Vorbemerkung: Der nachfolgende Aufsatz mag bei Menschen, die nicht unserer Hausgemeinschaft angehören, gewisse Ratlosigkeit auslösen. Alle anderen verstehen ihn vielleicht.
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Seit Ende August, also über einer Woche, verleiht eine Palette unserem Hof Zierde. Diente sie zuvor noch nüchternem Transportzweck, nämlich der Anlieferung eines Sperrgutes für unseren Nachbarn – was genau entzieht sich meiner Kenntnis, vielleicht einer Waschmaschine oder einer Ladung Kalksandsteine, die sollte man immer im Haus haben -, so lehnt sie seitdem dekorativ am Geländer des Kellerabgangs.
Dieses anzuprangern – nichts liegt mir ferner. Sie ist ein relativ schönes Exemplar, wenn auch die harten Beanspruchungen des Transportgewerbes bereits den einen oder anderen Span aus ihrem Leib herausgebrochen haben, als Palette wird man ja nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst. Es sei denn, man kam als Malerpalette zur Welt, auf welcher der Meister die Farben seines kühnen Strichs bereit hält, zugleich jedoch weitgehend ungeeignet für die Verbringung von Kalksandsteinen.
Ich danke ihrem Vorbesitzer, dem glücklichen Sperrgut-Eigentümer, dass er sie nach Entnehmen desselben platzsparend und zugleich schmückend aufrecht gestellt hat, immerhin hätte er sie auch in den Keller stellen oder einfach an Ort und Stelle im Hof liegen lassen können, auf dass ein jeder darüber stolpere. So aber erfreut sie das Auge bereits morgens beim Verlassen des Hauses – es ist immer gut, einen Tag positiv zu beginnen -, und noch viel mehr am Abend bei der Heimkehr nach des Tages Mühen.
Gewiss, noch ist sie nackt, doch wird schon bald die Natur Besitz von ihr ergreifen, mit grünen Ranken aus dem nahen Beet ihr hölzernes Gerippe umspielen, gleichsam eine Sinfonie aus Liguster und Logistik. Vögel werden in ihr nisten, seltene Wurmarten ein neues Zuhause finden; was gestern noch totes Transportbetriebsmittel, wird morgen schon ein Stück heiler Natur, mitten im Asphalt und Beton der großen Stadt! Mein Loblied auf dich, o Nachbar, möchte nicht verhallen.
Es sei denn, jemand verkennt der Palette Wert und Ästhetik, und räumt sie in falsch verstandener Ordnungsliebe und engstirniger Kurzsichtigkeit weg, gibt sie zum Sperrmüll oder zerhackt sie gar zum Zwecke der Kaminbefeuerung, der Winter ist nahe. Heutzutage muss man ja mit allem rechnen.
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Nachbemerkung: Sollte sich jemand durch die vorstehenden Verse wider Erwarten brüskiert fühlen, so nehme es es mit Humor. Ich versuche es schließlich auch.
cool!
Welches Traum’a ist denn da zur Wirklichkeit geworden?
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Kein Trauma, ich bitte Sie. Eher Ausdruck eines gutnachbarschaftlichen Verhältnisses, jeder bringt sich ein, so gut er kann.
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