Montag: Der Justizminister möchte die „Wahlverwandtschaft“ ermöglichen. Hierzu steht im Koalitionsvertrag: »Wir werden das Institut der Verantwortungsgemeinschaft einführen und damit jenseits von Liebesbeziehungen oder der Ehe zwei oder mehr volljährigen Personen ermöglichen, rechtlich füreinander Verantwortung zu übernehmen.« Das wäre mal eine echte Innovation, wenn man seine Verwandtschaft künftig wählen kann statt sie wie bislang ausschließlich ohne Widerspruchs- und Rückgaberecht von der Natur zugeteilt zu bekommen. Auch das „oder mehr“ klingt interessant und dürfte Kirchen wie konservative Kreise aufhorchen lassen.
Ansonsten berichtet die Zeitung – nicht zum ersten Mal – über einen knapp dreihundert Meter langen Trampelpfad, der sich im Laufe der Zeit am Beueler Rheinufer gebildet hat, siehe rote Linie:

Schon lange beschäftigt der Pfad Naturschützer, besorgte/empörte Bürger und Politiker; seit Jahren versucht die Stadt Bonn, dem Wildtrampeln Einhalt zu gebieten durch Bepflanzung, Findlinge und Baumstämme, alles ohne Erfolg, obwohl der reguläre Weg nördlich des Pfades keinen nennenswerten Umweg bedeutet, wie Sie vielleicht erkennen können. Doch die menschliche Bequemlichkeit ist nicht zu beugen, selbst wenn sie nur subjektiv empfunden wird; zuletzt wurde gar ein Holzzaun zerstört. Vielleicht sollte die Stadt es mal mit Fußangeln, Fallgruben, Stolperdrähten, Exkrementausbringung oder Landminen versuchen.
Dienstag: Mittags stand ich vor der verschlossenen Kantine, vielen Dank an Omikron und Querfurzer. Stattdessen gab es in einem werksgastronomischen Nebenbetrieb noch was, sogar zum örtlichen Verzehr. Ab kommender Woche öffnet die Kantine dem Vernehmen nach wieder, allerdings vorerst nur für den Verzehr außer Haus. Das wäre geeignet, meine Laune zu trüben, doch was nützt es? Nicht nur wegen der über die Weihnachtstage verzehrten Speisemengen ist die Gefahr, zu verhungern, gering, und irgendwann darf man bestimmt wieder im Haus essen, wenigstens einige Wochen oder Monate lang. Vielleicht irgendwann wieder für immer, womöglich gar noch vor meiner Pensionierung. Sicher ist das keineswegs.
Auch gestern protestierten in Bonn wieder rund achthundert Menschen gegen Siewissenschon, wie die Zeitung heute berichtet. „Es ist meine freie Entscheidung über meinen Körper, ob ich mich impfen lasse oder nicht“, sagte einer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will; darüber besser nicht aufregen, bringt nichts. Wesentlich origineller das Argument eines anderen Impf- und Maskenmeiders: „Gestorben wurde schon immer.“ Zum Glück, möchte man da ergänzen.
Mittwoch: Man hört und liest nun oft, eine allgemeine Impfpflicht würde „die Gesellschaft spalten“. Wenn man ein Stück Holz auf den Spaltklotz legt und mit der Axt so daneben haut, dass am rechten (oder linken) Rand nur ein kleiner Span abgetrennt wird: Ist das Holz dann gespalten?
Ein schöner Verschreiber ist übrigens „Impflicht“: Ich zünde ein Licht an, auf dass ein jeder sich impfen lasse. (Eine jede und alle anderen natürlich auch.)
Donnerstag: Erstmals las ich im Zusammenhang mit wild abgestellten und umgeworfenen Elektrorollern das schöne Wort „Rollermikado“.


Der Journalist Claus Kleber im General-Anzeiger über Interviews mit Olaf Scholz: »Das ist einer, der die Frage kaum zur Kenntnis nimmt. Der wartet, bis der Interviewer aufhört zu reden, und spult dann seinen Standard ab.« Nicht nur Herr Scholz beherrscht diese zweifelhafte Kunst, möchte man ergänzen. Glauben die wirklich, wir merken das nicht?
Freitag: Silvester. Nicht nur das Jahr ist zu Ende: Erst jetzt erfuhr ich vom Tod eines Bekannten, der bereits am vergangenen Sonntag im Alter von 69 Jahren diese Welt verlassen hat. Auch wenn wir uns nicht sehr nahe standen, so geht es mir doch recht nahe. Lieber B, ich erhebe mein Glas auf dich!
Ansonsten war 2021 in persönlicher Hinsicht kein besonders schlechtes Jahr, dennoch kann es weg, ich werde es nicht sehr vermissen.

Samstag: Neujahrsbedingt verzögerte sich der Frühstücksbeginn um mehrere Stunden, dafür fiel es etwas knapper aus. Nachtrag zu vergangener Woche: Kaffee, dessen Bohnen zuvor das Gedärm einer Schleichkatze passiert haben, schmeckt nicht besser, er ist nur teurer, wir haben das mal für Sie ausprobiert. (Streng genommen sind das keine Bohnen, sondern Beeren beziehungsweise deren Kerne, aber allzu große Strengnahme führt ja selten zu etwas Sinnvollem.)
Während des längeren Ernüchterungsspazierganges entdeckte ich im Stadtteil Beuel zwei weitere Trafotürme, die meinem Auge bislang entgangen waren und meine Sammlung nun ergänzen.


Sonntag: Das Naturfilmportal XHamster muss womöglich bald seinen Betrieb einstellen, stand in der Zeitung. Das ist ungerecht, ich kann mich da nur wiederholen: Tatort genießt mit Mord und Todschlag zur besten Sendezeit Kultstatus bei Jung und Alt, aber sobald eine Erektion zu sehen ist, wird unsere Jugend gefährdet? Das ist doch lächerlich.
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Lächerlich sind im Übrigen auch alte Männer auf zu lauten Motorrädern.
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Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche und alles Gute für das noch neue Jahr! Es würde mich freuen, wenn Sie auch künftig ab und zu hier reinschauen.