Montag: Alles Gute kommt von oben, auch und gerade zu Pfingsten. Heute bin ich zweimal nass geworden: Das erst Mal beim Frühstück auf dem Balkon; mein Vorschlag, es nach innen zu verlagern, wurde mit der Begründung „Das hört gleich auf“ abgelehnt.

Das zweite Mal, als ich ohne Schirm den Gang zum Altglascontainer mit einem längeren Spaziergang verband. Ich weiß, an Feiertagen soll man nichts in Altglascontainer werfen, jedoch ließ genussförderndes Treiben über das Pfingstwochenende den Gang heute unausweichlich erscheinen.
Den weiteren Nachmittag verbrachte ich schreibend auf dem Balkon, wo ich nur knapp einem feigen Anschlag von oben entging.

Dienstag: Wenn der Montag auf einen Dienstag fällt, ist die Arbeitsunlust oft besonders ausgeprägt.
„Schon gechattet, geteilt oder geliked?“, fragt eine werksinterne, mich duzende Seite. Ich bin zu alt für solchen Quatsch.
Ziemlich unerträglich finde ich auch diese gestellten Meeting-Fotos, zumeist in werblichen Zusammenhängen. Die Runde besteht zumeist aus einem jungen Mann mit Dreitagebart, einer mittelalten Frau mit strenger Pferdezopffrisur, einem grauhaarigen Mann im Anzug, einer Asiatin im Kostüm und einem Dunkelhäutigen im Polohemd. Entweder schauen alle auf ein Flipchart, an dem einer von ihnen eine wirre Grafik mit ansteigender Kurve präsentiert, oder sie schauen gemeinsam auf den Monitor eines aufgeklappten Rechners, auf den jemand zeigt. Das Unerträgliche daran ist dieses künstliche, zähnefletschende Plakatgrinsen, das sie alle aufgesetzt haben. Haben Sie jemals eine derartige Besprechungssituation erlebt? Ich wüsste gar nicht, wie ich mich da verhalten sollte.
Mittwoch: Eine größere Teams-Besprechung begann, da sich nicht alle kannten, mit einer Vorstellungsrunde. Die mir bis dahin unbekannte Einladerin eröffnete die Runde mit der Einladung „gerne per du“, der sich im Folgenden, vielleicht aus Überzeugung, vielleicht wegen Gruppenzwang, alle anschlossen. Bis auf einen. Sie ahnen vielleicht, wer. Es widerstrebt mir zunehmend, mich im beruflichen Umfeld mit Leuten zu duzen, mit denen ich zuvor nichts zu tun hatte, da bin ich altmodisch.
(Auch hier im Blog sieze ich die Leser konsequent, was allerdings als reines Kunstsiezen aus stilistischen Erwägungen zu verstehen ist, gleichsam das umgekehrte Äquivalent zum Seminar-Du. Sie dürfen mich gerne duzen, wenn es sein muss.)
Apropos altmodisch: Für wie bemerkenswert-originell halten sich eigentlich Leute, die Dinge als „Mainstream“ bezeichnen? Dies fragte ich mich beim abendlichen Bloglesen.
»Es sind immer auch die äußeren Umstände, die darüber entscheiden, ob jemand als normal gilt oder nicht«, schrieb Jörg Scheller in der aktuellen PSYCHOLOGIE HEUTE.
Donnerstag: Morgens wachte ich bereits gegen fünf auf und schlief nicht wieder ein. Kurz darauf setzte stärkerer Regen ein, dem zu lauschen sehr schön war. Er hörte rechtzeitig wieder auf, daher konnte später der Weg ins Werk und noch später wieder zurück trockenen Fußes erfolgen. Das war auch schön.


Wie mir nachmittags das Fensterchen auf dem Bildschirm unten rechts anzeigte, versuchte einer, mich in eine laufende Teams-Besprechung zu holen. Neben der gestern beklagten Duznötigung empfinde ich es als ungehörig, jemanden ungefragt in eine diskutierende Runde zu ziehen und dann von ihm unvorbereitet Rede und Antwort zu erwarten. Denken Sie sich daher ein virtuelles Stinkefingerchen, während ich die Benachrichtigung zur Kenntnis nahm; selbstverständlich schlug ich die Einladung aus und widmete mich weiter der Lektüre des Pressespiegels.
Freitag: Heute wird ein allgegenwärtiger Designklassiker fünfzig Jahre alt: Herzlichen Glückwunsch, Monobloc-Stuhl!





Vermutlich wird es ihn auch noch in fünfzig Jahren geben, falls dann noch Sitzbedarf besteht.
Von der heutigen Wikipedia-Startseite über den Niedergang Grönländische Siedler vor etwa fünfhundert Jahren: »Wahrscheinlich ist aus heutiger Sicht eine Kombination verschiedener ungünstiger Faktoren, deren Zusammenwirken die damalige Gesellschaft so destabilisierte, dass ihr Überleben nach dem 15. Jahrhundert nicht mehr gesichert war.« Wer weiß, vielleicht trifft das dereinst auch für unsere Zivilisation zu. Nur der Monobloc-Stuhl wird überleben, mindestens als Mikroplastik in den Weltmeeren.
„Ich wünsche dir einen Urlaub“, schrieb der Kollege. Prägnanz durch Auslassung.
Samstag: Erster Urlaubstag. Am frühen Abend erreichten wir Beaune, unser Zwischenziel, und widmen uns auf der Hotelterrasse dem ersten Bier. Morgen fahren wir weiter nach Lyon, wo wir mit vielen anderen alten Leuten an Bord gehen werden, um eine Woche lang auf der Rhone zu kreuzen. Ich erhoffe mir dabei weitgehende Untätigkeit.
Sonntag: Es ist nicht zu übersehen – auch ich werde älter, somit vergesslicher. Heute vergaß ich im Hotel in Beaune vor Abreise meinen Kulturbeutel einzupacken. (Wer hat sich eigentlich dieses wunderbare Wort ausgedacht? Andererseits, wie sollte man es sonst nennen? Zahnbürstentasche?) Ansonsten verlief alles bestens, am Nachmittag erreichten wir mit einem Schlenker über Autun, augenscheinlich eine sehr schöne Stadt, Lyon, wo unser Schiff schon bereit stand und am Abend nach Redaktionsschluss mit Weinbegleitung ablegen wird. Einzelheiten folgen.
***
Auch Ihnen eine angenehme Woche, ob im Urlaub oder nicht.
Das Wort „Kulturbeutel“ liebe ich auch. Im Outdoorshop, den unsereins noch Sportgeschäft zu nennen pflegt, heißt das mittlerweile „Washbag“ (bäh!).
Wünsche Ihnen gutes Kreuzen mit vielen Untätigkeiten (statt Unflätigkeiten) und ordentlich Müßiggang (statt Wellengang).
Herzliche Grüße,
Ihre N.
LikeGefällt 1 Person
Vielen Dank, der heutige Tag verlief schon angenehm untätig. Auch Ihnen vergleichbare Annehmlichkeiten in Badgastein!
Herzliche Grüße vom Sonnendeck
C.
LikeGefällt 1 Person
Das freut mich zu hören. Nach Wahrnehmen eines offiziellen Termins zur Mittagszeit bin ich seither bemüht, es Ihnen gleichzutun.
Grüße Sie aus dem Liegestuhl mit Bergblick herzlich zurück!
LikeGefällt 1 Person