Woche 29: Wiedereingliederung für Urlaubsrückkehrer

Montag: „Ich habe heute Morgen total intensiv an dich gedacht“, rief am Morgen eine mir unbekannte Frau einer anderen auf dem Weg ins Werk zu. Woran ich heute früh total intensiv dachte, ich mir entfallen. Vielleicht an meine Abneigung gegen die unsägliche Begrüßung „Der Urlauber ist wieder da“, wenn man zurück ist. Kam dann auch. Ansonsten war der erste Tag erträglich. Nach Sichtung meiner etwa zweihundertfünfzig Mails hätte ich indes nichts dagegen gehabt, wieder zu gehen. Warum gewährt man Urlaubsrückkehrern nicht eine Wiedereingliederung, also zunächst einige Tage lang maximal zwei Stunden Anwesenheit, dann langsam steigern, bis man wieder urlaubsreif ist?

Urlaubsreif ist vielleicht auch ein Redakteur des Bonner General-Anzeigers, der  zum Thema französischer Nationalfeiertag dieses schrieb: „Vor zwei Jahren hatte ein Attentäter in Nizza Feiernde mit einem Lastwagen über den Haufen gefahren und 86 Menschen getötet“. Passenderweise äußert sich zwei Seiten weiter ein Bonner Linguist über angemessene und unangemessene Metaphern. Ich freue mich schon auf die Leserbriefe dazu.

Dienstag: Erkenntnis der Morgenstunde: Es gibt gute Gründe, den sommerlauen Montagabend nicht mit einer Flasche Rosé zu veredeln. Allerdings gibt es ebensogute Gründe, genau das zu tun.

Gewitter am Abend. „Schwacher Brummler“, „Mittlerer Roller“, „Starker Knaller“ – das sind nicht etwa Drogensorten, sondern so lautet die kachelmannsche Klassifizierung für Blitze. Diese ließe sich ohne besondere Phantasie auch auf Geräusche übertragen, welche dem menschlichen Körper gelegentlich entfahren, wobei dann noch der „Leise Stinker“ hinzuzufügen wäre.

Mittwoch: Manchmal sehe ich jemanden und denke: Es gibt aber auch hässliche Vögel. Im Übrigen bin ich der Meinung, es gibt keine Grund, außerhalb von Schwimmbädern oder fern eines Badestrandes öffentlich seine Füße zur Ansicht zu stellen.

Doch gibt es nicht nur ästhetisch benachteiligte Menschen, sondern auch – zurückhaltend formuliert – seltsame Namen. In dieses Regalfach würde ich Answer legen. Laut Zeitung haben Menschen, die so heißen, heute Namenstag. Dazu habe ich keine weiteren Fragen.

Donnerstag: Wie ich am Morgen während des Fußweges ins Werk sah, hat sich jemand die Mühe gemacht, fast alle Laternenpfähle am Rheinufer mit einem Aufkleber zu versehen:

KW29 - 1

(Für Nicht-Bonner: eine ironische Anspielung auf das offizielle Stadt-Motto „Freude. Joy. Joie. Bonn.“ Er hätte auch wählen können: „Stadt. Land. Fluss. Bonn.“) Irgendwann werden städtische Mitarbeiter ähnliche Mühe aufwenden, diese Aufkleber wieder von den Pfählen abzuknibbeln. So geht die Arbeit niemals aus, hat ja auch sein Gutes.

An der Arbeitsstelle angekommen, las ich dann in der Mail eines Kollegen, der vermutlich nicht in einer Gehaltsklasse über mir liegt, dieses: „Da ich ab Dienstag im Urlaub bin, kannst du mich bei Rückfragen auch gerne per Handy erreichen.“ Das ist wohl dieses „Work-Life-Blending“.

Was geht nur vor in diesen Menschen?

Freitag: Die Digitalisierung ist „Chefsache“ und nicht aufzuhalten, werden sie zu verkünden nicht müde. Wer wollte dem widersprechen. Wie ich las, werden einem gewissen Douglas Adams, Science-Fiction-Autor von Beruf, folgende Axiome zugeschrieben:

„1. Alles, was es schon gibt, wenn du auf die Welt kommst, ist normal und üblich und gehört zum selbstverständlichen Funktionieren der Welt dazu.

2. Alles, was zwischen deinem 15. und 35. Lebensjahr erfunden wird, ist neu, aufregend und revolutionär.

3. Alles, was nach deinem 35. Lebensjahr erfunden wird, richtet sich gegen die natürliche Ordnung der Dinge.“

Dazu erlaube ich mir zu ergänzen:

1. Es ist nicht zu beanstanden, abwegige Ideen zu haben.

2. Es ist erstaunlich bis bedenklich, wenn solche Ideen verwirklicht werden.

3. Es ist unfassbar, wie viele Menschen sich so ein Zeugs in die Wohnung holen.

Samstag: Laut Zeitungsbericht fürchtet der Wehrbeauftragte, „dass der Gesellschaft das Militärische fremd wird“. Das wäre ja nun wirklich nicht das Schlechteste.

Sonntag: Den Seinen gibts der Herr im Schlaf. Demnach ist es um meine göttliche Gunst nicht allzu schlecht bestellt, denn vergangene Nacht fiel mir im Traum ein äußerst origineller, tiefsinniger Aphorismus ein, dessen Qualität sich bonmottechnisch nicht hinter Äußerungen von Oscar Wilde, Mark Twain und Robert Lembke zu verstecken brauchte, der sie vielleicht gar hätte denken lassen: Brillant, warum ist mir das nicht eingefallen? Vor Begeisterung wachte ich auf und dachte: Wirklich gut, musst du gleich morgen früh notieren. Am Morgen hatte sich der Sinnspruch leider in Nichts aufgelöst, daher kann ich ihn Ihnen nicht zur Kenntnis bringen und muss mich bezüglich meiner Berühmtheit als Bonmoteur noch ein wenig in Geduld üben. Sollte er mir wieder einfallen, werden Sie die ersten sein, die ihn lesen, versprochen.

In der Bäckerei in der Inneren Nordstadt, wo ich am Morgen Brötchen für die Lieblingsmenschen und mich holte, zeigte die Leuchtschrift der Registrierkasse an: „Es bedient Sie S. Sen“. Passend dazu das Schild in der Eingangstür eines Friseursalons: „Inhaber Karl G. Schoren“, welches ich allerdings nirgendwo gesehen, sondern mir soeben ausgedacht habe.