Übertretungen

Ich gebe zu, rote Fußgängerampeln ignoriere ich. Ich gehe immer. Also natürlich nur, wenn frei ist und keine Polizei in Sicht. Der Vorwurf, ein schlechtes Vorbild für die Kinder zu sein, perlt an mir ab wie Wasser am Fell eines Bibers. Zum einen sehe ich mich nicht in der Verantwortung, fremder Leute Brut zu erziehen, zum anderen lernen sie noch was dabei: wunderbare Schimpfwörter und Verfluchungen, die mir Mama und Papa nachwerfen (beziehungsweise „der Florian“ und „die Corinna“, wie Kinder heute sagen), derweil sie ordnungsgemäß mit Ben-Luca auf das grüne Männchen warten.

Und zudem gewinnen sie die Erkenntnis, dass es das Leben erleichtert, wenn man ab und zu mal „dennoch“ sagt oder, bei Hang zur Geschwätzigkeit, „nichtsdestotrotz“. Sehr bald schon werden sie erkennen, dass der Florian und die Corinna das auch tun: im Straßenverkehr („Wieso fünfzig? Hier kann man locker achtzig fahren.“ – „Halteverbot? Bin ja gleich zurück.“), bei der Mülltrennung („Das wird eh alles im selben Ofen verbrannt“) oder der Steuererklärung („Nur Dumme zahlen Steuern!“). Vielleicht arbeitet Papa / der Florian auch bei einem großen Automobilkonzern und entwickelt Software zur Schadstoffoptimierung, oder Mama / die Corinna bei einem Rüstungskonzern.

Dagegen ist die Missachtung einer Fußgängerampel ja nun wirklich ein Biberfurz.

Ein Gedanke zu “Übertretungen

  1. scharkowtom Januar 10, 2016 / 04:04

    Im Jahr meiner Einschulung wurde auf meinem Schulweg eine Fußgängerampel in Betrieb genommen, Viele Jahre später musste ich immer noch diese Ampel überqueren.
    Und ich war fast immer in Eile. Morgens musste ich oft genug hetzen, um den Bus in die Kreisstadt noch zu erwischen, weil ich mal wieder verpennt hatte (das muss ich manchmal noch heute in meinen Albträumen), mittags wollte ich einfach nur schnell an den heimischen Futternapf. Wenn da kein Auto kam, war mir die Ampel schnurzegal. So auch an jenem Tag, als ich von der Bushaltestelle kam und bei Rot über de Ampel ging, weil weit und breit ken Auto in Sicht war. Da hörte ich, wie hinter mir eine Frau sagt: „Florian, gleich kommt ein grünes Männchen und dann gehen wir auch rüber“.

    Das hat sich mir irgendwie eingeprägt und seitdem habe ich auch Hemmungen, eine rote Ampel zu überqueren. Man weiß nie, wer zuschaut. In der Großstadt ist es ja ohnehin Glückssache, eine Ampel zu überqueren. Egal, ob sie auf Rot oder auf Grün steht

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