Niemals in New York

Ich war noch niemals in New York,

und das möcht‘ ich nicht ändern.

Viel eher zieht es mich nach Bork-

um statt nach fernen Ländern.

 

Was sollte ich in Afrika,

zu sehen wildes Tier?

Dann lieber Gran Canaria,

da gibt es Kölner Bier.

 

In der Provence halt ich’s gut aus,

im Allgäu und der Rhön.

Das ist zu weit nicht von zu Haus,

zudem ist es dort schön.

 

Am liebsten bin ich hier am Rhein,

den mag ich wirklich leiden.

auf dem Balkon, beim Gläschen Wein,

vor allem: bei euch beiden.

Woche 25: Ein Blutbad und verstörende Phantasien

Montag: Wir wollen „ein überlegenes Kundenerlebnis liefern“, lese ich in einer internen Mitteilung am Morgen. Was bitte schön soll das sein? Ist das jetzt gut oder schlecht für den Kunden?

Dienstag: Die Deutsche Presseagentur besticht durch Berichterstattung auf höchstem Niveau.

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Mittwoch: Passend zum Tag des Schlafes bin ich wunschlos müde. – Derweil lässt das Leyenministerium folgendes verlauten: „Vor dem Hintergrund der an den demokratischen Freiheitswerten ausgerichteten Konzeption der Inneren Führung und des dieser Konzeption zugrunde liegenden Leitbildes des mündigen Staatsbürgers in Uniform ist Werner Mölders nicht sinnstiftend für die Bundeswehr und daher auch nicht traditionswürdig“. Schöner hätte es Loriot auch nicht formulieren können.

Donnerstag: Jedes Mal, wenn die Kollegin „Das geht mir auf den Sack“ sagt, befallen mich verstörende Phantasien. – Beginn des Nordakkord-Chorfestivals in Köln. Ein Mitsänger trägt ein ärmelloses kariertes Hemd mit angenähter Kapuze. Schwuler ist schwerlich denkbar.

Freitag: Beim Nordakkord-Festival ist wirklich an alles gedacht.

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Samstag: Eine von mir während der nächtlichen Rückfahrt aus Köln in der Bahn durchgeführte Studie legt den Schluss nahe, dass etwa achtzig Prozent der betrunkenen Hetenmännchen, die das Wort „schwul“ aktiv in ihrem Wortschatz führen, einer gleichgeschlechtlich-sexuellen Erfahrung nicht abgeneigt sind, dies jedoch niemals zugeben würden.

Sonntag: „Ich denke nicht viel. Also, ich denke schon viel, aber meist weiß ich nicht, was, weil meine intellektuellen Ressourcen zu neunzig Prozent von einer mysteriösen, hierarchisch über meinem banalen Allerweltsbewusstsein stehenden Instanz beansprucht werden, die irgendwo tief in mir lebt, wohin das Ich, das diese Sätze schreibt, nie reisen will, weil es nie wieder den Weg zurückfinden würde. Und wenn doch, hätte alles, was wir sehen können, für dieses Ich seinen Sinn verloren.“ (Thomas Glavinic in der F.A.S.)

Ein Experte

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„Verzeihung, könnten Sie mir bitte kurz das Wasser reichen?“

„Das weiß ich nicht.“

„Was soll das heißen, Sie wissen es nicht?“

„Vielleicht sind Sie ja ein unerreichter Experte auf Ihrem Gebiet, ein wahrer Lehrmeister, dem niemand das Wasser reichen kann, vermutlich nicht einmal das Badesalz.“

„Badesalz? Experte? Was reden Sie da …“

„Wenn ich mir Sie so anschaue – ich nehme an Sie sind eine Koryphäe der Seewasseraquaristik, oder Tiefseeforschung, vielleicht aber auch …“

„Hören Sie, ich habe einen anstrengenden Tag hinter mir, bin platt wie eine Flunder, flundernplatt, wenn Sie so wollen, und ich möchte nur etwas Wasser …“

„Was ich so will, ist hier unerheblich, Sie sind doch der Fischexperte.“

„Ich flehe Sie an: WASSER!“

„Glauben Sie bitte nicht, dass Ihr Doktortitel auf einem abwegigen Gebiet Sie dazu berechtigt, hier herumzubrüllen.“

***

Vorstehende, zugegebenermaßen etwas alberne Zeilen sind mein Beitrag für die abc-Etüden dieser Woche.

Woche 24: Schwamm drüber

Montag: Während ich am Morgen bei Sonnenschein und angenehmer Temperatur ins Büro ging, empfand ich kurz ein wenig Neid auf einen Draußen-Arbeiter, der mit einer kleinen Gartenschere eine große Hecke frisierte. Im Gegensatz zu mir sieht er zum Feierabend, was er geschafft hat. Als ich mir später beim Anschalten des Rechners seinen Gehaltszettel vorstelle, überkam mich dennoch Zufriedenheit. – „Was tun Sie für die Digitalisierung?“, lese ich auf der Startseite des Intranets. Ja was soll ich denn für sie tun? Sie soll gefälligst etwas für mich tun.

Dienstag: „Was hat dich heute beunruhigt?“, fragt Quergefönt. Das kann ich beantworten: die subjektive Wahrnehmung, dass immer mehr Menschen mittags das Wort „Mahlzeit“ ohne jede Ironie gebrauchen.

Mittwoch: „Guten Hunger“ wünscht die Kollegin. Was, bitte schön, soll an Hunger gut sein? Dann doch lieber „Mahlzeit“.

Donnerstag: Die Sanierung der Bonner Beethovenhalle wird mal wieder teurer, steht in der Zeitung. Was ich indes fast vermisse, ist nach dem Londoner Hochhausbrand eine Auflistung der spektakulärsten Brandkatastrophen der letzten zehn Jahre.

Freitag: Helmut Kohl ist tot. Alle, die einst auf ihm herumhackten, loben ihn nun als großen Staatsmann; seine Heiligsprechung scheint kurz bevorzustehen. Spendenaffäre? Ach Schwamm drüber.

Samstag: Es ist nicht länger zu leugnen: suf der iPhone-Tastatur hsbe ich offenbar eine a-s-Schwäche.

Sonntag: Die Angst vor langen Wörtern heißt übrigens Hippopotomonstrosesquippedaliophobie.

Viel Spaß

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Dunkel, fast bedrohlich wirkte der alte Bunker, für den man nach dem Krieg keine neue Verwendung gefunden hatte, in der fortgeschritten Dämmerung. Im Gebüsch, das ihn umgab, war inzwischen, wie an fast jedem Abend, geschäftiges Treiben eingekehrt. „Ich gehe noch mal kurz raus, an die frische Luft“, so hatte er sich zuvor von Philipp verabschiedet, mit dem er seit fast zehn Jahren zusammenlebte; die Sommerblüten ihrer ersten Verliebtheit waren inzwischen einem Lavendelfeld gewichen, nicht mehr so bunt, aber immer noch schön. „Viel Spaß“, hatte ihm Philipp zum Abschied hinterher gerufen.

Der Typ im Gebüsch, den er nur schemenhaft erkennen konnte und dessen Körper seine Hände erkundeten, schien gut gebaut, auch unten herum. Er öffnete die Hose des Fremden, nahm einen kräftigen Zug aus dem Poppersfläschchen und ging in die Hocke – jäh umnebelte ihn der Rausch, bittersüß der Geschmack auf der Zunge. – Warum mache ich das nur immer wieder, warum kann ich nicht einfach damit aufhören?, fragte er sich, als der Rausch aus dem Fläschchen nach Sekunden verflog.

Als er nach gegenseitiger Erleichterung das Gebüsch verließ, erschrak er, als er Philipp an der Wand des Bunkers stehen sah, rauchend, ihn angrinsend. „Na, wars schön?“ Beide mussten lachen, dann gingen sie Hand in Hand nach Hause.

***

Nachbemerkungen:

  1. Vorstehende Geschichte ist NICHT autobiografisch, oder höchstens ein ganz kleines bisschen. Schon aus Gründen der Ängst- und Bequemlichkeit bin ich kein großer Freund solcher Freiluftaktivitäten.
  2. Dies ist mein erster Beitrag im Rahmen der abc-etüden des Blogs Irgendwas ist immer.