Über Bälle und Kugeln

Niedergeschrieben am 18. Juli 2012 bei 30 Grad im Schatten in Malaucène, Frankreich

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Bekanntlich hege ich eine gesunde Antipathie gegen Sportarten, die im weitesten Sinne mit Bällen zu tun haben, auch wurde mir das Gen für das Streben nach sportlichen Siegen und Erfolgen versehentlich nicht eingebaut.

Diese Abneigung, erwachsen seit frühster Jugend in leidvollen Schulsportstunden mit deprimierenden Erfahrungen beim Mannschaften wählen, muss ich ein wenig revidieren, seit ich im letzten Provence-Urlaub zum ersten Mal Pétanque spielte, auch bekannt als Boule, gewissermaßen die Nationalsportart der Südfranzosen. Zwar spielt man das auch nicht mit Bällen, dafür aber mit Kugeln, also Bällen nicht gänzlich unähnlichen Gegenständen, konkret, einer kleinen Holzkugel, Cochonnet beziehungsweise Schweinchen genannt, und schweren Spielkugeln aus Metall.

Die Spielregeln sind unkompliziert: erst wird das Schweinchen in den Staub geworfen, dann die Metallkugeln hinterher; derjenige gewinnt, dessen Kugeln dem Schweinchen am nächsten platziert werden konnten, grob und etwas vereinfacht beschrieben. Auch der körperliche Einsatz hält sich in erträglichen Grenzen, die größte Anstrengung liegt darin, die schweren Kugeln zum Boule-Platz und wieder zurück zu tragen. Ins Schwitzen, oft eine mehr oder weniger erwünschte Begleiterscheinung sportlicher Betätigung, sieht man einmal von Angeln, Schach oder Halma ab, gerät man beim Pétanque allenfalls aufgrund starker Sonneneinstrahlung, dem entgegenzuwirken mit kühlen Getränken (Pastis, Roséwein, Bier) von erfahrenen Spielern ausdrücklich empfohlen wird, zudem kann sich schon mal eine hitzige Diskussion darüber entfachen, welche Kugel denn nun näher am Cochonnet liegt, auch das gehört unbedingt dazu.

Insgesamt, unter Abwägung aller Vor- und Nachteile, erscheint mir Pétanque geeignet, mich auf meine alten Tage doch noch an die aktive Ausübung einer Mannschaftssportart heranzuführen. Jetzt heißt es dranbleiben, trainieren, auch und gerade nach dem Urlaub. Und irgendwann werden sich die Nachbarn von unten an das Aufschlagen der Kugeln in der Auslegeware gewöhnt haben. Oder wegziehen.

petanque

Hier sehen Sie das Ergebnis einer besonders knappen Partie mit Diskussionsbedarf. Wenn man sehr genau hinschaut, erkennt man das Schweinchen (Pfeil). Nein, nicht das mit den Sandalen!

Aus gegebenem Anlass

Wieder ist es so weit: Ich werde gefragt, wo ich mir das Fußballspiel anschauen werde, erhalte Einladungen zum Kollektivkucken, auch von Leuten, die sonst nicht gerade zu den ausgewiesenen Fußballfans zählen. Wieder ernte ich Unverständnis, wenn ich dann sage, ich werde es mir gar nicht anschauen, weil mich Fußball nun einmal überhaupt nicht interessiert.

„Aber es ist doch EM, das ist doch was anderes, da muss man schauen!“ – Was ist anders? Fußball ist Fußball, ob auf dem Sportplatz von Kleinwiershausen oder im von aller Welt betrachteten Stadion von… ja wo eigentlich?

„Aber ,wir‘ spielen doch!“ – Wir? Also ich nicht, jedenfalls nicht, dass ich wüsste.

„Auch nicht, wenn Deutschland spielt?“ – Deutschland spielt? Falsch: Deutschland sitzt kollektiv vor der Glotze und missbraucht das arme Wörtchen ,wir‘.

Wirklich, ich gönne allen ihr Fußballvergnügen, ob alleine in ihrer Stube oder mit vielen vor dem Großbildschirm. Genau so gesteht mir bitte zu, dass ich mich derweil anderweitig vergnügen werde, wie, weiß ich noch nicht, aber ich werde mich ganz bestimmt nicht langweilen. Vielen Dank!

Fußball

Ich bin halt anders…

Nein, ich schaue das Fußballspiel nicht, so wie ich bislang keines gesehen habe, Danke der Nachfrage, es interessiert mich einfach nicht. Es reicht doch völlig aus, die kollektiven Aufschreie der Stadt zu hören bei jedem Tor oder was auch immer da gerade passiert. Keiner versteht mich anscheinend, alle schauen Fußball, selbst Leute, die ansonsten mit Fußball nichts am Hut haben, schließlich spielen „wir“! „Wir“?? Also „ich“, was ja per definitionem Bestandteil von „wir“ ist, ganz bestimmt nicht, insofern distanziere ich mich ausdrücklich von diesem in diesen Tagen so häufig missbrauchten Wort.

Ich bin anders. Und wissen Sie was? Ich bin es gerne!