Woche 32/2021: Das ist dann eben so

Montag: Während der Kollege davon erzählt, wie er im Urlaub die Alpen mit dem Fahrrad überquerte, wobei das Rad mehrfach über Felsen und schmale Pfade getragen werden musste, frage ich mich: Warum tut man das?

Oder das?

Oder dieses: „Die GDL fordert 3,2 Prozent höhere Entgelte und einen Corona-Bonus von 600 Euro für seine Mitglieder“, steht in der Zeitung. Wie wird man Mitglied beim Bonus? Warum merkt das niemand?

Dienstag: Nach dem aktuellen Bericht des Weltklimarats erscheint es fraglich, ob man sich wirklich noch Gedanken um die Altersvorsorge machen sollte. Persönlich sehe ich das relativ gelassen, mein bisheriges Leben verlief überwiegend in glücklichen Bahnen, außer der Erdanziehung frei von nennenswerten Belastungen, zudem muss man eigentlich, um dieses zumeist unnötige Wort mal zu gebrauchen, nicht viel älter als vierundfünfzig werden. Aber was ist mit all den Jüngeren, die noch alles vor sich haben?

„Der Planet schwebt in Lebensgefahr und mit ihm seine Bewohner“, sagte die Bundesumweltministerin. Liebe Frau Schulze, gerne wiederhole ich das für Sie: Der Erde geht das weitgehend am Südpol vorbei, was wir hier treiben, sie hat schon ganz andere Phasen überstanden und wird sich auch in einigen Milliarden Jahren noch drehen. Nur eben sehr wahrscheinlich demnächst ohne uns.

Mittwoch: Auch die Frage der richtigen Ernährung gewinnt in der aktuellen Debatte zunehmend an Bedeutung.

Während die Rufe nach Reduktion des Kohlendioxid-Ausstoßes eindringlicher werden, wird die weitere Vermehrung der Menschen als naturgegeben hingenommen. Wäre das nicht etwas, wo man auch mal ansetzen müsste: Kondome fürs Klima statt Brot für die Welt, oder ist das zu radikal gedacht? Aber vielleicht erledigt sich das ohnehin bald von selbst.

Donnerstag: Die Nacht hatte ich im Traum Gelegenheit, ein paar Sätze mit Max Goldt zu sprechen, anlässlich der Vorstellung seines neuen Buches. Er hörte sich mit freundlicher Geduld mein Geschleime an („Wie Sie mit der Sprache spielen … und dann diese genialen Überleitungen jedesmal … einfach großartig.“) Wenigstens verzichtete ich darauf, ihm mit Verweis auf dieses Blog mitzuteilen, dass ich auch gelegentlich was schreibe, ihm womöglich gar den Link auf einen Zettel zu schreiben, den er dann, nachdem er aus meinem Blickfeld verschwunden wäre, sofort in den nächsten Papierkorb entsorgt hätte, völlig zu recht.

Inseltag – das heißt: ein einzelner Urlaubstag ohne besonderen Anlass, einfach nur so für mich. Ich habe beschlossen, ab sofort jeden Monat, in den kein regulärer Urlaub fällt, einen Inseltag einzulegen. Für heute war ursprünglich eine weitere Wanderung durch die Wahner Heide geplant. Da dies die An- und Abreise mit der Deutschen Bahn erfordert hätte, was Herr Weselky und seine Bonusmitglieder momentan unterbinden, wurde spontan umgeplant. So fuhr ich morgens mit der unbestreikten Stadtbahn nach Rhöndorf, von wo aus ich eine Runde durch das Siebengebirge machte, die schon seit geraumer Zeit als „geplant“ in meiner Komoot-Liste stand. Bereits die ersten Kilometer den Großen Breiberg hinauf waren sehr anstrengend, ich schnaufte wie eine Güterzugdampflok der Baureihe 044, kurz bevor sie mit einem Dreitausend-Tonnen-Zug wegen Dampfmangels vor Dransfeld liegenblieb. Nach kurzer Pause, während der der innere Heizer einige Schippen Kohle nachgeworfen hatte, ging es weiter; in der Breiberghütte hinterließ ich schließlich im Hüttenbuch ein paar Zeilen.

Danach ging es deutlich unanstrengender weiter. Besonders idyllisch ist das Tretschbachtal:

Zurück in Rhöndorf die angemessene Belohnung:

Aus der Zeitung: „Menschen, die sich aus ganz persönlichen Gründen nicht impfen lassen wollen, aber nur über ein geringes Einkommen verfügen, werden mit dem Ende der Gratis-Tests sehr stark belastet. Für sie sind zusätzliche Kosten von zehn oder 20 Euro in der Woche eine kaum zu schulternde Belastung“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Ja. Das ist dann eben so. Und?

Freitag: „Ich muss eben meinen Sohn in die Kita werfen“, sagte einer von unterwegs in der Telefonkonferenz, woraus sich interessante Bilder ergeben.

Samstag: Finde den Fehler.

(General-Anzeiger)

Auch wenn jetzt Sommer ist – erwachsene Menschen, die barfuß durch die Innenstadt gehen, erscheinen mir eher etwas seltsam.

Andererseits – Mit jedem Tag nimmt meine Bereitschaft, mich über Dinge oder Menschen zu wundern oder gar aufzuregen, ein kleines bisschen ab.

Sonntag: Das waren die schönsten Sommerferien seit langem – alle anderen Hausbewohner waren auf Reisen: kein Getrampel von oben, kein Geschwätz von unten, keine Kochgeräusche und Kindergeschrei von nebenan. Jetzt, wo sie alle wieder da sind, wird es höchste Zeit für eigene Urlaubserwägungen.

(Beim Gehen gesehen / Nähe Bonn-Schwarzrheindorf)

Kommen Sie gut durch die neue Woche!

Woche 40: Nunmehr

Montag: „In einer idealen Welt ist es so, dass sich jeder eine Checkliste macht.“ – „Wie kriegen wir einen Anpack da dran?“ Gerade in Besprechungen werden Wahrheiten schonungslos ausgesprochen und die richtigen Fragen gestellt.

Den letzten Haken in seiner Lebens-Checkliste hat heute der großartige Charles Aznavour gesetzt. Ich verneige mich vor seiner Kunst.

(Tipp: So laut wie möglich aufdrehen und genießen.)

Apropos désormais*: Heute ist der Abend, an dem die Große Koalition „zur Sacharbeit zurückkehrt“, so die Nachrichten. Wünschen wir ihr einen griffigen Anpack.

Dienstag: Am Morgen erhalten Bürger im Radio Gelegenheit, den Namen ihres Autos einer interessieren Öffentlichkeit kund zu tun. Manchmal frage ich mich, ob den Leuten bei WDR 2 nichts Sinnvolles mehr einfällt, was die Zahlung der Rundfunkgebühr rechtfertigt. Eine Frau lässt uns wissen, ihr kleiner hellblauer Wagen heiße Olav, „mit v“, wie sie betont. Aaha. Wie mögen die Poseräffchen wohl ihre Lärmkarren nennen? Herkules? Thor? Martha? Vielleicht aber auch Mechthild, wer weiß schon, was in deren Äffchenhirnen vorgeht.

Mittwoch: „Wenn wir uns begegnen, dann leuchten wir auf wie Kometen“ – Auch wenn Max Giesinger heute dreißig wird, wozu ihm herzlich gratuliert sei, so hätte dennoch der vorstehende Vers auf meiner ungeschriebenen Liste der dümmsten Liedzeilen einen unauslöschlichen Platz im oberen Drittel.

Zu gratulieren ist anscheinend auch Ronaldo, der laut Zeitungsbericht ein „fünfmaliger Weltfußballer“ ist, was auch immer das bedeutet.

Donnerstag: „Viele Großunternehmen unterhalten beispielsweise eigene Hauszeitschriften oder sogar Fernsehkanäle, die angeblich den Zweck haben, die Mitarbeitenden über interessante Nachrichten und Entwicklungen auf dem neuesten Stand zu halten; in Wirklichkeit existieren sie aber in den meisten Fällen aus keinem anderen Grund als dazu, dass die Manager das warme, angenehme Gefühl genießen können, das sich einstellt, wenn man eine freundliche Geschichte über sich selbst in den Medien liest, oder vielleicht wollen sie auch wissen, wie es sich anfühlt, wenn man von Menschen interviewt wird, die wie Reporter aussehen und handeln, aber niemals unbequeme Fragen stellen.“ (Aus: David Graeber, BULL SHIT JOBS) – Ja, das kommt mir sehr bekannt vor.

Der Liebste redet seit Stunden auf unsere Stuben-Siri ein, die sich mit immer derselben, freundlich vorgebrachten Antwort („Oh, ich habe Schwierigkeiten, das zu spielen …“) beharrlich weigert, die gewünschte Musik zu spielen. In solchen Momenten frage ich mich, ob das mit dieser Digitalisierung wirklich so eine gute Idee war.

„So ein Beruf stört einfach bei allem, beim Denken, bei der Freizeitgestaltung und bei der Terminplanung“, lese ich am Abend hier. Da ist was dran.

Freitag: Am Morgen wurde ich beim Verlassen des Aufzugs in der Annahme bestätigt, nur in dunklen Anzug gehüllte und mit Krawatte geschmückte männliche Personen von Bedeutung beziehungsweise sich für von Bedeutung haltend verwenden den inhaltlich seltsamen Abschiedsgruß „Auf Wiederschauen“.

Samstag: Weil es so schön ist, noch eine Woche Provence. Die französische Radiowerbung ist schon Teil des Urlaubsgefühls, obwohl sie dort noch hektischer plappern als bei uns. Ihr Vorteil ist, ich verstehe fast nichts davon.

Bei Ostermann hingegen würde ich schon deshalb keine Möbel kaufen, weil ich fürchte, dass dort alle so aufgeregt herumschreien wie der Reklamesprecher im Radio. Auch würde ich nicht zu Netto gehen, nur weil mich ein ungezogenes Kind brüllend dazu auffordert.

Sonntag: In der Nacht fiel schlaffördernd Regen auf unser Haus. Also natürlich nicht nur auf unseres, sondern auf Stadt, Land, Fluss, wenn es hier einen gäbe. Am Morgen sah es dann so aus:

Perfekt, um den Tag in wundervoller Untätigkeit zu verbringen.


* von nun an, nunmehr

Woche 13: Uns blüht was

Montag: Während der Frühling sein blaues Band flattern lässt, verursacht der Schulz-Effekt bei mir vor allem so langsam eine tiefe Abneigung gegen dieses Wort.

Dienstag: Erster Balkonabend des Jahres. Blitze zucken in der Ferne. Egal, es gibt Rosé.

Mittwoch: Laut einer Radiomeldung sollen demnächst keine öffentlichen Aufträge mehr vergeben werden an Firmen, die den Terror unterstützen. Das dürfte Unternehmen wie Rheinmetall (Panzer), Heckler & Koch (Sturmgewehre) und Einhell (Laubbläser) Probleme bereiten.

Donnerstag: Der neue Anzug sitzt bequem wie ein Pyjama. Die Auswirkungen auf die Qualität des Büroschlafs sind indes marginal.

Freitag: In diesen Tagen blüht uns wieder was.

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Samstag: Kein Scherz. In Zeiten ganzjähriger fake news und alternativer Fakten verliert der 1. April langsam an Bedeutung.

Sonntag: Als bekennenden Schönwetter-Radfahrer führte mich heute die erste Fahrt des Jahres zur Siegmündung.

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