Montag: Schlecht geschlafen in der vergangenen Nacht mit vielen Unterbrechungen und Wachphasen. Immerhin: Soweit ich mich erinnere, setzte sich der Traum, oder zumindest Elemente daraus, nach jedem Einschlafen fort. Dennoch war am Morgen nach dem Aufstehen jede Erinnerung an den Inhalt verflogen.
Werksgedanken: Gerade am ersten Arbeitstag nach zwei Wochen vergnüglicher Muße erscheint dieses Prinzip „Arbeiten um zu leben“ zunehmend zweifelhaft. Viel mehr gibt es zum heutigen Tag nicht anzumerken, keine nennenswerten Imponderabilien im Mailpostfach, immerhin. Da auch am Abend nichts zu Verpassendes anstand, ging ich früh zu Bett.
Dienstag: Was die Tageslaune heute nur unwesentlich hob. Kennen Sie das, wenn Sie nichts hören, noch viel weniger sprechen möchten, einfach fast alles nur nervt? So ein Tag war heute. Mittags ein Lichtblick in Form von Käsespätzle mit Röstzwiebeln an Froschlaich am Froschteich hinter dem Mutterhaus, leider nur von kurzer Dauer; bereits um zwölf Uhr war ich eingeladen zum nächsten Hören und (zum Glück nur wenig) Sprechen.
Letzter Arbeitstag einer sehr geschätzten Kollegin vor ihrem halbjährigen „Sabbatical“, wer auch immer auf dieses grandiose Wort gekommen sein mag. Sie dürfen gerne raten, wer für diese Zeit in ihrer Mail-Abwesenheitsnachricht als Ansprechpartner angegeben ist.
Immerhin: Durch das Ausscheiden der deutschen Mannschaft gegen England bei der Fußball-Europameisterschaft herrschte abends auf den Straßen erfreuliche Ruhe.
Mittwoch: Heute endet die sogenannte „Bundesnotbremse“, somit auch die grundsätzliche Pflicht zur Heimarbeit, wenn es die Tätigkeit erlaubt. Ich habe die ganze Zeit nur zweimal zu Hause gearbeitet, obwohl auch bei mir Heimarbeit ohne Weiteres möglich wäre. Weil ich es nicht will und nicht muss, dafür bin ich meinem Chef sehr dankbar. Was ich nicht verstehe: Wenn Leute sagen, zu Hause würden sie viel mehr und länger arbeiten als im Büro. Warum tun sie das? Was ist so schwer daran, zur gegeben Zeit Feierabend zu machen und den Rechner am Wochenende ruhen zu lassen?
Seit etwa zwei Tagen habe ich raue Lippen. (Noch immer erscheint es mir gewöhnungsbedürftig, „rau“ statt „rauh“ zu schreiben und lesen, ähnlich ergeht es mir mit „Fantasie“. Nicht so hingegen bei „Delfin“ und „dass“.) Der Grund der Rauh(h)eit bleibt im Dunkel – keinesfalls habe ich mir den Mund fusselig geredet. Siehe auch den Eintrag von gestern.
Von Rechtschreib- zu einer anderen Reform: Die Bonner Stadtverwaltung hat ihren Mitarbeitern den Gebrauch gendergerechter Sprache verordnet. Dazu kommentiert der General-Anzeiger: „Eine liberale und tolerante Geisteshaltung zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie abweichende Sichtweisen, Standpunkte – und eben auch eine andere Wortwahl – bis zur Grenze des Erträglichen akzeptiert. […] Allein die Möglichkeit, sich für bestimmte Formulierungen rechtfertigen zu müssen, baut auf subtile Weise genug moralisierenden Druck auf, um ein Klima des Misstrauens zu erzeugen.“ – Das kann man natürlich völlig anders sehen („Sprache erzeugt Wirklichkeit“ und so weiter), muss man aber nicht. Jedenfalls freue ich mich schon auf die Leserbriefe dazu.
„Wir haben da kein Hick up“ hörte ich in einer Besprechung und bekam spontan einen Schluckauf.
Donnerstag: Heute vor fünfundzwanzig Jahren wurde die Rechtschreibreform beschlossen. Ein Vierteljahrhundert Delfine mit rauer Fantasie.
Abends wurde mir aufgetragen, auf dem Heimweg Brötchen mitzubringen. Kurz bevor ich in der Bäckerei an der Reihe (warum schreibt man nicht „Reie“?) war, bemerkte ich, dass sich der Reißverschluss der Regenjacke im Futter festgefahren hatte. Um an das Portmonee (bis zum 30.6.1996: Portemonnaie) zu gelangen, das sich in der ebenfalls mit einem Reißverschluss verschlossenen Innentasche der inneren Jacke befand, waren einige mit unausgesprochenen Flüchen verbundene ungelenke Verrenkungen erforderlich. Das muss ziemlich lustig ausgesehen haben.
Freitag: Die ersten Leserbriefe zur städtischen Genderverordnung, acht an der Zahl, davon immerhin einer von einer Leserin, die da schreibt: »Als Frau fühle ich mich mit Gendersternchen als „innen-Anhängsel“ mehr diskriminiert als mit dem generischen Maskulinum.«
Wie ich ansonsten aus sicherer Quelle weiß, bin ich nicht der einzige, der sich darüber freut, dass schon wieder Freitag ist.
Samstag: Erstmals hörte ich das Wort „Kreuzimpfung“, das zu blasphemischen Betrachtungen anregt. Leider blieb ich diesbezüglich von der Muse ungeküsst, daher belasse ich es dabei.
Sonntag: In der Sonntagszeitung las ich das Wort „Arbeitnehmende“ als genderkorrekte Bezeichnung für Lohnsklaven. Das überzeugt mich genauso wenig wie die Ausgangsform „Arbeitnehmer“, da es ebenso uneindeutig bleibt – Wer „nimmt“ (beziehungsweise „gibt“) die Arbeit: wer sie ausführt oder wer dafür bezahlt?
Ich wünsche Ihnen eine angenehme, nicht allzu arbeitsreiche Woche – ob gegeben oder genommen.
Herzlichen Dank (mal wieder), lieber C., für diesen Start in die Woche!
Am liebsten würde ich zu jedem Ihrer Tagesnotate eine Anmerkung machen, was aber – nicht nur texträumlich betrachtet – zu weit führen würde.
Daher „nur“ Folgendes: Mir geht es wie Ihnen, den „Delfin“ bekomme ich relativ geschmeidig hin (nur auf Papier, nicht im Wasser), aber bei der „Fantasie“ sträubt sich immer noch was in mir (mit phorangestelltem „ph“ erscheint sie mir einfach näher am Wortinhalt) , ebenso bei „rau“ (hier hat mir allerdings meine Hundedame geholfen, die ja ein Rauhaardackel ist und dank des haarigen Verbindungs-Hs, hab ich mich über die Jahre irgendwie an rau ohne „h“ gewöhnt).
Hinsichtlich der „Kreuzimpfungen“ hatte ich letzte Woche ähnliche Gedanken wie Sie, die wurden aber gestern schlagartig verdrängt, als ich beim alle 3 Wochen stattfindenden Wohnungsputz (der größere! – selbstverständlich wird hier nicht nur alle 3 Wochen dem Staub der Garaus gemacht) Radio hörte und dort erstmals dem „Impfschwänzer“ begegnete (spontane Tierassoziation, skorpionähnlich, jedenfalls irgendein Schalentier – und was sehen Sie?).
Nach fast einer Woche Österreich sind meine Sinne eh grad gut geschärft für sprachliche Finessen und die wildesten Fantasien dazu.
Haben Sie eine schöne Woche, mit möglichst viel Ruhe und wenigen Hick ups,
Ihre N.
PS: Sollten Sie 8,95€ Ihres Arbeiten-um-zu-Leben-Salärs entbehren und in die Pflege investieren wollen, empfehle ich Ihnen das Eucerin Lip Balm (es lebe der Anglizismus, selbst im kleinsten Tübchen), das wird Ihnen helfen, mit einer Rauheit weniger umgehen zu müssen.
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Liebe N, ich danke Ihnen herzlich für diesen Kommentar! Insbesondere Ihre Auslegung des Wortes „Impfschwänzer“ ließ mich heute immer wieder grinsen, und ich gehe davon aus, das hält noch längere Zeit an.
Für die Lippen brachte inzwischen ein Produkt aus dem Hause WELEDA Linderung, dennoch vielen Dank für den Tipp.
Auch Ihnen eine angenehme Woche
Ihr C
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