Montag: In einem SPIEGEL-Interwiu über Kirche und Körperwonnen las ich das Wort „Partner*innenschaft“ und verdrehte darob innerlich die Augen. Ob es wirklich Menschen gibt, die beim Hören des herkömmlichen Begriffs „Partnerschaft“ vor allem an eine wie auch immer geartete Verbindung ausschließlich männlicher Personen denkt? Manchmal geht es mir echt auf den Zeiger. Viel mehr gibt es über den Wochenbeginn nicht zu berichten, das ist nicht schlimm. Auf einer Wohlfühlskala von eins bis zehn gäbe ich dem Tag eine Sieben, das ist für einen Montag ganz passabel.
Dienstag: Da auch dieser Tag, insgesamt zufriedenstellend und ohne nennenswertes Ungemach, wenig Inspiration zum Aufschrieb bot, sei mir bereits heute die nächste Antwort auf eine der tausend Fragen gestattet.

Frage 602 lautet: „Worauf achtest du bei jemandem, dem du zum ersten Mal begegnest?“ Das kann ich generell nicht beantworten, es kommt sehr auf die jeweilige Situation und Person an. Grundsätzlich nehme ich als erstes, naheliegend, das Äußere wahr, männliche Personen werden dabei meistens und weitgehend situationsunabhängig einer automatischen Attraktivitätsbewertung unterzogen, da bin ich sehr einfach gestrickt; was einen Mann in meinen Augen attraktiv erscheinen lässt, führe ich jetzt nicht weiter aus. Rasierte und tätowierte Waden jedenfalls nicht. Ein beachtetes Kriterium ist bei Mann wie Frau auch die Stimme, die sehr angenehm, aber auch anstrengend sein kann. Bedeutend ist auch das mit der Stimme Produzierte: Benutzt die Person Anglizismen, sagt sie häufig „genau“ oder „tatsächlich“, findet sie Dinge „spannend“? Im Übrigen ist es immer erfreulich, wenn etwas sinnvoll ist oder Sinn ergibt, jedoch nicht Sinn macht.
Mittwoch: In einer Mail schrieb ich zunächst „mimimieren“, bemerkte den Fehler dank Rechtschreibprüfungsunterstrichelung und korrigierte ihn. Das Wort notierte ich jedoch zur späteren Verwendung in larmoyanten Zusammenhängenden.
Eine liebe Kollegin hatte den letzter Arbeitstag vor dem Ruhestand. Aus diesem Anlass gab es mittags Sekt und Kuchen, dabei wurde über alte, vordigitale Zeiten mit Faxgeräten und V.d.A.-/N.d.A.-Vermerken geplaudert. V.d.A.? N.d.A.? Das, liebe Kinder, war so: Wenn die Zentrale etwas anzuweisen oder mitzuteilen hatte, wurde nicht einfach eine Mail rausgehauen. Vielmehr wurde mit angemessener Sorgfalt ein Schreiben verfasst. Bevor es rausging, wurde der Entwurf allen Stellen vorgelegt, die bei dem Thema mitzureden hatten. Dazu wurde in den Kopf des Entwurfs „V.d.A.“ (= „Vor dem Absenden“) geschrieben, darunter alle Stellen bzw. Abteilungen, die den Entwurf absegnen sollten. Per Umlauf ging der Entwurf dann von Stelle zu Stelle, die ihre gefällige Kenntnisnahme jeweils durch Namenskürzel eines Befugten und Datum dokumentierte. Erst wenn der Entwurf mit allen Abzeichnungen wieder zurück beim Verfasser war, wurde das Schreiben, die sogenannte Reinschrift, abgeschickt. So konnten zwischen Verfassen und Absenden einige Tage, manchmal Wochen vergehen. Wenn das Schreiben raus war, wurde unter den Entwurf „N.d.A.“ (= „Nach dem Absenden“) geschrieben, darunter alle Stellen, die es nur zur Kenntnis nehmen sollten. Wenn der Entwurf danach wieder beim Verfasser ankam, nahm er ihn zu den Akten (Z.d.A.). Früher war eben nicht alles besser, nur vieles anders. Ging aber auch irgendwie, nur nicht so schnell. Irgendwann wird man auch keine Mails mehr schreiben, dann wird nur noch per Teams-Chat kommuniziert. Hoffentlich bin ich dann auch im Ruhestand.
Nach der Arbeit war ich verabredet zu einem Treffen mit anderen Schreiberinnen, um unsere Romanbaustellen zu besprechen. Letztlich waren wir nur zu zweit, weil zwei andere kurzfristig abgesagt hatten. Es war dennoch, vielleicht gerade deshalb sehr produktiv, die zwei Stunden vergingen schnell. Zufrieden bin ich mit meinem Werk noch nicht: Der Anfang bzw. ungefähr das erste Drittel und das Ende stehen, aber dazwischen fehlt noch einiges. Ich komme zurzeit nicht weiter, weil mir noch die zündende Idee fehlt, um die Lücke literarisch zu füllen. Deshalb erhoffe ich mir aus diesen Treffen einiges.
RTL sendet demnächst keine Spätnachrichten mehr, steht in der Zeitung. Grund: „RTL optimiert den Audience Flow in der Primetime.“
Gesehen:

Donnerstag: Heute ist Christi Vatertag, deshalb blieben wir lange im Bett, wo ich unter anderem den gestrigen Tag nachbloggte. Nach spätem Frühstück unternahmen der Liebste und ich eine Radtour durch die Siegauen bis nach Hennef-Geistingen. Auf dem Weg begegneten wir zahlreichen kleineren und größeren Gruppierungen junger Männer, tagesüblich ausgestattet mit Bollerwagen, Bier und Bassgetöse zweifelhafter Musikbegleitung. Außerdem teilten wir die Strecke mit den üblichen Rennradkaspern, die in bunten Strampelanzügen und mit verkniffenem Blicke in irrwitziger Geschwindigkeit die Ausflügler zu Fuß und Rad umkurvten. Ich habe es inzwischen aufgegeben, ihnen jedes Mal „Fahr zur Hölle!“ zuzurufen. Sie werden ihr Verhalten nicht ändern.
In Geistingen stärkten wir uns auf der Dorfkirmes mit Bratwurst und Bier, ehe wir die Rückfahrt auf direktem Weg über Niederpleis und Hangelar antraten. Die Sonne zeigte sich heute nicht, kurzzeitig tröpfelte es andeutungsweise. Zum Radfahren genau richtig.

Freitag: Über Nacht ist der Sommer zurück gekehrt, schon morgens auf dem Fahrrad war es deutlich wärmer als an den Vortagen, mit Jacke noch geradeso angenehm.
Für einen Brückentag waren erstaunlich viele Kollegen in den Büros, die aber nicht weiter störten, das ist nicht selbstverständlich. Gut gelaunt beendete ich zeitig die Arbeitswoche und radelte nicht minder gut gelaunt nach Hause, jetzt mit Jacke auf dem Gepäckträger.
Der Modemacher Harald G. wird 60, berichtet die Presse. Er wisse nicht, wie viele Schönheitsoperationen er bereits hinter sich habe. Ob der Schönheitsbegriff hier angebracht ist, mag jeder für sich entscheiden.

Samstag: Der Wecker weckte früh, weil ein Besuch der Mutter in Bielefeld im Kalender stand. Auf dem Weg zum Bahnhof genoss ich die besondere Stimmung am Morgen, wenn nur wenige Menschen und Autos auf den Straßen sind, die nur an Sams-, Sonn- und Feiertagen zu erleben ist. Oder ganz früh morgens, dann hält sich der Genuss aber in Grenzen.
Die Bahn war pünktlich und nicht sehr voll, erst ab Düsseldorf füllte es sich merklich. Mir war es recht, ich hatte meinen Fenstersitzplatz und konnte rauskucken, meine liebste Beschäftigung während Bahnreisen. Dazu kam ich allerdings intensiv erst ab Kamen, vorher waren auf dem iPad Zeitung und Blogs zu lesen. Die Bordklimaanlage kühlte unterdessen auf kurz vor Gänsehautgrenze, jedenfalls nach meinem persönlichen, diesbezüglich nicht repräsentativen Empfinden.
Lörning des Tages: Offenbar hatte ich am Vorabend das Telefon nicht richtig auf die induktive Ladevorrichtung gelegt, morgens betrug der Ladestand nur rund fünfzig Prozent. Daher versuchte ich, es über das mitgeführte Ladegerät im Zug zu speisen. Aber ach, der Stecker wollte nicht in der Steckdose unter den Sitzen halten, er fiel immer wieder heraus. Ich versuchte es an einer anderen Sitzreihe, auch dort fand ich keinen Anschluss. Offenbar eine Fehlkonstruktion, mindestens eine Nichtkompatibilität. Da die Ladung voraussichtlich bis Bielefeld reichen würde, wo ich das Telefon in der Mutterwohnung füttern konnte, verzichtete ich auch auf den Einsatz der ebenfalls mitgeführten Powerbank. In Hamm setzte sich ein junges Mädchen zu mir und fragte, ob sie die Steckdose kurz nutzen könnte, in der Hand hielt sie ein identisches Ladegerät wie meins. Ich bejahte und dachte: Sag mal nichts. Das Mädchen dankte und steckte das Gerät in den Stecker, wo es mit deutlichem Geräusch einrastete. Ich hatte nicht stark genug gedrückt. Manchmal ist man echt dusselig.
Während des erfreulichen Besuchs mit Kaffee und Kuchen auf dem Balkon teilte mir die Bahn-App mit, meine geplante Rückfahrt mit dem Regionalexpress verspätete sich um wenige Minuten. Kurz darauf meldete sie sich wieder, aus den wenigen Minuten wurde eine Viertelstunde. Schließlich meldete sie den Ausfall der Fahrt. Daher entschied ich mich für einen Intercity, der Bielefeld pünktlich verließ und nach einer Umleitung über Düsseldorf wegen in den Gleisen spielender Kinder bei Solingen mit etwa viertelstündiger Verspätung Köln erreichte, wo ich den direkten Anschluss nach Bonn verpasste. Statt mich darüber zu ärgern, erfreute ich mich an den Durchsagen des Zugführers, der wie Hoche Gonzalez klang, aber ganz anders aussah. Man kann nicht alles haben. Bonn erreichte ich dann auch noch zu angemessener Gastronomiezeit mit den Lieben.
Die Bahn renoviert zahlreiche Bahnhöfe, lässt sie uns per Plakat wissen. Dadurch werden sie zu „Zukunftsbahnhöfen“, ein tolles Wort, klingt ein wenig nach Science Fiction und Zeitreisen.
Sonntag: In der Nacht hatte es gewittert und stark geregnet. Zu meinem Erstaunen erfuhr ich davon erst am Morgen, als der Liebste berichtete und ich es in der Wetter-App nachschaute; ich selbst hatte es glatt verschlafen. Normalerweise wache ich auf und ziehe mir die Decke über den Kopf, bis es vorbei ist. Nächtliche Gewitter sind mir unheimlich, das wird sich wohl nicht mehr ändern.
Nach Ausschlafen, Balkonfrühstück mit den Lieben und Lektüre der Sonntagszeitung unternahm ich einen längeren Spaziergang auf die andere Rheinseite. Zahlreiche Pfützen auf den Wegen zeugten noch vom nächtlichen Wettertosen. Heute hingegen bestes Kurze-Hosen-Wetter, allerdings erst, nachdem ich losgegangen war. Trost fand ich auf dem Rückweg im Lieblingsbiergarten, wo erstaunlich wenig Betrieb herrschte.

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, kommen Sie gut durch die Woche.
(Redaktionsschluss: 17:45)


