Woche 43/2023: Vogelfütterung und Unpässlichkeiten

Montag: Wie bereits vergangene Woche dargelegt, ist an meiner Selbstbeherrschung noch zu arbeiten. Heute Morgen auf der Radfahrt in die Werktätigkeit wurde sie wieder auf die Probe gestellt, als ein rechtsabbiegender Autofahrer mich abdrängte und zum Bremsen zwang. Das ihm hinterher gerufene A-Wort wird er nicht vernommen haben, alle Passanten in der Nähe dafür umso mehr.

In der Kantine gab es mittags lt. Karte Spaghetti an Tomaten-Gewürz-Rahm-Soße. Die Soße wurde trotzdem einfach drübergekellt, was nicht zu beanstanden war.

Nachgelesen im Kieselblog über Kassenschlangen in Supermärkten und gegrinst: »Beobachtung: Das Warteschlangenverhalten der Österreicher gleicht dem der Deutschen. Wird eine neue Kasse geöffnet, gilt das Kriegsrecht.«

In der Zeitung las ich erstmals mit einigem Entsetzen den Begriff „Egg Crack Challenge“. Dieser bezeichnet das verstörende Elternvergnügen, an der Stirn ihrer kleinen Kinder ein rohes Ei zu zerschlagen, dieses zu filmen und auf Tiktok zu zeigen, auf dass viele es lustig finden und mit Sternchen, Herzchen oder was weiß ich, was bei Tiktok diesbezüglich üblich ist, zu belohnen. Was sind das für Eltern? Vielleicht dieselben, die beim Kinderwagenschieben den Blick fest auf das Datengerät gerichtet haben und dabei solche Filmchen anschauen.

Dienstag: Für alle, die es nicht abwarten können oder wollen, eröffnet bereits kommende Woche der erste Weihnachtsmarkt in NRW in Essen-Steele, meldete das Radio morgens.

Der Fußweg ins Werk hingegen bei völlig unweihnachtlicher Milde.

Auf Veranlassung des Geliebten steht seit heute ein Vogelfutterhäuschen vor meinem Bürofenster. Erste Kundin war eine Elster. „Verscheuchen, das sind Räuber!“, fordert der Geliebte. Das finde ich herzlos, er darf schließlich auch bleiben.

Mittwoch: Der für heute angekündigte Regen fiel reichlich, freundlicherweise zu Zeiten, als ich nicht auf dem Fahrrad saß.

Schlecht besucht war das neue Futterhäuschen vor dem Bürofenster, sogar die Elster schaute nur kurz vorbei, pickte ein paar Körnchen und flog wieder davon. Vielleicht war ihr das Wetter zu ungemütlich und sie blieb lieber zu Hause, kann man verstehen.

Nachmittags besprach ich mit meinem Chef ein persönliches Vorhaben, er reagierte erfreulich positiv. Dann gehe ich es mal an. (Ich muss nur noch den Liebsten, meinen anderen Chef, überzeugen.)

Donnerstag: Die Deutschen wollen lieber früher als später in Rente gehen, steht in der Zeitung. Wer hätte das gedacht.

Abends holte ich die neue Gleitsichtbrille beim Optikdiscounter ab und nahm sie sofort in Gebrauch. Ein wenig gewöhnungsbedürftig, das wird schon.

Auch in der Bonner Innenstadt hängen die ersten Lichterketten an den Zugängen zur Fußgängerzone, um die baldige Besinnlichkeit herbeizuleuchten.

Freitag: Im Maileingang morgens eine Besprechungseinladung vom Chefchef für Januar 2025. Ich nahm sie an; den Zusatz „Falls ich dann noch lebe“ dachte ich mir nur.

Manche Dinge stören mich, ohne dass ich sagen könnte, warum genau; weder nehmen sie mir etwas weg noch belästigen sie mich persönlich. Zum Beispiel Leute, die auf das Datengerät schauen, während sie freihändig radfahren. An ihnen stört mich vermutlich am meisten, dass sie es können und ich nicht.

Auch muss ich gelegentlich in mich kehren und ergründen, warum es jedesmal fast einen Brechreiz auslöst, wenn ich das Wort „Enkelchen“ höre oder lese. Die Gewissheit, niemals selbst welche zu haben, ist es ganz sicher nicht.

Was mich dagegen immer wieder freut ist der Fußweg vom Werk nach Hause.

Um 15:37 Uhr nach freitagsangemessen zeitigem Arbeitsende

Samstag: Aufgrund körperlicher Unpässlichkeiten, mit deren Ursachen ich Sie nicht unnötig langweilen möchte, verbrachte ich größere Teile des Tages auf dem Sofa, wo sich erwartungsgemäß nicht viel Berichtenswertes ereignete.

Abends waren wir eingeladen zu einer Geburtstagsfeier in einer Wohnung mit ungefähr fünfundzwanzig Teilnehmern ungefähr unseres Alters, mit Essen, Trinken und viel Gespräch. Derlei ist man gar nicht mehr gewohnt und, insbesondere in Verbindung mit Unpässlichkeiten, vermisst man es auch nicht. Deshalb blieben wir nicht allzu lange.

Sonntag: Dank frühzeitigem Aufbruch am Vorabend und wegen Zeitumstellung verlängerter Nacht erwachte ich erholt.

In Ermangelung notierenswerter Bermerknisse ein Blick auf die Tagesfrage des Blogvermieters: »Was ist deine Lieblingsform der körperlichen Betätigung?« Bis vor einigen Jahren hätte ich mich womöglich zu einer in sittlich-moralischer Hinsicht eher zweifelhaften Antwort hinreißen lassen; heute, mit der Ruhe und Reife fortgeschrittenen Alters, womit ich völlig einverstanden bin, kann sie auch Lesern unter zwölf Jahren bedenkenlos zugemutet werden: Gehen.

Und also ging ich auch heute, wie jeden Sonntag, ein Stündchen, durch Nordstadt und an den Rhein, begleitet von unentschlossenem Herbstwetter aus Bewölkung, ein paar Sonnenstrahlen und Regentropfen, gerade so wenige, dass ein Aufspannen des mitgeführten Schirms nicht lohnend erschien, sowie Wind, der gelbe Blätter von Bäumen zupfte und herumwirbelte. Am Wegesrand liegende Außengastronomien sind inzwischen geschlossen, das ist nicht zu beklagen, zumal ich sie wegen vorgenannter Unpässlichkeit heute ohnehin nicht aufgesucht hätte.

Regentropfen in der Inneren Nordstadt
Sonne und Wolken am Rhein

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Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche möglichst ohne Unpässlichkeiten.

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