Woche 1/2025: Schon mal ein guter Anfang

Montag: Um nicht ganz aus der Übung zu kommen, fuhr ich heute mal wieder ins Büro. Dort war nicht sehr viel zu tun, der Maileingang während der Weihnachtsurlaubstage überschaubar. Auch sonst war es ruhig, in den anderen Büros und mittags in der Kantine nur wenige Menschen. Das Arbeitsende kam zeitig, morgen habe ich schon wieder frei, um das Gleitzeitkonto zu putzen. Ab Donnerstag dann wieder voller Einsatz. Oder ab nächsten Montag. Spätestens Dienstag.

Weiterhin waren die letzten Fächer des Büro-Adventskalenders zu leeren. Statt den Schokoladeninhalt direkt zu verzehren, verstaute ich ihn vorerst in der Schreibtischschublade. Die Lust auf Süßes hält sich im Moment in Grenzen, neben drei Schoko-Nikolausen (oder -läusen?) liegen dort sogar noch zwei Nougat-Marzipan-Baumstämme. Danke, ansonsten geht es mir gut.

Vergangene Woche äußerte ich mich despektierlich gegenüber der menschlichen Bequemlichkeit, stets den Aufzug statt die Treppe zu nutzen. Als keineswegs konsequenter Mensch nehme ich ihn selbst täglich, um ins Büro zu kommen, das allerdings zurzeit im achtundzwanzigsten Stock liegt, sei zu meiner Ausflucht angeführt. Hierzu ist der Entschluss ergangen, ab sofort einmal täglich wenigstens für eine Teilstrecke aufwärts das Treppenhaus zu benutzen. Damit habe ich heute sogleich begonnen, sogar zweimal: nach dem Treffen der Kollegin vormittags über sieben, nach dem Mittagessen sogar zehn Stockwerke. Das ist schon mal ein guter Anfang.

Ebenfalls bezugnehmend auf den Eintrag vergangener Woche wurde ich darauf hingewiesen, dass die Mehrzahl von Teelicht „Teelichte“ heißt und nicht „Teelichter“. Das ist für einen Sprachpingel wie mich, der gerne Anstoß nimmt an anderer Leute liederlichem Sprachgebrauch, peinlich. Doch ein Blick in den Duden zeigt: Beides ist korrekt. (Glück gehabt.)

Dennoch danke für den Hinweis.

Dienstag: Wie morgens gemeldet wurde, gingen bei der Polizei Notrufe wegen vorzeitig gezündeter Silvesterraketen ein. Warum auch nicht, die Polizisten freuen sich bestimmt, wenn sie was zu tun haben.

Auch dieses heute endende Jahr war das wärmste seit Messbeginn, steht in der Zeitung. An diese Meldung müssen wir uns wohl gewöhnen, jedes Jahr wieder um Silvester, jeweils mit aktueller Jahreszahl.

Im Zusammenhang mit der Kennzeichnung Bonner Fahrradstraßen fällt das Wort „Planungsmeinungen“. Interessant.

Nachmittags schrieb ich den persönlichen Jahresrück- und -ausblick ins Tagebuch, wie jedes Jahr. Damit will ich Sie gar nicht weiter behelligen, vielleicht nur der letzte Satz: Trotz aller weltpolitischen und klimatischen Unwägbarkeiten blicke ich für mich und uns persönlich mit Zuversicht dem neuen Jahr entgegen. – Mag sein, dass das naiv ist. Aber das von vielen nicht nur in den Blogs zu recht beklagte 2024 war für uns persönlich auch nicht schlecht.

Den Silvesterabend verbrachten wir in einem Restaurant an der Adenauerallee, wo ein viergängiges Menü serviert wurde. Essen, Weinbegleitung und Service waren ausgezeichnet. Leider setzte bei mir beim dritten Gang die Sättigung ein, vielleicht komme ich wirklich langsam ins Seniorentelleralter. Dank Unterstützung meiner Lieben kam nichts um.

Das Essen war so zeitig beendet, dass wir gemütlich am Rhein entlang nach Hause spazieren konnten, wo wir vor Mitternacht ankamen. Während der Gehens sahen wir auf beiden Rheinseiten schon zahlreiche vorzeitige Raketen ihre bunten Lichter streuen, hoffentlich ohne Notrufauslösung. Je mehr wir uns der Innenstadt näherten, desto mehr Menschen, vor allem mit Raketen und Böllern hochgerüstete junge Männer versammelten sich am Ufer. Ich vermute eine Schnittmenge mit jenen Testosteronträgern, die im übrigen Jahr in sogenannten Sportwagen mit knallfurzenden Auspuffen durch die Innenstadt brausen. Nur eine Vermutung.

Ich bin übrigens froh, in Bonn zu wohnen und nicht in Hamburg oder Berlin. Der Liebste und ich waren vor Jahren mal zu Silvester in Hamburg. Schon auf dem Weg zur Party am frühen Abend wurden uns in der Menschenmenge alle paar Meter Knaller vor die Füße geworfen; nicht diese kleinen roten Pengmacher, sondern richtig fiese, dicke, laute Dinger. Da beschloss ich, Silvester nie wieder in einer so großen Stadt zu verbringen.

Diesen Jahreswechsel erlebten wir hingegen in altersgerechter Entspanntheit: Mit einem Glas Cremant in der Hand schauten wir vor dem Haus zu, wie andere wieder viel Geld in die Luft jagten.

Rückweg

Mittwoch: Frohes neues Jahr, mit lange schlafen, knappem Frühstück und einem Spaziergang mit dem Liebsten.

Was von 2024 übrig blieb

Donnerstag: Vergangene Nacht schlief ich schlecht, schätzungsweise bis vier Uhr wälzte ich mich wach, obwohl draußen Regentropfen auf die Fensterbank trommelten, was normalerweise schlaffördernd wirkt. Doch wurde das Trommeln untermalt, zeitweise übertönt durch Schnarchen in Stereo Dolby Surround von nebenan.

Erstmals in diesem Jahr ging ich, durch immer noch leichten Regen, zu Fuß ins Werk. Das übliche Foto mit Rhein, Promenade, Siebengebirge und Mutterhaus im Hintergrund denken Sie sich heute bitte, da ich durch den Regenschirm gehindert war, es zu schießen. Es war ohnehin noch dunkel.

„Frohes Neues“ aus allen Mündern. Der Arbeitstag fühlte sich montäglich an, Laune und Arbeitseifer entsprachen ungefähr der Trübnis vor dem Bürofenster. Vielleicht eine Folge des Schlafmangels. Dazu wenig passend eine längere Teams-Besprechung am Vormittag mit einem Lieferanten für ein geplantes Vorhaben, die mehr Aufmerksamkeit meinerseits erforderte als verfügbar. Irgendwie kamen wir dennoch ganz gut durch und vorzeitig zum Ende. Ansonsten weiterhin in den Büros nebenan wenig Betrieb, dafür war mittags die Kantine erstaunlich gut besucht. Meine Hoffnung auf ungestörtes Alleinessen mangels der üblichen Mitesser erfüllte sich nicht, als sich ein gesprächsbereiter Kollege zu mir setzte. Die Unterhaltung war dann aber recht angenehm, insbesondere die Erkenntnis: Mit dem möchte ich auch nicht tauschen. Anschließend ging ich dem neuen Vorsatz entsprechend elf Etagen durch das Treppenhaus hoch ins Büro, ab da weiter mit dem Aufzug. Nicht gleich zu Beginn übertreiben.

„Herzlichen Glühstrumpf“ sagte ein Kollege in anderem Zusammenhang, was meinen Sprachnerv leicht zucken ließ.

Entgegen meiner Abneigung sah ich mich abends genötigt, mit dem Auto zur Musikerprobe nach Bad Godesberg zu fahren. Wegen Regens erschien mir die übliche Radfahrt unangenehm, der Stadtbahnnutzung stand der derzeitige Schienenersatzverkehr entgegen. Ich habe nie behauptet, ein konsequenter Mensch zu sein, der gegen die Verlockungen der Bequemlichkeit immun ist.

Freitag: Morgens nach Ankunft im Büro zeigte sich vorübergehend ein Anflug von Morgenröte und Sonnenaufgang über dem Siebengebirge, ehe dichte Wolken den Himmel verdunkelten; bald darauf war der Turm von Schnee umtost. Zumindest diesbezüglich ist meine Arbeitsstelle aussichtsreich.

Ob es am perfekten Al Dente der Spaghetti lag, die es mittags in der Kantine gab, weiß ich nicht, jedenfalls löste sich beim Essen erneut die Zahnkrone oben rechts hinten, zum zweiten Mal innerhalb von zwölf Monaten. Das hielt mich nicht davon ab, auch heute nach der Mittagspause über elf Etagen die Treppe zu nehmen, notfalls ginge das ganz ohne Zähne. Glücklicherweise erreichte ich nach Rückkehr ins Büro noch die Zahnarztpraxis meines Vertrauens, was am Freitagmittag nicht selbstverständlich ist; bereits für Montagmorgen wurde mir ein Reparaturtermin eingeräumt. Vielleicht kommt der Zahn doch bald raus, schon lange empfiehlt mir das der Zahnarzt, weil er locker sitzt und Probleme bereiten könnte. Dieser Konjunktiv hielt mich bislang davon ab, da mir der Zahn bislang keinen Kummer machte. Bis auf den gelegentlichen Kronenabwurf halt. Mal hören, was der Dentist Montag sagt.

Kurz vor Feierabend hüllte die Spätnachmittagssonne den Rheinauenpark in gar wunderbares Licht. Die Ufos am oberen Bildrand sind nur Spiegelungen der Bürobeleuchtung.

Samstag: Der Wecker melde sich zu wochenendlicher Unzeit bereits um acht Uhr, da eine Vereinspflicht zu erfüllen war. Diese bestand aus der gemeinsamen Probe mit dem befreundeten Musikverein aus und in Morsbach-Holpe, einem idyllischen Ort im Bergischen Land, der unser Musikcorps demnächst bei der Prunksitzung der Karnevalsgesellschaft unterstützen wird. Meine anfänglich trübe Stimmung infolge des verhinderten Ausschlafens hellte sich augenblicklich auf, als das erste Stück gemeinsam gespielt wurde. Welch ein Unterschied gegenüber dem Gewohnten, mit so vielen Leuten und unterschiedlichen Instrumenten zu musizieren! Die Begeisterung versetzte mich in länger anhaltendes Grinsen, was beim Trommeln glücklicherweise nicht hinderlich ist; das frühe Aufstehen hatte sich gelohnt.

Im Bergischen Land liegt Schnee. Blick auf Waldbröl-Heide

Sonntag: Die amtlich angekündigte Eisglätte fand in Bonn zum Glück nicht statt, nur Regen ließ ein längeres Verweilen im Bett verlockend erscheinen. Doch auch dieser Tag begann früh, erneut aus karnevalistischen Gründen. In einer Godesberger Kirche wurde die jährliche Mundart-Messe gehalten, an der unsere Karnevalsgesellschaft beteiligt ist mit Musik und Lesungen in rheinischer Sproch. Wie für andere der Heiligabend, ist dies (nicht nur) für mich regelmäßig der einzige Grund im Jahr, mich länger in einer (kalten) Kirche aufzuhalten. Wie immer war es sehr kurzweilig, weil der diensthabende Pastor seine Sache sehr gut macht, gelegentlich wird auch gelacht und applaudiert, was in Gottesdiensten ja sonst eher selten vorkommt. Warum eigentlich? Wenn es den gütigen Gott gibt, hat er bestimmt nichts dagegen.

Vielleicht hat er auch nichts gegen Silvesterfeuerwerk: Fast so heftig wie das zurückliegende sind nun die allgegenwärtigen Forderungen nach einem Verbot, nachdem es – wie jedes Jahr – zu Verletzungen und Todesfällen durch unzulässiges Pyromaterial und mangelnde Vorsicht kam. (Das in diesem Zusammenhang häufig benutzte Wort „tragisch“ ist nur angebracht, soweit Unbeteiligte betroffen sind. Ansonsten ist es schlicht Dummheit.) Seit vielen Jahren geben meine Lieben und ich für derlei Zeug kein Geld mehr aus, auch könnte ich auf Licht- und Knallbegleitung des Jahreswechsels verzichten; das neue Jahr beginnt trotzdem, die bösen Geister bleiben. Gleichwohl stört es mich im angemessenen Rahmen nicht, solange andere nicht bewusst damit belästigt werden, siehe die Anmerkungen vom Dienstag. Auch liegt es mir fern, alle, die Spaß daran haben, pauschal als Vollidioten zu betrachten. Deshalb erscheint mir ein generelles Verbot nicht sinnvoll, zumal die Mehrheit der Pyrofreunde vermutlich besonnen und – soweit man das hier so nennen kann – vernünftig handelt. Vielmehr würden es bestimmte Parteien als weitere Bestätigung ihrer zweifelhaften Thesen missbrauchen.

Spaziergang am Nachmittag. Es gibt kein schlechtes Wetter.

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Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Jahr 2025 mit viel Gesund- und Zufriedenheit sowie wenigstens etwas Optimismus. Es nützt ja nichts, nur noch die bösen Geister zu sehen. Und eine gute Woche; wenn Sie jetzt wieder zu arbeiten beginnen, lassen Sie es möglichst ruhig angehen. Hektisch wird es wieder früh genug.

Woche 52/2024: Alternative Tischmanieren und Raclette über Teelichtern

Montag: Weiterhin sind wir in Beaune, Frankreich. Nachtrag zu gestern Abend: Wir waren zum Essen in einem Restaurant, das wir schon von früheren Besuchen kennen und schätzen. Es ist gut, nicht sehr teuer und der Service sehr freundlich. Während des ersten Ganges betrat ein jüngeres Paar mit einem etwa zwei Jahre alten Kind den Raum, sie wurden am Nebentisch platziert. Das Kind zeigte sich lebhaft, es lief herum, plapperte, quengelte, eine alles in allem altersgerechte Verhaltensweise, die vielleicht bei denjenigen, für die Kinderliebe nicht an oberster Stelle steht, ein gewisses Störgefühl auszulösen vermag. Bald warf das Kind das Blumentöpfchen vom Tisch, das nun, getrennt nach Topf, Pflanze und Erde auf dem Boden lag. Die Eltern scherte es nicht weiter, auch sahen sie sich nicht veranlasst, das Malheur zu beheben oder wenigstens zu melden. Als die freundliche Bedienung das sah, zeigte sie sich wenig erfreut. Offenbar hatte man mehr compréhension für kindliche Lebhaftigkeit erwartet, kurz darauf wurden Kind, Malsachen und alles andere zusammengepackt und sie verließen abschiedslos das Lokal. Am Nebentisch, also unserem, wurde dies mit Erleichterung zur Kenntnis genommen, beinahe hätten wir applaudiert. Dem Kind ist kein Vorwurf zu machen. Doch was geht in solchen Eltern vor?

Unser Tischgewächs blieb unbehelligt

Interessant an einem Hotelaufenthalt sind stets auch die anderen Gäste und ihre Verhaltensweisen. Ich vermute, wer in der Gastronomie oder Hotelbranche arbeitet, erlebt vieles, womit man erfolgreich ein Buch oder Blog füllen könnte. (Für entsprechende Blogempfehlungen wäre ich dankbar.) Beim Frühstück fiel mir heute der vielleicht zwanzigjährige Angehörige einer größeren Familie auf, der ungefähr im Minutentakt das Büffet aufsuchte, um noch etwas nachzuholen. Das ganze in kurzen Hosen. Nicht dass ich dem Anblick junger Männerbeine grundsätzlich abgeneigt wäre, aber warum trägt er im Dezember in einem Fünfsternehotel kurze Hosen? Muss der sich oder anderen etwas beweisen?

Sehr nett im übrigen das ältere Ehepaar aus Freiburg, mit dem wir abends in der Hotelbar ins Gespräch kamen. Offensichtlich sind wir nicht die einzigen, die das Verhalten und Auftreten anderer Gäste interessant finden.

Das Hotel hat drei Stockwerke, somit ist es den meisten Menschen möglich, auch ein Zimmer im oberen Stock über die Treppen zu erreichen. Dennoch folgen die meisten Gäste der natürlichen Bequemlichkeit und nehmen den Aufzug, nur selten begegnet mir jemand im Treppenhaus. Im Erdgeschoss gibt es einen Fitnessraum. Dank Aufzug ist er auch für Bewegungssuchende aus den oberen Stockwerken jederzeit bequem erreichbar.

Die Hotelbar. In dem Topf neben dem Feuer wird ausgezeichneter hausgemachter Glühwein warmgehalten, wir haben ihn mehrfach für Sie probiert.

Dienstag: Der Heiligmorgen begann nicht allzu spät und recht entspannt. Nach dem Frühstück gingen wir eine Runde durch die Stadt, die gut gefüllt war mit Autos und Menschen in letzten Besorgungsabsichten für die bevorstehende fête la Noël. Einige Geschäfte, unter anderem Textilläden, hatten bis achtzehn Uhr geöffnet, für Spätentschlossene oder mögliche Weihnachtsverweigerer.

Nach dem Stadtbummel machten wir einen Spaziergang durch den nahegelegenen Parc de la Bouzaise, wo sich Blesshühner und eine Kleingruppe Gänse (neben graugemusterten Wildgänsen auch eine weiße, letztere vielleicht kurz zuvor dem Braten entkommen) vom Fest unbeeindruckt zeigten.

Nach Rückkehr im Hotel gönnten wir uns vor dem heiligen Abend noch etwas Ruhe. Während ich auf dem Sofa die Zeitung und Blogs las, waren von den Lieben nebenan bald leise Schlafgeräusche zu vernehmen. Zwischendurch zuckte immer wieder das Datengerät auf von den tagesüblichen Grüßen und Wünschen in diversen WhatsApp-Gruppen. Im erweiterten Sinne mit Festbezug traf außerdem per Mail eine Empfehlung für bessere Erektionen ein.

Trotz gegenseitigen Nichtschenkpaktes blieben wir dann doch nicht ganz unbeschoren, woher auch immer die Geschenke kamen.

Den Abend verbrachten wir im Hotelrestaurant, wo ein siebengängiges Festmenü in passender Weinbegleitung gereicht wurde. Das war ausgezeichnet, wenn auch des Guten etwas zu viel: Spätestens ab dem vierten Gang konnte ich außer wenigen Probierhappen kaum noch was essen, das zu jedem Gang extra gereichte Brot blieb unangerührt. Das ist nur schwer mit meiner Flüchtlingskinderziehung zu vereinbaren, wonach Teller grundsätzlich leergegessen werden. Allerdings setzt die Magenkapazität hier natürliche Grenzen. Immerhin kam kein Wein um, immer das Positive sehen.

Zuviel des Guten war auch die musikalische Begleitung durch zwei Damen, die mit Geige und Harfe von Raum zu Raum zogen. Sie spielten sehr gut, sogar Stücke von ABBA und Queen, allerdings war es zu laut für Tischgespräche. Deshalb waren wir ihnen nicht böse, als sie weiter zogen und andere Gäste erfreuten.

Nach dem Essen suchten wir mit dem Paar aus Freiburg nochmals für ein Nachtglas die Hotelbar auf. In der Ecke neben dem Kamin saß ein jüngerer Mann augenscheinlich indischer Physiognomie, beschäftigt mit Buch, Datengerät und Getränken. Der saß da schon so, als wir Stunden zuvor ins Restaurant aufgebrochen waren, und er wirkte nicht unzufrieden.

Hotelfensterblick, morgens, mit Weinbergen der Côte d’Or im Hintergrund
Im Parc de la Bouzaise
Sofablick. Mehr braucht es manchmal nicht zur Zufriedenheit.
Nächstes Jahr aber wirklich nichts. (Foto: der Geliebte)

Mittwoch: Beim Aufwachen erwog ich, heute nichts oder überhaupt niemals mehr etwas zu essen. Das späte Frühstück – wir waren die letzten im Frühstücksraum, das Personal war schon mit dem Abräumen des Buffets beschäftigt – fiel mit einem Croissant und einem Pain au chocolat jeweils im Kleinformat, einem Glas Saft und einer Tasse Kaffee entsprechend geringfügig aus.

Mittags deckte ich meinen Bedarf an etwas Bewegung und frischer Luft mit einem Spaziergang über die Remparts, die zu etwa Dreivierteln erhaltene alte Stadtbefestigung um die historische Innenstadt von Beaune. Im Gegensatz zu den vergangenen Tagen waren kaum Autos auf den Straßen, nur wenige Menschen flanierten und führten ihre Hunde oder Kinder aus. Aus einem Fenster drangen Fetzen von „All I Want For Christmas“ von Mariah Carey an mein Ohr, dem in diesen Tagen kaum zu entkommen ist. And Aaaaaahahahahaii …

Nachmittags wurden die meisten Sachen einschließlich getätigter Einkäufe gepackt und ins Auto geladen, auf dass wir morgen zeitig nach Hause aufbrechen können. Wie üblich begleitet von Diskussionen zwischen meinen Lieben. Laut einem beliebten Klischee zerbrechen Ehen an falsch gedrückten Zahnpastatuben. Wie viele Partnerschaften mögen wegen unterschiedlicher Auffassungen über das richtige Packen des Autos bei der Urlaubsabreise in Schieflage geraten?

Nach dem Abendessen nahmen wir den letzten Vin Chaud à la maison in der Hotelbar. Der Inder hatte sich dort inzwischen über drei Sessel häuslich eingerichtet und wirkte weiterhin sehr zufrieden. Die Sitzgruppe gegenüber belegten ein Mann und zwei Teenagerjungs, letztere mit Alpaka-Frisuren. (Diese Bezeichnung für die aktuelle Haarmode junger Männer las oder hörte ich kürzlich irgendwo und finde sie sehr trefflich.) Gesprochen wurde fast nicht, alle drei waren intensiv mit ihren Datengeräten beschäftigt. Manchmal hielt einer dem anderen das Gerät vor die Nase, der grinste dann kurz und widmete sich wieder dem eigenen. Unterbrochen wurde ihr Tun durch einen zwischenzeitlich servierten Imbiss, der mit alternativen Tischmanieren vertilgt wurde, den Blick möglichst wenig vom Bildschirm abgewandt. Sie hatten auf ihre Weise Spaß, nehme ich an.

Rempards mit Moosansicht
Rempards mit Burgund-typischer Dachdeckkunst

Donnerstag: Nachdem auch die letzten Sachen ohne größeren Zank im Auto verstaut waren, verließen wir vormittags Beaune. „Passt bitte gut auf euch auf, die Welt wird nicht besser“, gab uns die Frau des netten Freiburger Ehepaars mit auf den Weg, womit sie zweifellos recht hat.

Auch an der Grenze zu Luxemburg gibt es Kontrollen gegen illegale Einreise. Etwas rätselhaft der Kontrollposten bei Trier: Er ist erst weit hinter der Grenze eingerichtet, nach einem Parkplatz und einer Abfahrt auf deutschem Gebiet. Schleusern wird es somit recht einfach gemacht, ihrem Geschäft nachzugehen. Bestimmt hat man sich dabei was gedacht.

Nach entspannter und sonnenbeschienener Fahrt kamen wir am späten Nachmittag in Bonn an. Dort waren die letzten fünf Törchen des Adventskalenders „Edle Tropfen in Nuss“ abzuarbeiten, was der Ankunft eine gewisse Leichtigkeit verlieh. Zum Abendessen besuchten wir den persischen Lieblingsitaliener. Nach einer Woche mit französischer Küche ist eine Steinofenpizza auch mal wieder ganz schön.

Für den letzten Urlaubstag morgen habe ich einen Wanderbeschluss gefasst.

Freitag: Mittags brach ich auf zur Wanderung, wegen der jahreszeitlich beschränkten Tagesbelichtung nicht sehr lang. Mit dem Bus fuhr ich bis Holzlar, von dort wanderte ich bei Sonnenschein über den Ennert und den mir bislang unbekannten Finkenberg zwischen Küdinghoven und Beuel zurück nach Bonn. Unterwegs begegneten mir vergleichsweise viele Menschen, was am Brückentag zwischen den Jahren liegen mag, viele haben frei, zudem ist die Strecke stadtnah. Jedenfalls war es wieder beglückend, auch wenn die meisten Bäume kahl Winterschlaf halten. Immerhin zeigen sich Moose und Stechpalmen verlässlich dauergrün.

Nach Ankunft in der menschenvollen Bonner Innenstadt belohnte ich mich für die Mühen mit einer Feuerzangenbowle auf dem Remigiusplatz, wo der Weihnachtsmarkt erstmals in diesem Jahr ein paar Tage länger geöffnet bleibt und zum Dreikönigsmarkt wurde, irgendwie muss es ja heißen. Neben mir bestellte und bekam jemand einen Lumumba. Wir kürzlich zu lesen war, soll man das nicht mehr sagen, weil es wohl irgendwie rassistisch ist. Herrje. Ohne Zweifel halte ich es für richtig, nicht mehr Mohrenkopf oder Zigeunerschnitzel zu gebrauchen, auch wenn mir die Diskussion darum bisweilen etwas hysterisch erscheint. Aber Lumumba? Was kommt da demnächst noch? Vielleicht Granatapfel, Götterspeise, Russisches Brot oder Matjes nach Hausfrauenart? AfD und Freie Wähler werden sich freuen, fürchte ich.

Ennert-Wald im Winterschlaf
Hardweiher
Moosansicht
Stilleben auf dem Finkenberg
Der Rhein mal von der anderen Seite

Samstag: Seit Mitternacht darf wieder Silvesterknallwerk verkauft werden. Wie das Radio morgens meldete, hatten die ersten Licht-Schall-Rauchfreunde bereits seit dem Nachmittag vor den Verkaufsstellen gewartet. Zu den Nebenwirkungen hinsichtlich Müll und Lärm befragt, antworteten sie, das hätten sie auf dem Schirm. Dann ist es ja gut.

Nicht auf dem Schirm, sondern auf dem Sofa verbrachte ich große Teile des Tages und war damit sehr zufrieden.

Abends gab es Raclette über Teelichtern, die Öfchen befanden sich in dem am Dienstag gezeigten Geschenkeberg. Das funktioniert erstaunlich gut, schmeckte bestens und machte satt. Und das Spielerische kam auch nicht zu kurz.

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Sonntag: Im Gegensatz zu den Vortagen blieb dieser Tag trüb und kalt, die Pfützen auf den Wegen waren gefroren. Den letzten Sonntagsspaziergang des Jahres verband ich mit einer Probefahrt der neuen Straßenbahnwagen. Zum Glück kam auch gleich einer, im Moment fahren sie noch im Mischbetrieb mit den alten auf der Linie 61. Damit fuhr ich bis bis zur Endhaltestelle in Auerberg und flanierte am Rhein entlang zurück, ein gut einstündiger Marsch, den ich so noch nicht gegangen war. Die neuen Wagen laufen sehr ruhig, was dem an Straßenbahnzügen nicht so interessierten normalen Fahrgast vielleicht gar nicht auffällt.

Wagen 2253 verlässt die Endhaltestelle in Auerberg
Rheinufer gegenüber Graurheindorf

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Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche und einen guten Start in ein neues, möglichst angenehmes Jahr. Vielen Dank, dass Sie meinen Gedanken und Erkenntnissen hier wöchentlich folgen. Passen Sie gut auf sich auf, die Welt wird voraussichtlich nicht besser.

#WMDEDGT im Februar: Kohlroulade ohne nähere Ortsangabe

Vielleicht verstößt es gegen die allgemeinen Blog-Konventionen, zwei Einträge am selben Tag zu veröffentlichen, doch heute geht es nicht anders. Denn heute ist Montag, Tag des regelmäßigen Wochenrückblicks, zudem der Fünfte, und am Fünften eines jeden Monats ruft die geschätzte Mitbloggerin Frau Brüllen zur Pflege der Tagebuchblogkultur auf. Hierzu schreibt der geneigte Teilnehmer einen Aufsatz zum Thema „Was machst du eigentlich den ganzen Tag?“, kurz #WMDEDGT, und verlinkt ihn hier.

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Nach bizarren Träumen, in denen unter anderem *hüstel* Kopulationen auf einer öffentlichen Bühne zu besichtigen waren, ich kann es doch auch nicht ändern, wachte ich zu sehr früher Morgenstunde auf, geweckt vom unregelmäßigen Quietschen des Tores zum Nachbarhof, das mal wieder offen stand und bei jedem Windstoß, deren vergangene Nacht reichlich wehten, eine kleine quietschbegleitete Bewegung vollzog. Schon mehrfach haben wir die Nachbarn gebeten, das Tor nachts zu schließen, nicht nur aus Quietschgründen, sondern auch, um herumstreunendes Gesindel vom Hof (auch unserem) fernzuhalten. Ein paar Nächte bleibt es dann zu, bis es wieder einer, vielleicht aus Bequemlichkeit, offen stehen lässt. Was soll man machen, gegen Bequemlichkeit kommt nichts und niemand an.

In den Radionachrichten beim Wecken ließ die mich die Meldung kurz grinsen, dass für das Parken eines SUV in der Pariser Innenstadt nach einem Bürgerentscheid bald achtzehn Euro je Stunde fällig sind. Die trauen sich was, die Pariser. Vermutlich haben die da keine FDP. Frau Dörner*, bitte übernehmen Sie.

Die Radfahrt ins Werk erforderte keine Handschuhe, es war mild und trocken. Bei Ankunft im Büro fand ich den Vogelfutterteller vor dem Fenster leergepickt vor, stattdessen lag eine Handvoll Kiesel darauf. Ich habe die Rabenkrähen in Verdacht, um mir mitzuteilen: „Sieh zu, dass hier bald Körner auf den Teller kommen, oder sollen wir Kieselsteine fressen?“, und beeilte mich, nachdem eine Kohlmeise angeflogen kam und sogleich mit vorwurfsvollem Blick wieder abzog, der Aufforderung nachzukommen. Neben Rabenkrähen und Meisen bestand die Flugkundschaft heute aus einer Amsel und einem Rotkehlchen.

In der Kantine stand heute »Lachsforelle aus Leverkusen« auf der Karte; nicht zuletzt wegen der kulinarischen Assoziationen, die mir bei Leverkusen in den Sinn kommen, womöglich tue ich der Stadt und ihrer Küche da Unrecht, entschied ich mich für die Kohlroulade ohne nähere Ortsangabe, zum Dessert ein Schälchen Obstsalat.

Einige Zeit verbrachte ich im Büro mit der Danksagung auf zahlreiche Geburtstagsgratulationen vom Vortag im Maileingang, bei manchen Absendern wunderte ich mich, dass sie das offenbar im Kalender haben, wohingegen mir deren Geburtstage unbekannt sind, was die Freude über die Glückwünsche nicht minderte. Besonders gefreut habe ich mich über den Kartengruß aus München, der aufgrund etwas längerer Postlaufzeit erst heute im Briefkasten lag.

Weiterhin im Maileingang eine Mitteilung der internen Kommunikation mit der Anrede »Liebe:r Carsten«, was die Lust am Weiterlesen trübte. Zu recht, es wurde nicht besser: »Nachhaltigkeit wird bei uns groß geschrieben.« Ja wie bitteschön denn sonst?

Wesentlich besser gefiel mir das erstmals gehörte Wort „kredibel“ (glaubwürdig), das sich recht gut in meinem Wortschatz machte, wenn ich es bis zur ersten Anwendung nicht vergessen habe.

Abends übte ich Trommeln auf dem Übungszwecken dienenden, nachbarfreundlich-schallarmen Trommelsurrogat, um einigermaßen fit zu sein für die anstehenden Einsätze an Weiberfastnacht und im Godesberger Zoch kommenden Sonntag. Ansonsten verlief der Abend mit den Lieben alkoholfrei und ohne weitere nennenswerte Bemerknisse.

Für einen Montag war der Tag zufriedenstellend. Bald ins Bett, hoffend auf angenehme Träume und quitschfreie Nachtruhe.

*Grüne Oberbürgermeisterin von Bonn, die schon wegen wesentlich kleinerer Maßnahmen regelmäßig der Zorn der Autofreunde trifft