Woche 43/2025: Alles in allem zumeist sinnvolle oder wenigstens tagfüllende Tätigkeiten

Montag: Die neue Woche begann mit einer Lüge und einer Fehleinschätzung. Gelogen hatte – mal wieder – die Wetter-App, die morgens anzeigte, der Regen sei durch. Die anschließende Fehleinschätzung lag darin, das, was bei Verlassen des Hauses vom Himmel fiel, als ein paar letzte Tropfen zu interpretieren, die sicher gleich zu fallen aufhören würden, und deshalb das Fahrrad zu nehmen. Nach einer Stunde am Schreibtisch waren die Hosenbeine wieder trocken.

Dessen ungeachtet gingen mir die Gewerke ganz gut von der Hand und der Arbeitstag endete zeitig, man muss es nicht gleich zu Wochenbeginn übertreiben, nicht wahr.

In einer Regelung las ich das Verb „händeln“. Wie eine schnelle Duden-Recherche ergab, gibt es das Wort nicht, oder jedenfalls kennt es der Duden noch nicht, obwohl es in fast jeder Besprechung gebraucht wird und dann mutmaßlich alle wissen, was gemeint ist.

Die Rückfahrt erfolgte indessen trocken bei herbstlicher Milde unter einem blaufleckigen Himmel, freundlicher Rückenwind schob mich am Rheinufer dem trauten Heim entgegen.

Es gab schon wesentlich beschwerlichere Montage.

Dienstag: Zu Fuß ins Werk und zurück, wobei es morgens wesentlich dunkler war als vergangene Woche um dieselbe Zeit, was an der weitgehend geschlossenen Wolkendecke gelegen haben mag. Nächste Woche wird es dann dank Uhrenumstellung wieder heller sein.

Zurück nahm ich einen kleinen Umweg, weil es mild und ich guter Hoffnung war, dass es beim Salvator noch Oktoberfestbier gibt. Ich wurde nicht enttäuscht.

Die Tage wurde ich in einem Formular mal wieder nach meinem Beruf gefragt. Dann weiß ich nie, was ich antworten soll. Eine Ausbildung hatte ich schon, darf mich seitdem Diplomverwaltungswirt nennen, meine derzeitige Stellenbezeichnung lautet Senior-Experte oder Senior Specialist, also nichts, worunter Betriebfremde sich etwas vorstellen können wie etwa bei einem Tischler, Lokführer oder Pornodarsteller. Ich gehe täglich ins Büro und mache dort typische Bürodinge wie Mails lesen und schreiben, telefonieren, an Besprechungen teilnehmen, Kästchen ausfüllen. Manchmal räume ich zur Pflege des Kaffeeküchenkarmas die Spülmaschine ein oder aus, oder befreie den Abfluss im Waschbecken der Toilette von Papierfetzen, auf dass das Wasser wieder ablaufe. Alles in allem zumeist sinnvolle oder wenigstens tagfüllende Tätigkeiten, für die es indes keine griffige Berufsbezeichnung gibt. Heute beim Gehen fiel mir die Antwort ein: Ich bin ein Bürokrat. Da dieser Begriff eher negativ besetzt ist, gebe ich beim nächsten Mal vielleicht Büroiker oder Büronaut an. Vielleicht auch nicht, ich sollte noch ein wenig darüber nachdenken.

Morgens
Nachmittags

Mittwoch: Kürzlich wurde mit „Das crazy“ das Jugendwort des Jahres bestimmt. Nach der umstrittenen Äußerung des Bundeskanzler das Stadtbild betreffend und der deshalb herrschenden allgemeinen Empörung dürfte nun auch das Unwort dieses Jahres gefunden sein.

Nicht empört, vielmehr erfreut war ich über die nachmittags im Briefkasten vorgefundene Postkarte mit Alpakabezug. Lieber T., herzlichen Dank dafür!

Nachtrag zu den gestrigen Berufsbezeichnungsüberlegungen: Wie wäre es mit Bürologe, -nom oder -mane?

Donnerstag: Sturmtief Joshua zeigte sich wenigstens hier einigermaßen verträglich und ermöglichte mir den Fußweg ins Werk und zurück, ohne nennenswert nass zu werden. Ab dem Nachmittag ließ stärkerer Wind den Turm knarzen wie ein Schiff bei Seegang. Laut einem in der Zeitung zitierten Meteorologen ist der Vollherbst da, ein mir neuer Begriff. Demnach hatten wir bislang Halb- oder Teilherbst.

„Ich bin kürzlich auf deinen Hintergrund gestoßen und war wirklich beeindruckt von der Tieffe an Erfahrung, die du im digitalen Bereich aufgebaut hast. Dein Profil zeigt eine starke Mischung aus Führungskompetenz, Leistungsverständnis und strategischem Denken.“ Tieffe? Führungskompetenz, Leistungsverständnis? Ich? Manche Versender von Spam versuchen gar nicht erst, ihre Absichten zu verschleiern.

Turmblick Richtung Innenstadt

Freitag: Aus der Täterbeschreibung in einem Zeitungsartikel: „Er trug eine Glatze“.

In einem werksinternen Dokument las ich mehrfach das etwas antike Adverb „mithin“ und freute mich darob.

Zwischenzeitlich schaute ich per Webcam immer wieder nach Büsum, wo Joshua die Nordseefluten gegen den Deich trieb. Deswegen blieb die Hafenschleuse geschlossen und die Funny Girl im Hafen anstatt nach Helgoland zu fahren. Hier bei uns war es hingegen vollherbstlich ruhig und überwiegend trocken, so dass die Radfahrt ins Werk und zurück unbeweht und -regnet möglich war.

Turmblick in Richtung Venusberg
Tosende Nordsee

Samstag: Heute feiert einer in diesem Haushalt runden Geburtstag. Das leitet elegant über zur nächsten Frage der Woche.

Nummer 50 lautet: „Was kannst du richtig gut?“ Hier muss die Antwort leider lauten: nichts. Jedenfalls fällt mir nichts ein, was ich gut oder wenigstens besser als die meisten anderen kann, vielmehr liegen die meisten meiner Fähigkeiten im Mittelmaß. Damit komme ich bislang gut zurecht und beklage mich nicht.

Der oben genannte Geburtstag ist übrigens verbunden mit einem Reisebeschluss nach Paris im nächsten Mai. Somit werde ich dort auch endlich mal gewesen sein und muss mich nicht länger fragen lassen: „Was, du warst noch nie in Paris?“

Zur Feier des Tages waren wir abends im GOP-Theater, wo die Show „Youniverse“ gegeben wurde, zuvor stärkten wir uns im angeschlossenen Restaurant. Verglichen mit früheren Besuchen waren wir von der Show etwas enttäuscht: Es wurde weniger beeindruckende Akrobatik geboten, und die dahinterstehende Geschichte, irgendwas mit digital, erschloss sich uns nicht. Es war dennoch ein unterhaltsamer Abend.

Durchgang am GOP

Sonntag: In der Sonntagszeitung las ich mit Schaudern einen Artikel über ein mögliches künftiges Weltgefüge, in dem die Macht aufgeteilt ist auf die USA, Russland und China, wobei Deutschland dem russischen Block zugeteilt wird. Und das möglicherweise schon sehr bald, ab 2028, wenn nach den nächsten Wahlen in Europa die rechten Parteien erstarken. Vielleicht hat es längst schon begonnen und das, was gerade um uns herum geschieht, ist so wenig aufzuhalten wie der Klimawandel. Alles in allem keine guten Aussichten für Menschen, die nicht weiß, christgläubig und heterosexuell sind. Das kann die Laune schon trüben; man muss dankbar sein für jeden Tag, an dem man in Ruhe leben und lieben kann, wie man will.

Zur Hebung der Laune unternahm ich einen langen Spaziergang auf die andere Rheinseite, dabei fiel mir einiges zum Thema Stadtbild auf:

Stadtbild I
Stadtbild II
Stadtbild III
Stadtbild IV mit „Sitzgruppe“
Stadtbild V
Stadtbild VI
Stadtbild VII
Stadtbild VIII
Stadtbild IX

Viel besser wurde die Laune nicht.

***

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Kommen Sie gut durch die Woche und lassen Sie sich nicht erschaudern.

19:00

#relevant: Wie wir uns fortbewegen

Die nächste Blogparade bei Blogissimo läuft. Dieses Mal lautet die Aufgabenstellung unter dem Stichwort #relevant: „Fahrrad, Auto, Bus“, also die Frage, wie wir uns bevorzugt von einem Ort zum anderen bewegen. Auf gehts.

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Fahrrad, Auto, Bus – da fehlen mir wesentliche Elemente (oder: Da regt mich ja die Frage schon auf, wie es Frau Hoppenstedt einst formulierte), nämlich Bahn und zu Fuß, zugleich die von mir bevorzugten Fortbewegungsformen. Ich liebe Gehen, Strecken bis etwa fünf Kilometern lege ich möglichst zu Fuß zurück. Nichts ermöglicht es mehr als das Gehen, die Details der Umgebung so intensiv wahrzunehmen. (Eine besondere Form des Gehens ist das Wandern, auch das liebe ich, wobei die ideale Wanderstrecke nicht zu steil und nicht wesentlich länger als zwanzig Kilometer ist. Dabei dient das Wandern dem Selbstzweck, also der Befriedigung der Wanderlust, nur selten hingegen der zielgerichteten Überwindung einer Strecke von A nach B.)

Für Strecken bis etwa zehn Kilometer, oder wenn die Zeit zu knapp ist zum Gehen, bevorzuge ich das Fahrrad. (Auch hier muss unterschieden werden zwischen zielgerichteter Wegstrecke und Lustfahrten; Radtouren können wesentlich länger werden, dabei sollten sie keine längeren Steigungen enthalten, diese wirken sich deutlich lustmindernd aus. Es sei denn, es steht elektrische Unterstützung zur Verfügung, die mich auf Knopfdruck unsichtbar anschiebt.)

Für weitere Strecken oder wenn es regnet oder sonstige meteorologische Unbill herrscht, fahre ich mit Bahn und Bus. Dank freundlicher Subventionierung durch den Arbeitgeber verfüge ich über das Deutschlandticket, auch wenn es sich für mich eigentlich nicht mehr lohnt. Aber es ist schon äußerst praktisch, bei Bedarf jederzeit irgendwo in einen Bus oder eine Bahn steigen zu können, ohne mir Gedanken über das örtliche Tarifsystem machen zu müssen. Bei größeren Entfernungen ist immer noch die Bahn erste Wahl, trotz ihrer viel besungenen Unzuverlässigkeit, Verspätungen und Ausfälle. Es gibt für mich keine angenehmere Art zu reisen, dabei kann ich stundenlang aus dem Fenster schauen und die durchfahrene Landschaft vorüberziehen lassen, ohne den Drang zu verspüren, auf das Datengerät zu schauen. Vorausgesetzt, ich habe einen Sitzplatz am Fenster, was in heutigen Zügen nicht mehr selbstverständlich ist. Es scheint den Konstrukteuren nicht mehr möglich zu sein, Züge so zu bauen, dass jeder Fensterplatz den freien Blick nach draußen ermöglicht, stattdessen schaut man nicht selten gegen die graue Wand zwischen zwei Fenstern.

Autofahren mag ich nicht, am wenigsten als Fahrer, auch als Beifahrer sitze ich am liebsten hinten, weil mir der Fahrer meistens zu schnell, zu langsam, mit zu wenig Abstand oder unnötig auf der linken Spur fährt. Am meisten stören mich beim Autofahren die anderen Autos, die auf der Autobahn ohne Rücksicht vor mir links rüberziehen oder mich von hinten bedrängen, wenn ich mich an die vorgegebenen Geschwindigkeit halte. Auch Blinken scheint aus der Mode zu sein. Nur wenn es gar nicht anders geht, etwa weil das Ziel mit anderen Verkehrsmitteln nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu erreichen wäre oder schwere Lasten zu transportieren sind, nehme ich das Auto. Ansonsten bin ich glücklich und empfinde es als Privileg, meine Arbeitsstelle wahlweise zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit der Stadtbahn zu erreichen und nicht regelmäßig im Stau zu stehen.

Auch hier brachte die Coronazeit einen Wandel. Zuvor fuhr ich fast ausschließlich mit der Bahn zur Arbeit, einmal wöchentlich ging ich zu Fuß. Dann, während der Pandemie, fuhr ich konsequent bei jedem Wetter mit dem Fahrrad statt der Bahn, auch bei Kälte und Regen. (Von der Möglichkeit des Heimbüros machte und mache ich keinen Gebrauch, weil ich das schrecklich finde; das ist ein anderes Thema.) Dabei bin ich geblieben: Montags, mittwochs und freitags fahre ich mit dem Fahrrad, dienstags und donnerstags gehe ich zu Fuß. Außer bei Regen, Sturm, Hagel oder Glatteis, dann nutze ich das Deutschlandticket.

Gesehen im Hamburger Hauptbahnhof

Im Übrigen bin ich auch gerne zu Hause, daher stimme ich voll und ganz Blaise Pascal zu, dem der Satz zugeschrieben wird: „Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen.“

Woche 42/2025: Englisch sprechende Menschen in weißen Turnschuhen

Montag: „Words are very unnecessary“ sang Depeche Mode morgens im Radio. Ich fühlte mich bestätigt, was mich nicht davor bewahrte, gelegentlich sprechen zu müssen.

Meines Erachtens unnötige Worte verschwendete am frühen Abend auch der Liebste, als er eine Autofahrerin belehrte, die sich anschickte, im Halteverbot vor unserem Haus zu parken. Zum Dank hörte er „Ich parke aber immer hier“ und „Regeln? Nun kommen Sie mir nicht so!“ Mir ist es mittlerweile viel zu mühsam, fremde Leute auf ihr Fehlverhalten anzusprechen, wenn es mich nicht unmittelbar betrifft. Das macht nur schlechte Laune auf beiden Seiten und der Angesprochene ändert sein Verhalten erst recht nicht. Menschen wollen nicht belehrt werden. Wer nicht will, muss eben zahlen.

Aus der Zeitung: „Söders Strahlkraft ist innerhalb der CSU im Moment für niemand anderen auch nur ansatzweise erreichbar. Sein Glück sei es, dass es keinen zweiten Söder gebe.“ Nicht nur seins.

Dienstag: Auch heute fragte ich mich wieder, warum junge Kollegen nicht mehr in der Lage sind, ein einfaches „Hallo“ oder „Guten Morgen“ einigermaßen angemessen zu erwidern und mich stattdessen, während sie sich einen unverständlichen Grunzlaut abringen, anschauen, als hätte ich einen auffälligen Hautausschlag oder stünde unbekleidet vor ihnen. Was ist mit denen los?

Auch wunderte ich mich über die große Anzahl von Rechtschreibfehlern (über die sachlich-inhaltlichen äußere ich mich gar nicht) in gelesenen Anforderungsdokumenten. Wie sehr muss man unter Druck stehen, dass man sich das nicht nochmal durchliest, bevor man es absendet? Oder ist es Absicht, um den Anschein hoher Arbeitsbelastung entstehen zu lassen? Oder ist das einfach egal, Hauptsache man ahnt ungefähr, um was es geht?

Überhaupt wundere (oder ärgere) ich mich immer wieder über die zunehmend liederliche Art der werksinternen, manchmal aus -externen Kommunikation, nicht nur wegen Rechtschreib- und Grammatikfehlern. Vieles erfolgt nur noch auf Zuruf oder per Teams-Chat, schon eine Woche später kaum noch nachvollziehbar. Erst heute entging mir wieder eine mindestens wissenswerte Information, weil ich nicht Teil der betreffenden Chatgruppe war. Andererseits, wie eine frühere Kollegin zu sagen pflegte, ich zitierte es bereits mehrfach, was dessen Wahrheit nicht schmälert: Unwissenheit schafft Freizeit.

Beliebt ist es auch, zu einer Teams-Besprechung einzuladen ohne konkrete beziehungsweise im Einladungsbetreff nur rudimentär beschriebene Angabe, um was es geht. Solche Besprechungen enden oft nach kurzer Zeit, weil ich mich nicht in der Lage sehe und auch nicht bereit bin, die zu erörternden Fragen spontan, ohne Recherche oder wenigstens gründliches Nachdenken zu beantworten. Auf meine Bitte, mir das Problem noch einmal schriftlich zukommen zu lassen, kommt dann oft nichts mehr.

Immer öfter denke ich: Ich bin zu alt für diesen Scheiß. Vielleicht bin ich es wirklich.

Ansonsten war der Tag von leuchtendem Herbstgold verziert:

Morgens am Rhein
Ebenda
Auf dem Rückweg
Gülden auch das Oktoberfestbier im Glas

Mittwoch: Vormittags brachte eine Kollegin der Nachbarabteilung ihr Kind mit ins Büro. Kein Säugling, es kann schon laufen, und also lief es den Flur auf und ab, gefolgt von der mit durchdringender Stimme auf es einredenden Mutter und augenscheinlich zum Zwecke der Niedlichfindeaufforderung. An unserem Büro liefen sie dank geschlossener Glastür vorbei, was vielleicht auch am Augenrollen von mir und meiner Bürogenossin lag, die ähnlich antinatalistisch veranlagt ist wie ich.

Danach wurde das Kind noch lautstark (die Mutter) etwas bespaßt, ehe es wieder weg war, vielleicht abgeholt, und die Kollegin sich im Nachbarbüro platzierte, wo sie mit unverminderter Lautstärke lange und viel telefonierte.

Dafür war es abends zu Hause sehr ruhig, weil jemandem offenbar eine auch auf Nachfrage nicht näher beschriebene Laus über die Leber gelaufen war und er es deshalb vorzog, zu schweigen. Mir war es recht, siehe Montagmorgen.

Donnerstag: Diese ist eine gerade, somit eine kleine Woche, das heißt, heute hatte ich frei. Der Tag begann mit dem Frühstück im Kaufhof-Restaurant, das kurz nach der Öffnungszeit schon erstaunlich gut besucht war, keineswegs nur von Rentnern. Haben die nichts zu tun an einem Tag, da anständige Menschen arbeiten? Vielleicht waren das Touristen, oder Lehrer in den Herbstferien.

Danach übte ich mich in Örben Heiking; für eine längere Wanderung war keine Zeit, da ich in Bereitschaft war zur Erledigung einer Vereinsangelegenheit, namentlich Korrekturlesen eines Druckwerks, das bis Anfang November fertig sein muss und morgen in den Druck gehen sollte. Dazu benötigte ich die Zuarbeit anderer, die im Laufe des Tages eintreffen sollte. Um dennoch wenigstens etwas in Gehgenuss zu kommen, fuhr ich mit dem Bus bis zur Endhaltestelle im Stadtteil Brüser Berg, von dort ging ich zu Fuß zurück durch das mir bislang unbekannte, herbstlich eingefärbte Derletal, Duisdorf, Lessenich, das Messdorfer Feld, Endenich und die Weststadt; Ziel war die Gaststätte am Friedensplatz, wo ich am frühen Nachmittag eintraf, um mich mit Hilfe von Currywurst und Bier zu regenerieren.

Im Derletal
Ebendorten
Für die Sammlung – ein außergewöhnlich pitoresker Trafoturm in Lessenich
Messdorf
Essigbäume im Messdorfer Feld
Fassaden in der Weststadt

Frisch gestärkt war ich bereit für die Vereinsangelegenheit, jedoch traf die Zuarbeit heute nicht mehr ein. Dann geht es eben erst Montag in den Druck, sollte auch noch reichen. So lange wie es dauert, dauert es halt.

Freitag: „… wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, …“ beginnt eine Mail, die mich auf die Teilnahme an der regelmäßigen Pflichtschulung zur Korruptionsverhütung hinweist. Gerne hätte ich geantwortet „Die Freude ist ganz Ihrerseits“, wenn die Nachricht nicht von einem noreply-Absender gekommen wäre. Immerhin werde ich gesiezt, das ist mittlerweile selten in solchen Mitteilungen. Die Durchführung habe ich auf Montag terminiert, wenn die Arbeitslust ohnehin gering ist.

In der Kantine mittags war ich umgeben von englisch sprechenden Menschen in weißen Turnschuhen. Hat vermutlich nichts zu bedeuten, fiel mir nur auf.

Was schön war: Nach dem Mittagessen hatte ich Gelegenheit, an einer Führung für Externe durch den Turm teilzunehmen, in dem ich, mit zwei Unterbrechungen, vom ersten Tag seiner Inbetriebnahme vor dreiundzwanzig Jahren an arbeite. Viel Neues erfuhr ich dabei nicht, beging immerhin erstmals ein gläsernes Treppenhaus im Konferenzbereich, das weitgehend unnütz ist und, immerhin das war mir neu, seine Existenz der Tatsache verdankt, dass Kunst am Bau ab einer bestimmten Gebäudegröße Pflicht ist. Der Ordnung halber sei darauf hingewiesen, dass ich mich für die Führung in der Zeiterfassung ausgebucht hatte.

Auch schön: Die Wochenkolumne von Kurt Kister erscheint nach monatelanger Sommerpause wieder. Jedesmal, wenn er sich in eine solche Pause verabschiedet, lässt er ein wenig offen, ob er nochmal schreibend wiederkehren wird. Umso mehr freute es mich heute, als sie per Mail eintraf. Darin zitiert er einen gewissen Frank Turner mit diesem schönen Satz: „In einer Welt, die sich dafür entschieden hat, den Verstand zu verlieren, soll man wenigstens versuchen, freundlich zu sein.“ Ja, auch diesbezüglich sollte man stets bemüht sein.

Samstag: Während des Frühstücks mit dem Liebsten im Restaurant traf die bereits für Donnerstag erwartete Zuarbeit für das Vereins-Jahresheft ein, somit verbrachte ich anschließend einige Stunden am Schreibtisch. Was man so macht am Wochenende.

Der Begriff FOMO (fear of missing out, die Furcht, etwas zu verpassen) dürfte allgemein bekannt sein. Doch daneben gibt es auch MOMO, wie beim Hamburger Mitblogger zu lesen ist. Dazu schrieb er:

Mystery of Missing Out: Das Gefühl, etwas zu verpassen, ohne zu wissen, was es ist. Etwa weil andere nichts mehr über ihr vermeintlich tolles Erleben in den sozialen Medien teilen. Das ist ein sehr schönes Beispiel für Probleme, auf die ich noch nicht einmal ansatzweise gekommen bin.

Zeit für die nächste Frage. Heute ist der 291. Tag des Jahres. (Je nachdem, wo man schaut; nach anderen Quellen der 275. oder 290.; die meisten Quellen sagen 291, also glaube ich das mal. Ich könnte es auch mithilfe des Kalenders selbst ermitteln, aber so wichtig ich es nicht.) Frage 291 lautet: „Verzeihst du anderen Menschen leicht?“ Ja, ich glaube schon. Vielleicht, weil mir bislang nichts nachhaltig Unverzeihliches zugefügt wurde, jedenfalls erinnere ich mich an nichts derartiges. Auch meine Geburt war gut gemeint, da bin ich mir sicher. Sogar als der Geliebte vor ein paar Jahren mit dem Staubsauger über meine Modelleisenbahn ging, verrauchte der Zorn bald, nachdem diverse Figürchen und Fahrzeugteile aus dem Staubsaugerbeutel geborgen und wieder an den vorgesehenen Stellen befestigt waren. Vielleicht bin ich einfach zu gut für diese Welt.

Abends aßen wir mit einem befreundeten Paar, das wir lange nicht gesehen hatten, im französischen Restaurant. Exklusiv für uns gab es Lammkeule, die wir aus dem letzten Provence-Urlaub mitgebracht hatten, dazu perfekt passenden Rotwein aus Châteauneuf-du-Pape. Das war sehr schön und äußerst sättigend.

Sonntag: Noch immer gesättigt vom Vorabend verspürten wir nur geringen Frühstücksappetit, entsprechend unüppig fiel das Frühstück aus. Wesentlich empfänglicher für Nahrung zeigte sich eine Schar Raben am Rheinufer, die von Passanten mit Erdnüssen gefüttert wurden, wie ich während des Spaziergangs sah. Gerecht ist das nicht: Tauben dürfen nicht gefüttert werden, Raben schon.

Rheinufer
Innere Nordstadt

Ansonsten war es ein ruhiger Sonntag mit Lesezeit auf dem Sofa. Übrigens liest man nicht mehr einfach so, jedenfalls nicht längere Texte, Bücher gar, sondern man betreibt Deep Reading, wie ich hier las. Man geht ja auch seit geraumer Zeit nicht mehr einfach so durch einen Wald, sondern man betreibt Waldbaden. „In einer Welt, die sich dafür entschieden hat, den Verstand zu verlieren, …“ Siehe oben.

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Kommen Sie gut durch die Woche und bleiben Sie bei Verstand.

18:00

Woche 41/2025: In der Hitze der Geschäftigkeiten

Montag: Vergangenen Freitag notierte ich über die Zugfahrt von Heide nach Köln: „Durch den Wagen ging ein kleiner Junge und sagte „Blablablablabla …“. Wenn er mal groß ist und vielleicht in einem großen Unternehmen arbeitet, wird er andere Worte gebrauchen, um sinngemäß das gleiche zu sagen.“ Zum Beispiel Erwartungsmanagement, heute wieder in einer Besprechung gehört; wem der Satz „Ich möchte nicht zu viel versprechen“ zu profan klingt, der sagt stattdessen „Ich muss da etwas Erwartungsmanagement betreiben“. Was so gesagt wird, um möglichst klug zu klingen und die Arbeitszeit herum zu bekommen. Oder wie William Shakespeare es ausgedrückt haben soll: „Das leere Gefäß macht den größten Lärm.“ Wie so oft erscheint auch hier größere Ernstnahme unangebracht.

Weiterhin schrieb ich über den Freitagabend: „Dithmarscher Dunkel gibt es hier leider nicht.“ Das muss ich korrigieren, gibt es doch: Der Liebste fand es in einer Godesberger Getränkehandlung und erstand zu meiner großen Freude einige Flaschen.

Da ich Sie im Übrigen nicht mit montäglicher Larmoyanz langweilen möchte, sei auf weitere Ausführungen über diesen in mehrfacher Hinsicht trüben, ansonsten von größerem Unbill freien Tag verzichtet.

..

Dienstag: Der Radiowecker weckte mich mit „Yellow River“. Während ich noch lag, fragte ich mich, vielleicht inspiriert durch leichten Blasendruck, wie dieses Lied einst entstanden sein mag.

Weil Dienstag ist und Gehen glücklich macht, ging ich zu Fuß ins Werk und zurück. Dort, am Schreibtisch sitzend, schwärmte ich mich, die Draußentrübnis betrachtend, zurück in die vergangene Woche, als ich um diese Zeit auf dem Schiff nach Helgoland saß. Immerhin, die innere Trübnis lichtet sich langsam. Es nützt ja auch nichts, man kann nicht nur zufrieden sein, wenn man frei hat. Dann aber schon besonders.

Mittwoch: Das Wetter fühlte sich nicht an die Vorhersage der Wetter-App gebunden, so radelte ich morgens bei Niesel in Richtung Werktätigkeit. Bei Ankunft am Turm waren die Brille benetzt, die Hosenbeine nur leicht feucht, in der Hitze der Geschäftigkeiten trockneten sie bald.

Im Kühlschrank in der Kaffeeküche steht eine unverdeckelte Schüssel, randvoll mit gekochtem Reis. Sie stand dort schon vor meinem Urlaub, an den Rändern wird der Inhalt langsam bräunlich, verströmt aber noch keinen wahrnehmbaren Geruch. Vielleicht ein Langzeitexperiment, entweder biologischer Natur (Wie lange dauert es, bis ein Kilo Reis bei sechs Grad vollständig vergammelt ist?) oder sozialer (Wie lange dauert es, bis das jemand wegwirft?) Ich werde es weiterhin mit Interesse verfolgen.

„Ich habe das mal angehängt“ schreibt einer in der Mail. Ich freue mich jedes Mal, wenn die transitive Form des Verbs „hängen“ korrekt verwendet wird; viel zu häufig liest man stattdessen „angehangen“.

Donnerstag: Manchmal geht es schnell. Zum einen ist Donnerstag, die Arbeitswoche neigt sich schon wieder dem Ende entgegen, zum anderen ist die erst gestern beschriebene Reisschüssel seit heute Mittag aus dem Kühlschrank verschwunden. Ob sie jemand entfernt hat oder sie den Kühlschrank schon eigenständig verlassen konnte, war nicht mehr nachvollziehbar.

Unterdessen ist die Entscheidung des EU-Parlaments, wonach wegen angeblicher Verwechselungsgefahr nur noch tierische Produkte Bezeichnungen wie Schnitzel, Wurst, Steak, Burger und so weiter tragen sollen, Quell allgemeiner Erheiterung, teilweise auch Empörung; kaum ein Kommentar ohne das Wort Scheuermilch und die berechtigte Frage, ob wir nicht andere Probleme haben. Da dazu alles Wesentliche gesagt und geschrieben ist, unter anderem hier und da, enthalte ich mich weiterer Äußerung über diesen Unfug.

Morgens

Freitag: Was schön war: den freien Tag für kommende Woche gebucht und mit dem Liebsten die Urlaubsplanung für das nächste Jahr abgesprochen. Und ein nicht sehr spätes Arbeitsende. Ich glaube, meine Arbeitslust braucht dringend eine Kur. Oder mein Meindsett. Übrigens plane ich auch für das kommende Jahr wieder eine Woche Alleinurlaub wie vergangene Woche. Auf ein Reiseziel bin ich noch nicht festgelegt, Bedingungen sind: Es muss von Bonn aus innerhalb eines Tages gut mit der Bahn zu erreichen sein und es muss Wandermöglichkeiten geben. Vorschläge nehme ich gerne entgegen.

Samstag: Über eine meine liebsten Beschäftigungen, durch die Gegend zu gehen und zu schauen, las ich morgens vor dem Aufstehen in der Zeitung: Man geht nicht einfach durch die Stadt, sondern man betreibt Urban Hiking. Von mir aus, wer es mag. Das bringt mich zur nächsten Frage:

Nr. 187 lautet: „Wie siehst du die Zukunft?“ Ich glaube, dazu äußerte ich mich schon: Ich bin sehr froh, nur noch maximal dreißig Jahre im Lichte dieser Welt zu wandeln und keine Nachkommen zu haben, über deren künftiges Schicksal ich mich sorgen müsste. Verzeihen Sie meinen Fatalismus.

Innere Nordstadt
Örben-Heiking am Rhein
Welcher urbane Trend dahinter steckt, Pfähle von Verkehrsschildern mit Schleifen zu verzieren, entzieht sich meiner Kenntnis

Sonntag: Die kürzlich beworbene BonnTastik-VI-Lesung der Bonner Gruppe vom Bundesverband junger Autoren (BVjA) war gut besucht und es war mir eine Freude, daran teilzunehmen.

Foto: Stephanie Müller

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, kommen Sie gut durch die Woche.

19:45

Werbung: BonnTastik VI

BonnTastik ist ein jährlich wiederkehrendes Projekt des Bundesverbandes junger Autoren und Autorinnen e.V. (BVjA), Regionalgruppe Bonn. In diesem Jahr zum – Sie ahnen es – sechsten Mal. Dreizehn junggebliebene Autorinnen und ein mittelalter Autor ließen sich inspirieren von Bildern der Bonner Künstlerin Katharina Diederichs und haben mehr oder weniger phantastische Geschichten und Gedichte dazu geschrieben. Diese wurden, wie jedes Jahr, als Anthologie herausgebracht, die in Kürze erscheint.

Damit nicht genug: Am kommenden Sonntag, 12. Oktober, lesen einige von uns ihre Werke vor; ich darf auch was vortragen. Wenn Sie also zufällig in der Nähe sind und nichts besseres zu tun haben, schauen und hören Sie gerne rein. Was zu Trinken gibt es auch.

Lesung und Präsentation:

Wann: Sonntag, 12. Oktober 2025, 14 Uhr (Einlass ab 13 Uhr)

Wo: Kult41, Hochstadenring 41, 53119 Bonn

Eintritt: 8 Euro bzw. 4 Euro (ermäßigt)

Das Buch:

Tatjana Flade, Katharina Diederichs (Hrsg.): BonnTastik VI, 190 Seiten, mit farbigen Illustrationen.

ISBN 9783695176984

18,00€ Softcover, 7,99€ E-Book

Mit Illustrationen von Katharina Diederichs und Texten von Erika Altenburg, Marita Bagdahn, Rose Daniel, Tatjana Flade, Jasmin Kauder, Heike Klein, Carsten Kubicki, Diandra Linnemann, Vera Menzel, Mina Mitsuoka, Stephanie Müller, Iris Sander, MC Schulz und Dana Schuster.