Montag: „Viel wertloses Gebrumme, Gewedel und Gemache ist in der Welt“, schreibt Max Goldt. So wie dieses:
„Wir sind überzeugt, dass diese verschlankte Struktur des Vertriebs in Deutschland die richtige Basis darstellt, um effizienter zusammenzuarbeiten und Synergien für den Kernmarkt Deutschland in Zusammenarbeit mit anderen Funktionsbereichen zu heben.“ — „Wir sind überzeugt, dass die geplante Neuausrichtung der IT die richtige Basis darstellt, um sowohl der geänderten Grundanforderung an die IT-Funktionen gerecht zu werden, als auch dazu beiträgt, dass Markteintritte verkürzt werden und zukunftsweisende Technologien proaktiv bereitgestellt werden können.“
Ich bin überzeugt, derartiges rhetorisches Schaumgebäck ist genauso wenig geeignet, jemanden zu beeindrucken wie die lauten Coupés der Autoposeräffchen.
Dienstag: Auf dem Heimweg vom Werk begegnete mir ein Gedanke wider die political correctness beziehungsweise „pseudokorrekte Inquisition“, wie es die Schriftstellerin Eva Menasse nennt, als vor mir eine junge Dame mit äußerst ausladendem Gesäß die Treppe hinauf ging, anstatt die Rolltreppe daneben zu nutzen. Da dachte ich: Recht so, das tut dir gut.
Im Rewe gibt es etwa fingerhutgroße Nutellagläser mit fünfundzwanzig Gramm Inhalt zu neunundneunzig Cent das Stück. Ich frage mich: Wer braucht so etwas? Zweifellos klar ist mir hingegen der Verwendungszweck ebenfalls dort erhältlicher sogenannter Baumstämme, eigentlich als adventliches Naschwerk gedachter Nougatriegel mit Marzipankern, welcher drei Stück zu erstehen ich nicht umhin kam.
Wie die Wissenschaft festgestellt hat, führt die umstrittene Methode „Schreiben lernen nach Gehör“ tsu schlächtaren Ergehbnisen als die klassische Methode Buchstabe für Buchstabe. Ich möchte nicht behaupten, es immer gewusst zu haben, aber diese Erkenntnis überrascht mich ungefähr so sehr wie der Ausgang eines Pornos.
Mittwoch: Am Morgen schrecke ich von der Radiomeldung hoch, es gebe immer weniger Schülerlotsen in NRW. Kein Wunder. Wann fordern alarmierte Umweltschützer endlich ein konsequenteres Vorgehen gegen SUV-Mutti-Taxis?
„Ich bin da eher so die cremige“, höre ich während meines mittäglichen Verdauungsspaziergangs eine mir entgegenkommende Frau zu ihrer Begleiterin sagen. Über manches will man gar nicht so genau nachdenken.
Donnerstag: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass das Mitführen von Fahrrädern in Stadtbahnen während der Berufsverkehrszeiten generell verboten gehört, zudem ganztägig bei Temperaturen über fünf Grad ohne Regen und Sturm.
Freitag: Am Vormittag machte ich beim Lesen eines Dokuments Bekanntschaft mit dem schönen Wort „Sprachkonserve“. Welch wunderbare Vorstellung gebiert diese Entdeckung: Zu Zeiten, da mir die gesprochenen Worte mühelos entströmen, etwa nach fünf Bier oder der zweiten Flasche Wein, sammle ich diese in Dosen. Dann, während maulfauler Zeiten, namentlich am frühen Morgen oder während unvermeidlicher Telefonate, öffne ich eine Dose und alles läuft von selbst.
Von Dose zu Hose: Die Zeitung listet die Unwägbarkeiten auf, welche den Briten im Falle eines ungeordneten Brexit bevorstehen. Neben einem Sperma-Engpass, weil Verzögerung bei der Einfuhr dänischer Samenspenden zu erwarten sind, droht auch die Notwendigkeit, auf Zigarettenschachteln neue Warnbilder anzubringen, „weil die Rechte für die derzeit verwendeten abschreckenden Fotos bei der EU liegen“, so die Zeitung. Der Hinweis „Rauchen schädigt die Fruchtbarkeit Ihrer Samenzellen“ gewinnt so deutlich an Schrecken.
Samstag: „Jetzt sind wir mit dem Innenausbau gut unterwegs„, sagt der den Umbau einer Bonner Gaststätte begleitende Architekt gegenüber der Zeitung. Wie reist man mit einem Innenausbau, und wohin?
„Der ist noch ganz hart, ich habe ihn gerade erst reingesteckt“, höre ich ich am Abend einen jungen Mann sagen. Nicht was Sie nun wieder denken – es ging um ein Kaugummi.
Sonntag: Passend zum kalendarischen Herbstanfang regnet es ohne Unterlass, was mich nicht davon abhielt, meinen sonntäglichen Spaziergang zu machen. Während ich diese Zeilen – nach erforderlichem Wechsel von Hose und Socken – zu Ende führe, prasseln über mir die Tropfen auf das Glasdach des Erkers, und der untere Teil unserer Straße versinkt langsam in einem See. Regen – nach dem dauerhaften Sommergewese hat man ja fast vergessen, wie schön das ist.
Gerne darf er sich noch einige Stunden halten. Es ist eine besondere Unterart von Glück, wenn die Tropfen zur Nacht beim Einschlafen gegen das Fenster trommeln. Da ich hierfür das in letzter Zeit häufig zu lesende dänische Wort „Hugge“ nicht weiter strapazieren möchte, schlage ich für diesen speziellen Wohlfühlmoment die Bezeichnung „Schlummerprassel“ vor.
Ein Gedanke zu “Woche 38: Über manches will man gar nicht so genau nachdenken”