Ich gebe zu, rote Fußgängerampeln ignoriere ich. Ich gehe immer. Also natürlich nur, wenn frei ist und keine Polizei in Sicht. Der Vorwurf, ein schlechtes Vorbild für die Kinder zu sein, perlt an mir ab wie Wasser am Fell eines Bibers. Zum einen sehe ich mich nicht in der Verantwortung, fremder Leute Brut zu erziehen, zum anderen lernen sie noch was dabei: wunderbare Schimpfwörter und Verfluchungen, die mir Mama und Papa nachwerfen (beziehungsweise „der Florian“ und „die Corinna“, wie Kinder heute sagen), derweil sie ordnungsgemäß mit Ben-Luca auf das grüne Männchen warten.
Und zudem gewinnen sie die Erkenntnis, dass es das Leben erleichtert, wenn man ab und zu mal „dennoch“ sagt oder, bei Hang zur Geschwätzigkeit, „nichtsdestotrotz“. Sehr bald schon werden sie erkennen, dass der Florian und die Corinna das auch tun: im Straßenverkehr („Wieso fünfzig? Hier kann man locker achtzig fahren.“ – „Halteverbot? Bin ja gleich zurück.“), bei der Mülltrennung („Das wird eh alles im selben Ofen verbrannt“) oder der Steuererklärung („Nur Dumme zahlen Steuern!“). Vielleicht arbeitet Papa / der Florian auch bei einem großen Automobilkonzern und entwickelt Software zur Schadstoffoptimierung, oder Mama / die Corinna bei einem Rüstungskonzern.
Dagegen ist die Missachtung einer Fußgängerampel ja nun wirklich ein Biberfurz.