In dieser Woche wurden Teile Spaniens heimgesucht von heftigen Regenfällen und Überflutungen mit zahlreichen Toten, Verletzten und erheblichen Verwüstungen. Der Hurrikan „Milton“ zog kürzlich über Florida, wohl nicht ganz so heftig wie zuvor befürchtet, dennoch ebenfalls mit Überschwemmungen, Zerstörung, Tod und Leid. Mittlerweile sind drei Jahre vergangen, seit die große Flut das Ahrtal verheerte. Bis heute sind die Schäden sichtbar, nicht nur in Dernau und Mayschoß. Viele Häuser wurden inzwischen wieder aufgebaut, manche genau dort, wo die Flut sie zuvor weggerissen hatte. Anscheinend glauben die Menschen immer noch an die „Jahrhundertflut“, die nächsten hundert Jahre hätten sie Ruhe. Rückblickend stimmt das sogar, zuletzt erlebte das Ahrtal im Jahre 1912 ein vergleichbares Ereignis. Aber künftig?
Die Demokraten sind schuld, sagt Donald Trump, und erschreckend viele glauben ihm das. Folgen des Klimawandels, sagt die Wissenschaft. Unsinn, sagen andere, nicht nur die, die Donald Trump glauben, Hurrikans und Überschwemmungen hat es immer gegeben, warum sollte ich also mein Verhalten ändern? Und warum überhaupt ich? Sollen doch erstmal die Chinesen anfangen.
In Bonn, nicht nur dort, bilden sich erboste Bürgerinitiativen, wenn wegen der Neuanpflanzung von Bäumen ein paar Parkplätze wegfallen. Neue Bäume schön und gut, gerne, muss ja sein wegen Klima und so, klar, sieht auch nett aus, ein bisschen Grün – aber warum gerade in unserer Straße? Wir sind doch auf das Auto angewiesen! Laut neuester Erhebung gibt es in Deutschland so viele Autos wie nie zuvor, fünfhundertachtzig angemeldete Fahrzeuge je tausend Einwohner. Vati hat eins, Mutti auch, wie sollen sie sonst zur Arbeit kommen und die Brut in die Kita oder Schule bringen. Sohnemann hat auch eins, wie soll er sonst in die Uni oder zum Gym kommen. Zu Fuß oder mit dem Fahrrad? Viel zu gefährlich. Mit dem Bus? Ich bitte Sie. Viel zu unzuverlässig und teuer, und voller Krankheitserreger. Nach wie vor gilt es als natürliches Recht, jederzeit jede noch so kurze Strecke mit dem Auto zurückzulegen, einen kostenlosen Abstellplatz auf öffentlichem Grund eingeschlossen, dafür zahlt man schließlich Steuern.
Das anzuprangern wäre doppelzüngig von mir, besitze ich doch selbst ein Auto, sogar die schlimmste Form: einen Dieselverbrenner. Na gut, die zweitschlimmste, immerhin kein SUV. Der Liebste, das ist kein Vorwurf, fährt damit zur Arbeit, ich selbst nutze es nur selten und mit großem Widerwillen, wenn es nicht anders geht, weil ich, im Gegensatz zu den meisten Deutschen, kein guter Fahrer bin und es mir überhaupt keinen Spaß macht, wenn mich die anderen Autofahrer in ihrer rücksichtslosen, von der FDP garantierten freien Fahrt bedrängen.
Es gibt keine Lösung, jedenfalls sehe ich keine. „Wir können die Katastrophe noch abwenden, wenn wir unser Verhalten jetzt ändern“, sagt die Wissenschaft, dazu nennt sie irgendwelche tolerierbaren CO2-Mengen und Temperaturanstiege, auf die man sich vor Jahren mal geeinigt hat und sich dafür feierte. Tun wir aber nicht, und wenn ich „wir“ schreibe, schließe ich mich selbst ausdrücklich mit ein, siehe oben. Achtzig Millionen Deutsche, acht Milliarden Menschen weltweit wollen nicht verzichten auf Wohlstand, Konsum, Reisen, Internet, Spaß, und vermehren wollen sie sich auch. Zu viele Menschen für zu wenig Erde. Kein Politiker würde sich trauen, dort anzusetzen, wie auch. Die Ein-Kind-Politik der Chinesen ist gescheitert, und der Einsatz von Massenvernichtungswaffen ist auch kein Ansatz, der der näheren Betrachtungen würdig erscheint.
„Die Menschen waren immer erfinderisch, wenn Probleme zu lösen sind“, ist oft zu hören, auch und gerade aus der oben genannten Partei. Mögen sie recht behalten, ich bleibe skeptisch. Ob uns die immer umfassendere Digitalisierung mit künstlicher Intelligenz retten wird, ich weiß es nicht. Auch am vielfach gepriesenen Elektroauto habe ich meine Zweifel. Die Dinger einschließlich Batterien müssen hergestellt und irgendwann wieder verschrottet werden, und irgendwoher muss der ganze Strom kommen. Auch die Rechenzentren der digitalen Welt benötigen Strom, sehr viel Strom, künftig dreimal so viel wie heute, wird geschätzt. Solange es noch Strom gibt, ein anderes Thema.
Für alle, die heute jung sind oder noch geboren werden, tut es mir leid, bitte verzeihen Sie meinen Fatalismus. Wenn es gut läuft, habe ich noch zwanzig bis dreißig Jahre zu leben. Bis dahin werde ich meinen Müll trennen, möglichst wenig Auto fahren und nicht fliegen, in der Kantine noch häufiger das vegetarische Gericht wählen, wenn es nicht mit Tofu ist, Gehkaffee finde ich sowieso überflüssig. Und ich werde mich nicht vermehren, das garantiere ich. Ich finde, damit habe ich schon einen ganz ordentlichen Beitrag für das Wohlergehen der Menschheit geleistet. Danach wird mich mittel- bis langfristig niemand vermissen. Was vielleicht noch etwas länger von mir bleiben wird, sind etwas Materie und ein paar digitale Spuren wie dieses Blog. Bis zum großen Stromausfall.


Nachtrag am 9. November: Nachdem das Volk der US-Amerikaner beschlossen hat, es sei das beste für sie und ihr Land, wenn der nächste Präsent wieder Donald Trump heißt, hat nämlicher angekündigt, dass die USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen austreten werden. Das ist nicht sehr überraschend, und es ist nicht auszuschließen, dass weitere Länder folgen werden.

Lieber C.,
mit diesem Beitrag sprechen Sie mir sehr aus der Seele, Ihre Schilderung sind eine so gelunge Zusammenfassung dieser menschengemachten Misere. Und Ihren Nicht-Optimismus (um nicht zu sagen: Pessimismus) teile ich ebenfalls, dazu eine kleine Geschichte aus meinem erweiterten Umfeld.
Kurz nachdem ich die ersten Bilder von der Region rund um Valencia gesehen hatte, traf eine Nachricht von einem Bekannten auf meinem Handy ein: er macht grad mit seiner Familie in genau dieser Region Urlaub, schließlich sind Ferien dazu da, um wegzufahren, und weil die Herbstferien – wie ihr Name schon vermuten lässt -, im Herbst sind, also leider hierzulande kein Sommer mehr ist, muss natürlich weggeflogen werden, weil es sonst nicht kommod wäre. Akkus aufladen, Sonne tanken (die üblichen Wohlstandsargumente halt) – und: mei wie schön, man konnte in Spanien sogar noch im Meer baden. Aber dann diese schreckliche Katastrophe um die Ecke, gottseidank das eigene Hotel aber weit genug entfernt davon, was blieb, war das Bangen darum, ob der geplante Rückflug von Valencia hoffentlich stattfinden würde, denn der gesamte Flughafen stand ja zunächst unter Wasser. Ich war drei Tage außer Stande, auf diese Nachricht zu reagieren, denn spontan wollte ich schreiben: Das habt ihr davon, dass das Meer noch so schön warm ist Ende Oktober. So nahe stehen wir uns aber nicht, dass ich derart lospoltern wollte. Und ich weiß natürlich, dass man in solchen Fällen besser Ich-Botschaften sendet als Du-Vorwürfe, und zwischenzeitlich ist mir das auch gelungen.
Herzliche Grüße an Sie und Ihre Lieben, und noch ein schönes, möglichst autofahrtfreies Restwochenende!
Ihre N.
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PS: Bitte ersetzen Sie im ersten Satz das „sind“ durch ein „ist“, besten Dank!
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PPS: Gerade denke ich: der Beitragstitel sollte eigentlich lauten „Wir wollen nicht anders“. Denn wir könnten ja, aber wir tun’s eben nicht.
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Liebe N., ich glaube schon, dass viele wollen und auch bereit sind, auf gewisse Annehmlichkeiten zu verzichten. Aber eben zu wenige. Deshalb können wir nicht.
Herzliche Grüße, Ihr C.
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Diesem Eintrag muss ich in sehr weiten Teilen zustimmen. Die technischen Lösungen sind in meinen Augen übrigens da, aber es hat keiner Lust sie umzusetzen, weil es unbequem wäre. Wenn jetzt jeder seine eigene Solaranlage hat, dann braucht ja keiner mehr die großen teuren Kraftwerke, die so viel Gewinn abwerfen, von denen sich so viele Vorstandsriegen bedienen können. Oder die teuren Gasleitungen der Betreiber, die nicht mehr gebraucht werden, wenn alle eine Wärmepumpe haben. Es gibt so viele versteckte Interessen, mit denen gespielt wird.
Auch dieses St-Florians-Prinzip mit den Parkplätzen kann ich nicht mehr verstehen: Wie viel Wohnraum wird nicht gebaut, weil keine Parkplätze nachgewiesen werden können? So kommt es zu noch mehr Zersiedelung und Flächenverbrauch, weil alle ins Umland ziehen.
Aber zum Thema Häuserbau im Ahrtal: Dummerweise erstatten die Versicherungen einen Neubau der Häuser nur an gleicher Stelle. Und ermöglichen den Geschädigten so nur eine Wahl zwischen Not und Elend: Entweder an gleicher Stelle wieder bauen oder gar nicht.
Aber warum heute noch so viele neue Wohngebiete erschlossen werden, die gefährlich nah an Gewässern liegen, weiß ich auch nicht.
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Einen hervorragenden Text hast Du geschrieben, kann Dir nur zustimmen! Liebe Grüße!
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Vielen Dank, das freut mich!
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