Woche 39/2025: Mitesser mit Redebedarf und eine gelungene Anreise

Montag: Woche und kalendarischer Herbst begannen mit kühlem Daunenjacken-Pullover-Wetter, auf dem Rückweg erschwerte Gegenwind das Radfahren etwas, ansonsten waren kaum innere wie äußere Widerstände zu überwinden, vom Aufstehen morgens abgesehen. In den Büros auf der Etage herrschte nur wenig Betrieb, dementsprechend ruhig blieb es auf den Fluren. Auch das Mittagessen genoss ich ungestört von Mitessern mit Redebedarf.

Gedanke in einer ruhigen Minute: Wenn alte Sachen Antiquitäten sind, müsste Neuware dann Proquitäten heißen oder einfach nur Quitäten?

Dienstag: Üblicherweise jeden Diens- und Donnerstag gehe ich zu Fuß ins Werk und zurück, außer in kleinen Wochen mit freiem Donnerstag, dann gehe ich freitags. Seit einiger Zeit, vielleicht schon viel länger, nur fiel es mir früher nie auf, kommt mir dabei morgens auf Höhe UN-Campus Hand in Hand ein älteres Paar entgegen, er von mir aus gesehen rechts, sie links. Vermutlich Rentner, zu deren Tagesroutine es gehört, jeden Morgen um dieselbe Zeit einen Spaziergang zu machen, vielleicht nach dem Frühstück, vielleicht frühstücken sie erst danach. Ich finde das schön. Irgendwann überwinde ich vielleicht den inneren Ostwestfalen und grüße sie.

Wie jeden Dienstag mache ich morgens an immer derselben Stelle nach dem Rheinpavillon ein Foto und veröffentliche es bei Instagram, zu meinem Erstaunen bekomme ich dafür immer noch ein paar Herzchen, von manchen Leuten jede Woche erneut. „Sieh nach, wie dein Content performt“ schreibt Instagram. Für viele Menschen vermutlich ein völlig normaler Satz.

Ich bin kein Perfektionist. Das sollte man sein, wenn man Menschen operiert oder hochpreisige Armbanduhren zusammenbaut; in meiner Bürotätigkeit reichen achtzig Prozent meistens völlig aus. Doch was heute in einer Besprechung als Arbeitsergebnis eines Projekts gezeigt wurde, ist mit Murks noch wohlwollend bezeichnet.

Mittwoch: Der Arbeitstag bestand überwiegend aus (immerhin) interessiertem Zuhören, er endete mit kollegialem Abendessen auf dem Oelberg im Siebengebirge, verbunden mit einer kurzen Wanderung vom Parkplatz zum Restaurant. Ein weiterer Ort, wo ich vorher noch nie war und der in einen der kommenden Wandertage einzubeziehen sein wird. Der Oelberg ist übrigens die höchste Erhebung des Siebengebirges mit entsprechenden Aussichten.

Oelberg-Aussicht I
Oelberg-Aussicht II

(Notiert am Donnerstagmorgen unter leichten Nachwehen, denn …)

Donnerstag: … irgendetwas schien bei der Weinbegleitung am Vorabend außer Kontrolle geraten zu sein, obwohl ich in meiner Erinnerung für einen Wochentag nicht unangemessen viel davon getrunken hatte. Und doch begleitete mich mindestens bis zum Mittag ein Kater, den auch der Fußweg ins Werk morgens kaum zu bändigen vermochte. Da kam es durchaus gelegen, dass auch der heutige Arbeitstag überwiegend aus mehr oder weniger interessiertem Zuhören während eines Townhall* bestand. Ab dem Nachmittag veranstaltete der Arbeitgeber das jährliche Sommerfest am Mutterhaus. Jahreszeitlich bedingt war es etwas kühl, ich trank, da der Kater inzwischen die Krallen eingezogen hatte, den ersten Glühwein des Jahres. Ansonsten war es angenehm unterhaltsam. Nicht allzu spät fühlte ich mich genug unterhalten und trat den Weg nach Hause an, wo der Geliebte bei Niederschrift dieser Notiz ein Glas Cremant reichte. Es hört nicht auf.

*Für Normalsprachler: Eine interne Informationsveranstaltung des Geschäftsbereichs in internen Räumen, nicht in der Stadthalle. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen, vielleicht um es bedeutender erscheinen zu lassen, muss es Townhall heißen.

Werbung kann grausam sein

Freitag: Obwohl an den zurückliegenden beiden Tagen wegen Veranstaltungen wenig Zeit war, Anstehendes zu bearbeiten, kam ich mit dem Aufarbeiten heute zügig voran, daher endete der letzte Arbeitstag vor einer weiteren Woche Urlaub nicht sehr spät. Auch die Wetteraussichten für die kommenden Tage sind erfreulich.

Mittagessen mit mehreren Kollegen aus der Nachbarabteilung. Bei Tisch wurde geschäftliches besprochen und ich hatte keinen Schimmer, worum es ging. Eine Situation, in der ich mich immer öfter wiederfinde, weshalb ich größere Kantinenrunden mittlerweile gerne meide. Um einen neutralen Blick bemüht versuchte ich, mir nichts anmerken zu lassen. Das ist, und das schreibe ich ohne jeden Anflug von Bitterkeit, die nächste Generation, die schon in Kürze übernehmen wird.

Samstag: In Bonn ist an diesem Wochenende Stadtfest mit Flohmarkt in City und Innerer Nordstadt. Einer ungeschriebenen Übereinkunft folgend gehen die Leute noch etwas langsamer als ohnehin an Samstagen.

Sonntag: Wie erwartet schlief ich vergangene Nacht nicht besonders gut, wie üblich vor Reisen, insbesondere wenn sie mit der Bahn erfolgen. Während der Wachphasen flüsterten mir die Nachtgeister absonderlichste Schiefgehvarianten ein. Deshalb stand ich vor dem Wecker um kurz nach sechs auf und begab mich, da die Bahn-App zwischen Bonn und Köln von Verspätungen kündete, nach dem Kaffee zum Hauptbahnhof und fuhr mit der ersten Möglichkeit nach Köln, auch wenn ich dafür ein Fernverkehrsticket kaufen musste, sicher ist sicher. Es mag sein, dass man mit dem Alter gelassener wird, in vielen Dingen trifft das auch zu, etwa bezüglich der Ernstnahme mancher Arbeitsangelegenheiten. Aber beim Reisen werde ich zunehmend nervöser, warum auch immer.

Heute war die Nervosität unnötig, der IC Richtung Westerland (weshalb den ganzen Tag dieses blöde Westerlandlied von den Ärzten in meinem Kopf spielte) verließ Köln pünktlich, fuhr zwischendurch zwar eine Viertelstunde Verspätung ein, erreichte Heide (Holstein) indes mit nur wenigen Minuten Verzögerung, so dass der Anschluss nach Büsum erreicht wurde. Auch verkehrte er in der vorgesehenen Wagenreihung, wobei diese, um es nicht zu einfach zu machen, manchen Fahrgast herausforderte: Auf die Wagen 4 und 5 an der Zugspitze folgten planmäßig 12, 11, 10 bis 6.

Nach Ankunft im Hotel und Auspacken unternahm ich bei Sonnenschein und unerwarteter Wärme den ersten Spaziergang bis zur Hafenmole, durch den Hafen und die Stadt, verband das sogleich mit dem Abendessen im Restaurant: Rotbarschfilet und regionales Bier, wobei mir bewusst ist, dass der Fisch nicht gestern oder heute von einem der Kutter im hiesigen Hafen gefangen wurde.

Vieles in Büsum hat sich dem ersten Anschein nach verändert, seit ich vor fünfundzwanzig Jahren das letzte Mal hier war. Während des Rückwegs ins Hotel ging die Sonne über dem Meer in geradezu kitschiger Weise unter und veranlasste zahlreiche Touristen, den Chronisten eingeschlossen, die Kamera zu zücken.

Mit dem Hotel bin ich sehr zufrieden: Es vertrüge zwar den einen oder anderen Pinselstrich, doch liegt es direkt hinter dem Deich mit Blick vom Balkon auf die Nordsee, die bei meiner Ankunft gerade anwesend war, sich nun beim Notieren dieser Zeilen wieder zurückzieht, der Mond will es so. Ich glaube, das werden hier ganz schöne Tage.

Es geht los
Hamburg
Schleswig-Holstein ist erreicht
Ebenda
Hotelzimmerblick
Blick Richtung Norden. Im Sommer ist die Fläche voller Strandkörbe
Den hatte ich höher in Erinnerung
Ein wenigstens mir bislang unbekannte Innovation im Restaurant: der Ordercube. Allerdings löst er nach Antippen keinen Alarm aus, sondern er wechselt einfach die Farbe.
Damit endet auch dieser Rückblick

***

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, kommen Sie gut durch die Woche.

Woche 35/2024: Facebook-Geschwätz und komische Prosa

Montag: Meine vorläufig letzte Woche als Vollzeit-Arbeitskraft ist angebrochen. Das ist kein Grund, an fünf Tagen werktätig zu sein, am Donnerstag habe ich schon wieder frei.

Trotz schlecht durchschlafener Nacht war der Tag recht erträglich, im Büro kam ich mit der Aufarbeitung von in der vergangenen Woche aufgelaufenen Bearbeitungsrückständen gut voran, abends zierten mehrere Häkchen die Aufgabenliste.

Am Mittagstisch tauschten sich die Kollegen über ihre Brut aus. „Kinder geben ja so viel zurück“, wobei die Ironie in der Stimme des diesen Satz sprechenden Vaters nicht zu überhören war. Erneut dankte ich stumm kauend dem Universum, bei dem Thema weder mitreden zu können noch zu müssen.

..

Erst am Freitag werde ich wieder im Büro sein, dazwischen liegen zwei Tage Tagung in Bad Breisig und, siehe oben, ein Urlaubstag, über dessen Gründe ich Sie zu gegebener Zeit in Kenntnis setzen werde.

Dienstag: Noch vor dem Aufstehen ließ eine Radiomeldung die Mundwinkel erheblich nach oben ausschlagen, wonach gerüchteweise die für mich größte Band aller Zeiten, Oasis, wieder gemeinsam auftreten will. Im Laufe des Morgens dann die offizielle Bestätigung, die zänkischen Gallagher-Brüder haben sich offenbar vertragen (oder brauchen Geld) und geben demnächst mehrere Konzerte. Seit sie sich vor fünfzehn Jahren trennten, habe ich die Hoffnung nie aufgegeben, diesen Tag noch zu erleben, ich freue mich sehr.

Weniger erfreulich nach Ankunft in Bad Breisig die Erkenntnis, dass ich zwar das Ladekabel für das iPad, nicht jedoch das für das iPhone eingesteckt hatte. Seit die unterschiedlich sind, jedenfalls bei der von mir verwendeten Gerätegeneration, ist das Leben nicht einfacher geworden. Doch konnte mir ein lieber Kollege aushelfen, Nachhausetelefonieren war zu jeder Zeit sichergestellt und für die Bevölkerung bestand keine Gefahr.

Bad Breisig. Finde den Fehler.
Blick aus dem Zimmerfenster. Das Hotel könnte hier und dort einen Pinselstrich vertragen, doch die Lage ist wunderbar.

Mittwoch: Kaum war ich aufgrund örtlicher Nähe des Tagungsortes bereits am frühen Nachmittag wieder zu Hause, musste ich bald wieder los, ein Stress ist das aber auch. Mir blieb nur Zeit, frische Socken und Schlüpfer einzupacken und kurz in die Zeitung und die Blogs zu schauen, dann machte ich mich auf nach Porz-Wahn, wohin zu einem kollegialen Sommerfest geladen wurde. Für die Hinfahrt nahm ich nicht die Stadtbahn bis Siegburg und ab da die S-Bahn, sondern die relativ neue Buslinie 117, die in Haustürnähe abfährt und nahe des Festlokals endet. Das dauert vermutlich etwas länger, erspart aber einen Umstieg. Von der Haltestelle erst ins Hotel, wo auf die Schnelle diese Notiz entstand, gleich weiter zur Feier. Da dort eine gewisse Feuchtfröhlichkeit nicht ganz auszuschließen ist, habe ich für morgen einen Tag Urlaub genommen. Somit wissen Sie das jetzt auch.

Donnerstag: Fröhlich war das Fest, die Feuchte und ihre Nachwirkungen hielten sich dank strenger Disziplin *räusper* im Rahmen. Daher wäre der Urlaubstag heute nicht zwingend erforderlich gewesen, andererseits störte er nicht das Wohlbefinden.

Nach Rückkehr aus Porz-Wahn (dieses Mal mit der Bahn) entschloss ich mich spontan zu einem Mittagessen in der Außengastronomie des Vertrauens, aus Vernunftgründen und wegen der Hitze mit alkoholfreiem Weizenbier. Danach suchte ich eine schattige Bank am Rhein auf, wo Leserückstände der vergangenen Tage aufgeholt und Textverarbeitung vorgenommen wurden. Nebenbei schaute ich auf Menschen im Vorbeigehen. Warum eigentlich kucken so viele junge Frauen derart genervt-unfroh in die Gegend?

Freitag: Der letzte Arbeitstag in Vollzeit geriet recht lang, da wegen der Abwesenheit an den Vortagen einiges aufzuarbeiten war. Aber das war in Ordnung. Jede Stunde zählt für künftige Frei-Tage.

Aus der Zeitung: „Die Clubs sind auf verschiedene Distrikte innerhalb von Deutschland aufgeteilt und werden auch von den jeweiligen Mitgliederinnen und Mitgliedern verwaltet.“ Das tut ein bisschen weh.

Bleiben wir bei der Zeitung: Offenbar begibt sich nun auch der Bonner General-Anzeiger auf das Niveau von Qualitätsmedien wie Der Westen online. So berichtet er heute von einem beschädigten Linienbus, der im Stadtteil Duisdorf an einem Bahnübergang gesichtet wurde. Der Bericht beginnt mit dem Zitieren mehrerer Kommentare und Mutmaßungen in einer örtlichen Facebook-Gruppe, einer will gar einen Brand des Busses wahrgenommen haben. Erst eine Anfrage der Zeitung bei den Stadtwerken ergab die wenig konkrete Auskunft, der Bus sei an einem Unfall beteiligt gewesen, bei dem niemand verletzt wurde, gebrannt hat er nicht. Fazit: fünf Spalten Bericht mit Bild des Bahnübergangs (ohne Bus), vier davon mit Facebook-Geschwätz, insgesamt mit einem Informationsgehalt, für den wenige Zeilen ausgereicht hätten. Man hätte auch ganz auf den Bericht verzichten können. Vielleicht mussten sie die Zeitung voll kriegen.

Aus einer Ankündigung für die Lesung der TapetenPoeten am 8. September: „Diesmal dabei: Carsten Kubicki, komische Prosa“ – ja, passt; muss ich mir merken, wenn mal jemand fragt, was ich so schreibe. Oder beruflich mache, da passt es meistens auch.

Samstag: In der Stadt sah ich beim planmäßigen Glasentsorgungsgang fröhlich gekleidete Menschen auf dem Weg zu Jeck im Sunnesching, einer sommerlichen Karnevalsveranstaltung im Rheinauenpark. Der strenggläubige Karnevalist mag dadurch in seinen närrischen Gefühlen verletzt sein, weil es Fastelovend nur zwischen dem elften Elften und Aschermittwoch geben darf. Doch gilt auch hier wie für Spekulatius im September: Niemand wird dazu gezwungen.

Abends waren wir bei der Lesung des Bloggerkollegen Satzverstand. Das war sehr unterhaltsam.

Sonntag: Heute ist der erste September. In den Blogs schaut man schon sehnsüchtig dem Herbst entgegen, wie ich während des in den Sonntagsspaziergang integrierten Biergartenbesuches las. Dabei ist heute bereits meteorologischer Herbstanfang. Dessen unbeeindruckt brannte die Sonne vom blauen Himmel und trieb die Thermometer auf über dreißig Grad, was mich nicht stört.

Der erste September ist für mich auch immer Dienstjubiläum, heute das achtunddreißigste, die Zeit rast. Ab heute gilt für mich außerdem die Fünfunddreißigstundenwoche mit einem freien Donnerstag in jeder zweiten Woche. Beziehungsweise de facto ab morgen. Die kommende Woche wird indes eine Fünftagewoche mit der vorläufig letzten Geschäftsreise von morgen bis Mittwoch, auf die ich mich – ohne jede Ironie – ein wenig freue.

Im Übrigen ein Sonntag wie nach Musterblatt A: katerfreies Erwachen, Frühstück mit den Lieben auf dem Balkon, Lesen der Sonntagszeitung (wo man im Feuilleton-Teil die Wiederbelebung von Oasis eher kritisch beurteilt), Spaziergang durch die Nordstadt und am Rhein, kühlende Stärkung im Lieblingsbiergarten. Alles in allem sehr zufriedenstellend.

Literatur am Wegesrand

Hier eine kleine Vorschau auf kommendes, auch wenn es noch etwas dauert.

Gunkl schrieb: „Venedig ist das Venedig Italiens. Manchmal isses so einfach.“

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Kommen Sie gut durch die Woche, lassen Sie sich nicht ärgern.

Woche 37/2023: Entrinnen unter üblichen Ausflüchten

Montag: Heute las ich erstmals in der Zeitung, jemand habe etwas auf X abgesondert, ohne den erläuternden Zusatz „vormals Twitter“. Eine kleine Zeitenwende, aber auch nur eine ganz kleine.

Eine große Zeitenwende wurde heute vor zweiundzwanzig Jahren vorausgesehen, als am elften September 2001 in New York und Washington die bekannten Terrorangriffe mit entführten Passagierflugzeugen vollzogen wurden. „Von nun an ist nichts mehr wie es war“, wurden die Medien zu betonen nicht müde. Das fand ich schon damals reichlich überzogen, mühelos ließe sich eine lange Liste erstellen von Dingen, die nach 9/11 genauso sind wie zuvor. Dazu gehört die gedämpfte Arbeitslust zu Wochenbeginn, wobei es heute einigermaßen ging; erst am frühen Nachmittag setzte erhebliche Müdigkeit ein und trübte die morgens gehegte Hoffnung auf einen milden Montagsverlauf ein wenig.

Trotz aller Widrigkeiten der Zeit auch nicht geändert hat sich die menschliche Vermehrungsfreude. So wurde am Wochenende ein Abteilungskollege Vater, wie heute zu erfahren war. Mein erster spontaner Gedanke: Hört das denn nie auf? (Mir fehlt da ein Gen, das ist nicht schlimm.)

Was ebenfalls nicht endet ist mein Misstrauen gegen Baukräne. Ein solcher steht seit ein paar Tagen eine Straße weiter, wo ein neues Haus gebaut wird. Seitdem frage ich mich: Wenn ungünstige Winde den Ausleger in unsere Richtung drehen und der Kran vom Sturm umgeworfen wird, schlägt er dann in unser Haus ein, oder vorher?

Noch steht er

Auf der Rückfahrt vom Werk kam mir am Rhein ein junger Radfahrer entgegen, freihändig fahrend. Das ging nicht anders, in der einen Hand das Datengerät, auf das sein Blick während der Fahrt gerichtet war, in der anderen eine Trinkflasche. Hoffen wir für ihn und vor allem die anderen, dass es nicht zu einem spontanen Bremserfordernis kam.

Dazu recht gut passend des Geliebten Versprecher des Abends: „Deine Zähne sind gezählt.“

Dienstag: Mittags im Park ging ein Aufsitzrasenmäher (zunächst …rasenäher geschrieben. Lässt sich vielleicht was draus machen, das hektische Schneiderlein oder so. Verzeihung:) seinem Geschäft nach, wobei er die zu kürzende Grasfläche von außen beginnend nach innen abarbeitete, gleichsam in konzentrischen Rechtecken. In Rasenmitte grasten zwei Nilgänse und beobachteten das sich nähernde, lärmende Gerät. Erst als der Mäher weniger als einem Meter an ihnen vorbei mähte, wechselten sie langsam, ohne erkennbare Hast und Eile, den Ort. In der Ruhe liegt die Kraft; von Gänsen kann man was lernen.

Morgens

Mittwoch: Am meisten leiden die Eltern, wenn Kinder von zu Hause abhauen, früher wie heute; hier ein aktueller Fall aus Dresden.

Als ich vor gut zwanzig Jahren nach jahrelanger Sportmeidung mit Laufen begann, war es üblich, sich unter Läufern bei Begegnungen per Handzeichen zu grüßen, so wie es Motorrad-, Bus und Bahnfahrer noch heute tun. Nach meiner Beobachtung ist dieser Brauch seit einigen Jahren aufgebraucht. Daher war ich heute Abend überrascht, als ein entgegenkommender Läufer nach alter Sitte die Hand zum Gruße hob; derart überrascht, dass ich den Gruß erst erwiderte, als wir längst außer Blick waren. Ansonsten lief es sich richtig gut ohne besondere Anstrengung, was auch am Wetter lag: knapp zwanzig Grad, bewölkt, leichter Wind. Für mich nahezu perfektes Laufwetter.

Mindestens genauso alt wie der Läufergruß ist die Gewohnheit mancher, die Dinge ins Internet schreiben, das Wort „früher“ stets mit einem „(TM)“ dahinter zu versehen, was mir inzwischen ebenfalls ziemlich aufgebraucht erscheint.

Für dieses Eichhörnchen scheinen die Gesetze der Schwerkraft nur eingeschränkt zu gelten

Donnerstag: „Das ist ein netter Kerl eigentlich. Du darfst ihm nur nicht begegnen“, sagte der Geliebte am Morgen, was mich bereits vor acht Uhr lachen ließ, das kommt sehr selten vor.

Der planmäßige Fußweg ins Werk erfolgte bei angenehmen Jackenwetter.

Taubtrüber Dunst am Mutterhaus
Wer ist Schorsch?

Um elf wurde ich durch den deutschlandweiten Probealarm geweckt aus konzentrierter Tätigkeit aufgeschreckt.

Der Arbeitstag endete spät mit einer langen Besprechung, der ich in der zweiten Hälfte kaum noch folgen konnte und wollte. Ein Entrinnen unter üblichen Ausflüchten erschien wegen Chefteilnahme nicht ratsam.

Danach gingen wir auf das werksinterne Sommerfest. Dort traf ich einige Kollegen, die ich entweder lange nicht persönlich oder bislang nur auf dem Bildschirm gesehen habe; manche gerne, andere nicht so gerne, siehe oben. Vermutlich kennen auch Sie Leute, die Sie möglichst nichts fragen, weil eine in jeder Hinsicht erschöpfende Auskunft zu befürchten ist. Mit zweien, die ich schon sehr lange kenne, bin ich jetzt per du, in diesen Fällen war das überfällig und passend.

Freitag: Heute war der monatliche Inseltag, also ein Urlaubstag zur freien persönlichen Verfügung, ausnahmsweise an einem Freitag wegen des Sommerfestes am Vortag.

Morgens hatte ich im Stadthaus einen Termin zur Abholung des neuen Personalausweises. Auf die Minute pünktlich wurde meine Wartenummer angezeigt, die Aushändigung erfolgte innerhalb weniger Minuten. Daran kann sich die Bahn eine Schiene abschneiden, dazu komme ich gleich noch.

Den Tag verbrachte ich wandernd: die dritte Etappe des Natursteigs Sieg von Stadt Blankenberg nach Merten. Sonne und Temperatur hatte ich etwas unterschätzt, kurze Hosen wären angebracht gewesen. Da weite Teile des Weges durch den Wald führen, war es dennoch beglückend. Außerhalb der durchwanderten Orte begegneten mir nur drei Menschen, dafür in großer Zahl rote Nacktschnecken, die mich an Kindheitstage erinnerten, als wir auf großväterliche Weisung mit einem Gartenwerkzeug ebensolche Schnecken metzelten, auf dass der Salat im Gemüsebeet unangefressen blieb.

Arion Rufus auf dem Weg zum Mittagessen

Kurz vor dem Ziel in Merten ließ die Wegmarkierung etwas zu Wünschen übrig. Auch hätte ich mir eine Gastronomie für das obligatorische Belohnungsbier gewünscht. Die Abfahrt der S-Bahn zurück nach Siegburg verzögerte sich, zunächst um fünf, am Ende zwanzig Minuten, die ich auf dem sonnenschutzlosen Bahnsteig warten durfte.

Das Bier gab es schließlich in einem Brauhaus in Siegburg, wo örtliches Bier im Angebot ist, unter anderem „Erntedankbier“; für mich gleichsam ein Probierchen, da mir Siegburger Braukunst bislang unbekannt war. Nicht schlecht.

Die Beauftragung eines erfahrenen Gartenarchitekten ist stets gut angelegtes Geld
Eitorf-Bach
Die Sieg in Merten

In der Zeitung las ich erstmals das Wort „Workation“ als Kombination von Arbeit und Urlaub, also am Urlaubsort arbeiten, wenn ich das richtig deute. Welch absurde Idee.

Samstag: Wie ich erst heute bemerkte, ist mein Rücken zerstochen von Mücken, vielleicht fielen sie gestern während der Wanderung unbemerkt über mich her, durch das T-Shirt. Verdammte Biester. Dagegen hilft angeblich Hitze: Seit einiger Zeit gehört zur Ausstattung unseres Haushalts eine Art Lötkolben, den man auf die Einstichstelle hält. Auf Knopfdruck entwickelt das Gerät für mehrere Sekunden eine bemerkenswerte Hitze. Ob es wirklich hilft, weiß ich nicht. Immerhin verdrängt der Hitzeschmerz vorübergehend das Jucken.

Heute vor einem Jahr fuhren der Liebste und ich für eine Woche nach Malaucène in Südfrankreich. Dass wir in diesem Herbst aus beruflichen Gründen nicht dort sein können, macht mich ein wenig traurig.

Gelesen bei Herrn Flusskiesel und für gut befunden:

Was kann man gegen den Faschismus, gegen die Faschisierung der Gesellschaft schon tun? Von links sehe ich wenig Hoffnung, weil man sich ja dort viel lieber bis aufs Blut darum streitet, welcher Begriff für welche Minderheit nun der Richtige ist, anstatt gemeinsam die Vision einer neuen, gerechteren Gesellschaft zu zeichnen.

https://kieselblog.flusskiesel.de/2023/09/15/mittwoch-13092023/

Wir leben in einer VUCA-Welt, las ich in einem Zeitungsinterview: V wie Volatilität, also ständige Veränderung, U wie Unsicherheit, C wie Complexity und A wie Ambiguität, also Mehrdeutigkeit. Ich ergänze noch ein R für Rücksichtslosigkeit.

Sonntag: „Beschreibe deine ideale Woche“ lautete die Tagesfrage bereits am Montag. Klar, die Ideale Woche verbringe ich urlaubhabend an einem schönen Ort wie Malaucène mit den urlaubsüblichen (Nicht-)Aktivitäten und Genüssen. Da das, wie bereits dargelegt, nur ein vorübergehender Ausnahmezustand ist, versuche ich mich an der Beschreibung der idealen Arbeitswoche: Sie beginnt mit einem nicht so montäglichen Montag ohne Antriebslos- und Müdigkeit. An zwei Tagen gehe ich zu Fuß ins Werk. Die Arbeitstage sind von befriedigender Tätigkeit erfüllt mit höchstens zwei Stunden Besprechungszeit und sie enden pünktlich. Donnerstags habe ich frei, dann gehe ich Wandern oder verbringe den Tag in anderer glückfördernder Weise. Freitagabend gehen wir Essen, ansonsten ist das Wochenende frei von Terminen und Verpflichtungen. Sonntagnachmittag gehe ich spazieren, mit Einkehr. (Heute fiel der Spaziergang übrigens aus, stattdessen unternahmen der Liebste und ich eine Radtour. Immerhin mit Einkehr im Biergarten am Beueler Ufer.)

Außerdem bietet die ideale Woche reichlich Zeit zum Lesen und Schreiben, der wöchentliche Blogeintrag erfährt erhebliche Resonanz durch zahlreiche Sterne, wohlwollende Kommentare und Erwähnungen in anderen Blogs – gut, wir wollen nicht übertreiben. Insgesamt war diese Woche gar nicht so unideal.

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Kommen Sie gut durch die möglichst ideale Woche.