identisches Ladegerät wie meins. Ich bejahte und dachte: Sag mal nichts. Das Mädchen dankte und steckte das Gerät in den Stecker, wo es mit deutlichem Geräusch einrastete. Ich hatte nicht stark genug gedrückt. Manchmal ist man echt dusselig.

Während des erfreulichen Besuchs mit Kaffee und Kuchen auf dem Balkon teilte mir die Bahn-App mit, meine geplante Rückfahrt mit dem Regionalexpress verspätete sich um wenige Minuten. Kurz darauf meldete sie sich wieder, aus den wenigen Minuten wurde eine Viertelstunde. Schließlich meldete sie den Ausfall der Fahrt. Daher entschied ich mich für einen Intercity, der Bielefeld pünktlich verließ und nach einer Umleitung über Düsseldorf wegen in den Gleisen spielender Kinder bei Solingen mit etwa viertelstündiger Verspätung Köln erreichte, wo ich den direkten Anschluss nach Bonn verpasste. Statt mich darüber zu ärgern, erfreute ich mich an den Durchsagen des Zugführers, der wie Hoche Gonzalez klang, aber ganz anders aussah. Man kann nicht alles haben. Bonn erreichte ich dann auch noch zu angemessener Gastronomiezeit mit den Lieben.

Die Bahn renoviert zahlreiche Bahnhöfe, lässt sie uns per Plakat wissen. Dadurch werden sie zu „Zukunftsbahnhöfen“, ein tolles Wort, klingt ein wenig nach Science Fiction und Zeitreisen.

Sonntag: In der Nacht hatte es gewittert und stark geregnet. Zu meinem Erstaunen erfuhr ich davon erst am Morgen, als der Liebste berichtete und ich es in der Wetter-App nachschaute; ich selbst hatte es glatt verschlafen. Normalerweise wache ich auf und ziehe mir die Decke über den Kopf, bis es vorbei ist. Nächtliche Gewitter sind mir unheimlich, das wird sich wohl nicht mehr ändern.

Nach Ausschlafen, Balkonfrühstück mit den Lieben und Lektüre der Sonntagszeitung unternahm ich einen längeren Spaziergang auf die andere Rheinseite. Zahlreiche Pfützen auf den Wegen zeugten noch vom nächtlichen Wettertosen. Heute hingegen bestes Kurze-Hosen-Wetter, allerdings erst, nachdem ich losgegangen war. Trost fand ich auf dem Rückweg im Lieblingsbiergarten, wo erstaunlich wenig Betrieb herrschte.

Bonn-Beuel, noch bewölkt

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, kommen Sie gut durch die Woche.

(Redaktionsschluss: 17:45)

Woche 30/2024: Manchmal genügen kleine Anlässe, um den Alltag anzulächeln

Montag: Ein ganz gewöhnlicher Wochenbeginn mit den üblichen Starthemmungen, schwerer Mittagsmüdigkeit, beeindruckender Bewölkung am frühen und Rosé am späteren Abend. Es hätte schlimmer kommen können.

Mit herzlichen Grüßen an das Fachblog für Bewölkung

Anmerkung zur Weltpolitik: Nachdem Joe Biden endlich einsichtig geworden ist, haben die Amerikaner im November nun die Wahl zwischen einer geeigneten Kandidatin und einem verurteilten Irren. Sie werden sich wahrscheinlich für den Irren entscheiden.

Dienstag: Zu Fuß ins Werk und zurück. Die für das Wetter zuständige Instanz hatte das perfekt eingerichtet: Morgens und abends war es trocken, am Nachmittag zog ein heftiger Regenschauer über die südliche Stadt, wo mein Schreibtisch steht.

Mittags in der Kantine gab es Hühnereintopf. Das wäre nicht der Erwähnung wert, wäre er nicht angereichert gewesen mit langen Hühnerfleischfasern in großer Zahl, geschmacklich einwandfrei, beim Löffeln jedoch erheblich um sich nässend und das Hemd bekleckernd. Dass ich nicht in der Lage bin zum unfallfreien Verzehr von Burgern und Hotdogs, war mir bekannt. Dass das auch für Eintopf gilt, war mir neu.

Mittwoch: Nach meinen Konjektaneen zu Taylor Swift vergangene Woche erreichten mich mehrere Zuschriften offenbar ähnlichaltriger Leser, denen es bezüglich der Wahrnehmung der Dame so geht wie mir. Das finde ich sehr beruhigend.

Abends benutzte ich nach längerer Zeit mal wieder die Laufschuhe ihrer Zweckbestimmung entsprechend. Das lief ganz erfreulich, daher der Vorsatz, von nun an wieder regelmäßig zu laufen, einmal die Woche sollte möglich sein. Mal sehen, wie lange ich es dieses Mal durchhalte, ehe Wetter, Unlust, Unpässlichkeit oder eine Kombination daraus mich wieder monatelang davon abhalten.

Erfreulich auch der anschließende spontane Biergartenbesuch mit dem Liebsten. Manchmal genügen kleine Anlässe, um den Alltag anzulächeln.

Donnerstag: Da am Nachmittag ein Gesundheitstermin anstand, verzichtete ich auf den donnerstagsüblichen Fußmarsch. Während der Radfahrt ins Werk erreichte mich ein Gedanke, wie sie gelegentlich aufkommen, wenn nichts besonderes zu bedenken ist. In diesem Falle eine Frage auf dem Gebiet des Verkehrswesens: Warum gibt es das Wort „Vorfahrt“, jedoch nicht, logisch daraus folgend, „Nachfahrt“?

Freitag: Ein weiterer Aprilsommertag. Morgens nötigte mich Regen zur Nutzung der Stadtbahn, nachmittags fühlte ich mich mit Regenjacke und Schirm inmitten von T-Shirts und kurzen Hosen deplatziert.

Die heutige Tagesfrage „Wenn du zwei kostenlose Flugtickets gewinnen würdest, wohin würdest du reisen?“ würde ich gerne mit einer Gegenfrage beantworten: Wieso ich?

Eine weitere Frage, die ich mir selbst immer wieder stelle: Wozu setzt man, wenn man sich irgendwo im Netz anmeldet, das Häkchen bei „Dieses Gerät merken“, wenn die Seite bei der nächsten Anmeldung dieses Gerät zuverlässig wieder vergessen hat?

Aus der Zeitung: In seinem Leserbrief äußert sich Frank W. aus R. zum Thema Pride-Demonstrationen und falsche Pronomen. Darin schreibt er: „Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass sich die meisten Menschen überhaupt nicht für die hormonellen Befindlichkeiten ihrer Mitbürger interessieren. Möge doch jeder nach seiner Fa­çon glücklich werden. Was mir in diesem Zusammenhang allerdings gehörig auf den Keks geht, ist das permanente und penetrante Sichtbarmachen, Flaggezeigen und das immer weiter um sich greifende Zeichensetzen von oder für (angeblich?) benachteiligte(n) Personengruppen.“ Als im weitesten Sinne Betroffener müsste ich das empörend finden. Allerdings, auch auf die Gefahr hin, der Nestbeschmutzung bezichtigt zu werden: Ein wenig verstehe ich ihn.

Samstag: Beim Brötchenholen morgens waren um die Münsterkirche herum in auffälliger Anzahl Männer in Anzug und Frack zu sehen, die zugehörigen Frauen in bunten Kleidern, teilweise mit seltsamen Kopfbedeckungen. Vielleicht eine Kostümmesse.

Auf der ungeschriebenen Liste der dümmsten Begriffe stünde Dooring-Unfälle ziemlich weit oben. Ziemlich dumm finde ich auch das Wort chillen, vor allem, wenn Menschen deutlich über fünfzig es äußern.

Aus der Zeitung: Vivien O. beklagt sich, dass ihr ein Mobilfunkanbieter Geld vom Konto abgebucht hat, obwohl sie angeblich keinen Vertrag abgeschlossen hat. Die Verbraucherberatung nennt es gar „besonders hinterlistig“. So trug es sich zu: Die Dame ließ sich in der Fußgängerzone ansprechen und zur Teilnahme an einem Gewinnspiel animieren. Dabei zog sie aus mehreren Losen eines heraus, das sich als Gewinn zweier kostenloser SIM-Karten erwies. Zur Erledigung der notwendigen Formalitäten wurde sie daraufhin in ein nahes Geschäft gebeten, wo ihre Personalausweisdaten und Bankverbindung (für kostenlose SIM-Karten?) aufgenommen wurden. Mit Verlaub: Das ist nicht hinterlistig, das ist einfach nur dumm.

Sonntag: Lange geschlafen, spät gefrühstückt. Sonntagszeitungslesen auf dem Balkon noch an der Gänsehautgrenze, später beim Spaziergang wurde es warm. Letzterer enthielt eine Umleitung, weil die Rheinpromenade teilweise gesperrt, die Sperrung ordnungsamtlich überwacht war. Wegen Sturmschäden, wie ein Schild den interessierten Flaneur und zahlreiche Radfahrer wissen ließ, konkret eines umgestützten Baumes, der quer über dem Weg lag. Das verwunderte etwas, ein Sturm war mir in den zurückliegenden vierundzwanzig Stunden nicht aufgefallen. Den Lieblingsbiergarten erreichte ich dennoch ohne nennenswerte Verzögerung.

Ansichten der äußeren Nordstadt:

Idyll in Hafennähe
Ehemaliges Unigebäude an der Römerstraße, dem Abbruch geweiht

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Kommen Sie gut durch die Woche.

Woche 28/2024: Vorfreude, Staunen und bilinguale Aufgeblasenheit

Montag: Frankreich hat gestern gewählt. Wie es aussieht, ist es noch einmal gut gegangen, damit war nach dem ersten Wahlgang am Wochenende zuvor nicht unbedingt zu rechnen. Unserer nächsten Reise dorthin in zwölf Wochen steht nach jetzigen Erkenntnissen somit nichts entgegen, freuen wir uns also vorsorglich drauf.

Zum Thema Vorfreude etwas seltsam die WordPress-Tagesfrage: „Worauf freust du dich im Hinblick auf die Zukunft am meisten?“ Mir wäre neu, wenn man sich auch auf Vergangenes oder Gegenwärtiges freuen kann.

Ansonsten war es insgesamt ein überwiegend angenehmer Tag ohne größeren Notierenswert, was für den Beginn einer neuen Arbeitswoche schon mal nicht schlecht ist.

Dienstag: Fußweg ins Werk bei Sonnenschein. Wegen der vorausgesagten hohen Temperaturen nahm ich vom ursprünglichen Plan Abstand, nach längerer Zeit mal wieder den letzten verbliebenen Anzug spazierenzutragen, eine gute und richtige Entscheidung, wie sich bereits auf dem Hinweg zeigte. Ich weiß, in Zeiten der Klimaerwärmung sollte Sonnenschein kein Grund zur Freude mehr sein, auch der Begriff „schönes Wetter“ relativiert sich in dem Lichte, doch steigerte es meine Stimmung erheblich.

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Noch mehr stieg die Laune, nachdem ich den nächsten Inseltag für kommende Woche gebucht hatte. Es ist immer gut, wenn man sich auf etwas nicht sehr fernes freuen kann.

„Hallo Herr B.“ begann eine Mail, die ich Cc erhielt, im Folgenden wurde Herr B. geduzt. So wie früher, vielleicht heute hier und da heute auch noch, Beschäftigte im Einzelhandel. Im weiteren Verlauf stellte Herr B. mit „gerne per du“ die Kommunikationssymmetrie wieder her.

Mittags gab es in der Kantine Königsberger Klopse. Am Tisch war ich der einzige, der das Gericht vollständig verzehrte, während der eine keine Rote Bete, die andere keine Kapern mochte. Der Verzicht auf erstere wurde bereits bei der Ausgabe geäußert und berücksichtigt, der verschmähten Kapern nahm ich mich an, auf dass nichts umkomme.

Ich kann mir nicht den Namen des neuen britischen Premierministers merken. Vielleicht lohnt sich das auch gar nicht.

Mittwoch: Nach einem heißen Sommertag war das Wetter heute durchwachsen, zwischendurch immer wieder Regen, am frühen Abend erneut sehr heiß. Nachmittags auf der Rückfahrt vom Tagwerk fuhr ich einem beeindruckenden Wolkenereignis hinterher, das zum Glück in ausreichender Entfernung wirkte.

Auf dem Foto wirkt es noch etwas bedrohlicher als in echt

Immer häufiger ist der Duft von Cannabis zu vernehmen, so auch heute, als ich abends aus Besorgungsgründen durch die Innere Nordstadt ging. Ich habe überhaupt nichts dagegen, warum auch, schließlich ist es jetzt erlaubt, indes nicht verpflichtend. Oder: Spaß muss sein, um eine reichlich abgenutzte Phrase zu bemühen.

„Ich muss das noch mal challengen“ hörte ich in einer Besprechung. Warum nur können die Leute nicht mehr normal reden? Irgendwo hörte oder las ich vor einiger Zeit den Begriff „bilinguale Aufgeblasenheit“ und notierte ihn, um ihn bei passender Gelegenheit anzubringen. Voila.

Donnerstag: „Döner Game“ nennt sich eine innerstädtische Fleischzerspanungsstätte, die demnächst eröffnet, wie ich morgens sah. Meine Großmutter, des Englischen nicht mächtig, aß vermutlich ihr Leben lang kein einziges Döner, so wie ich noch keinen Bubble Tea trank und es für den Rest meiner Jahre nicht zu tun beabsichtige. Jedenfalls hätte sie dazu wohl gesagt: Mit Essen spielt man nicht.

Freitag: „Bushido kündigt Karriereende an“ meldet der SPIEGEL. Eine Nachricht, die man, auch mit anderen Namen, gerne öfter lesen möchte.

Die Bonner Oberbürgermeisterin (2. von links) hat eine barrierefreie Stadtbahnstation in Betrieb genommen. Wünschen wir allzeit gute Fahrt.

Quelle: General-Anzeiger Bonn

Samstag: Im Gegensatz zu anderen Haushaltsmitgliedern begegne ich Haushaltsgeräten zumeist mit Gleichgültigkeit oder, wenn sie (also die Geräte, nicht die Mitglieder; wobei, doch, die bisweilen auch) Geräusche erzeugen, ablehnender Skepsis. Das gilt nicht für den neuesten Zuwachs des heimischen Geräteparks: ein Fensterputzroboter. Im Prinzip das gleiche wie ein Staubsauger- oder Rasenmähroboter, nur eben für senkrechte Fensterscheiben. Ich weiß nicht, wie das funktioniert, jedenfalls fährt der quadratische Kasten von etwa zwanzig Zentimeter Kantenlänge wie ein Insekt oder eine Schnecke die Scheiben entlang, ohne herabzufallen, dabei verspritzt er in regelmäßigen Abständen eine Reinigungsflüssigkeit. Immer wieder erfreulich, wenn ich auch in meinem Alter noch ins Staunen gerate. Staunen Sie selbst;

Sonntag: Donald Trump wurde bei einem Anschlag nur am Ohr verletzt. Politiker aus aller Welt bringen ihr Entsetzen über die Tat zum Ausdruck, sogar Joe Biden soll seinem Widersacher Genesungswünsche übermittelt haben. Daher ist es selbstverständlich moralisch verwerflich, wenn der erste Gedanke beim Vernehmen dieser Nachricht lautet: wie schade.

Das Sonntagswetter war unentschlossen. Die Lektüre der Sonntagszeitung auf dem Balkon erfolgte noch an der (bei mir sehr niedrig gezogenen) Gänsehautgrenze, beim anschließenden Spaziergang wären kurze Hosen angebracht gewesen. Auf den Rasenflächen am Poppelsdorfer Schloss zahlreiche Menschen in unterschiedlichen Entkleidungsstufen, vertieft in ihre Datengeräte. Gegen Ende leitete mich Appetit auf bayrisches Bier zu einem geeigneten Lokal in der Innenstadt, wo großflächig tätowierte Arme inzwischen Einstellungsvoraussetzung zu sein scheinen. Dessen ungeachtet ließ ich mich nieder zum Biertrinken und Leutekucken.

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Kommen Sie gut durch die Woche.