Woche 38/2025: Nichts verpasst

Montag: Der erste Arbeitstag nach dem Urlaub war so schlimm nicht. Erstmals seit ihrer Fertigstellung benutzte ich die weiterhin umstrittene Radspur neben der Adenauerallee, für die, o Frevel, je Richtung eine Fahrspur für die Autos geopfert wurde. Es radelt sich dort nun ganz vorzüglich, auch der Kraftfahrzeugverkehr rollte ohne erkennbaren Stauungen dahin. Vielleicht währt dieser Zustand nicht lange: Der Oberbürgermeisterkandidat der CDU, die gestern bei der Kommunalwahl die meisten Stimmen bekommen hat und der gute Chancen hat, nach der Stichwahl in zwei Wochen die bisherige Grüne Oberbürgermeisterin abzulösen, hat bereits angekündigt, die Vierspurigkeit für Autos wiederherzustellen. „Wir bauen auf, wir reißen nieder / So gibt es Arbeit immer wieder“ hieß es wohl früher in der DDR.

Im Büro konnte ich mir weitgehend ungestört einen Überblick über Verpasstes verschaffen (ich habe nichts verpasst). Ganz ohne Besprechungen ging es nicht; „quasi tatsächlich“ hörte ich einen sagen. Hätte er noch „genau“ im Satz untergebracht, hätte ich vielleicht aufgeheult.

Symbolbilder können sie bei dpa (aus GA-online)

Gehört: „Das ist die Wollmilch legende Eiersau.“ (Interessanterweise beanstandet die Rechtschreibprüfung weder Wollmilch noch Eiersau.)

Dienstag: In den frühen Morgenstunden wurden wir geweckt von einem fernen, auf- und abschwellenden Geräusch wie eine Mischung aus Schienenschleifzug und hochdrehendem Laubbläser. Wie der Zeitung zu entnehmen ist, war die Ursache ein außerplanmäßiges Dampfablassen beim städtischen Heizkraftwerk. Als ich Kind war, bliesen ab und zu bei der Feldmühle-Papierfabrik in Bielefeld-Hillegossen die Sicherheitsventile ab, was auch bei uns in Stieghorst, gut zwei Kilometer entfernt, noch deutlich zu hören war. In meiner Erinnerung grollte das wesentlich bedrohlicher als jetzt das Heizkraftwerk, vor allem nachts, wenn Geräusche ohnehin oft beeindruckender sind. Es mag aber auch an der Unschärfe meiner Erinnerung liegen.

Laubbläser brüllten mich auch morgens von allen Seiten an, als ich zu Fuß ins Werk ging. Es war trocken, deutlich kühler und dunkler als vor dem Urlaub, Jackenwetter. Dabei fällt mir auf, dass auch junge Leute offenbar zunehmend Gefallen an Bekleidung in Beigetönen finden. Textile Frühverrentnerung*.

Hinweg
Rückweg. Die untere Trinkebene des Rheinpavillons wird zusammengeräumt.

*Diesen Begriff erdachte ich vergangene Nacht während einer kurzen Wachphase und ich dachte: Musst du dir merken. Morgens das Übliche: Die Erinnerung daran, dass ich mir etwas unbedingt merken wollte, war noch da, nur nicht mehr an das zu Merkende. Erst als auf dem Rückweg vom Werk ein älterer Herr mit beiger Jacke vor mir herging, fiel es mir wieder ein.

Mittwoch: Es ist immer wieder beglückend, ein Wort zu lernen, von dessen Existenz ich bislang nichts ahnte, dessen Sinn, wenn auch nicht zwingende Notwendigkeit sich gleichwohl beim Lesen, spätestens beim Nachschauen im Duden (warum heißt das noch nicht dudeln? Egal:) unmittelbar ergibt. So las ich heute in einem Fachkonzept erstmals „konfligieren“, das Verb zu Konflikt, gleichsam ein gehobener Ausdruck für „zanken“. Ich bewundere den Wortschatz des Autors und nehme mir vor, es selbst gelegentlich anzubringen, wenn ich es nicht bald wieder vergesse.

Donnerstag: Mindestens genauso freut es mich, wenn ein Satz sich selbst bestätigt wie der folgende, heute gelesen in einem Verbesserungsvorschlag: „Nicht jeder schreib aber leserlich oder korrekt.“

Ansonsten war ich heute zu Fuß im Büro, obwohl kleine Woche ist und ich somit frei hätte. Aus familiärem Anlass der angenehmen Art ist der freie Tag auf morgen verschoben, was mir schon heute die Möglichkeit bot, mich von den Kollegen mit „Schönes Wochenende“ zu verabschieden.

Morgens

Freitag: Was schön war: Frühstück und Leutekucken mit den Lieben bei schon morgens milden Temperaturen vor dem Café in der Bonner Innenstadt, eine Hochzeit im Ostwestfälischen bzw. angrenzenden Niedersachsen, das Wiedersehen mit vielen lieben Menschen, gut unterhalten, gegessen, getrunken und gelacht, unter anderem hierüber (wie gut, wenn man Dinge sofort notiert): „Fußpils“ als Synonym für Gehbier, „Harnsteinzimmer“ als Umschreibung für Toilette und den (be-)merkenswerten Satz, hervorgebracht von der Nichte des Liebsten: „Wenn ich mich kompetent unterhalten möchte, führe ich Selbstgespräche.“ Die zunächst standesamtliche Trauung fand in Melle statt, die anschließende Feier bei perfektem Gartenpartywetter auf dem Land bei Melle. Im nächsten Jahr sehen wir uns wieder, wenn kirchlich geheiratet wird; jedenfalls gehe ich fest davon aus, dass das junge Glück bis dahin hält.

Auch optisch war es schön:

Abendlicht I
Abendlicht II
Später
Gesehen in Melle

Samstag: Mittags kamen wir zurück aus Bünde, wo wir im Hotel übernachtet hatten. Zur notwendigen Wiederbelebung diverser Lebensgeister unternahm ich als erstes bei immer noch sommerlichem Kurze-Hosen-Wetter einen Spaziergang. Gedanke dabei: Wenn nach meiner Beobachtung die Fahrer von Autos in der Stadt, die durch besonders aggressive Fahrweise und hohe Lautstärke auffallen, größtenteils männlich, dunkelhaarig und bärtig sind, ist das dann fremdenfeindlich, rassistisch gar, oder nur selektive Wahrnehmung?

Am frühen Abend stand bereits die nächste Gartenparty an: Die Gattin eines Mitglieds des Karnevals-Musikcorps feierte ihren sechsundsechzigsten Geburtstag, und also spielten wir ihr ein Ständchen. Die musikalische Qualität war mäßig und ich meine, eine gewisse Erleichterung in den Gesichtern der Gesellschaft wahrgenommen zu haben, als wir die Instrumente wieder einpackten. Höflich applaudiert wurde dennoch, Bratwurst und Bier bekamen wir auch.

Das leitet über zur Frage 66, die lautet: „Zu welcher Musik tanzt du am liebsten?“ Tanzen, wie lange ist das her … Aufgrund allgemeiner, nicht zu beklagender Ruhigerwerdung komme ich kaum noch dazu. Jedenfalls gibt es schon einige Lieder aus den Achtzigern und Neunzigern, die mich immer noch, wenn die Gelegenheit besteht, auf die Tanzfläche ziehen. Stellvertretend genannt seien „Shout“ von Tears For Fears, „True Faith“ von New Order und „Don‘t Look Back In Anger“ von Oasis. Nur komme man mir bitte nicht mit Paartanz. Wie schön früher dargelegt, habe ich dazu kein Talent.

Sonntag: Über Nacht verabschiedete sich die späte Sommerepisode wieder, morgens beim Aufwachen war sanftes Regenrauschen zu vernehmen. So sollte es laut Ankündigung den ganzen Tag bleiben, und deutlich kühler werden. Die Realität zeigte sich freundlicher: Die Temperatur ließ ein Frühstück auf dem Balkon zu, auch ein paar späte Wespen zeigten sich noch interessiert an Wurst und Käse.

Zum Spaziergang am Nachmittag wappnete ich mich für alle (Regen-)Fälle mit wasserdichten Wanderschuhen und Regenschirm, doch es blieb trocken, sogar die Sonne zeigte sich kurz. Der Schirm erfüllte seine Funktion als Regenverhinderungsschirm wieder perfekt. Auf dem Weg warf ich die Wahlbriefe für die Oberbürgermeister-Stichwahl am kommenden Sonntag ein, wäre das auch erledigt.

Auf dem Münsterplatz präsentierte sich der Bund der Vertriebenen mit Ständen, Bierbude und Bühne. Mit Verlaub, vielleicht ist das auch böse: Müssten die nicht inzwischen ausgestorben sein?

Eine Straße weiter eröffnet demnächst ein neuer Lieferdienst für Schnitzel, laut Anschrift am Ladenlokal mit der weltbesten Schnitzelbowl. Anscheinend erfahren Nahrungsmittel bei jüngeren Leuten nur noch Akzeptanz, wenn sie in einer Bowl gereicht werden. Vielleicht gibt es demnächst auch Brathering- und Mettbrötchenbowl.

Am Bahnübergang Weberstraße stand ich vor geschlossenen Schranken. Kurz darauf fuhr ein Triebzug von National Express durch, wie sie auf der RB 48 eingesetzt sind. Als Fahrtziel war nicht Wuppertal-Oberbarmen angegeben, sondern „Hamster on tour“, was auch immer das nun wieder zu bedeuten hat. Ich war zu überrascht, um ein Foto zu machen.

Aufgrund des unerwarteten Außenbierwetters gönnte ich mir zum Schluss beim bayrischen Wirtshaus in der Innenstadt eine Halbe Oktoberfestbier, das sie zurzeit im Ausschank haben. Das muss man ausnutzen.

Apropos Oktoberfest: Mitbloggerin Kaltmamsell aus München ist vor dem alljährlichen Wiesnwahnsinn nach England geflüchtet und offenbar gut angekommen; ihre Befürchtungen, was alles schief gehen könnte (sie ist mit der Bahn gereist) waren unnötig. Ich wünsche ihr, sofern sie es lesen sollte, sonst auch, einen angenehmen Aufenthalt und hoffe, in einer Woche ähnliches von mir vermelden zu können. Zwar reise ich nicht nach England sondern nur nach Büsum an der Nordsee, aber eben auch mit der Bahn.

Poppelsdorfer Allee
Adenauerallee mit neuen Radspuren, siehe Montag
Festbier

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Kommen Sie gut durch die Woche und bleiben Sie zuversichtlich.

17:30

Woche 28/2025: Manchmal ist es zu wahr, um schön zu sein*

Montag: Ein nicht allzu trüber (manche würden schreiben: okayer, mich graust bei solchem Wortungeziefer) Wochenstart mit Regen, Kühle und einem frühen Arbeitsende, weil sich direkt eine Eigentümerversammlung anschloss, die ebenfalls erfreulich kurz und diskussionsarm verlief. Mehr gibt es über den Tag nicht zu berichten, das muss nicht schlecht sein.

Dienstag: Es ist weiterhin kühl, aber trocken. Bei angenehmem Jackenwetter ging ich zu Fuß ins Werk und zurück. Gedanke auf dem Rückweg: Kann es sein, dass das durchschnittliche Alter der Kinder, die von ihren Eltern im Kinderwagen durch die Gegend kutschiert werden, kontinuierlich ansteigt? Vielleicht lassen sich demnächst auch Sechzehnjährige derart chauffieren. Immerhin können sie dann, wenn sie ein Bedürfnis drückt wie Hunger, Kotreiz oder auf den Arm, per Smartphone Kontakt aufnehmen mit dem displaystarrenden, ohrstöpselbewehrten Elternteil.

Mein Kollege, der mich offenbar gut kennt, überreichte mir einen Artikel aus dem ZEIT-Magazin, in dem der Autor Jörg Burger ein Plädoyer auf das Feierabendbier hält. Daraus sei zitiert:

Modisch zeitgemäß wäre es, wenn ich einen rötlich sprudelnden Drink bestellen würde […] Ich trinke allerdings: ein Feierabendbier. […] Seit die Arbeit ein Teil des guten Lebens sein soll und nichts, für das man sich eben zusammenreißt, weshalb man sich abends wieder locker machen kann, gibt es nicht mehr viel zu feiern. […] Wer heute bei der Arbeit digitalen Ablenkungen widerstanden und nicht getrödelt hat, der ist beim ersten Schluck, das kühle beschlagene Glas in der Hand, den Schaum des frisch Gezapften auf der Oberlippe: ein zufriedener Mensch. […] Um 18 Uhr reicht eins. Aber noch eins ist meistens auch nicht falsch. […] Heute finden die Experten, das Leben sollte risikolos sein: null Alkohol. Aber wird es dadurch besser?

Ich fühle mich verstanden und inspiriert, daher verband ich einen Einkaufsauftrag am frühen, wieder sonnigen Abend sogleich mit dem Besuch einer Gaststätte in der Altstadt, wo draußen zufällig ein Tisch frei war. Ich trank nur eins und war sehr zufrieden.

Weg ins Werk

Mittwoch: „Netanjahu schlägt Trump für den Friedensnobelpreis vor“, steht in der Zeitung. Manchmal ist es zu wahr, um schön zu sein oder, wie Dieter Nuhr sagte: Was soll man da als Satiriker noch machen?

Gunkl schrieb: „Ein Diszept ist eine lose Sammlung miteinander unvereinbarer, gleichwohl nicht zutreffender und schon gedanklich hochgradig schleißig ausformulierter Annahmen. Kommt häufiger vor, als es die Seltenheit des Begriffes vermuten läßt.“ Das kann ich bestätigen, wobei mir das Wort „schleißig“ bis heute unbekannt war, aber man kann ja nun wirklich nicht alle Wörter kennen. Laut Duden bedeutet es verschlissen, abgenutzt.

Donnerstag: Kühle und Regen vom Wochenbeginn haben sich verzogen, perfektes Wanderwetter, zufällig an meinem freien Inseltag. Und also wanderte ich: die sechste Etappe des Natursteig Sieg, namentlich eine Runde um Herchen. Klingt harmlos, doch die Strecke hat es in sich. Sie führt überwiegend durch Wälder, teils auf bequem begehbaren breiten Wegen, lange Strecken aber auch über schmale Pfade, teils hart am Abhang, mit zahlreichen Stolperstellen, man muss ein wenig aufpassen. Es empfiehlt sich, einen Wanderstock zu benutzen. Kürzlich schaute ich mal in einem Sportfachgeschäft danach, man zahlt viel Geld dafür. Wesentlich günstiger ist die Variante, für die ich mich entschied: einen der zahlreich am Boden herumliegenden Äste aufheben, geht auch. In meiner ostwestfälischen Kindheit hieß die Mehrzahl von Stock übrigens „Stöcker“, ausgesprochen „Stöcka“. Nun wissen Sie das auch.

Insgesamt war es anstrengend, aber auch wieder beglückend. Zwänge man mich, etwas negatives zu nennen, dann die hier und da etwas liederliche Wegmarkierung, nach der ich mich lieber orientiere anstatt andauernd das Datengerät zu zücken. So verpasste ich manche Abzweigung und musste jeweils ein Stück zurück gehen. Andererseits, wer darin unnötig gelaufene Meter sieht, hat das Prinzip Wandern nicht verstanden.

Die Bahn war heute sowohl hin als auch zurück erfreulich pünktlich, wobei schon die Anreise durch das Siegtal erste Glücksgefühle erzeugt; ich empfehle dringend, aus dem Fenster statt auf das Telefon zu schauen. Bei einem Halt sah ich auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig einen Arbeiter (darf man das noch schreiben?), der ohne jede erkennbare Hast ein paar Staubkrümel erst nach links fegte, dann nach rechts. Das wiederholte er mehrmals mit großer Sorgfalt, schließlich kehrte er sie in die davor liegende, mit einem Rost bedeckte Abflussrinne. Vermutlich fühlte er sich unbeobachtet. Ich musste grinsen.

Bilder des Tages:

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Mahnmal an seltsame Zeiten
Die Sieg bei Stromberg
O Täler weit, o Höhen
..
..
Deutschlandpilz
Für Lotte
..
Moosansicht
Nie zuvor sah ich so viele wilde Himbeeren am Wegesrand
Verdient, bitte denken Sie sich dazu Currywurst an Pommes

Freitag: Vielleicht war es eine Nachwirkung gestriger Anstrengungen, jedenfalls befand ich mich heute in seltsamer Stimmung. Namentlich fühlte ich mich gestört von Verhaltensweisen anderer: ein quer auf dem Gehweg abgestellter Elektoroller; schon morgens öffentlich telefonierende Menschen und andere, die langsam vor mir her gingen und dabei aufs Telefon schauten; (obwohl ich selbst zu Fuß ging) Läufer auf dem Radweg und Radfahrer, die ohne zu schauen auf den Radweg einbiegen, sich während des Fahrens schnäuzen, indem sie sich ein Nasenloch zuhalten und den Rotz aus dem anderen heraussprühen oder mit irritierender Selbstverständlichkeit aus einer lärmenden Dose die Umgebung mit zweifelhafter Musik beschallen; hupende Autos und solche, die noch bei rot über die Kreuzung brausen sowie weitere Regelverstöße, die mich weder persönlich beeinträchtigten noch mir etwas nahmen. Ich möchte das nicht, ich möchte nicht, dass mich derlei zu stören vermag. Wenn sich das festsetzt, werde ich womöglich irgendwann zum misanthropischen Mopperer, der Leserbriefe schreibt, die Nachbarin wegen des lauten Wellensittichs verklagt und Falschparker aufschreibt, das kann man ja nun wirklich nicht sein wollen. Und vielleicht nehmen andere an mir genauso Anstoß, wenn ich wie üblich die rote Fußgängerampel ignoriere, was bei neutraler Betrachtung auch nicht besser ist.

Der Maileingang war nach einem Tag Abwesenheit ungewöhnlich umfangreich. Darunter Imponderabilien, die sich im Laufe des gestrigen Tages von selbst erledigt haben. Was ein weiteres Mal belegt: Es ist selten ratsam, Dinge sofort anzugehen.

Auf dem Rückweg passierte ich in der Innenstadt eine Gruppe Greenpeace-Aktivisten, die das Gespräch suchten, siehe auch meine Anmerkungen dazu in der vergangenen Woche. Anscheinend konnten sie schon meinen Blick dahingehend deuten, dass eine Ansprache sinnlos war, jedenfalls versuchten sie gar nicht erst, mich anzuquatschen.

Nach der Arbeit war ich beim Friseur, der sein Handwerk wie immer sehr zufriedenstellend und vor allem schweigend vollzog, schon letzteres ist Grund genug für ein angemessenes Trinkgeld.

Manchmal ist das Leben voller Rätsel

Samstag: Die schönsten Wochenenden sind zumeist die ohne Termin im Kalender, wie dieses. Das heißt nicht, dass wir nichts machten. So wie man laut Paul Watzlawick nicht nicht kommunizieren kann, kann man auch nicht nichts machen; selbst wenn man nur auf dem Sofa sitzt und die Tapete anschaut, macht man was. Heute früh beim ersten Toilettengang fielen mir zu diesem Thema kluge Sätze ein, die ich hier ins Blog schreiben wollte, leider war ich da noch zu schläfrig und bequem, sie zu notieren, nun sind sie größtenteils verschwunden. Nur das mit Watzlawick habe ich mir gemerkt, immerhin.

Der große Telekommunikationsanbieter, früher bekannt als Deutsche Bundespost – Fernmeldedienst, feiert an diesem Wochenende sein dreißigjähriges Bestehen. Die Innenstadt sowie das gegenüberliegende Beueler Rheinufer sind dekoriert in Magenta, auf dem Münsterplatz drängeln sich die Menschen, von einer Bühne dröhnt Livemusik, an zahlreichen Ständen stehen sie Schlange, wodurch ich augenblicklich das Interesse daran verlor, zu erfahren wofür sie anstehen. Als ich noch beruflich damit zu tun hatte, standen sie einmal im Monat bei mir Schlange, um ihre Telefonrechnung zu bezahlen, und zweimal im Jahr für das neue Telefonbuch. Mir war das zu voll und zu laut, deshalb zog ich es vor, etwas abseits davon ein Getränk zu mir zu nehmen und dem Treiben zuzuschauen.

Autsch

„Temu greift mit Tütensuppen an“, steht in der Zeitung. Auch das noch.

Zeit für die nächste Frage:

..

Frage Nr. 533 lautet: „Würdest du etwas stehlen, wenn du nicht dafür bestraft würdest?“ Nein, jedenfalls nichts, was man auch käuflich erwerben kann. Was anderes auch nicht, jedenfalls fällt mir spontan nichts ein. Gut, das Bahnhofsschild aus Aerzen, das an der Wand über der Modelleisenbahn hängt, ist streng genommen gestohlen; da die Strecke zu dem Zeitpunkt bereits stillgelegt war, würde ich es eher als „weggefunden“ bezeichnen, es wäre sonst vermutlich im Schrott gelandet. Im übrigen ist das eine seltsame Frage. Ist es noch Diebstahl, wenn im Erwischensfalle keine Strafe droht?

Abends gingen meine Lieben und ich rüber ans andere Rheinufer, um uns zusammen mit einigen tausend Anderen die Drohnenshow anzuschauen, die die Telekom zu ihrem Jubiläum bot. Zunächst war ich skeptisch, weil ich große Menschenansammlungen nicht mag, doch es war sehr entspannt und ungedrängt. Es hat sich gelohnt, ich fand es äußerst faszinierend, wie viel Freude siebenhundert Drohnen verbreiten können, wenn sie friedlich eingesetzt werden. Auch wenn der Stromverbrauch der dahinter stehenden Rechenleistung womöglich dem Tagesbedarf einer mittleren Kleinstadt entspricht.

Gehörte Erkenntnis: „Was der Rhein doch groß ist. Um auf die andere Seite zu kommen, brauchste ne Brücke.“

Herkunft
Kirschblüte
Vielfalt – leider jetzt nicht mehr überall
Ich danke auch – es war großartig

Sonntag: Aus der Sonntagszeitung: „Wer jemals versucht hat, einen halben Meter Baguette mit nach Hause zu nehmen, weiß, dass der Transport der überbordend langen Gebäckstangen schnell zum logistischen Desaster werden kann.“ Dagegen gibt es nun Abhilfe:

(FAS)

Immer wieder schön, wenn Probleme gelöst werden, die es gar nicht gibt.

Ein solches sind auch graue Haare, die sich mit zunehmendem Alter bilden. Eigentlich wollte ich es nicht mehr tun, doch das Zeug war ohne mich zu fragen schon gekauft. Nach massivem sozialen Druck meiner Lieben musste ich sie heute nochmals färben. Das Ergebnis ist nicht schlecht, aber doch gewöhnungsbedürftig, sie sind nun deutlich dunkler als zuvor. Wenn wir uns das nächste Mal begegnen, sind Sie also schon mal vorgewarnt. Das war ganz sicher das letzte Mal.

Spaziergangsbild vom nicht mehr ganz so großen Rhein

***

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, kommen Sie gut durch die Woche.

*Urheber: der Geliebte

Redaktionsschluss: 18:30 Uhr

Woche 38/2023: Wie lange noch

Montag: Der Tag begann mit theatralischem Türenschlagen meinerseits, weil ich mich morgens aus nichtigem Grund zu unrecht angeblafft fühlte; das sollte man nicht tun, schon gar nicht an einem Montagmorgen. Mehr als über des Geliebten Geblaffe ärgerte ich mich anschließend stundenlang darüber, derart ungehalten reagiert zu haben. Bei Rückkehr war beiderseits der Verdruss verdunstet, das kommt schon mal vor.

Ausnahmsweise habe ich den Sportteil mal nicht überblättert: Im aktuellen SPIEGEL ein Bericht über einen Extremkletterer, der ohne Helm und jede Sicherung hunderte Meter hohe, steile Felswende erklimmt. Meine größte Herausforderung heute lag mal wieder darin, trotz weißem Hemd mittags in der Kantine das Nudelgericht mit Tomatensoße zu wählen. Es ist gutgegangen.

Im Rheinauenpark sind zwei Brücken nach monatelanger Sperrung und Neubeplankung wieder begehbar, was neue Optionen für den Mittagsspaziergang öffnet beziehungsweise alte wiedereröffnet. Das ist zu loben.

Gelesen bei Herrn Fischer (und durchaus ein wenig gestaunt):

»Können wir die auch mal pragmatisch ein bisschen loslassen? Oder sind wir erst zufrieden, wenn Herr Nachbar nicht nur eine Wärmepumpe einbaut, sondern die von uns sorgfältig recherchierte exakt richtige und einzig mögliche Wärmepumpe – weil schließlich alle anderen Wärmepumpenhersteller auf ihren Websites falsch gendern?«

Schauen Sie bitte hier.

Dienstag: Zu Fuß ins Werk und zurück bei angenehmem Jackenwetter.

Hinweg
Rückweg

„Abschied ist ein scharfes Schwert“ war ein großer Hit von Roger Whittaker. Den singt er jetzt nicht mehr, und auch sonst nichts: Vergangene Woche ist er gestorben, wie gemeldet wird; ein weiterer Ach-der-lebte-noch-Moment, die sich in den letzten Jahren häufen, vielleicht geht Ihnen das auch so. Er wurde siebenundachtzig Jahre alt, war somit im Alter meiner Eltern, kam mir stets älter vor als sie, vielleicht lag das an dem Busfahrerbart. In den Siebzigerjahren, als er noch ausschließlich auf Englisch sang, fand ich den gar nicht so schlecht, wir hatten mehrere Langspielplatten von ihm im Haus, die ich mir ganz gerne anhörte, vielleicht auch deshalb, weil ich die Liedtexte kaum verstand. Er konnte nicht nur singen, auch ganz außergewöhnlich pfeifen. Als er in den Achtzigern anfing, auf Deutsch zu singen, wurde er für mich unerträglich. Nicht nur die Sprache hatte sich geändert, auch sein Musikstil, der gut zum damals nicht minder unterträglichen Radiosender WDR 4 passte, wo sie ihn regelmäßig spielten.

Als vor einigen Jahren das Elternhaus verkauft wurde, nachdem mein Vater gestorben war (er war zwei Jahre älter als Roger Whittaker), waren die alten Platten noch da, ich nahm sie an mich und besitze sie noch heute. Vielleicht sollte ich sie mal wieder hören.

Der Ohrwurm des Tages war indes nicht von Roger Whittaker, sonders dieses, auf Wunsch auch auf Englisch. Warum auch immer, Ohrwürmer fragen oft nicht nach Gründen. Jedenfalls wunderschön.

Mittwoch: Nachtrag zu gestern – laut Wikipedia war Roger Whittaker ein Sänger, Liedermacher und Kunstpfeifer. Vor vielen Jahren durch Loriot bekannt geworden, ist mir das Berufsbild des Kunstpfeifers seitdem nicht mehr begegnet.

Donnerstag: »Chemie wird nachhaltig« lautet die Überschrift eines Zeitungsartikels. Welch ein Unsinn.

Der Arbeitstag bestand im Wesentlichen aus einer recht erfreulichen größeren Zusammenkunft in Präsenz und einem nicht minder erfreulichen Abendprogramm mit Essen und Trinken in Porz-Wahn.

„In hundert Metern hast du dein Ziel erreicht“ – Wie ich während der Fahrt dorthin im Wagen des Kollegen feststellen musste, wird man mittlerweile auch von Navigationssystemstimmen geduzt. Ein weiterer Grund, weniger Auto zu fahren.

Freitag: Da ich die Veranstaltung am Vorabend rechtzeitig verlassen hatte, kam ich morgens ganz gut aus dem Hotelbett und ging sogar frühstücken, was ich sonst bei beruflich veranlassten Übernachtungen zumeist meide wegen der Gefahr, bereits morgens reden zu müssen, schlimmstenfalls über Arbeitskram. Auch sonst wirkte nichts unangenehm nach.

Nach einem freitagsangemessen frühen Arbeitsende ging ich zu Fuß nach Hause. Am Rheinufer bewunderte ich das neue Toilettenhaus, das seiner inneren wie äußeren Beschmierung entgegensieht, und bedauerte fast ein wenig, gerade nicht zu müssen.

Noch äußerlich unbeschmiert

Etwas weiter rheinabwärts steht vor dem ehemaligen Plenarsaal dieses Kunstwerk, dessen Namen ich mir nicht merken kann und das ich deshalb hilfsweise „Bundesgalgen“ nenne. Daran hat sich nun ein Graffitischmierer betätigt. Ich weiß, man soll deren Frevel nicht im Netz verbreiten; hier sei mir eine Ausnahme gestattet – nicht, weil der Schriftzug besonders gelungen oder sonstwie zeigenswert wäre, vielmehr weil ich mich frage, wie er den dort oben in luftiger Höhe angebracht haben mag.

Bundesgalgen mit Banane

Samstag: Laut einer Befragung zu Rechtsextremismus in Deutschland befürworten knapp sieben Prozent der Befragten eine Diktatur. Wieder einmal fragt man sich: Was geht in diesen Leuten vor? Was, glauben sie, würde sich dadurch für sie oder generell verbessern? Können wir denen nicht eine Flugreise nach Nordkorea spendieren, ohne Rückflug? (Wie lange wird es noch möglich sein, derartiges zu äußern, ohne staatliche Repressalien fürchten zu müssen?)

Abends besuchten wir das GOP-Theater, ein Varieté-Theater im ehemaligen Regierungsviertel. Dort war nicht nur viel sehenswerte Haut zu bewundern, auch und vor allem beeindruckten die Mitwirkenden auf der Bühne damit, welche Bewegungen und Verrenkungen menschliche Körper zu vollbringen vermögen, während ich nichtmal freihändig Fahrrad fahren kann.

Sonntag: Auch kurz nach Beginn des kalendarischen Herbstes zeigte sich das Wetter noch sommerlich. Deshalb entfiel auch heute der Sonntagsspaziergang zugunsten einer längeren Radtour mit dem Liebsten, rechtsrheinisch bis Erpel, dort mit der Fähre rüber nach Remagen, linksrheinisch zurück, insgesamt fast fünfzig Kilometer, die sich auch ohne Elektrounterstützung gut fahren ließen. In einem kleinen, sehr netten Biergarten mit Strandkörben am Rhein vor Rolandseck stärkten wir uns mit Bier aus der Eifel. Wir wohnen nun seit vierundzwanzig Jahren in Bonn und haben diese wirklich schöne Tour nie zuvor gemacht. Da muss man sich schon fragen: Warum eigentlich nicht? Wahrscheinlich einfach zu naheliegend.

Rhein bei Unkel
Erpel aus der Fährbootperspektive
Drachenfels bei Königswinker, links daneben Schloss Drachenburg

In Unkel sah ich vor einem Lokal ein Schild mit dem Hinweis, man könne leider nicht öffnen wegen Personalmangels. Ein Zustand, wie zu befürchten ist, an den wir uns mittelfristig gewöhnen müssen, nicht nur in gastronomischen Zusammenhängen. Schon heute fallen aus demselben Grund Busse und Bahnen aus, Läden bleiben geschlossen, Pakete werden verzögert zugestellt. Vielleicht kommen demnächst auch Polizei und Feuerwehr nicht mehr auf Notruf, weil niemand mehr diesen Job machen will.

Als ich abends Gyros holte, leuchtete das ehemalige Krankenhaus in der Nachbarschaft sehr sehenswert.

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Kommen Sie gut durch die Woche.

Woche 37/2023: Entrinnen unter üblichen Ausflüchten

Montag: Heute las ich erstmals in der Zeitung, jemand habe etwas auf X abgesondert, ohne den erläuternden Zusatz „vormals Twitter“. Eine kleine Zeitenwende, aber auch nur eine ganz kleine.

Eine große Zeitenwende wurde heute vor zweiundzwanzig Jahren vorausgesehen, als am elften September 2001 in New York und Washington die bekannten Terrorangriffe mit entführten Passagierflugzeugen vollzogen wurden. „Von nun an ist nichts mehr wie es war“, wurden die Medien zu betonen nicht müde. Das fand ich schon damals reichlich überzogen, mühelos ließe sich eine lange Liste erstellen von Dingen, die nach 9/11 genauso sind wie zuvor. Dazu gehört die gedämpfte Arbeitslust zu Wochenbeginn, wobei es heute einigermaßen ging; erst am frühen Nachmittag setzte erhebliche Müdigkeit ein und trübte die morgens gehegte Hoffnung auf einen milden Montagsverlauf ein wenig.

Trotz aller Widrigkeiten der Zeit auch nicht geändert hat sich die menschliche Vermehrungsfreude. So wurde am Wochenende ein Abteilungskollege Vater, wie heute zu erfahren war. Mein erster spontaner Gedanke: Hört das denn nie auf? (Mir fehlt da ein Gen, das ist nicht schlimm.)

Was ebenfalls nicht endet ist mein Misstrauen gegen Baukräne. Ein solcher steht seit ein paar Tagen eine Straße weiter, wo ein neues Haus gebaut wird. Seitdem frage ich mich: Wenn ungünstige Winde den Ausleger in unsere Richtung drehen und der Kran vom Sturm umgeworfen wird, schlägt er dann in unser Haus ein, oder vorher?

Noch steht er

Auf der Rückfahrt vom Werk kam mir am Rhein ein junger Radfahrer entgegen, freihändig fahrend. Das ging nicht anders, in der einen Hand das Datengerät, auf das sein Blick während der Fahrt gerichtet war, in der anderen eine Trinkflasche. Hoffen wir für ihn und vor allem die anderen, dass es nicht zu einem spontanen Bremserfordernis kam.

Dazu recht gut passend des Geliebten Versprecher des Abends: „Deine Zähne sind gezählt.“

Dienstag: Mittags im Park ging ein Aufsitzrasenmäher (zunächst …rasenäher geschrieben. Lässt sich vielleicht was draus machen, das hektische Schneiderlein oder so. Verzeihung:) seinem Geschäft nach, wobei er die zu kürzende Grasfläche von außen beginnend nach innen abarbeitete, gleichsam in konzentrischen Rechtecken. In Rasenmitte grasten zwei Nilgänse und beobachteten das sich nähernde, lärmende Gerät. Erst als der Mäher weniger als einem Meter an ihnen vorbei mähte, wechselten sie langsam, ohne erkennbare Hast und Eile, den Ort. In der Ruhe liegt die Kraft; von Gänsen kann man was lernen.

Morgens

Mittwoch: Am meisten leiden die Eltern, wenn Kinder von zu Hause abhauen, früher wie heute; hier ein aktueller Fall aus Dresden.

Als ich vor gut zwanzig Jahren nach jahrelanger Sportmeidung mit Laufen begann, war es üblich, sich unter Läufern bei Begegnungen per Handzeichen zu grüßen, so wie es Motorrad-, Bus und Bahnfahrer noch heute tun. Nach meiner Beobachtung ist dieser Brauch seit einigen Jahren aufgebraucht. Daher war ich heute Abend überrascht, als ein entgegenkommender Läufer nach alter Sitte die Hand zum Gruße hob; derart überrascht, dass ich den Gruß erst erwiderte, als wir längst außer Blick waren. Ansonsten lief es sich richtig gut ohne besondere Anstrengung, was auch am Wetter lag: knapp zwanzig Grad, bewölkt, leichter Wind. Für mich nahezu perfektes Laufwetter.

Mindestens genauso alt wie der Läufergruß ist die Gewohnheit mancher, die Dinge ins Internet schreiben, das Wort „früher“ stets mit einem „(TM)“ dahinter zu versehen, was mir inzwischen ebenfalls ziemlich aufgebraucht erscheint.

Für dieses Eichhörnchen scheinen die Gesetze der Schwerkraft nur eingeschränkt zu gelten

Donnerstag: „Das ist ein netter Kerl eigentlich. Du darfst ihm nur nicht begegnen“, sagte der Geliebte am Morgen, was mich bereits vor acht Uhr lachen ließ, das kommt sehr selten vor.

Der planmäßige Fußweg ins Werk erfolgte bei angenehmen Jackenwetter.

Taubtrüber Dunst am Mutterhaus
Wer ist Schorsch?

Um elf wurde ich durch den deutschlandweiten Probealarm geweckt aus konzentrierter Tätigkeit aufgeschreckt.

Der Arbeitstag endete spät mit einer langen Besprechung, der ich in der zweiten Hälfte kaum noch folgen konnte und wollte. Ein Entrinnen unter üblichen Ausflüchten erschien wegen Chefteilnahme nicht ratsam.

Danach gingen wir auf das werksinterne Sommerfest. Dort traf ich einige Kollegen, die ich entweder lange nicht persönlich oder bislang nur auf dem Bildschirm gesehen habe; manche gerne, andere nicht so gerne, siehe oben. Vermutlich kennen auch Sie Leute, die Sie möglichst nichts fragen, weil eine in jeder Hinsicht erschöpfende Auskunft zu befürchten ist. Mit zweien, die ich schon sehr lange kenne, bin ich jetzt per du, in diesen Fällen war das überfällig und passend.

Freitag: Heute war der monatliche Inseltag, also ein Urlaubstag zur freien persönlichen Verfügung, ausnahmsweise an einem Freitag wegen des Sommerfestes am Vortag.

Morgens hatte ich im Stadthaus einen Termin zur Abholung des neuen Personalausweises. Auf die Minute pünktlich wurde meine Wartenummer angezeigt, die Aushändigung erfolgte innerhalb weniger Minuten. Daran kann sich die Bahn eine Schiene abschneiden, dazu komme ich gleich noch.

Den Tag verbrachte ich wandernd: die dritte Etappe des Natursteigs Sieg von Stadt Blankenberg nach Merten. Sonne und Temperatur hatte ich etwas unterschätzt, kurze Hosen wären angebracht gewesen. Da weite Teile des Weges durch den Wald führen, war es dennoch beglückend. Außerhalb der durchwanderten Orte begegneten mir nur drei Menschen, dafür in großer Zahl rote Nacktschnecken, die mich an Kindheitstage erinnerten, als wir auf großväterliche Weisung mit einem Gartenwerkzeug ebensolche Schnecken metzelten, auf dass der Salat im Gemüsebeet unangefressen blieb.

Arion Rufus auf dem Weg zum Mittagessen

Kurz vor dem Ziel in Merten ließ die Wegmarkierung etwas zu Wünschen übrig. Auch hätte ich mir eine Gastronomie für das obligatorische Belohnungsbier gewünscht. Die Abfahrt der S-Bahn zurück nach Siegburg verzögerte sich, zunächst um fünf, am Ende zwanzig Minuten, die ich auf dem sonnenschutzlosen Bahnsteig warten durfte.

Das Bier gab es schließlich in einem Brauhaus in Siegburg, wo örtliches Bier im Angebot ist, unter anderem „Erntedankbier“; für mich gleichsam ein Probierchen, da mir Siegburger Braukunst bislang unbekannt war. Nicht schlecht.

Die Beauftragung eines erfahrenen Gartenarchitekten ist stets gut angelegtes Geld
Eitorf-Bach
Die Sieg in Merten

In der Zeitung las ich erstmals das Wort „Workation“ als Kombination von Arbeit und Urlaub, also am Urlaubsort arbeiten, wenn ich das richtig deute. Welch absurde Idee.

Samstag: Wie ich erst heute bemerkte, ist mein Rücken zerstochen von Mücken, vielleicht fielen sie gestern während der Wanderung unbemerkt über mich her, durch das T-Shirt. Verdammte Biester. Dagegen hilft angeblich Hitze: Seit einiger Zeit gehört zur Ausstattung unseres Haushalts eine Art Lötkolben, den man auf die Einstichstelle hält. Auf Knopfdruck entwickelt das Gerät für mehrere Sekunden eine bemerkenswerte Hitze. Ob es wirklich hilft, weiß ich nicht. Immerhin verdrängt der Hitzeschmerz vorübergehend das Jucken.

Heute vor einem Jahr fuhren der Liebste und ich für eine Woche nach Malaucène in Südfrankreich. Dass wir in diesem Herbst aus beruflichen Gründen nicht dort sein können, macht mich ein wenig traurig.

Gelesen bei Herrn Flusskiesel und für gut befunden:

Was kann man gegen den Faschismus, gegen die Faschisierung der Gesellschaft schon tun? Von links sehe ich wenig Hoffnung, weil man sich ja dort viel lieber bis aufs Blut darum streitet, welcher Begriff für welche Minderheit nun der Richtige ist, anstatt gemeinsam die Vision einer neuen, gerechteren Gesellschaft zu zeichnen.

https://kieselblog.flusskiesel.de/2023/09/15/mittwoch-13092023/

Wir leben in einer VUCA-Welt, las ich in einem Zeitungsinterview: V wie Volatilität, also ständige Veränderung, U wie Unsicherheit, C wie Complexity und A wie Ambiguität, also Mehrdeutigkeit. Ich ergänze noch ein R für Rücksichtslosigkeit.

Sonntag: „Beschreibe deine ideale Woche“ lautete die Tagesfrage bereits am Montag. Klar, die Ideale Woche verbringe ich urlaubhabend an einem schönen Ort wie Malaucène mit den urlaubsüblichen (Nicht-)Aktivitäten und Genüssen. Da das, wie bereits dargelegt, nur ein vorübergehender Ausnahmezustand ist, versuche ich mich an der Beschreibung der idealen Arbeitswoche: Sie beginnt mit einem nicht so montäglichen Montag ohne Antriebslos- und Müdigkeit. An zwei Tagen gehe ich zu Fuß ins Werk. Die Arbeitstage sind von befriedigender Tätigkeit erfüllt mit höchstens zwei Stunden Besprechungszeit und sie enden pünktlich. Donnerstags habe ich frei, dann gehe ich Wandern oder verbringe den Tag in anderer glückfördernder Weise. Freitagabend gehen wir Essen, ansonsten ist das Wochenende frei von Terminen und Verpflichtungen. Sonntagnachmittag gehe ich spazieren, mit Einkehr. (Heute fiel der Spaziergang übrigens aus, stattdessen unternahmen der Liebste und ich eine Radtour. Immerhin mit Einkehr im Biergarten am Beueler Ufer.)

Außerdem bietet die ideale Woche reichlich Zeit zum Lesen und Schreiben, der wöchentliche Blogeintrag erfährt erhebliche Resonanz durch zahlreiche Sterne, wohlwollende Kommentare und Erwähnungen in anderen Blogs – gut, wir wollen nicht übertreiben. Insgesamt war diese Woche gar nicht so unideal.

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Kommen Sie gut durch die möglichst ideale Woche.