Nicht ganz dicht

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Offenbar wird dieses Blog ab und zu tatsächlich gelesen, mir wurde aus verlässlicher Quelle gar von Leser C berichtet, der es vom ersten Eintrag an nachgelesen hat, er mag seine Gründe haben. Ihm gelten mein Dank, Anerkennung und Mitgefühl. C bemängelte – zu recht – den letzten Eintrag vom 22. Juli: er sei für außenstehende nicht verständlich. Das ist verständlich, auch ich habe während der mich zu jenem Eintrag inspiriert habenden Präsentation nicht alles verstanden.

 

Darum heute, lieber C, wieder ein etwas längerer und hoffentlich nachvollziehbarer Aufsatz, zu welchem mich die Zeitungslektüre animierte. Ich wünsche viel Vergnügen, bleiben Sie mir als treuer Leser gewogen!

 

***

 

Der Hauptbahnhof zu Bonn ist alt, wie die meisten Bahnhöfe, darum ist er nicht mehr ganz dicht. So standen dort kürzlich Bonner Bürger auf dem Bahnsteig und warteten – in Bahnhöfen, egal ob alt oder neu, ob Bonn oder Barlingerode nicht unüblich – auf ihren Zug; vielleicht hielten sie sich auch zum Zwecke des Erwerbs einer Obdachlosenzeitung dort auf, glaube ich allerdings nicht, noch niemals sah man jemanden eine Obdachlosenzeitung kaufen, vermutlich sind die unverkäuflich, wie die langstieligen roten Rosen, die an Wochenenden von Personen zumeist dunkleren Teints in diversen Gaststätten feilgeboten werden. Während die Bürger also warteten, auf was auch immer, fiel Regen auf die historische Bahnhofshalle. Also begab es sich, dass die Fluten undichte Stellen im alten Hallendach fanden und sich alsbald auf die Wartenden ergossen. 

 

Frage: Was würden Sie in dieser Situation tun? Hier einige Vorschläge: Einen Meter zur Seite gehen. Den Regenschirm aufspannen. „I’m singing in the rain“ singen oder „It’s raining men, halleluja“. Das beliebte Schnellrestaurant an Gleis 1 aufsuchen. Eine Ode an das Wasser komponieren. Empört einen Leserbrief an den General-Anzeiger vorformulieren. Oder nass werden und den Bundestagsabgeordneten einschalten. Für letztere Möglichkeit entschieden sich die oben erwähnten Bonner Bürger.

 

Der Bundestagsabgeordnete zeigte sich verärgert. Zunächst wohl, weil er wegen so etwas behelligt wurde. Dann fiel ihm jedoch ein, dass er gerne wiedergewählt werden möchte, und so wandte er sich an die Bahn und erfuhr, dass die marode Überdachung ob erheblicher Korrosionsschäden erst im kommenden Jahr erneuert wird. Folgerichtig empörte er sich öffentlich, so wird ihm der Satz „Jetzt rächt sich, dass die Sanierungsarbeiten durch die Bahn so lange herausgezögert wurden“ zugeschrieben. Müsste es nicht korrekterweise ‚hinausgezögert‘ heißen? Egal – meine Stimme hat er damit bei der nächsten Wahl ziemlich sicher, hin oder her.

 

Hoffen wir also für die Bonner Bahnreisenden und Obdachlosenzeitungskäufer, dass die Instandsetzungsarbeiten der Halle im kommenden Jahr ohne Baulärm beziehungsweise überhaupt irgendeine Geräuschentwicklung von statten gehen. Dem Vernehmen nach haben sich zwei Anwohner der Colmantstraße schon die Telefonnummer des Ordnungsamtes zurecht gelegt. Rein vorsorglich, versteht sich.

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