Woche 10: Die Wissenschaft beruhigt / Sklavenerdbeeren und Cognac-Krabben

Montag: Das aktuell gültige Lockerungsrätsel bezeichnet Herr Söder als „Atmende Öffnungsmatrix“, darauf muss man erst mal kommen, ich bin wirklich beeindruckt und fände hierfür eine Auszeichnung angemessen.

Ein weiteres Steinchen im tristen Schotterbeet deutscher Sprachverdummung ist dagegen „click and meet“, das uns ab heute wieder in die Läden locken soll, jedenfalls bis zum nächsten Atemzug der söderschen Öffnungsmatrix.

Nachmittags rief der Kollege an, ein großer Freund des gesprochenen Wortes, um mir mitzuteilen, wir hätten morgen drei gemeinsame Termine und an allen nehme er voraussichtlich teil. Manchmal weiß ich auch nicht.

Ein gar wunderbares Wort ist übrigens „Lästling“, gelesen hier.

Für kommende Woche Donnerstag habe ich spontan einen Tag Urlaub eingetragen, ohne besonderen Plan und Zweck, in diesem Jahr ist ja von der Urlaubsplanung her alles offen. Jedenfalls hege ich für Donnerstag keine Click- und Meetabsichten.

Dienstag: Vergangene Nacht stand ich mal wieder ohne Hose und Schlüpfer, dafür in Anzugjacke in der Straßenbahn nach Bad Godesberg, zum Glück nur im Traum. Irgendwann habe ich mal gelesen, was das zu bedeuten hat, es ist mir aber entfallen.

Nach Lukaschenko, Bolsonaro und Trump wurde laut einer Zeitungsmeldung nun Assad positiv auf Corona getestet. Auch er weist nur leichte Symptome auf, dieses Virus ist einfach nicht gerecht, warum sollte es auch. Andererseits stellt vielleicht auch ein Virus gewisse menschliche Mindestanforderungen an seinen Wirt.

Mittwoch: Vormittags konnte ich konzentriert und von lästigen Besprechungen unbehelligt den Geschäften nachgehen. Merke: Zumeist ist es weder erforderlich noch sinnvoll, die Tätigkeit zu unterbrechen, nur weil einer anruft.

Überhaupt ist mir schriftliche Kommunikation tendenziell etwas lieber, auch wenn manche Nachricht rätselhaft ist.

Das rechte Hosenbein meiner Jeans weist auf dem Knie ein kleines Loch auf, warum auch immer; vielleicht ist die Qualität dieser bekannten US-amerikanischen Marke auch nicht mehr das, was sie mal war. Jedenfalls ist es schön, in einem Alter zu sein, wo es keine Option mehr ist, das Loch größer aufzuschneiden und die Hose mit Knielüftung weiter zu tragen.

Donnerstag: Heute vor zehn Jahren löste ein schweres Erdbeben in Japan einen Tsunami aus, der Tausende von Opfern forderte und das Atomkraftwerk von Fukushima zerstörte; kurz darauf wurde bei uns der Ausstieg aus der Atomkraft verkündet, Sie erinnern sich. Da im Zusammenhang mit dieser Katastrophe fast nur von den Folgen des GAU die Rede ist, sei auch noch einmal an die verheerende Flut erinnert.

Dass heute Mittag außerdem bei uns die Sirenen testweise aufheulten, war wohl eher Zufall. Unterdessen berichtete die Zeitung über die Beobachtung verstärkter vulkanischer Aktivitäten unter der Eifel; die Wissenschaft beruhigt, ein Ausbruch steht wohl nicht unmittelbar bevor. Da würden funktionierende Sirenen auch nicht viel nützen.

Was dem einen sein Ying und Yang, ist dem anderen sein Für und Wider.

Gesehen heute Morgen auf dem Weg ins Werk.

Abends kam es zu leichten Irritationen, nachdem der Liebste vom Einkauf Erdbeeren aus spanischer Sklavenhaltung mitgebracht hatte – obwohl er immer wieder völlig zu recht darauf hinweist, man solle Früchte und Gemüse möglichst nur dann essen, wenn sie gerade Saison haben und nicht um die halbe Welt transportiert wurden. Aber der Mensch ist nun mal ein vollkommen inkonsequentes Wesen, da schließe ich mich ausdrücklich mit ein. Im Übrigen, wo sie schon mal hier waren, schmeckten die Beeren ganz passabel.

Freitag: In einer Besprechung sagte ich versehentlich „ehrlicherweise“ und biss mir daraufhin sofort auf die Zunge. Es tut jetzt noch ein bisschen weh.

Man hört und liest nun viel von Selbsttests, erfreulicherweise nicht „Self Check“, das kommt vielleicht noch. Ob sich als Alternative in Skeptikerkreisen „Coronanie“ durchsetzen wird, erscheint eher unwahrscheinlich.

Apropos Skeptikerkreise: Diese Menschen statt als „Querdenker“ als „Quermeiner“ zu bezeichnen gefällt mir gut, gelesen hier.

Samstag: Der Rheinländer neigt gelegentlich zur derben Wortwahl, wie ich selbst aus eigener täglicher Erfahrung („Du Tuppes“ als eher harmlose Variante) weiß. Eine besondere Eigenart des Rheinischen ist ja, in dieser Sprache klingen selbst üble Beschimpfungen, für die der Außerrheinische eine Klage am Hals hätte, wie eine Neckerei unter Freunden. So auch hier:

(aus: „Bönnsche Geschichte und Geschichten“ von Josef Niesen)

Gespräch bei Tisch, gleichsam als Nachtrag zur donnerstäglichen Erdbeerdebatte: „Erbsen schmecken am besten direkt vom Strauch.“ – „Ja, genau wie Tomatensuppe.“

Sonntag: Auf dem Frühstückstisch stand Krabbensalat mit einer Cognac-Soße, was ein ganz klein wenig nach Dekadenz schimmerte. Im Übrigen neigen wir eher nicht zum Luxus. Das mit den Erdbeeren war ein bedauerlicher Ausrutscher.

Unterdessen große Heiterkeit beim Geliebten wegen eines Wellensittichs mit Suizidabsichten, was weiter auszuführen allerdings den Rahmen sprengen würde.

Von Wellensittich zu Wellerman: WDR 2 hat nun dieses an Strophen reiche Seemannslied für sich entdeckt. Der Ohrwurm schreibt es unter bösem Gelächter hundert mal mit quietschender Kreide auf den Frontallappen. Aber ich will und soll ja nicht immer über alles meckern.

Woche 5: Eher geringfügig

KW5 - 1 (1)

Montag: Bei der Kaffeebereitung am Morgen versäumte ich mal wieder, in die Nespressomaschine eine frische Kapsel einzulegen. Das ist zwar gut für die Umwelt, dem Aroma hingegen wenig zuträglich. Ja ich weiß, Nespresso ist schlecht, von wegen Umweltsau und so. Und jetzt kommen Sie mir bitte nicht mit „denk an Greta“ oder einem ähnlich originellen Satz.

„Verkauf nicht dein Leben“, hat jemand an den Zugang zur Stadtbahn gesprüht, womit das Schicksal des Berufstätigen schon am frühen Morgen in erschreckend prägnanter Weise auf den Punkt gebracht ist. Ähnlich prägnant, wenn auch in gröberen Lettern, schreit den zum Werke Gefahrenen „KEIN BOCK AUF ARBEIT“ von der Tunnelwand aus an, gelesen, als die Bahn vor einem Halt zeigenden Signal stand. Vorstehendes gleichsam ergänzend wird der große Chef im Intranet zitiert: „Menschen brauchen Sinnhaftigkeit.“ Wer wollte das bezweifeln. Das waren dann aber auch genug Sinnsprüche für einen Montag.

Dienstag: Im Radio moderiert Jan-Malte Andresen. Ein schöner Name, wie ich finde. Wenn ich ihn höre, stelle ich mir Mutter Andresen vor, wie sie früher, als er noch klein war, rief: „Jan-Malte, räum endlich dein Zimmer auf!“ Seine Freunde und sein Partner (m/w/d) nennen ihn „Janni“. Nur wenn er mal wieder seinen knüsseligen Schlüpfer achtlos neben der Dusche liegen gelassen hat, dann heißt es: „Jan-Malte, ist das wirklich so schwierig?“ Zugegeben: Das alles ist meiner Phantasie entsprungen, ich kenne den Mann ja gar nicht. Woher soll ich etwa wissen, ob er Schlüpfer trägt. Hätte die Natur für mich einen Kinderwunsch vorgesehen und mich dazu mit einem Sohn ausgestattet, würde ich ihn vermutlich nicht Jan-Malte nennen. Dafür vielleicht Hector-Pascal, nur damit ich sagen kann, wenn er ungezogen ist: „Hector-Pascal, hör jetzt, sonst gibts Druck!“

Mittwoch: Projekt-Tagung in Bad Breisig. Selten sah ich so viel Powerpoint mit überflüssigen Bildchen und zu viel Text in viel zu kleiner Schrift. Doch blieb der Erkenntnisgewinn nicht ganz aus, etwa diese: „Ich kann den Braten erst teilen, wenn er auf dem Teller liegt“, hörte ich in einem Vortrag. Dafür hat sich die Anreise schon gelohnt.

„Damit bin ich fein.“ Warum sagen Menschen solche Sätze? Klar, weil sie das irgendwo gehört haben und gedankenlos nachplappern. Aber wer hat damit angefangen?

Abends während der Bahnfahrt nach Köln schrieb ich in mein Notizbuch, warum, oder eher: inwiefern ich eine Umweltsau bin, und warum/inwiefern nicht. Dazu hier demnächst mehr.

Donnerstag: Morgens auf dem Weg zum Werk ging vor mir eine Dame, die so sehr mit ihrem Datengerät beschäftigt war, dass sie beinahe über einen im Weg stehenden Elektroroller gestolpert wäre. So gerne es mir leid tut – ein schäbiges Lachen hätte ich im Fall des Falles wohl kaum unterdrücken können.

Freitag: Morgens erzählte mir der Geliebte von seinem Traum der vergangenen Nacht: „Wir haben dich weggetragen, du warst ganz hart. Auf dem Tisch in der Küche stand hinterher Champagner.“ Ich bin seitdem etwas in Sorge.

Der am Montag zitierte Schriftzug an der Stadtbahnhaltestelle wurde mittlerweile ergänzt um „sondern erlebe deinen Verkauf“. Mal sehen, ob da noch mehr kommt, Platz wäre vorhanden. Ich halte Sie auf dem Laufenden.

In einer Besprechung zum Thema Datengeräte spricht einer von einem „unmotivierten Warmstart“. Kenne ich, jeden Montag aufs Neue.

Samstag: „Der Ex und der Sex – Wie die beiden Päpste aneinandergerieten“, steht auf der Titelseite des SPIEGEL. Gell, da kommen verstörende Bilder auf.

Sonntag: In der Debatte um die mögliche Abschaffung von Ein- und Zweicent-Münzen bezeichnet der FDP-Politiker Otto Fricke laut FAS Bargeld als „geprägte Freiheit für den Einzelnen und gesellschaftlicher Kitt im Zwischenmenschlichen“. Gewissermaßen die liberal aufgeschäumte Variante dessen, was schon die Oma sagte: „Wer den Pfennig nicht ehrt …“ – Sie wissen schon.

Eher geringfügig war auch unser Auftritt bei der Karnevals-Massenveranstaltung „Bonn steht Kopp“.

KW5 - 1 (2)

Man muss es schon gerne machen, um eine halbe Stunde für An- und Abfahrt und eine Dreiviertelstunde Wartezeit in einem positiven Verhältnis zu sehen gegenüber drei Minuten Auftritt. Aber was treibt man doch oft für einen Riesenaufwand, um ein paar Minuten Spaß zu haben, nicht wahr.

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