Woche 31/2022: Kunst kommt von komisch

Montag: »Anti dunkle Augenringe« las mein morgenmüdes Auge während des Zähneputzens auf der Tube eines Pflegeproduktes, das auf der Badablage der Furchenglättung harrt. Augenscheinlich wird es auch in den Marketingabteilungen zunehmend schwieriger, gutes Personal zu finden.

»Siegen ist echt hässlich« hat jemand an einen Lampenpfahl im Rheinauenpark geschrieben. Ob die südwestfälische Stadt gemeint ist oder der Vorgang des Gewinnens ist nicht erkennbar. Über die Schönheit der Stadt erlaube ich mir kein Urteil, da ich erst einmal dort war und sie mir weder als besonders schön noch unschön in Erinnerung geblieben ist. Ein Sieg hingegen kann, je nachdem, wer wen worin geschlagen hat, ganz schön hässlich sein.

Dienstag: Morgens beim Starten des Rechners (manche nennen es „hochfahren“, warum auch immer, so wie andere einen Grill grundsätzlich „anschmeißen“, ich schweife ab) startet auch automatisch Teams. Hier ist es wichtig, als erstes das grüne Häkchen gegen den roten Punkt zu ersetzen, denn grün zieht, wie Licht das Ungeziefer, Leute an.

Manchmal, ganz selten, heute Abend etwa, hätte ich größte Lust auf dieses „Ich geh mal Zigaretten holen“. Geht aber nicht, da ich seit drei Jahren nicht mehr rauche. Stattdessen holte ich Pizza und lieferte sie selbstverständlich ordnungsgemäß zu Hause ab.

Mittwoch: »Der Klimawandel könnte nach Ansicht von Experten im schlimmsten Fall zum Aussterben der Menschheit führen«, steht in der Zeitung. Was genau wäre daran so schlimm?

Nach dem Mittagessen hielt mich Hitze nicht von einem Spaziergang durch den Rheinauenpark ab, wo sich der Teich langsam wieder füllt.

Die ersten Gänse nehmen es dankbar zur Kenntnis.

»Ob ich das heute auch noch kann, muss ich mal ausprobieren, er liegt noch hinter mir im Regal.« So endete neulich mein Rückblick auf Achtzigerjahre, gemeint war der Zauberwürfel. Ich kam bislang noch nicht dazu, man hat ja ständig den Kopf voll mit unwichtigen anderen Dingen. Gestern erkundigte sich Thomas nach dem Stand, woraufhin ich mir den Würfen vornahm und ihn gründlich verdrehte. Nach zwei Anläufe war er wieder farbenrein. Manches verlernt man einfach nicht, und wenn es noch so unnütz ist. Wobei ich das Vorgehen nicht verbal beschreiben könnte, nur die groben Schritte: 1) Seitensteine der ersten Ebene positionieren und gegebenenfalls drehen, dann 2) die Ecksteine der ersten Ebene, 3) Seitensteine der mittleren Ebene, 4) Seitensteine und 5) Ecksteine der dritten Ebene. Wie man aber beispielsweise einen Eckstein der dritten Ebene umpositioniert oder dreht, kann ich zwar mit dem Würfel in der Hand tun, theoretisch beschreiben jedoch nicht. Wer es wissen möchte, findet es hier.

Danke der Nachfrage.

Donnerstag: In der Kantine gab es Sonnenblumenkern-Schnitzel vom Schweinerücken. Die zunächst vegane Anmutung bezog sich nur auf die Panade und hat nicht weiter gestört.

Mitschrift aus einer ansonsten in deutscher Sprache abgehaltenen Besprechung: „… damit wir on the same page sind … gehen wir straight forward … betrachten das out of the box … müssen zunächst den impact framen … Vielen Dank, challenge accepted.“ Manchmal glaube ich, die machen das nur, um mir Blognahrung zu geben.

Ansonsten war es wieder ein heißer Tag. Wie lange noch wird man Sonnenschein mit Wärme als „schönes Wetter“ bezeichnen?

Freitag: Gestern Abend gewitterte es, zunächst draußen leicht, später drinnen etwas heftiger. Dadurch war es heute nicht mehr so heiß, mittags fand ich es geradezu kühl, was bei meiner übersensibel eingestellten Gänsehautsteuerung aber nicht viel heißt. Auch die häusliche Stimmung war wieder entspannt; machmal hilft so ein Donnergrollen.

Aufgrund der angenehmen Temperatur lief ich abends eine Runde am Rhein entlang. Beziehungsweise an dem, was davon zur Zeit noch übrig ist.

Der Tag klang aus in der Weinbar des Vertrauens, wo gelacht wurde, als Frau Wirtin sich selbst als „Flaschenputtel“ bezeichnete.

Samstag: Ein Tag voller Annehmlichkeiten, Begegnungen und Getränke ohne nennenswerte Blogabilitäten. Und ein achter Jahrestag. Manchmal staunt man, wie schnell die Zeit vergeht und wie lange schon etwas funktioniert.

Sonntag: Morgens, als ich noch im Tuche lag, machte das Datengerät den Ton, den es immer macht, wenn sich der Status der Corona-Warn-App ändert. In diesem Fall von rot auf grün; die rote Meldung war, wenig verwunderlich, nach dem Besuch des Rolling-Stones-Konzert in der vergangenen Woche gekommen. Mittlerweile nehme ich diese Statusmeldungen, auch die bösen von grün auf rot, nur noch schulterzuckend zur Kenntnis, ehe es demnächst vielleicht wieder losgeht. (Der Ton ist übrigens derselbe, wie wenn mir bei Twitter jemand ein Herzchen schenken, jemand Neues folgen oder mich erwähnen würde. Aufgrund stark reduzierter Twitteraktivität und mangels Gefolge kommt das nicht mehr vor. Das ist nicht schlimm.)

„Man muss für sich herausfinden, was für einen gut ist“, hörte ich im Schankgarten einer Südstadt-Gaststätte, wo ich beim Sonntagsspaziergang kurz Einkehr hielt, jemanden sagen. Ein wahrer und wichtiger Satz; auf meiner persönlichen Liste des Gutseienden stehen Spaziergänge mit Einkehr ziemlich weit oben.

Ansonsten gesehen:

Kunst kommt von komisch
Eher zweifelhafter Humor in der Südstadt

Diese mittlerweile zahlreicher Städter Häupter bedeckenden Anglerhüte halte ich übrigens für einen modischen Irrtum.

Bin ich der einzige, der diese mit Fingern geformte Herzchengeste hochgradig dämlich findet?

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Ich wünsche Ihnen eine angenehme neue Woche, kommen Sie gut durch das schöne Wetter.

4 Gedanken zu “Woche 31/2022: Kunst kommt von komisch

  1. evawso August 8, 2022 / 08:14

    Lieber stancerbn,

    ich liebe deine Blogs am Montagmorgen; leider hindert mich firefox oder wer auch immer regelmäßig daran, ein gefällt mir zu hinterlassen. Und leider klappt das auch mit dem Kommentarkasten nicht. Wenn ich mich also nicht öfter bedanke, liegt es daran

    Ich wünsche dir einen guten Start in die neue Woche, in der ich hoffentlich wieder einmal Zeit finde zu bloggen. LG

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  2. nea56 August 8, 2022 / 08:28

    Ich bin wieder sowas von begeistert. Das könnte zur Gewohnheit werden…

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