Woche 50: Habemus balneum

Montag: Die Verbraucherschutzkommision der Europäische Union warnt vor bestimmten Feuerwerkskörpern, weil mit deren Gebrauch Verbrennungen und Gehörschäden einhergehen können. Ach was. Warum wird nicht auch vor finanziellen Einbußen nach deren Erwerb gewarnt?

Zurecht weist Frau Marjorie auf das Fehlen des Wortes „tatsächlich“ in der jüngst fortgeschriebenen Floskel-Liste hin. Das ist umso unverzeihlicher, als dass ich mich bereits an einem Freitag im April über seinen übermäßig-unsinnigen Gebrauch ausließ. Vielen Dank für den Hinweis, das Wort wird selbstverständlich bei nächster Gelegenheit ergänzt.

Dienstag: „Das hat eine gewisse Ambivalenz. Reibung erzeugt Wärme“, sagte morgens in der Bahn eine Frau zu ihrem Nebenmann. Wie kann man am frühen Morgen schon so einen Unsinn reden.

„Das ist wie das Henne-Huhn-Prinzip“, sagte die Kollegin später in der Besprechung. Ich war zu müde, mir von ihr das Prinzip erläutern zu lassen.

„Ein Smoking ist auch nichts, was man nicht nicht haben müsste“, sagte der Liebste am Abend. Darüber muss man erstmal nachdenken. Braucht man so ein Ding nun oder nicht oder nicht nicht oder doch? Rein mathematisch bedeutet eine dreifache Verneinung „nein“, doch bin ich mir nicht sicher.

Bereits ab 2021 soll Tabakwerbung in Deutschland schrittweise verboten werden, welch politischer Donnerschlag. Ein im Fernsehen sich äußern dürfender Tabaklobbykasper sieht darin indes einen gesundheitspolitischen Rückschritt, werde der Tabakindustrie dadurch doch die Möglichkeit genommenen, über weniger gesundheitsschädliche Produkte wie Elektrozigaretten zu „informieren“. Auf diese Argumentation muss man auch erstmal kommen.

Apropos Jugendschutz:

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Ein wenig fühlt es sich an wie ein Ritterschlag.

Gelesen hier, und das gefällt mir richtig gut, das sollte man sich immer wieder bewusst machen:

„Man sollte Alltag sehr viel mehr schätzen; man merkt das, wenn der Alltag zwischendurch mal wegbricht. Deswegen mache ich soviel Alltag wie möglich.“

Aus gegebenem traurigen Anlass:

Mittwoch: Diese Woche gab es nur ein dienstlich veranlasstes vorweihnachtliches BesoffenBeisammensein, mit teambildendem Aufenthalt in einem sogenannten „Escape-Room“. Kann man mal machen, doch bedarf es keiner kurzfristigen Wiederholung. – Erwähnte ich schon meine Abscheu gegen Event-Gruppenbilder? Auf solchen erkennen Sie mich stets als denjenigen, der niemals in die Kamera schaut.

Donnerstag: »Frauen mögen es in der Wohnung wie auch im Büro lieber wärmer, Männer dagegen kühler. Deshalb tobt in vielen Familien und Betrieben der „Kampf um den Thermostat“«, lese ich beim Morgenkaffee in der PSYCHOLOGIE HEUTE. Womit meine weibliche Seite sehr treffend beschrieben wäre, wobei in diesem Haushalt mehr die Balkontür Gegenstand der Kampfhandlungen ist.

Ich bin kein Morgenmensch. Kommunikation vor neun Uhr ist mir ein Graus, insofern verwundert mich immer wieder, wie viele Menschen bereits um kurz nach sieben auf dem Weg ins Werk das Telefon am Ohr haben beziehungsweise, die Jüngeren, wie ein Schmalzbrot vor sich halten. Eine Oase der Stille war bislang die halbe Stunde zwischen Bad (als wir noch eins hatten), Ankleidung und Aufbruch ins Werk. Aufgrund – grundsätzlich begrüßenswerter – organisatorischer Änderungen im unmittelbaren menschlich-persönlichen Umfeld ist es damit auch vorbei: Bereits beim ersten Kaffee des Tages versucht man, mich in Gespräche zu verwickeln, zudem wird die Balkontür aufgerissen, um meine innere Frau zu frösteln.

Später im Werk: „Können wir bitte erstmal nur die Topics aufnehmen, auf gut Deutsch?“, sagte der Projektleiter. Er klang dabei nicht besonders ironisch.

Freitag: Morgens verkündete der Fahrer der Stadtbahn, während wir in der Haltestelle Hauptbahnhof standen, der Zug nebenan fahre vor uns ab, woraufhin etwa sechzig Prozent der Fahrgäste fluchtartig den Wagen verließen und nach nebenan liefen, auf dass sie früher ans Werk kommen. Eine knappe Minute später setzte auch unser Wagen seine Fahrt fort. Was treibt diese Menschen nur?

Habemus balneum – auf gut Deutsch: Nach zwei Monaten und sechzehn Tagen wurde endlich die Dusche installiert. Höchste Zeit; langsam wurde es unbequem und lästig, jeden Morgen runter an den Rhein zu gehen. Weiterhin stößt das morgendliche Leeren des Nachttopfes auf die Straße zunehmend auf Missfallen von Passanten und Anwohnern. Aber wer weiß, vielleicht bekommen wir schon kommende Woche das Klosett eingebaut.

Samstag: Experten forderten kürzlich, Katzen wegen ihres Jagdtriebes und der damit verbundenen weiteren Dezimierung von Singvögeln nicht mehr frei herumlaufen zu lassen, was erwartungsgemäß nicht auf ungeteilte Zustimmung stößt. Frau Susanne H aus B schreibt dazu in einem Leserbrief an den SPIEGEL:

„Wann immer meine Katzen Jagdglück hatten, hatte sich der Vogel dumm und sorglos angestellt. Hätte er seine Dummheit an seine Nachkommen weitervererben sollen?“

Sonntag: Eines der schönsten Geräusche ist das Prasseln von Regentropfen auf die Fensterbank unseres Schlafzimmers, vor allem wenn ich mich nochmal umdrehen und weiterschlummern kann. Wie heute früh.

Matthias Brandt schreibt in „Blackbird“, meiner derzeitgen Bettlektüre:

„Ich könnte genauso gut jemand anders sein. Alleine schon, wenn ein anderes Spermium ein bisschen schneller gewesen wäre, wäre ich jetzt vielleicht nur eins dreiundfünfzig groß gewesen und hätte eine Riesennase gehabt, also noch viel größer, als mein Zinken ohnehin schon war, und ich würde zu Modelleisenbahnertreffen fahren oder was weiß ich.“

Da ist was dran. Statt in warmer Stube mit der Modelleisenbahn zu spielen, würde ich vielleicht morgens die Balkontür aufreißen und abends Fußball kucken. Was weiß ich.

Verkaufsoffener Sonntag in Bonn. „Genussvoll shoppen im Lichterglanz“, so das Motto. Wenigstens nicht „besinnlich“. Ich ziehe es dennoch vor, die Innenstadt zu meiden.