Woche 13/2024: Nahezu unerschütterliche Höflichkeit und instagramable Gesichtszüge

Montag: Da man auch im Burgund nicht permanent nur essen und Wein trinken kann, liehen der Liebste und ich uns heute die hoteleigenen Fahrräder und fuhren damit durch Weinberge und -dörfer bis ins etwa fünfundzwanzig Kilometer entfernte Santenay, nach kurzer Rast mit Pain au chocolat und Rosinenschnecke (ohne Weinbegleitung) aus der örtlichen Boulangerie wieder zurück. Wie bereits im letzten Sommerurlaub wusste ich die bedarfsweise Unterstützung durch einen Elektroantrieb bei solchen Touren wieder sehr zu schätzen.

In den Weinbergen wurde emsig gearbeitet an den noch blattlosen Reben, auf dass der Jahrgang 2024 gelinge und von Kennern zu Höchstpreisen gekauft werde. Währenddessen stellte ich mir vor, statt Wein würde man seit Jahrhunderten Hanf anbauen und in Deutschland würde jetzt über die Legalisierung von Alkohol debattiert.

Kirschblüte bei Meursault
Vergangene Pracht in Meursault
‎⁨Chassagne-Montrachet⁩
Bei ‎⁨Chassagne-Montrachet⁩
Nicht nur dieser Ort steht zurzeit Kopf. Mehr dazu bei Bedarf hier.

Der Geliebte blieb unterdessen in Beaune und kaufte den hiesigen Lidl leer, auf dass wir am Samstag nicht mit zu viel Luft im Wagen nach Hause fahren.

Dienstag: Im Gegensatz zu gestern zeigte sich der Tag regnerisch-trüb. Nach dem deutlich späteren Frühstück begaben wir uns in die örtliche Kultur, genauer ins Cité des Climats et vins de Bourgogne, ein neu gebautes Informationszentrum über, wie sollte es anders sein: Wein. Thematisch reicht die gut gemachte, teilweise interaktive Ausstellung von der erdgeschichtlichen Entstehung der Region über Anbau und Herstellung bis zum korrekten Servieren von Wein und Cremant, wobei über den weit verbreiteten Irrtum aufgeklärt wird, Rotwein und Käse seien natürliche Verbündete; zu vielen Käsesorten passt Weißwein viel besser. Damit die Wissensvermittlung nicht zu theoretisch-trocken bleibt, wird auch ein Probierschlückchen gereicht.

Une œvre d’art
Die Bedürfniseinrichtungen in der zugehörigen Gastronomie sind sehr sauber

Mittwoch: Mindestens zweimal fand ich heute das Verhalten von Menschen, sagen wir: bemerkenswert. Zuerst im Frühstücksraum des Hotels, wo sich morgens eine größere Gruppe aufhielt, deren Mitglieder sich offenbar kannten, vielleicht Angehörige derselben Firma auf einer geschäftlichen Veranstaltung. Nach vollzogenem Frühstück hielt man sich noch länger auf, lief von Tisch zu Tisch und blieb dort schwatzend stehen. Eine Frau stand längere Zeit direkt an unserem Tisch und telefonierte. Nur meine nahezu unerschütterliche Höflichkeit hielt mich ab, ihr einen Platz auf meinem Schoß oder direkt meinen Stuhl anzubieten.

Vormittags nahmen wir an einer durch das Hotel vermittelten Führung durch ein örtliches Weingut teil. Mit uns vier Amerikaner, deren eine äußerlich gewisse Ähnlichkeit mit Yoko Ono aufwies. Sie verbarg ihr Antlitz zeitweise hinter einer riesigen Sonnenbrille und widmete ihre Aufmerksamkeit lieber ihrem Datengerät statt dem Vortrag. Das fand ich ungezogen gegenüber der jungen Erklärerin.

Donnerstag: Nachdem die Business-Bande offenbar abgereist war, herrschte morgens im Frühstücksraum wieder angenehme Ruhe. Zu hören waren nur leises Gemurmel, Frühstücksgeklapper, dezente Hintergrundmusik und das Rauschen des Eierkochbeckens. Am Ende kamen wir mit einem deutschen Paar ins Gespräch, das sich dankbar zeigte für ein paar Tipps zu Unternehmungen in der Umgebung, deren wir reichlich geben konnten.

Nach dem Frühstück fuhren wir nach Dijon, berühmt für seinen Senf, den es immer noch gibt, obwohl dort inzwischen weder welcher angebaut noch hergestellt wird, sagt der Liebste; ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln. Ansonsten machten wir dort außer ein paar Einkäufen (Textilien und Tee) und der Stärkung in einem Bistrot nichts erwähnenswertes. In der Markthalle herrschte eine Stunde vor Schließung schon Abbaustimmung, viele Stände waren bereits abgeräumt, die Bar zu unserem Bedauern geschlossen.

Dijon mit beeindruckenden Schornsteinen

Beim Überfliegen eines Zeitungsartikels über einen Bonner Sternekoch (beziehungsweise Sternkoch, er hat nur und immerhin einen) empfand ich Dankbarkeit dafür, dass meine Eltern für mich die Namen Carsten Rainer und nicht Rainer Maria ausgewählt haben.

Freitag: Heute ist Karfreitag. Die Franzosen, seit geraumer Zeit die saubere Trennung von Staat und Religion gewöhnt, schert das nicht. Derweil wird in Deutschland, wie jedes Jahr, darüber diskutiert, ob das Verbot von Tanzvergnügen an stillen Feiertagen noch zeitgemäß ist. (Meines Erachtens nicht. Wer Jesus betrauern möchte, kann das tun, doch sollte die ungläubige Mehrheit dadurch nicht behelligt werden.)

Nach dem Frühstück gingen meine Lieben mit kommerziellen Absichten in die Stadt. Da mich Einkäufe eher langweilen, machte ich einen Spaziergang in die nähere Umgebung des Hotels, unter anderem durch einen recht hypschen Park. Wegen einsetzenden Regens ging ich bald zurück mit feuchten Zehen und der Erkenntnis, dass die letztens erstandenen Adidas-Schuhe nur für trockenes Wetter geeignet sind.

Beeindruckende Unterwasservegetation
(Keine) Einkehrmöglichkeit im Parc de la Bouzaise

Samstag: Die Woche in Beaune ist vorüber. Nach dem Frühstück und Begleichung der beachtlichen Hotelrechnung (im Rahmen der Erwartung, das war es wert) machten wir uns bei trübem Regenwetter auf den Rückweg nach Bonn.

Kurz vor Luxemburg plagte meine Lieben Appetit auf Schnellessen, deswegen suchten wir an einer Raststätte das dortige Restaurant zum güldenen M auf. In einem solchen war ich schon seit Jahren nicht mehr. Man bestellt nicht mehr persönlich am Tresen unter Beantwortung zahlreicher Fragen, sondern wählt und bezahlt das Gewünschte an einem großen Bildschirm, erhält einen Beleg mit Wartenummer und holt das Mahl nach Aufruf nämlicher Nummer am Tresen ab. (In unserem Fall musste erst eine Servicedame den Beleg operativ aus dem Bestellapparat entnehmen, da er ihn nicht freiwillig preisgab. Ganz ohne Menschen geht es eben nicht, hat auch was Tröstliches.) Mein erster Cheeseburger nach langer Zeit zeigte mir, wie sehr ich derlei vermisst habe: überhaupt nicht. Aber wahrscheinlich war ich einfach nur verwöhnt nach einer Woche burgundischer Küche.

Danach suchten der Geliebte und ich die Toilettenanlage im Untergeschoss auf. Nach Überwindung der Bezahlschranke gerieten wir versehentlich in die Damenabteilung, wie wir erst beim Verlassen der Anlage bemerkten; bei der Beschilderung sehe ich Verbesserungspotential. Erstaunlicherweise wurden wir weder beschimpft, noch sind Verluste primärer Geschlechtsorgane zu beklagen.

Sonntag: Morgens um sieben von Blasendruck geweckt hörte ich in der Ferne zahlreiche Glocken durcheinander läuten, ganz leise und nicht störend. Vielleicht, weil die österliche Läuteordnung das so vorsieht, ich kenne mich da nicht aus. Nur die nahe Stiftskirche schwieg ohrenscheinlich, vielleicht hatte der zuständige Glöckner verschlafen, oder die Glocken waren mit der Bahn nach Rom gereist und standen nun auf der Rückreise wegen einer Stellwerksstörung vor Koblenz. Oder ein Anwohner hat erfolgreich gegen das Frühläuten geklagt.

Die Uhrenumstellung hatte ich erst für die kommende Nacht im Sinn (oder „auf dem Schirm“, wie es im Werk oft heißt), war deswegen etwas überrascht, bereits heute eine Stunde später das Bett zu verlassen. Das ist nicht schlimm, bis zum Montagmorgen, der in der kommenden Woche auf Dienstag fällt, wird sich das eingependelt haben.

Nach dem späten Frühstück, erstmal in diesem Jahr auf dem Balkon, unternahm ich einen besonders langen Spaziergang, zumal das wöchentliche Gehpensum urlaubsbedingt nicht erreicht war. In der Inneren Nordstadt zieht die berühmte Blüte der Zierkirschen wieder zahlreiche Besucher aus aller Welt an, um instagramable Fotos von sich zu machen beziehungsweise machen zu lassen. Dabei stellen sie, insbesondere die jungen Frauen, Posen und Gesichtszüge zur Schau, die nur schwer zu beschreiben und erst recht nicht nachzuahmen sind.

So jedenfalls nicht

Am frühen Abend unterbrach heftiger Regen mit Gewitter das Treiben, dies bitte ich ohne jede Schadenfreude zu verstehen. Nachdem der Regen durch war, der Himmel im Osten noch dunkel, füllte sich die Breite Straße wieder, auch die Blüten haben keinen Schaden genommen, ich habe extra noch mal für Sie nachgeschaut. Wenn Sie also ebenfalls eine Reise nach Bonn zum Blütenschauen planen, lassen Sie sich nicht davon abhalten, noch lohnt es sich.

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Kommen Sie gut durch die Woche. Joyeuses Pâques.

Woche 21/2023: Ankunft in Andernach, verliebt in München und eine Evakuierung

Montag: „Alle Schnittstellen sind shiny„, hieß es in einer Besprechung mit vielen durcheinander redenden Teilnehmern, zu der ich offenbar versehentlich eingeladen war und inhaltlich nichts beitragen konnte. Ebenso glanzvoll dieser Satz in einer Mail, die mich in tiefe Ratlosigkeit versetzt: »Das Artifactory ersetzt mit dem Sundown des LCM TeamForge die Fachfunktion eines Binär-Repositories und kann bereits für neue Repositories angefragt werden.« Klingt beruhigend, auch wenn ich nicht den Hauch einer Ahnung habe, was er bedeutet. Weiß der Himmel, wie ich in diesen Mailverteiler geraten bin.

Es ist warm. In Büros und Kantine akuter Halbarmhemdenalarm.

Der Rückspiegel an meinem Fahrrad ist längst keine Ausnahmeerscheinung mehr, man sieht sie immer häufiger. Meistens an den Rädern älterer Herren. – Ach ja, richtig.

Warum wünscht man sich gegen Ende des Arbeitstages eigentlich einen „schönen Feierabend“ statt einfach einen „schönen Abend“? Diese Frage warf meine liebe Flurkollegin am Nachmittag auf, womit sie recht hat. Nur wenige werden nach des Wertages Mühen ein Fest aufsuchen, jedenfalls nicht zwischen Montag und Donnerstag.

Dienstag: Bei zunächst kühl-zugigem Wetter reiste ich nach München, um dort Frau Kraulquappe zu treffen. Nach Jahren intensiven schriftlichen Austausches waren wir beide der Meinung, es sei an der Zeit für ein persönliches Kennenlernen.

Die Bahnfahrt verlief zufriedenstellend, wegen eines defekten Stellwerks erfolgte die Abfahrt mit zwölf Minuten Verspätung, was für eine Stellwerksstörung geradezu ein Fliegenschiss im schienengebundenen Raum-Zeit-Gefüge ist. Einzig Wagen fünf, für den meine Reservierung gebucht war, fehlte ohne weitere Information im Zugverband, doch fand ich, da der Zug nur mäßig belegt war, einen Fensterplatz mit Blick nach draußen (so wichtig und nicht selbstverständlich, siehe unten) im Wagen sechs. Hier bestand nur die Gefahr, vom Platz verscheucht zu werden, da die Reservierungsanzeige im Wagen nicht funktionierte.

Bei Ankunft in Andernach dachte ich: »Ankunft in Andernach«, das wäre ein schöner Romantitel. Wenn jemand dazu eine Idee hat, bedienen Sie sich.

Während der Fahrt hörte ich eine seit Jahren nicht mehr vernommenen Mobiltelefonmelodie, Didl düdü, didl düdü, didl düdüdüü, wer verwendete den damals, Nokia? So lange ist das noch gar nicht her, und doch schon so weit weg. Oder kann man sich die inzwischen als nostalgischen Signalton auf das aktuelle Datengerät laden, wie das Schrillen einer Schelle aus Bundespost-Zeiten?

Ich kam mit immer noch zehn Minuten Verspätung unverscheucht in München an, wo mich milder Sonnenschein, Frau Kraulquappe und Dackeldame Pippa sehr herzlich empfingen. Spätestens beim ersten Bier im Biergarten entwickelte sich die Herzlichkeit zu Sympathie, die so weit ging, dass ich aus eigenem Antrieb ein Selfie von uns fertigte, was für mich, der Selfies grundsätzlich dämlich findet, bemerkenswert ist und sich mangels Übung als gar nicht so einfach erwies.

Ausdruck von Lebensfreude auf bayrisch (rechts) und ostwestfälisch

Mittwoch: Vormittags erkundete ich die nähere Umgebung zunächst unbegleitet durch Frau K. und Fräulein P., kam dabei vom vorgeschlagenen Wege ab, verlor vor Gehfreude ein wenig das Raum-Zeit-Gefühl und traf mit leichter Verspätung am vereinbarten Treffpunkt ein.

Idyll am Westermühlbach
Auch ganz reizend

Mittags brachen wir auf zu einem Ausflug zum Kloster Andechs, wo wir uns stärkten mit Schweinsbraten und dem berühmten örtlich gebrauten Bier, das ganze eingerahmt in eine Wanderung durch oberbayerische Fluren und sehr angenehme Gespräche.

Fräulein P. weist den Weg
Auf dem Rückweg

Danach erhielt ich Gelegenheit für einen Blick über den Starnberger See, wiederum verbunden mit einer kurzen Einkehr.

Anleger in Berg
Kleinblogger in Berg, aber das sehen Sie ja selbst (Foto: Frau Kraulquappe)

Später beim Abendessen besprachen Frau K. und ich unser gemeinsames Blogvorhaben, wovon Sie demnächst mehr lesen werden.

Wort des Tages: Postbelastungsschmerz. Kenne ich, ab und an.

Donnerstag: Vormittags zeigte mir Frau K. die Schönheit des Nymphenburg-Viertels, mit anschließender (alkoholfreier) Einkehr in einem Café. Nach allem, was ich in den vergangenen Tagen von München gesehen habe, bemerke ich, mich ein wenig in diese Stadt verliebt zu haben. Zum Abschied mittags beschlossen wir, derartige Treffen zu wiederholen. Herzlichen Dank an Frau Kraulquappe für das Besuchsprogramm und die ausgezeichnete Betreuung, und an Fräulein Pippa für die geteilte Aufmerksamkeit! Der imaginäre Bewertungsbogen erhält in allen Kategorien fünf Sterne.

Schlossgartenkanal

Die Rückfahrt mit der Bahn gestaltete sich besonders abenteuerlich. Da der von mir gebuchte EC mit etwa einer Stunde Verspätung abfahren sollte, wegen „Reparatur am Zug“, stieg ich in einen vorher fahrenden ICE, der pünktlich den Münchener Hauptbahnhof verließ. Vor Neu-Ulm wurde er langsamer, dann blieb er auf freier Strecke stehen. Kurz darauf ertönte das Piepen des Unheils, das Sie vielleicht kennen, wenn Sie öfter Bahn fahren: drei aufeinander folgende Pfeiftöne, der mittlere eine Terz höher als die äußeren; dann ist selten etwas Gutes zu erwarten. Als Grund des außerplanmäßigen Haltes wurde zuerst Strommangel genannt, angeblich stand nicht mehr genügend Elektrizität für eine Weiterfahrt zur Verfügung, das war mir als Begründung neu. Wie sich wenig später herausstellte, hatte kurz zuvor ein Regionalexpress die Oberleitung beschädigt, dadurch war der Streckenabschnitt stromlos. Es gab also genug Strom, nur nicht hier. Bis wann der Schaden behoben wäre, wusste man nicht. Nach und nach fielen die Systeme im Zug aus: die Klimaanlage (zum Glück war es nicht heiß), die Beleuchtung, die Anzeigebildschirme. Immerhin funktionierten noch die Lautsprecherdurchsagen und, wichtig, die Toiletten.

Gut eine Stunde später die Durchsage: Unser Zug kann nicht weiterfahren und wird evakuiert. Da die Stromversorgung des Gegengleises nebenan inzwischen wieder hergestellt werden konnte, sollte bald ein anderer Zug neben uns halten, in den wir hinüber wechseln sollten. Und also kam es, wir stiegen über einen schwankenden Steg in den rettenden Nebenzug, der uns gut zweieinhalb Stunden nach dem unheilverkündenden Piepen bis Stuttgart brachte. Dort fuhr eine halbe Stunde später ein Intercity nach Bonn ab, in dem ich bei Verfassen dieser Zeilen gerade sitze. Wenn jetzt nichts mehr passiert, bin ich gegen elf zu Hause. Das war es wert und es schmälert die Freude über das Treffen mit Frau K. ganz und gar nicht. Gleichwohl ein Eintrag in der Liste der Dinge, die man nicht unbedingt erlebt haben muss.

„Fensterplatz“

Auffallend gut war die Stimmung im stehenden Zug, bis zum Schluss wurde gescherzt und gelacht. Im aufnehmenden Zug hingegen meinten wieder einige, den Sitz neben sich mit Handtasche oder Rucksack belegen zu müssen, auf dass sich ja keiner daneben setzte, obwohl vorher ausdrücklich darum gebeten worden war, wegen des beschränkten Platzangebotes sein Gepäck zu verstauen. Ich rege mich nicht auf, ich bemerke nur.

Loben möchte ich ausdrücklich den Zugchef Herrn König, der uns im Rahmen seines jeweils aktuellen Kenntnisstands während der ganzen Zeit über Lautsprecher informierte und Hintergründe erläuterte (zum Beispiel warum es nur eine Übergangsbrücke gab, Grund: Auch die Bahn hat Personalmangel), stets in ruhigem, fast unterhaltendem Ton. »STEHTS BEMÜHT« hat hinter dem Stuttgarter Hauptbahnhof jemand an eine Mauer gesprüht. Dem ist nichts hinzuzufügen.

In Wiesloch-Walldorf ist übrigens der Ausstieg rechts, falls Sie da mal rausmüssen.

Freitag: Nach etwa neuneinhalb Stunden Bahnreise kam ich gestern Abend gegen elf zu Hause an. Immerhin, zu Fuß oder mit dem Fahrrad wäre das nicht zu schaffen gewesen, auch hier vor allem das Positive sehen.

Zu Fuß ging ich heute auch außer der Reihe ins Werk, weil ich direkt im Anschluss einen Friseurintermin hatte – Sie sehen, auch ich kann geschlechtergerecht, aber warum sollte ich „Friseurtermin“ schreiben, wenn mich nun mal eine Friseurin frisiert – wo war ich, ach ja: zu Fuß, weil man vor dem Salon das Fahrrad nur schlecht abstellen kann.

Dieses Motiv hatten wir diese Woche noch nicht

Der Arbeitstag lief ganz gut, zu meiner Freude war das Nachzuholende der letzten drei Tage bereits am frühen Nachmittag nachgeholt. Das bleibt bitte unter uns, nicht dass jemand an höherer Stelle daraus falsche Schlüsse bezüglich meiner Arbeitsauslastung zieht.

Samstag: Wie die Radionachrichten morgens melden, sind die Menschen in NRW heute aufgerufen, Funklöcher über eine App zu melden. Wie soll das gehen? Nimmt man da nicht besser Postkarten?

Nach dem Frühstück, also deutlich nach Mittag, ging ich für einige Be- und Entsorgungen durch die Stadt und erfreute mich an den optischen wie aromatischen Reizen des Kurze-Hosen-und-Draußenriesling-Wetters.

In der Zeitung eine Besprechung des Buches »Die Welt ist laut – Eine Geschichte des Lärms« von Kai-Ove Kessler, das, wie der Titel nahelegt, von Menschen verursachte Störgeräusche betrachtet und das ich auf die Liste der zu beschaffenden Bücher gesetzt habe. Während ich auf dem Balkon sitze und diese Zeilen tippe, wird in der Nachbarschaft mit stundenlanger Ausdauer etwas maschinell beschliffen, über der Inneren Nordstadt liegt ein andauerndes Raunen und Grölen, weil wohl irgendein wichtiges Fußballspiel stattfindet, und in der Nähe lässt ein PS-Poseräffchen seinen Automotor knallend pupsen. So fügt es sich wieder mal.

Pupsen musste auch Herr Wittkamp, und zwar im Fahrstuhl. Bei ihm las ich erstmals das Wort „Omnivor“ und weiß nach anschließender Recherche, dass ich selbst einer bin, also ein Allesfresser. Außer Gorgonzola und Koriander. Das galt lange Zeit auch für Oliven und Kümmel, inzwischen mag ich beides ganz gerne, so ändern sich Geschmäcker.

Sonntag: Ein ruhiger und warmer Pfingstsonntag, der sich für den eher Ungläubigen von einem gewöhnlichen Sonntag vor allem dadurch unterscheidet, dass die ab dem Nachmittag einsetzende Vorfreude auf die kommende Arbeitswoche noch einen Tag auf sich warten lässt.

Zu den sonntäglichen Pflichten, auch zu Pfingsten, gehört der Spaziergang, der heute wieder auf die andere Rheinseite führte, wo die Leute vor einem eingezäunten Areal am Beueler Rheinufer Schlange stehen und Eintritt zahlen, um über ein Fressbudenfest zu schlendern. Da ich für so etwas ungern warte und zahle, außerdem das Wort „schlendern“ gar fürchterlich finde, ging ich weiter meines Weges.

Auen vor Schwarzrheindorf

Am Straßenrand ein nicht mehr ganz neues Auto mit einem Zettel unter dem Scheibenwischer: »Habe meinen Schlüssel verloren. Kümmere mich um eine Lösung, versprochen.« Stehts bemüht.

Weniger optimistisch dagegen eine angeklebte Laternenpfahlbotschaft von Extinction Rebellion: »WIR SIND AM ARSCH«. Das ist vielleicht von der Ausdrucksweise her etwas rustikal, inhaltlich indes korrekt.

Gelesen bei Frau Kaltmamsell und für richtig befunden: „Später Tagesschau hinterhergeguckt: Acht von 15 Minuten über deutschen Männerbundesliga-Fußball. Das halte ich für sehr falsch: Menschen, die sich für dieses Thema interessieren, haben sicher genügend andere, auch öffentlich-rechtliche Quellen dafür.“

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Kommen Sie gut durch die Viertagewoche, bleiben Sie optimistisch.