Woche 46: Linsenkrise und spontane Sektverpuffung

Montag: „Wie gesagt“, hörte ich mehrfach in einer Skype-Besprechung, die sich über einen längeren Zeitraum ohne neue Erkenntnisse um dasselbe Thema drehte, und mit jedem Mal, da es gesagt wurde, geriet die Stimmung gereizter. Ich hielt mich schweigend raus und schaute derweil aus dem Fenster den Halsbandsittichen zu, die sich im Gegensatz zu den Gesprächsteilnehmern und mir augenscheinlich des Lebens erfreuten. Warum auch nicht, kennen sie doch weder sich drehende Besprechungen noch Montage.

„Ich weiß nicht immer, wovon ich rede. Aber ich weiß, dass ich recht habe.“ Nein, nicht Donald Trump hat das gesagt, sondern Muhammad Ali.

Dienstag: Vergangene Nacht hatte ich mal wieder einen Klartraum – zur Erinnerung: Das ist, wenn man während des Träumens weiß, dass man gerade träumt, und, wenn man es geschickt anstellt, auf das Geschehen Einfluss nehmen kann, etwa nackt über die Siedlung fliegen oder mit einer beliebigen Person kopulieren, um nur einige Möglichkeiten zu nennen. So lief ich durch die Stadt, doch so sehr ich auch mit den Armen fuchtelte, ich hob nicht ab. Auch war niemand in der Nähe zur Kopulation bereit oder geeignet. Schließlich wachte ich auf und wurde durch ein mehrstimmiges Schnarchkonzert zunächst am Weiterschlafen gehindert. Es gelang dann dennoch wieder. Den darauf folgenden Traum erinnere ich auch noch recht gut, jedoch erspare ich Ihnen Einzelheiten. Es wurde jedenfalls nicht geflogen und das andere auch nicht. (Immer schön, wenn der Blogeintrag des Tages bereits vor dem Wecker klar ist.)

Bereits morgens um acht ereilte mich die erste Besprechung. Wer zu einer Besprechung um acht Uhr einlädt, sollte von mir noch keine sinnvollen Wortbeiträge erwarten. (Gut, sonst auch nicht unbedingt.) Während die anderen besprachen, beobachtete ich ein Eichhörnchen, das flink an der gegenüberliegenden Hauswand bis ganz nach oben kletterte und kurz unterhalb des Dachs über dem vierten Stock in einem Loch im Putz verschwand, das möglicherweise zuvor die Halsbandsittiche gebohrt hatten; die bohren nämlich gerne Höhlen in Dämmungen, habe ich gelesen. Ob auch Eichhörnchen Höhlen in Hausdämmungen bohren, weiß ich nicht. Jedenfalls verschwand das hier besprochene in dem Höhenloch und schaute kurz danach heraus, zu mir, der ich es weiter beobachtete. Nachdem wir uns einige Sekunden gegenseitig angeschaut hatten, verließ es das Loch wieder und kletterte nicht minder geschickt, wenn auch etwas langsamer und vorsichtiger als zuvor wieder herunter. Vielleicht war ihm auch langweilig gewesen.

Das allgegenwärtige Ärgernis Laubbläserlärm dürfte nach dieser kreativen Innovation nun endlich der Vergangenheit angehören. Anscheinend gab es auch hier bereits kürzlich ein entsprechendes Konzert.

Mittwoch: 11.11. – statt „Kumm, loss mer fiere, nit lamentiere“, diese Jahr eher: „Nie mehr Fastelovend.“ Für die einen Tradition, andere sehen darin eher eine dumme Angewohnheit. Wie auch immer Sie den Tag verbrachten: Alaaf gehabt zu haben!

Donnerstag: Vizefreitag. Auf dem Weg ins Werk, den ich zur Abwechslung zu Fuß zurücklegte, weil Gehen glücklich macht, ich wiederhole mich da, überholten mich Schüler auf ihren Fahrrädern. Was mir dabei auffiel, ich glaube, auch da wiederhole ich mich: Sobald jüngere Menschen in die Pedalen treten, und sei es nur ein wenig, erheben sie sich von den Sätteln, als ob Kettenantrieb nur stehend zu erzielen wäre, auch in der Ebene. Warum tun die das, wer hat ihnen das so beigebracht? Welchen Vorteil vermuten sie darin gegenüber gemütlich sitzend ausgeführtem Fußkurbeln?

„Gerade der Fußweg zur Arbeit war mit höherem Wohlbefinden verbunden als alle anderen Formen des Gehens und Spazierens“, steht in der PSYCHOLOGIE HEUTE zu einer Forschung über das Flanieren. Das kann ich nicht bestätigen, nach einem ziellos-ausgedehnten Sonntagsspaziergang fühle ich mich jedenfalls keineswegs unwohler als nach Ankunft im Werk. Aber die Erkenntnisse kamen aus Amerika, die sind dort ja von Natur aus etwas seltsam.

Manchmal entstehen Konflikte scheinbar aus dem Nichts, aus Gründen, die man Außenstehenden nur schwer erklären kann, weil man sie selbst kaum versteht. So zog abends schlechte Stimmung auf, die sich um Linsensuppe drehte. Die Umstände, die dazu führten, sind allerdings völlig unerbloglich, daher versuche ich gar nicht erst, sie zu erläutern, bitte sehen Sie es mir nach. Die umstrittene Linsensuppe schmeckte übrigens vorzüglich, vielen Dank, liebe R!

Freitag: Die Angst vor Freitag dem dreizehnten heißt „Paraskavedekatriaphobie“, falls Sie mal danach gefragt werden.

Die Linsenkrise hat sich im Laufe des Tages zum Glück gelöst.

Idee: Im nächsten Leben werde ich Infaulenzer. Dazu habe ich heute schon mal geübt. Erfolg und Zuspruch lassen noch etwas auf sich warten, das kommt bestimmt noch.

Vielleicht ist an diesem Freitag dem dreizehnten doch was dran: Während der Vorbereitung des Wochenendeinleitungsgetränks kam es zu einer spontanen Sektverpuffung, wodurch größere Teile der Küche und des Verfassers dieser Zeilen mit Schaumwein geduscht wurden. Da war richtig Stimmung in der Stube. Das Getränk gab es später auch noch.

Samstag: Fragen Sie sich mittlerweile eigentlich auch, wenn Sie nicht weiter wissen, was Karl Lauterbach jetzt empfehlen würde?

Sonntag: „Deine Statistik ist im Aufschwung! Alltägliches + Ausgedachtes erhält eine Menge Traffic“, schrieb mir WordPress heute. Ein Blick in die sonst von meinem Interesse weitgehend verschonte Statistik zeigt indes keine Auffälligkeiten, alles auf gewohnt niedrigem Niveau. Somit kein Grund zur Sorge.

Ich habe beschlossen, öfter „Egal“ zu denken anstatt mich zu ärgern, weil ich es nicht ändern kann: Wenn Lebensmittel im Müll landen, weil zu viel eingekauft wurde. Wenn der Geliebte mit Türen knallt. Wenn Nachbarn unfähig sind, das Hoftor leise zu schließen. Wenn entgegenkommende Fußgängerpaare nicht auf die Idee kommen, dass es sinnvoll sein könnte, während der Begegnung kurz hinter- statt nebeneinander zu gehen. Wenn eine Radfahrerin mitten auf dem Radweg anhält, um minutenlang auf ihr Datengerät zu schauen, während alle anderen sehen können, wie sie an ihr vorbei kommen. Wenn ein AMG-Äffchen mit knallendem Auspuff über die Rheinbrücke rast.

Ich weiß, meine These ist genauso unbelegt wie Trumps Behauptung der Wahlfälschung. Dennoch liege ich wohl zu achtzig Prozent richtig mit der Annahme, hinter dem Steuer eines mattschwarz lackierten Autos sitzt stets ein Arschloch zweifelhafter Charakter.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Paragraph 166 des Strafgesetzbuchs aufgehoben werden sollte.

Woche 1: Das neue Jahr zieht sich

KW1 - 1

Montag: Laut Zeitung haben heute Leute Namenstag, die Sabinus heißen. Sabinus. Denken die sich so etwas wohl aus?

Einen eher ungewöhnlichen Namen hat auch der Hund, dessen Besitzer ich auf dem Rückweg vom Werk nach ihm rufen hörte: Bonsai. Es war kein besonders kleiner Hund, auch kein großer, woraus man immerhin auf eine ironische Ader des Namensgebers hätte schließen können, so wie wenn ein Dackel oder Chihuahua (zugegeben, ich musste recherchieren, wie man das schreibt) auf den Namen „Amboss“ hört. Es war so ein mittelgroßes Tier, als Braten für vielleicht vier bis fünf Personen.

Eher klein waren auch die Mädchen, die für den WDR eine umgetextete, leicht gesellschaftskritische Fassung des alten Kinderliedes „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ sangen. Riesig dagegen der daraus folgende Skandal und die Empörung derjenigen, die sich ertappt fühlen, was den WDR zu einer reumütigen Entschuldigung veranlasste. Schade, mir gefällt es:

Hier noch einmal zum Mitlesen, für alle, die wie ich Schwierigkeiten haben, gesungene Liedtexte zu verstehen:

Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorad, Motorad, Motorad. / Das sind tausend Liter Super jeden Monat, meine Oma ist ne alte Umweltsau.

Meine Oma sagt, Motoradfahren ist voll cool, echt voll cool, echt voll cool. / Sie benutzt das Ding im Altersheim als Rollstuhl, meine Oma ist ne alte Umweltsau.

Meine Oma fährt im SUV beim Arzt vor, beim Arzt vor, beim Arzt vor. / Sie überfährt dabei zwei Opis mit Rollator, meine Oma ist ne alte Umweltsau.

Meine Oma brät sich jeden Tag ein Kotelett, ein Kotelett, ein Kotelett. / Weil Discounterfleisch so gut wie gar nichts kostet, meine Oma ist ne alte Umweltsau.

Meine Oma fliegt nicht mehr, sie ist geläutert, geläutert, geläutert. / Stattdessen macht sie jetzt zehnmal im Jahr ne Kreuzfahrt, meine Oma ist doch keine Umweltsau.

Noch einmal zurück zum Thema Namen, jedoch weder Mensch noch Tier, sondern Bundesländer betreffend. Eine eher weniger weltbewegende Frage, die mir in schlafloser Nachtstunde einfiel, woher auch immer sie mir in den Sinn kam: Warum gibt es Nieder-, jedoch nicht Obersachsen, jedenfalls nicht als eigenes Land? Warum Sachsen-Anhalt, jedoch nicht Sachsen-Losfahr?

Apropos Niedersachsen: Nachdem tagsüber das Sturmtief „Christian“ über den Bahnhof des fiktiven südniedersächsischen Ortes Barlingerode hinweggezogen war, folgte abends ein Donnerwetter. Die Sach- und Personenschäden blieben dank frühzeitig eingeleiteter Bergungsmaßnahmen zum Glück gering, nur die atmosphärischen Störungen hielten noch etwas an. Und wieder bestätigt sich: Gut gemeint ist das genaue Gegenteil von gut. (Das können und müssen Sie jetzt nicht verstehen.)

KW1 - 1 (7)

Dienstag: Gut gemeint ist es sicher auch, Silvestergrüße in diverse WhatsApp-Gruppen zu schicken, womöglich garniert mit lustigen Bildern und Filmchen. Dummerweise fühlt sich daraufhin mindestens jedes zweite Gruppenmitglied animiert, angemessen zu antworten, was je nach Gruppengröße schon nach kurzer Zeit sehr anstrengend für alle Teilnehmer werden kann. Wenn man mehreren Gruppen angehört, kann es zudem passieren, dasselbe Filmchen mehrmals zugesandt zu bekommen. Zum Glück bietet WhatsApp die Möglichkeit der vorübergehenden Stummschaltung, wovon ich heute dreimal Gebrauch machte, danach herrschte wieder Stille auf meinem Datengerät. Im Übrigen schaue ich mir zugesandte Filmchen grundsätzlich niemals an.

Mittwoch: Wir können uns glücklich schätzen, in einem Land zu leben, in dem es auch im Jahre 2020 für alle Bedürfnisse entsprechende Fachgeschäfte gibt, denen der zunehmende Onlinehandel bislang wenig anhaben kann.

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Die Diskussion darüber, ob mit 2020 das neue Jahrzehnt beginnt oder erst 2021, erscheint mir besserwisserisch-überflüssig. Für mich beginnen heute die Zwanziger. Ob sie wild, golden oder sonstwie werden, wird man sehen. Auf jeden Fall wird es hier voraussichtlich weiterhin genug zu notieren geben, denn der Wahnsinn des Alltags geht weiter, soviel ist sicher.

Zum Jahreswechsel schrieb ich heute ganz viel in mein Tagebuch, unter anderem folgendes, das mir – bei aller Bescheidenheit – so gut gefällt, dass ich es auch Ihnen zur Kenntnis zu geben mir erlaube:

KW1 - 1 (4)

Frohes neues Jahr!

KW1 - 1 (2)

Donnerstag: Der erste Achtstunden-Arbeitstag seit längerem. Erkenntnis: Das neue Jahr zieht sich.

Freitag: In der Kantine saß Geschäftsbereichsleiter H mit all seinen Freunden. (Bitte stellen Sie sich hier ein Bild vor, das eine Person zeigt, die alleine an einem Tisch sitzt und während des Verzehrs einer Kohlroulade mit dem Datengerät beschäftigt ist.)

Auf dem Heimweg vom Werk sah ich erste Magnolienknospen und dachte: Ihr seid ganz schön mutig.

Samstag: »Weil es im­mer we­ni­ger op­ti­mie­rungs­freie Zo­nen gibt, fehlt Men­schen das für eine ge­sun­de Psy­che not­wen­di­ge Ge­gen­ge­wicht: das Ge­fühl, dass et­was ein­fach so sein darf, wie es ist.« (Der Psychiater Klaus Lieb im SPIEGEL)

Nichts zu optimieren, allenfalls zu kaschieren, gibt es beim Alter. In einem Monat habe ich übrigens Geburtstag, nur damit Sie sich schon mal Gedanken über ein Geschenk machen können.

Sonntag: Stark zu optimieren wäre die Bebauung am Gallierweg im Bonner Norden, wie ich beim Sonntagsspaziergang feststellte. Die Häuser dort sind nicht nur, jedes auf seine Art, auffallend hässlich, sie passen auch überhaupt nicht zueinander. Als hätte man einem Schimpansenbaby einen Faller-Katalog und einen Stempel ausgehändigt, und jedes Häuschen, das das Äffchen bestempelt hat, hätte man anschließend zusammengebaut und in wahlloser Reihenfolge hintereinander aufgestellt. Komisch, darüber regt sich niemand auf.

Unterdessen scheint in der Inneren Nordstadt ein gewisser Notstand zu herrschen.

Woche 27: Der Taubenvergrämer von Malaucène

Montag: Zum Konzert mit dem Tenor Andrea Bocelli in der Köln-Arena schreibt der Bonner General-Anzeiger: „Aber die Strahlkraft seiner Stimme, das, was uns dazu bringt, tief in uns hineinzuhorchen, um dann, endlich, all das preiszugeben, daran zu leiden und es gleichzeitig zu genießen, was in uns schlummert und um Süße, Sehnsuchtserfüllung und Vergebung bettelt, ist noch immer da.“ Ja, da möchte man schmerzerfüllt um Vergebung betteln. In einem anderen Artikel wird die Sängerin Bonnie Tyler als „Rock-Röhre“ bezeichnet. Das ist mindestens so fade-verstaubt (oder „asbach“, wenn Ihnen das lieber ist), wie jemandem, der die Satire beherrscht, zu bescheinigen, er bringe die Dinge „mit spitzer Feder“ auf den Punkt.

Nicht einmal der SPIEGEL ist bereit, auf abgenutzte Synonyme und schiefe Bilder zu verzichten: Ein (ansonsten sehr lesenswerter) Artikel über Österreich kann nicht ohne das Wort „Alpenrepublik“ verfasst werden, und zum Ableben von Joseph Jackson, dem Vater von Michael, Janet, La Toya und einigen weiteren muss man lesen, er habe seine Kinder „durch ein Stahlbad“ geschickt, was auch immer das bedeuten mag.

Leider ist meine Feder nicht annähernd so spitz wie die des Meisters der Überleitung, Max Goldt. Daher nun ein etwas unsanfter Themenwechsel:

In der Bar, wo wir immer unser Nachmittagsbier einnehmen, lief Fußball im Fernseher, die Franzosen sind ja noch dabei. Auch wenn es mich nicht interessiert, musste ich doch ab und zu hinschauen. Dieser brasilianische Fußballstar, dessen Name mir aus Sicherheits- und rechtlichen Gründen gerade entfallen ist, erinnert mich an ein lackiertes, dressiertes Äffchen.

Dienstag: Am Morgen nahm ich nach sechs Jahren Abschied von meinem mittlerweile von reichlich Silberstoppeln durchsetzen Mehrtagesbart. Erstmal vorläufig, vielleicht nur vorübergehend. Ich weiß es noch nicht. Das entscheide ich kommende Woche.

Mit großer Freude darf ich darauf hinweisen, dass mir am 10. August erneut die Ehre zuteil wird, ein paar Zeilen aus meinem Schaffen verlesen zu dürfen. Einzelheiten dazu hier: https://4xmi.de/

Mittwoch: Nachdem bereits gestern am frühen Abend ein Gewitter die Stadt umzogen hatte, war in der Nacht erneut ein leichtes, fernes Grollen zu vernehmen, was sich ungünstig auf die Qualität meines Schlafes auswirkte. Freundlicherweise blieb es in der Ferne und verstummte bald wieder.

Während in der heimischen Ferne die lieben Kollegen damit beschäftigt sind, die Welt zu retten, oder wenigstens das „EBIT“ des Unternehmens, während in Berlin Frau Merkel mit Herrn Seehofer zankt, sitze ich im Schatten vor unserem Urlaubsdomizil und gebe mich genüsslich der Lektüre des von mir sehr geschätzten, bereits oben erwähnten Max Goldt hin, von dem ich extra für den Urlaub in der Buchhandlung meines Vertrauens (und nicht bei Amazon, trotz EBIT, oder gerade deswegen, die Ansichten darüber gehen zurzeit auseinander) drei weitere Bücher erstanden habe. (Vor einiger Zeit las ich, er schreibt nicht mehr, weil ihm nichts mehr einfällt. Stimmt das? Das wäre sehr zu bedauern.) Doch der Anschein der Ruhe trügt, nur eine Armlänge von meinem bequemen Stuhl entfernt tobt Krieg: Zwei Ameisenvölker liefern sich wilde Schlachten, wobei ich nicht erkenne, welches Volk im Vorteil ist. Während die einen durch ihre Körpergröße beeindrucken, sind die anderen in der Überzahl. Als zum Katastrophisieren neigender Mensch rechne ich nun damit, dass sie sich verbünden und ich morgens eine dunkle, kribbelnde Masse auf der Bettdecke vorfinde.

Donnerstag: Rote Mückenstich-Placken verunzieren Bein und Fuß. Das ist unschön, jedoch besser, als von Ameisen verzehrt zu werden. Die sind inzwischen verschwunden. Entweder haben sie sich gegenseitig umgebracht, oder die Flucht ergriffen, nachdem der Liebste großräumig Katzenvergrämungsspray ausgebracht hat wegen der Köttel unter dem Frühstückstisch.

Übrigens: Auch in Malaucène, dem lieblichen Ort in der nördlichen Provence, in welchem wir zurzeit in unsere Urlaubstage hineinzuleben das Vergnügen haben, gibt es jetzt einen Taubenvergrämer. Nur handelt es sich hier nicht um eine populäre Twitter-Figur, sondern einen im Baumwipfel angebrachten Lautsprecher, der in regelmäßigen Abständen Schreie von Greifvögeln und anderem Getier verlauten lässt und damit nicht nur Tauben, sondern augenscheinlich auch den einen oder anderen Tourist auf Abstand hält.

Freitag: Es ist schon bemerkenswert, wenn der Vorstandsvorsitzende eines Konzerns das 232-fache „verdient“ von dem, was alle anderen Beschäftigten des Unternehmens im Durchschnitt bekommen. Erst recht dann, wenn dieser Konzern kürzlich noch eine Gewinnwarnung herausgegeben hat unter anderem wegen zu hoher Personalkosten. Aber wahrscheinlich ist es eine menschliche Gewohnheit, immer mehr haben zu wollen, auch wenn man schon genug hat.

Zu den unschönen menschlichen Gewohnheiten gehört auch die öffentliche Nasenreinigung ohne Taschentuch: Man hält sich das eine Nasenloch zu und schnaubt das Sekret aus dem anderen in die Umgebung. Bislang beobachtete ich das nur bei Radfahrern, was es nicht akzeptabler macht, heute sah ich indes auch einen Fußgänger auf der Straße dergleichen tun. Zum Glück befand sich gerade niemand in seiner unmittelbaren Umgebung, auch ging er während des Schnaubens nicht an einem Obststand entlang. Und ja: Ich benutze Stofftaschentücher, aus Gewohnheit und Überzeugung, und ich wüsste nicht, was es darüber zu diskutieren gibt.

Samstag: Während eines Ausflugs um und über den Mont Ventoux ließ in der Nähe des Ortes Sault, welcher durch Lavendel verarbeitendes Gewerbe Touristen aus Nah und Fern lockt, ein Lavendelfeld, das den Eindruck erweckte, es sei nur für die Produktion der einschlägigen Provence-Postkartenmotive angelegt worden, welches grober gewebte Charaktere mit wenig Sinn für Schönes womöglich gar als kitschig bezeichnen würden, die Motivklingeln unser Mobilgeräte aufs Heftigste ausschlagen, oder bellen, wie der Brite sagen würde, müsste er nicht gerade Fußball schauen. Die Eindrücke möchte ich Ihnen nicht vorenthalten:

Apropos Fußball: Das Albernste bei den Spielen sind ja diese Werbewände, die anschließend eiligst aufgestellt werden, um Spieler davor zu zerren und zu zwingen, sinnlose Dinge zu sagen.

Sonntag: Heute ist nichts Nennenswertes geschehen. Also es ist bestimmt schon einiges passiert: Donald Trump hat wahrscheinlich irgendwas Blödes getwittert, in Russland wird ein Ball in ein Netz geflogen sein, und vielleicht hat „Astro-Alex“ wieder etwas Sympathisches gesagt oder getan, woraufhin ihm die Herzen der Welt in seine Umlaufbahn zuflogen, ein interessantes Bild, aus dem ein Comiczeichner oder Zeichentrickfilmer sicher was machen könnte. Also mir ist jedenfalls nichts zu Gesicht oder -hör gekommen, was notierenswert erschiene. Weitere Informationen zum Tag entnehmen Sie daher bitte den von Ihnen bevorzugten Medien.

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